[1]
A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 91
: Aber das Umfassende, was die Sprache[1] durch dies Merkmal [Verknüpfung von Wörtern zu Sätzen] erhält, und das Bestimmte, zeigt schon von einem hohen Grade der Ausbildung des Verstandes. Es sind nicht mehr einzelne Vorstellungen, sondern mehrere; nicht bloß mehrere, sondern auch die mannichfaltigsten Verhältnisse, in denen sie erscheinen. Hiebei also zeigt sich zuerst, daß die Sprache[1] ein progreßives Ganze sei. ➢ Volltext
[2]
Novalis, Blüthenstaub (1798), 85, Nr. 54
: Je verworrener ein Mensch ist, man nennt die Verworrenen oft Dummköpfe, desto mehr kann durch fleißiges Selbststudium aus ihm werden; dahingegen die geordneten Köpfe trachten müssen, wahre Gelehrte, gründliche Encyklopädisten zu werden. Die Verworrnen haben im Anfang mit mächtigen Hindernissen zu kämpfen, sie dringen nur langsam ein, sie lernen mit Mühe arbeiten: dann aber sind sie auch Herrn und Meister auf immer. Der Geordnete kommt geschwind hinein, aber auch geschwind heraus. Er erreicht bald die zweyte Stufe; aber da bleibt er auch gewöhnlich stehn. Ihm werden die letzten Schritte beschwerlich, und selten kann er es über sich gewinnen, schon bey einem gewissen Grade von Meisterschaft sich wieder in den Zustand eines Anfängers zu versetzen. Verworrenheit deutet auf Überfluß an Kraft und Vermögen, aber mangelhafte Verhältnisse; Bestimmtheit, auf richtige Verhältnisse, aber sparsames Vermögen und Kraft. Daher ist der Verworrne so progressiv, so perfektibel, dahingegen der Ordentliche so früh als Philister aufhört.
[3]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 109
: Moderne Dichtarten
[...] sind mehr progressiv
und ihr Wesen ist nicht wie bei den klassischen Dichtarten darauf berechnet, den höchsten Gipfel zu erreichen.
[4]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 94, Nr. 106
: Sollte es nicht ein Dichtungswerk geben können das zugleich Roman
und classisch[e]
Komödie
wäre, [...] in Geist und Buchstabe classisch und doch universell und progressiv
?
[5]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 102, Nr. 208
: Die class.[ische] π [Poesie], die Naturπ[poesie], die sentim.[entale] π [Poesie] [...] annihiliren s.[ich] selbst. Die progressive
vereinigt alle, vernichtet s.[ich] selbst immer, setzt s.[ich] aber auch immer wieder.
[6]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 81, Nr. 618
: Jede der classificirten Wissenschaften – Logik, Ethik, Poetik, Politik, Historie – behauptet ihre Rechte (und Individ.[ualität]), wiewohl jede dieser W[issenschaften], progreßiv behandelt, universell ist und also alle übrigen umfaßt.
[7]
A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 76
: Da [...] die Sprache[1] [...] ein progreßives Ganze ist, welches immer aus der Nothwendigkeit der Mittheilung gebraucht, und so unvermerkt verändert wird; und da [...] dasselbe Ding sich nicht nur mehreren Sinnen[4], sondern auch einem Sinne[4] sich von verschiedenen Seiten offenbart: so begründet sich hierdurch [...] wesentlich ein Unterschied in der Wortbildung, und die Möglichkeit mehrerer Sprachen[3] läßt sich begreifen. ➢ Volltext.
[8]
W. v. Humboldt, an Schiller (13. 2. 1796), NA 36.1, 123
: Das eigentliche höchste Ideal, das sich aber allein nach seinen Bedingungen denken, auf keine Weise anschaulich machen läßt, wäre für das Moralische die höchste, oder vielmehr die absolute Wirksamkeit aller Kräfte in ihrer absoluten Harmonie. Ebenso für das ästhetische das absolute Untergehen der Materie in der Form, oder vielmehr die absolute Verschmelzung beider in einander. | 〈123〉 Dieß wirklich zu erreichen ist schon und vorzüglich darum unmöglich, weil es uns unmöglich ist vollkommnes Gleichgewicht mit der höchsten Kraft zu verbinden. Soll die letzte vorhanden seyn, so müssen wir immer in der Schönheit, wie in der Moralität einseitig seyn, wir müssen aber nur eine Einseitigkeit wählen, welche indem sie sich durch sich selbst bis ins Unendliche hin vermindert, sich immer mehr der Allgemeinheit nähert. Bei Charakteren, die einer progressiven Vervollkommung fähig sind, ist dieß leicht zu begreifen. Aber es findet auch in Kunstwerken Statt. Das Kunstwerk muß nemlich, durch das was es ist, die Möglichkeit einer solchen Progression andeuten, und die Phantasie des Betrachters nöthigen, in sich, diesen Weg gleichsam im Voraus zu durchlaufen. Auf diese Weise erhält man Formen, die man Ideale der Mannigfaltigkeit, der Individualität, so wie jenes das Ideal der allgemeinen Vollendung nennen könnte. Freilich aber sind sie nur in Rücksicht auf die zufällige und beschränkte Wirklichkeit der Individuen, nicht aber auch in Rücksicht auf die nothwendige Beschaffenheit der Idee – Ideale zu nennen. .
[9]
Schelling, Philos. d. Erf. (1798), SW I, 1, 470
: Was nicht progressiv ist, ist kein Objekt der Geschichte[4]. | Der Begriff[1] von progressiv aber muß genauer bestimmt werden. Der Mechanismus z. B. ist, obgleich eine Folge von Handlungen in ihm stattfindet, nicht progressiv, weil diese Handlungen im Kreise gehen, wo dann jeder solcher Cyklus von Handlungen nur Einer (immer wiederholten) Handlung gleichgerechnet werden kann. – So gibt es aus demselben Grunde auch keine Geschichte[1] der Thiere[1], als nur im uneigentlichsten Sinn. Erstens keine Geschichte[1] des einzelnen Thiers[1] (als solchen). Denn es ist eingeschlossen in einem Cirkel von Handlungen, über den es nie hinaustritt; was es ist, ist es auf immer, was es seyn wird, ist ihm durch Gesetze eines höhern zwar, aber doch unverbrüchlichen, Mechanismus vorgezeichnet. Dem Menschen[1] aber ist seine Geschichte[1] nicht vorgezeichnet, er kann und soll seine Geschichte[1] sich selbst machen; denn das eben ist der Charakter[1] des Menschen[1], daß seine Geschichte[1], obgleich sie in praktischer Hinsicht planmäßig seyn soll, doch (eben deßwegen) in theoretischer Rücksicht es nicht seyn kann. – Analogisch nur spricht man von einer Geschichte[1] solcher Thiere[1], in denen 〈471〉 Kunsttrieb ist, z. B. von einer Geschichte[1] des Bibers, der Bienen u. s. w., weil man an ihrer produktiven Arbeitsamkeit ein Analogon von Freiheit[10] wahrzunehmen glaubt, obgleich auch das Täuschung ist, weil, wenn wir den innern Mechanismus der organischen[2] Kräfte eines solchen Thiers[1] einsehen könnten, alle Zufälligkeit jener Produkte verschwinden würde – (vom Gedicht, das auf ächt poetische[4] Art entstanden ist, muß keine Geschichte[1] möglich seyn). .
[10]
Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 431
: Wenn sich nun etwa zeigen sollte, daß alles Produciren der Intelligenz auf dem Widerspruch zwischen der unbegrenzbaren ideellen und der gehemmten reellen Thätigkeit beruht, so wird das Produciren so unendlich seyn als jener Widerspruch selbst, und zugleich mit der ideellen in der Produktion mitbegrenzten Thätigkeit ist ein progressives Princip in die Produktion gesetzt. Alles Produciren ist ein endliches für den Moment, aber was auch durch dieses Produciren zu Stande kommt, wird die Bedingung eines neuen Widerspruchs geben, der in ein neues Produciren übergehen wird, und so ohne Zweifel ins Unendliche..
[11]
Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 421
: Daß im Begriff[1] der Geschichte[1] der Begriff[1] einer unendlichen Progressivität liege, ist in dem vorhergehenden hinlänglich bewiesen..
[12]
Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 589
: Es erhellt nun aber aus dieser Deduktion des Begriffs[1] der Geschichte von selbst, daß ebensowenig eine absolut gesetzlose Reihe von Begebenheiten als eine absolut gesetzmäßige den Namen der Geschichte verdiene; es erhellt daraus: | a) daß das Progressive, was in jeder Geschichte gedacht wird, keine Gesetzmäßigkeit von der Art verstatte, durch welche die freie Thätigkeit auf eine bestimmte, immer in sich selbst zurückkehrende Succession von Handlungen eingeschränkt ist; | b) daß überhaupt alles, was nach einem bestimmten Mechanismus erfolgt, oder seine Theorie a priori hat, gar nicht Objekt der Geschichte sei. Theorie und Geschichte sind völlig Entgegengesetzte..
[13]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!
1801–02), KAV 1, 205
: Nun haben wir bey den Betrachtungen über die Kunstgeschichte gesehen, daß sich die äußere Gestaltung der Kunst allerdings nach den verschiednen Zeitaltern modifizirt, daß das Wesen des wahren Schönen in allen Zeiten dasselbe ist, daß aber seine Erscheinung in Kunstwerken immer an Klarheit und Vollendung gewinnen kann, woraus wir die Möglichkeit und die Foderung eines unendlichen Fortschrittes ableiteten. Eben die Veränderlichkeit der Mode weiset also auf diesen großen Gedanken hin, daß der Menschliche Geist nie stille stehen darf. Allein sie thut es auf eine trügliche und sich selbst wieder aufhebende Art. Nämlich die Zeit ist nicht eine wahrhaft andre geworden, es ist nichts in ihr verändert, als das, was die Mode selbst angeht; deswegen findet auch kein wahrer Fortschritt in ihr Statt (wenigstens ist er zufällig) und sie dreht sich in einem ewigen Kreise herum..
[14]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 461 f. (462)
: Weit reiner [findet sich die Scheidung der Dichtarten] in der antiken[2] Poesie[11], weswegen diese vorzugsweise als Kunst[9] 〈462〉 und classisch[5] erscheint. In der romantischen[12/4] Poesie[11] eine unauflösliche Mischung aller poetischen[4] Elemente. Daher daß man sie verkennt. Die eigentlichen Originalwerke der Neueren[3] ganz übersehen, die schlechten Nachahmungen der Alten[10] als das Wichtigste gepriesen. Keinen Sinn[5] für das Chaos. 〈Auch das Universum bleibt der höhern Ansicht immer noch Chaos.〉 Das Streben nach dem Unendlichen ist in der Romantischen[12/4/11] Poesie[11] nicht bloß im einzelnen Kunstwerke[3] ausgedrückt, sondern im ganzen Gange der Kunst[3]. Gränzenlose Progressivität..
[15]
F. Schlegel, Schönh. i. d. Dichtk. III (*1795), KFSA 16, 11, Nr. 36
: Die reine Aesthetik hat es vorzüglich mit den unterscheidenden Merkmahlen des Schönen zu thun. [...] Ferner muß die reine Aesthetik handeln von den Theilen des Schönen. Drittens von der Harmonie des Schönen, oder dem höchsten Schönen. | I) von den Mitteln und unterscheidenden Merkmahlen des Schönen | II) von den Theilen des Schönen | III) von der Harmonie des Inhalts und der Medien des Schönen, seines Wesens und seiner [Attribute] oder von dem höchsten Schönen, dem Absoluten, im Gegensatz des Progreßiven[.].
[16]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 85, Nr. 2
: Nur durch absolute Progressivität (Streben nach dem Unendlichen) wird das Sentimentale[1] sentimental[5] und aesthetisch interessant[1]. Sonst ist es bloß psychologisch d. h. physisch interessant[1] oder moralisch als Theil einer würdigen Individualität..
[17]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 91, Nr. 65
: Als Vorübung zur Rom[antischen][1] π [Poesie][1] außer der Sat[irischen], auch Idyll[ische] und die μιμ [mimische] vorzügl[ich]. – Die Satire ist sehr empfänglich für Aeußerung der sittlich[en], wissenschaftl[ichen], gesellschaftl[ichen], bürgerl.[ichen] Bildung[5]. – Das arabische, romantische[2/7], absolut Wunderbare auch eine Vorübung zum Roman[1]. 〈Alle 〈91〉 Dichtart[en], die drei alten[10] classisch[en][5] ausgenommen. Diese Bestandtheile dann zu einer progressiven Einheit verknüpft.〉.
[18]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 93, Nr. 96
: Die Geschichte[1] der progressiven[5/3] Poesie[1] ließe s.[ich] erst dann vollständig a priori construiren, wenn sie vollendet wäre; bis jetzt kann man nur Bestätigung der progress.[iven][3] Idee in d[er] Gesch[ichte][1] d.[er] mod[ernen][1] π [Poesie][1] aufzeigen, und Vermuthung[en] daraus folgern..
[19]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 97, Nr. 150
: Die class.[ische][5/7] π [Poesie][11] hat sich historisch selbst annihilirt; die sentimentale des Sh.[akspeare] annihilirt sich gleichfalls selbst total. Nur die progressive[3/6?] nicht; d. h. sie selbstvernichtet sich wohl oft, aber selbstschafft sich auch gleich wieder..
[20]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 104, Nr. 230
: Kann es 〈wohl〉 progressive[3; 6?] Musik[1] geben, oder ist diese eine rein sentimentale[2; 6?] Kunst[2], wie die Plastik eine classische[5/6; 7?], die Poesie[1] eine progressive[3; 6?]?.
[21]
F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 71, Nr. 112
: Herders Liebe für die Alten[10] ist wohl mehr Interesse für Cultur[7] überhaupt, sie mag progressiv[3/5] oder klassisch[3/5/7] oder selbst barbarisch oder auch ganz kindisch seyn..
[22]
F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 72 f. (73), Nr. 131
: Die klass.[ischen][7] Metra können absolut nicht nachgemacht werden in den progr.[essiven][5] Sprachen[3]. – In den Neuern[3] hat die Stammsilbe oft forte und im Maaß vertritt s.[ie] die Länge, und eine andere hat die Höhe, den Akzent. Wir zählen 〈73〉 auch im Sprechen die Sylben; die Engl.[änder] schmeißen sie hastig hin. Südl.[iche] und klass.[ische][7] Nazionen[1] mahlen sie ruhig, lassen jedem Klang s.[ein] Recht widerfahren. Hievon liegt der Grund gewiß sehr tief. 〈[...] Das klassische[7/5] Sprechen ist gleichsam ein ruhiges um s.[einer] selbst willen. Das Progr.[essive][5/3] eilt nach einem Ziel.〉.
[23]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 24, Nr. 66
: Verworrenheit, Ungeschick, Inconsequenz [...], Fehler der progreßiven[3/5] Menschen[1]. 〈Vornehm = Classisch[7].〉 Ohne Classizität werden progreßive[3] Menschen[1] regreßiv. 〈Unser ganzes Zeitalter auch ein progreßiver[3] Mensch[1]; daher dieselbe Toleranz nöthig. –〉 Da liegt die Deduction der φλ [Philologie], die Nothwendigkeit d[es] Studiums d[er] Alten[10]..
[24]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 56, Nr. 367
: Der Christianismus läßt s.[ich] weder lehren noch lernen, es wäre Unsinn ihn beweisen zu wollen. Er ist progr.[essive][3/5] η [Ethik] im Großen. War der Muhamed.[anismus] viell[eicht] eine Stufe der progr[essiven][3/5] Relig.[ion][1] die man nicht hinlängl[ich] genutzt hat?.
[25]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 80, Nr. 609
: Jeder φ [Philosoph] hat, muß einen [...] Punkt haben. [...] Ein progreßiver φ [Philosoph] kann mehr als einen solchen Punkt haben, succeßive. [...] Jeder φ [Philosoph] hat andre veranlaßende Punkte [...]..
[26]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 81, Nr. 620
: Daß die Dialektik bei d[en] Scholastikern als d[er] wichtigste Theil d[er] φ [Philosophie] angesehen ward, [ist] schon ein tiefliegender Beweiß von Bildung[5] und ein Anfang von progreßiver φσ [Philosophie]..
[27]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 87, Nr. 693
: Die Frau ist ein klassisches und klassicisirendes Wesen; der Mann ein progr[essives]
. Beide zusammen ein Hist[orisches] σ&upsilonς [System]..
[28]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797), KFSA 18, 92, Nr. 751
: Im Vergleich mit d[em] Ganzen ist d[as] Einzelne immer nur classisch, das Ganze aber progreßiv
..
[29]
F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 128
: Die Kunst ist unendlich perfektibel und ein absolutes Maximum ist in ihrer steten Entwicklung nicht möglich: aber doch ein bedingtes relatives Maximum, ein unübersteigliches fixes Proximum. Die Aufgabe der Kunst besteht nehmlich aus zweyerlei ganz verschiedenartigen Bestandtheilen: theils aus bestimmten Gesetzen, welche nur ganz erfüllt oder ganz übertreten werden können, und theils aus unersättlichen, unbestimmten Forderungen, wo auch die höchste Gewährung noch einen Zusatz leidet. Jede wirklich gegebne Kraft ist einer Vergrösserung und jede endliche reale Vollkommenheit eines unendlichen Zuwachses fähig. In Verhältnissen aber findet kein Mehr oder Weniger statt; die Gesetzmäßigkeit eines Gegenstandes kann weder vermehrt noch vermindert werden. So sind auch alle wirklichen Bestandtheile der schönen Kunst einzeln eines unendlichen Zuwachses fähig, aber in der Zusammensetzung dieser verschiedenen Bestandtheile giebt es unbedingte Gesetze für die gegenseitigen Verhältnisse. ➢ Volltext.
[30]
F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 180
: Es giebt eine gewisse Art der Ungenügsamkeit, welche ein sichres Kennzeichen der Barbarey ist. So diejenigen, welche nicht zufrieden damit, daß die Griechische[2] Poesie[11] schön[1] sey, ihr einen ganz fremdartigen Maßstab der Würdigung aufdringen, in ihren verworrnen Prätensionen alles Objektive und Subjektive durch einander mischen, und fordern, daß sie interessanter[1] seyn sollte. Allerdings könnte auch das Interessanteste[1] noch interessanter[1] seyn, und die Griechische[2] Poesie[11] macht von diesem allgemeinen Naturgesetz keine Ausnahme. Alle Quanta sind unendlich progressiv, und es wäre wunderbar, wenn unsere Poesie[11] durch die Fortschritte aller vorigen Zeitalter bereichert an Gehalt die Griechische[2] nicht überträfe. ➢ Volltext.
[31]
F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 64 f.
: Interessant[1] nehmlich ist jedes originelle Individuum, welches ein größeres Quantum von intellektuellem Gehalt oder aesthetischer Energie enthält. Ich sagte mit Bedacht: ein größeres. Ein größeres nehmlich als das empfangende Individuum bereits besitzt: denn das Interessante[1] verlangt eine individuelle Empfänglichkeit, ja nicht selten eine momentane Stimmung derselben. Da alle Größen ins Unendliche vermehrt werden können, so ist klar, warum auf diesem Wege nie eine vollständige Befriedigung erreicht werden kann; warum es kein höchstes Interessantes[1] giebt. Unter den verschiedensten For〈65〉men und Richtungen, in allen Graden der Kraft äußert sich in der ganzen Masse der modernen[1/3] Poesie[11] durchgängig dasselbe Bedürfniß nach einer vollständigen Befriedigung, ein gleiches Streben nach einem absoluten Maximum der Kunst. ➢ Volltext.
[32]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1797–98), KFSA 18, 31, Nr. 133
: Fichte’s Gang ist [...] noch zu sehr grade aus, nicht absolut progr.[essiv] cyklisch[.].
[33]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28, Nr. 116
: Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[11] ist eine progressive[3/6] Universalpoesie. [...] 〈29〉 [...] Nur sie kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. Und doch kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frey[1] von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen[4] Reflexion in der Mitte schweben[5], diese Reflexion immer wieder potenziren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen. Sie ist der höchsten und allseitigsten Bildung[2] fähig; [...] indem sie jedem, was ein Ganzes in ihren Produkten seyn soll, alle Theile ähnlich organisirt[6], wodurch ihr die Aussicht auf eine gränzenlos wachsende Klassizität eröffnet wird. [...] Andre Dichtarten sind fertig, und können nun vollständig zergliedert werden. Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet seyn kann. Sie kann durch keine Theo〈30〉rie erschöpft werden, und nur eine divinatorische Kritik[2] dürfte es wagen, ihr Ideal charakterisiren zu wollen. Sie allein ist unendlich, wie sie allein frey[5] ist, und das als ihr erstes Gesetz anerkennt, daß die Willkühr des Dichters kein Gesetz über sich leide. Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Dichtart ist die einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in einem gewissen Sinn[1] ist oder soll alle Poesie[11] romantisch[1/11] seyn. ➢ Volltext.
[34]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 60, Nr. 222
: Der revoluzionäre Wunsch, das Reich Gottes[1] zu realisiren, ist der elastische Punkt der progressiven[3/5] Bildung[2], und der Anfang der modernen[1/3] Geschichte[2]. Was in gar keiner Beziehung auf's Reich Gottes[1] steht ist in ihr nur Nebensache. ➢ Volltext.
[35]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1798), KFSA 18, 50, Nr. 315
: Im Spinosa ist das Verhältniß d[er] Theile nicht bloß abstract, sondern auch organisch[6], aber doch wohl nicht progreßiv..
[36]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. III (*1798), KFSA 18, 124, Nr. 21
: Das Classische[7/3/5] und Progreßive[5/3] paßt nur nach Mehr oder Weniger auf Antik[2] und Modern[1]; relativ, nicht absolut..
[37]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 180 f.
: [Der Goethe'sche Wilhelm Meister] eröffnet eine ganz neue[1] endlose Aussicht auf das, was die höchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen[3/5/6?] und Romantischen[4/6/8/9?]. [...] 〈180〉 [...] Cervantes und Shakspeare [...] sind [...] die einzigen, mit denen Goethe's Universalität eine Vergleichung zuläßt. [...] Nur ist Goethe's Kunst[2] durchaus progressiv[6/3] [...]. | Goethe hat sich [...] zu einer Höhe der Kunst[2] heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie[17] der Alten[10] und der Modernen[1] umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthält. | Der Geist[14], der jetzt rege ist, muß auch diese Richtung nehmen, und so wird es, dürfen wir hoffen, nicht an Naturen[17] fehlen, die fähig seyn werden zu dichten, nach Ideen zu dichten. Wenn sie nach Goethe's Vorbilde in Versuchen und Werken jeder Art unermüdet 〈181〉 nach dem Bessern trachten; wenn sie sich die universelle Tendenz, die progressiven6/3] Maximen dieses Künstlers zu eigen machen, die noch der mannichfaltigsten[1] Anwendung fähig sind; wenn sie wie er das Sichre des Verstandes[2] dem Schimmer des Geistreichen vorziehn: so wird jener Keim nicht verloren gehn, so wird Goethe nicht das Schicksal des Cervantes und des Shakspeare haben können; sondern der Stifter und das Haupt einer neuen[1] Poesie[11] seyn [...]. ➢ Volltext.
[38]
F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. III (1804), 7
: Ob es Ernst sey mit der Polemik und ihr Ursprung lauter, aus tiefer Sehnsucht nach Wahrheit und muthvoller Freiheit[1] des Selbstdenkens entsprungen, oder ob sie nur anscheinend nachgebildet und unächt sey; das wird am besten daraus klar, ob sie irgendwo stille steht. Die wahre Polemik ist unendlich, nach allen Seiten hin unaufhaltsam progressiv; wo unlautre Nebenabsicht mit einfließt, oder nur ein anempfundner Muth die Täuschung der Freiheit[1] verursacht hatte, da tritt früher oder später ein Stillstand ein, und es geschieht was schon so oft geschehen ist; der letzte Zweifel wird als der erste Glaubenssatz geheiligt, gegen den noch weiter zu zweifeln nun wieder [...] und meist noch weit strenger verboten wird..
[39]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. XII (*1806), KFSA 19, 215, Nr. 116
: Der Verstand[8] ist gleichsam in der Mitte zwischen d[er] Wahrheit und d[em] Wissen [...]. [...] In d[er] Mitte zwischen beiden schwebt[5] d[er] Verstand[8], entsteht eben dadurch (eine Art εποχη, aber keine indifferent stillstehende, sondern eine progreßiv thätige [...]).