[1]
B. v. Arnim, Günder. II (1840), 133 f. (134)
: Dein klein Gedicht was Du bei Gelegenheit der Langenweile gemacht [...], für jeden Andern wollt ich es als Gedicht rechnen, aber für Dich nicht, denn Du sprichst darin eine äußere Situation aus, nicht die innere, und ein Gedicht ist doch wohl nur dann lebendig wirkend wenn es das Innerste in lebendiger Gestalt hervortreten macht, je reiner je entschiedner dies innere Leben sich ausspricht je tiefer ist der Eindruck, die Gewalt des Gedichts. Auf 〈134〉 die Gewalt kommt alles an, sie wirft alle Kritik zu Boden und thut das ihre. Was liegt dann dran ob es so gebaut sei wie es die angenommne Kunstverfassung nicht verletze?
[2]
Ditters v. Dittersdorf [Spazier], Lebensbeschr. (1801), 128
: Es [...] ist weltbekannt, daß Kritik – echte, unparteiische Kritik wahrer Kenner – von jeher allen schönen Künsten und Wissenschaften den ergiebigsten Nutzen gebracht hat und immerfort verschaffen wird.
[3]
Herder, Bef. d. Hum. VIII (1796), 162
: Auch die Kritik ist ohne Genius nichts. Nur ein Genie[4] kann das Andre beurtheilen und lehren. Nur der, der selbst Känntnisse hat und Kräfte zeigt, kann Kräfte wecken und Känntnisse befördern.
[4]
Lang, Reise I (1789), 40
: Ich weiß wohl, daß dieser Pallast vom grössern Haufen den ihm gebührenden Beifall nicht erhält; aber wo ist das Gebäude, welches nicht einer Kritik ausgesezt, von diesen beschnarcht, von andern belobt wird?
[5]
Scheibe, Musik. Compos. (1773), XXXV f.
: Ein solches Fach [sc. musikalische[1] Gelahrtheit] gehörig auszufüllen, dazu gehöret bey einer vieljährigen Erfahrung und Kenntniß der Literatur überhaupt, eine gewisse Stärke in der Kritik, eine ansehnliche Büchersammlung, ein weitläufiger Briefwechsel, und folglich auch ein solches Einkommen, welches die Unkosten dazu, die nicht geringe seyn können, zu bestreiten hinreichend ist. Aber welcher gründlicher Musikverständiger 〈XXXVI〉 befindet sich in diesen glücklichen Umständen?
[6]
A. W. Schlegel, Entw. Krit. Inst. (*1800), SW 8, 50
: Die hauptsächlichsten Fehler der bis jetzt bestehenden recensierenden Zeitschriften sind: Mangel an unpartheilicher und rücksichtsloser Schärfe der Kritik; große Ungleichheit in dem Maßstabe der Beurtheilung, weil die Mitarbeiter auf äußerst verschiednen Punkten der Fähigkeit und Ausbildung stehen; allzu langes Verweilen bei dem Mittelmäßigen und Schlechten und zu kurze Abfertigung oder gänzliche Uebergehung des Wichtigen und Vortrefflichen; Ungleichheit in der Zeit der Beurtheilung, indem einiges sogleich nach seiner Erscheinung angezeigt wird, andres erst Jahre nachher, wenn schon das ganze Verhältniß des Werkes zu dem bis dahin Geleisteten verändert ist; Zufälligkeit der Anordnung, oder vielmehr absichtliche Zerstückelung, und Vermeidung einer solchen, die irgend eine Übersicht gewährte; endlich Einförmigkeit, Trockenheit und Geistlosigkeit in der Form oder Unform des Vortrags.
[7]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 4
: Die Aesthetik oder die philosophische Theorie des Schönen[2] und der Kunst[2] ist unendlich wichtig in ihrer Beziehung auf die übrigen Untersuchungen über den menschlichen Geist[11]; aber für sich allein ist sie darum noch nicht praktisch belehrend. Dieß wird sie erst durch ihre Verbindung mit der Geschichte[4] der Künste[2]. Kritik nennen wir den Mittelbegriff zwischen der allgemeinen Lehre und der geordneten Erfahrung oder der Geschichte[4]. Die Vergleichung und Beurtheilung der vorhandenen Hervorbringungen des menschlichen Geistes[11] muß uns die Bedingungen an die Hand geben, die zur Bildung[1] eigenthümlicher und gehaltvoller Kunstwerke[2] erfoderlich sind. | Mit der Fackel der Kritik also wollen wir die Geschichte[1] der dramatischen Kunst[2] beleuchten. ➢ Volltext
[8]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 104, Nr. 244 f.
: Die moderne[1] κρ [Kritik] muß eben so aufs Absolute tendenziren als die π [Poesie][11] – | Gewöhnlich ists nicht κρ [Kritik] sondern nur deklamirender Enthusiasm der s.[ich] über die einzelnen Stellen vernehmen läßt und ignoranter Witz[3] der polemisch über das Ganze herfällt.
[9]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 578
: [L]eicht würde die Beurtheilung der Kunstwerke[2] seyn, wenn unsre Kunstrichter und die Verfasser der mannigfaltigen periodischen Schriften, darin die von Zeit[7] zu Zeit[7] herauskommenden Werke des Geschmaks beurtheilet werden, sich angelegen seyn ließen, anstatt so viel Geheimnisvolles von den Regeln der Kunst[2], in einer dem gemeinen Leser unverständlichen Kunstsprache, zu sagen, ihm auf die rechte Spuhr hülfen, selbst zu urtheilen. Dieses wäre bald gethan, wenn man nur bey jeder Gelegenheit die Wahre und gar einfache Theorie der Kunst[2] überhaupt, und jedes Zweyges derselben besonders, vorbrächte, danach urtheilte, und so die allgemeine Critik in ihrer wahren Einfallt darstellte, und auf populare Kenntnis zurükführte.
[10]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 580
: Dieses wenige kann hinlänglich seyn, denen, die dergleichen Kirchen bauen, oder bauen lassen, zu zeigen, wie nöthig es sey, überall auf den wahren Zwek der Sachen zu sehen. Auch diesem Theile der Kunst[2], fehlet es noch an einer wahren gründlichen Critik, die den Baumeister in seinen Verrichtungen immer auf dem geraden Weg halte.
[11]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (1)
: Doch kann [...] nicht geläugnet werden, daß die Künste[2] meistentheils ihrem Verfall am nächsten gewesen, wenn die Critik und die Menge der Kunstrichter aufs höchste gestiegen sind. Die Griechischen Dichter, die später als Aristoteles gelebt haben, scheinen weit unter denen zu seyn, die vor diesem Kunstrichter gewesen sind. Und wer wird sich getrauen zu behaupten, daß die Lateinische Dichtkunst nach Horaz, oder die Französische nach Boileau höher gestiegen sey, nachdem diese Kunstrichter das Licht der Critik haben scheinen lassen? | Aber dieses beweißt nichts gegen die Critik. Die fürtreflichsten Werke der Kunst[2] mögen immer älter als sie seyn, so wie die edelsten Thaten, der Philosophischen Kenntnis der Sittenlehre können vorhergegangen seyn. Man hat große Heerführer und große Kriegesthaten gesehen, ehe man über die Kriegeskunst geschrieben hat, und vor der Philosophie gab es große Philosophen. Dieses beweißt blos, daß die Bestrebungen des Genies[4] nicht von Theorien und Untersuchungen abhangen, sondern ganz andere Veranlassungen haben. Der Mangel des Genies[2] kann durch die helleste Critik nicht ersetzt werden; und wenn auch dieses vorhanden ist, so wird es nicht durch Kenntnis der Regeln sondern durch innerliche Triebe, die von irgend einer Nothwendigkeit herkommen in Würksamkeit gesetzt. Der Mensch dem die Natur[2] alles gegeben hat, sinnreich und erfinderisch zu werden, wird es doch erst dann, wenn ihn irgend eine Noth antreibet, seine Kräfte zusammen zu nehmen. Diese Bestrebung entsteht freylich nicht aus der Critik. Schon Aeschylus hat angemerkt, daß die Nothwendigkeit und nicht die Kenntnis der Kunst[2] dem Genie[2] seine Stärke giebt [...]. Aber diese Kräfte haben eine Lenkung nöthig, um den nächsten Weg einzuschlagen, der zum Zwek führet.
[12]
Wackenroder, an seine Eltern (24. 8. 1793), VL 2, 222
: Das Rathhaus hat eine Italiän[ische] Façade, die, wenn sie auch nicht die Kritik aushält, doch viel Frappantes hat.
[13]
A. v. Arnim, Dolores (1810), RuE 1, 438
: Ein paar Schifferbuben, Pietro und Battista, sangen ununterbrochen beim Rudern, der alte Schiffer besserte zuweilen, wo sie falsch gesungen; wie verschieden von uns, wo der Alte sicher den Jungen das Singen bald gelegt hätte. Ja lieben Freunde, wir haben viel Kritik, aber sonst nicht viel, was der Mühe des Lebens wert wäre, und unsre meiste Erziehung besteht doch bloß in einem Entwöhnen von der Freude..
[14]
S. Boisserée, an Goethe (7. 11. 1816), MB 2, 145
: Es wird [...] immer wünschenswerther, daß Sie [...] einmal sagen, was eigentlich für die altdeutsche Literatur noth thut. Eine Aufforderung an A. W. Schlegel bei dieser Gelegenheit wäre ein heiterer[6] Streich, der gewiß in jeder Hinsicht treffen und den Ehrgeiz dieses Herrn wahrhaft diplomatisch in Verlegenheit setzen würde. An Aufmerksamkeit, Fleiß und Thätigkeit im Einzelnen mangelt es keineswegs; die Brüder Grimm zeichnen sich hierin bekanntermaßen vor allen aus. Aber woran es fehlt, das ist Kritik, Uebersicht und Umsicht im Ganzen..
[15]
Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 162
: Er [N. Boileau] ist als der Urheber der Kritik in der Französischen Dichtkunst zu betrachten. Sein Lehrgedicht über die Dichtkunst (l'Art poetique) verschaffte ihm das Ansehen eines Gesetzgebers des Parnassus..
[16]
Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 228
: Das bürgerliche Schauspiel, welches im Anfange der Deutschen Literatur von den meisten Kunstrichtern als eine verwerfliche Zwittergattung zwischen Lustspiel und Trauerspiel betrachtet wurde, und welchem vorzüglich Lessing durch seine Uebersetzung und Kritik des Diderotschen Theaters in Deutschland Eingang verschaffte, ist das eigentliche Fach, welches Iffland als Schauspiel-Dichter bearbeitet..
[17]
Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 334
: In einem engern Sinne[1] nennt man Kritik[3/2] a) die Wissenschaft, die sich mit der Beurtheilung und Festsetzung der richtigen Lesarten alter Schriftsteller beschäftigt; b) die Wissenschaft der Regeln in den schönen Künsten, und die Beurtheilung der schönen Kunstwerke nach denselben..
[18]
Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 390
: Erlernung älterer und neuerer Sprachen[3], Versuche im Gebiete der Dichtkunst und Dramaturgie, Vorübungen in der Kritik[2/3?] und den Alterthümern[8], dieß waren die Gegenstände, womit er [sc. Lessing] sich hier vorzüglich beschäftigte..
[19]
Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 127
: Merkwürdig endlich und segensreich sind Bodmers Verdienste um die deutsche Literatur. Er ist gewissermaßen der erste deutsche Kritiker im Felde der Kunst[12], der schönen[2] Wissenschaften und Literatur; er bahnte den Weg, auf welchem späterhin Lessing ging, und widersetzte sich zuerst Gottsched und seinen Jüngern; hob, schützte und vertheidigte die aufblühenden Genies[4], Wieland, Gleim, Klopstock u. s. w., brachte alte[1] vergeßne Dichter, als Canitz, Opitz, Wernicke und die Minnesänger wieder aus Licht, machte die Deutschen mit Miltons verlornem Paradiese bekannt, übersetzte den Homer und fuhr bis an sein Ende fort, mündlich und schriftlich das Wohl der deutschen Literatur zu pflegen. Er versuchte sich selbst als Dichter, z. B. in der Noachide, war aber, wie alle Kritiker, als eigner Schöpfer nicht glücklich. Es konnte übrigens nicht fehlen, daß er sich durch seine bisweilen wirklich harte und eigensinnige Kritik auch viele Feinde zuzog..
[20]
Bürger, Dt. Übers. Homer (*1769), 608
: Denn wie könnte ich, der ich in den schönen[1] Wissenschaften[2] und in der Kritik nur noch ein schwaches und unwissendes Kind[6] bin, die Stimme[8] des Gewissens verhören, welches mir zulispelt: Du sagst nichts Richtiges, nichts Erhebliches, nichts Brauchbares noch Neues[1], worauf nicht jedermann eben so gut hätte verfallen können und vielleicht schon verfallen ist..
[21]
Bürger, Vorr. Ged. (1789), 26
: Wie weit ich meinen eigenen Foderungen Genüge geleistet, das ziemet mir nicht zu entscheiden. Soviel aber darf ich behaupten, daß mein junger vortrefflicher Freund, August Wilhelm Schlegel, dessen großem poetischen[5] Talent, Geschmack und Kritik, mit mannigfaltigen Kenntnissen verbunden, schon sehr frühe die gehörige Richtung gaben, nach jenen Foderungen ohne Anstoß Sonnette verfertigt hat, die das eigensinnigste Ohr[4] des Kenners befriedigen müssen..
[22]
Chézy, Erinn. Leb. (1818), 44
: Deutsche Sappho!! Pfui, so nenne Sie keiner mehr. Sappho stürzte sich, im Liebeswahn, verzweifelnd vom Fels. | Und Karschin, die Deutsche, erträgt Armuth, Mißhandlung, unverdiente Schmach und unverdiente Vergötterung, erduldet den Scheerenschnitt eiskalter Kritik, blickt mit Mutterschmerz in ihrer Kinder Grab, erträgt die Beschwerden des Alters, und – lebt gerne! hochpreisend den Geber des Lebens!!.
[23]
C. D. Friedrich, an J. L. Lund (Sept. 1800), Z, 17
: Die beiden ersten Ackte[1] die ich zeichnete oder anfing zu zeichnen waren unter aller Kritick, so daß ich Ihnen schon schreiben wollte ich were der aller schlegste unter allen Zeichner, aber das Blat hatt sich gewändet und mein dritter Ackt[1] ist nicht so übel ausgefallen, und den ich itzt angefangen scheint nicht so übel zu werden [...]..
[24]
Goethe, an J. G. Herder (
?Sommer 1771), WA IV, 1, 256 f. (257)
: [E]igentlich versichere ich Sie, Kästner ist in der Sache so zu Werke gegangen, daß ich ihn nicht schelten kann. Jung fühlt das freilich lebhafter als ich; hält das 〈257〉 für Satiren, was Indigitationen sind, und das für
Handwerksneid, was Professorcritik ist..
[25]
Goethe, an J. D. Salzmann (6. 3. 1773), WA IV, 2, 68
: Ich hasse alle Spezialkritik von Stellen und Worten[1]. [...] Ich kann leiden, wenn meine Freunde eine Arbeit von mir zu Feuer verdammen, umgegossen oder verbrannt zu werden; aber sie sollen mir keine Worte[1] rücken, keine Buchstaben[9] versetzen..
[26]
Goethe, an F. A. Wolf (26. 12. 1796), WA IV, 11, 297
: Leben Sie recht wohl und füllen die Lücken, die eine strenge Critik[2/3] an meinen Arbeiten finden möchte durch ein fortgesetztes Wohlwollen aus. ⦿.
[27]
Goethe, an Schiller (6. 1. 1798), WA IV, 13, 8 f. (9)
: Ich habe übrigens bei den Gedichten des letzten Musenalmanachs erst wieder recht deutlich gesehen wie die schätzbarste Theilnahme uns nichts lehren und keine Art von Tadel uns was helfen kann. So lange ein Kunstwerk nicht da ist hat niemand einen Begriff von seiner Möglichkeit, sobald es dasteht bleibt Lob und Tadel nur immer subjectiv und mancher, dem 〈9〉 man Geschmack nicht absprechen kann, wünscht doch etwas dazu und davon, wodurch vielleicht die ganze Arbeit zerstört würde, so das der eigentliche negative Werth der Kritik, welcher immer der wichtigste sein mag, uns auch nicht einmal frommen kann..
[28]
Goethe, an A. W. Schlegel (6. 10. 1803), WA IV, 16, 319 f. (320)
: Lassen Sie uns [...] ein Wort von dem kritischen[3] Institute sprechen. Sie haben das was dabey zu thun ist in Ihrem ersten Briefe[1] so gut geschildert, daß ich nichts hinzu zu setzen brauche. [...] 〈320〉 [...] Durchaus hoffe ich das Beste. Denn wenn diejenigen, die productiv sind und auf mancherley Weise etwas leisten können, die Kritik, im eigentlichen Sinne, nicht wohl treiben mögen; so ist es denn doch auch erfreulich gelegentlich die Ideen und Maximen, von denen unsere übrige Thätigkeit geleitet und bestimmt wird, auszusprechen und auch durch die Reflexion dem Unsichtbaren und Unaussprechlichen eine Art von Körper zu leihen..
[29]
Heine, Romant. Schule (1836), 31
: Lessing war der literarische Arminius, der unser Theater von jener Fremdherrschaft befreite. [...] Aber nicht bloß durch seine Kritik, sondern auch durch seine eignen Kunstwerke[3] ward er der Stifter der neuern[3] deutschen Originalliteratur. ➢ Volltext.
[30]
W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 268 f.
: Bei den Griechen zeigt sich aber ein doppeltes, äusserst merkwürdiges, und vielleicht in der Geschichte einziges Phänomen. Als sie noch sehr viele Spuren der Rohheit anfangender Nationen[1] verriethen, besassen sie schon eine überaus grosse Empfänglichkeit für jede Schönheit der Natur[2] und der Kunst[11], einen feingebildeten Takt, und einen richtigen Geschmack, nicht der Kritik, aber der Empfindung, und finden sich Instanzen gegen diesen Takt und diesen Geschmak so ist wenigstens jene Reizbarkeit und Empfänglichkeit unläugbar; und wiederum als die Kultur[4] schon auf einen sehr hohen Grad gestiegen war, er〈269〉hielt sich dennoch eine Einfachheit des Sinns[7] und Geschmaks, den man sonst nur in der Jugend der Nationen[1] antrift. Die Entwikklung der Ursachen hievon gehört nicht hieher. Genug das Phänomen ist da..
[31]
W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), V f. (VI)
: Nichts vollendet so sehr den absoluten Werth eines Gedichts, als wenn es, neben seinen übrigen eigenthümlichen Vorzügen, zugleich den sichtbaren Ausdruck seiner Gattung und das lebendige Gepräge seines Urhebers an sich trägt. Denn wie groß auch die einzelnen Schönheiten[1] seyn mögen, durch welche ein Kunstwerk[3] zu glänzen im Stande ist, wie regellos die Bahnen, welche selbst das echte Genie[4] manchmal verfolgt; so bleibt es doch immer gewiß, daß dasselbe da, wo es in seiner vollen Kraft thätig ist, auch immer in einer reinen und entschiedenen Individualität auftritt, und sich eben so wieder in einer reinen und bestimmten Form ausprägt. Wenn daher andere Pro〈VI〉ducte der Kunst[3] nur eine einseitige Bewunderung oder eine flüchtig aufbrausende Begeisterung[3] hervorbringen; so sind es allein die, welche jenen Grad der Vollkommenheit besitzen, in welchen der Leser seine volle und dauernde Befriedigung findet, und aus denen er wieder die Stimmung zu schöpfen vermag, die ihnen selbst das Daseyn gab. Vorzüglich aber sind sie ein dankbarer Gegenstand für die ästhetische Beurtheilung. Denn sie erheben zugleich mit sich auch ihren Beurtheiler empor, und führen von selbst eine Art der Kritik herbei, die in dem einzelnen Beispiel zugleich die Gattung, in dem Werke zugleich den Künstler[3] schildert..
[32]
W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 16
: Denn so unbegreiflich auch das Verfahren des Künstlers[3] ist, so gewiß darin immer Etwas – und gerade das Wesentliche – übrigbleibt, das der Dichter[1] selbst nicht zu verstehen und der Kritiker nie auszusprechen vermag; so ist indeß doch immer so viel gewiß, daß der Künstler[3] zuerst von nichts anderm ausgeht, als nur etwas Wirkliches in ein Bild zu verwandeln [...]..
[33]
W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 31 f. (32)
: Zwar ist es nicht ungewöhnlich, vorzüglich ästhetische Werke mit unbestimmten Lobsprüchen zu erheben, sie mit anderen ihrer Gattung zu vergleichen, und ihnen gleichsam überverdienstliche Tugenden beizulegen. Nichts desto weniger bleibt die einzig richtige Art der Beurtheilung immer die, dieselben allein mit dem, was 〈32〉 sie seyn sollen, mit den Grundsätzen der Ästhetik und dem Ideal der Kunst[11] zu vergleichen, zu entscheiden, ob sie ihre Pflicht[1] erfüllen, den gerechten und nothwendigen Ansprüchen der Kritik ein Genüge leisten. Ihr absoluter, nicht ihr relativer Werth soll bestimmt werden..
[34]
W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 247
: Zwar muß der geübte Tact des Kenners auch schon in dem einzelnen Theil, ja in wenigen Versen, diese Tauglichkeit, ein Glied in der Organisation[7] eines epischen Ganzen abzugeben, zu beurtheilen im Stande seyn, und wo sie so deutlich ins Auge fällt, wie z. B. in den größeren Homerischen Hymnen, da wird sie nie, auch von dem minder Erfahrnen, verkannt werden. Je schwächer sie sich hingegen ankündigt, desto mehr geht natürlich diese Kritik ins Feine und Ungewisse..
[35]
W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 131 f.
: Die Philologie ist [...], ohne sie, in anderer Erweiterung, zur Alterthumskunde zu machen, die auch besser wie eine Hülfswissenschaft von ihr angesehen, als selbst mit ihr vermischt wird, ihrem reinen Begriff[1] nach, auf die alte Literatur, die Sprachkunde auf die Sprachen[3] gerichtet. Zwar ist beides unzertrennlich verbunden, ja sogar Eins, gerade die Philologie hat die tiefste Sprachforschung zum Zweck, und die Sprachkunde muss, auch bei ganz ungebildeten und unliterärischen Nationen[1], Stücke verbundener Rede aufsuchen; allein bei den geistigen Einflüssen wissenschaftlicher Behandlung ist die Unmittelbarkeit oder Mittelbarkeit der Richtung nicht gleichgültig. Die anhaltende Beschäftigung mit den classischen[7/3] Schriftstellern führt auf Feinheiten und Eigenthümlichkeiten des Sprachgebrauchs und selbst des Baues, auf welche der nicht so auf Kritik[2/3] und Hermeneutik gerichtete Sprachforscher nicht gekommen seyn würde; dagegen lenkt die unmittelbare Rücksicht auf die Sprache[3] den Geist[21] unvermerkt von der Strenge der Individualität der Forschung auf philosophisch und historisch Allgemeineres hin. Es liegt auch in dem wohlthätigen Bildungszwecke der Philologie, die man als die grosse Erzieherin des Menschen zu der schönsten und edelsten Humanität betrachten kann, die das in ihn pflanzt, was allem Streben nach Wissenschaft und Kunst[3] Mass, Haltung und innere Uebereinstimmung giebt, dass sie die Sprache[3] nicht sowohl an 〈132〉 sich, als gleichsam in dem Spiegel ihrer gelungensten Werke zeige; nur dadurch kann sie bis in das Knabenalter ihres Zöglings hinabsteigen, schaffend und vorbereitend, was ihr im Jüngling und Mann entgegenreifen soll..
[36]
W. v. Humboldt, Schiller (1830), GS I, 6.2, 520
: Jede grosse poetische[4] Arbeit fordert eine Stimmung und Sammlung des Gemüths, die Schiller, als er nach Jena zurückkehrte, seit Jahren vermisste. Zum Theil lag die Schuld davon wohl in dem Plane zum Wallenstein, den er lange bei sich trug, ehe er wirklich Hand an die Arbeit legte. Dieser Stoff war in seinem Umfange zu gewaltig, und, seiner Beschaffenheit nach, zu spröde, um nicht der grössesten Zurüstungen vor seiner Ausführung zu bedürfen. Wer dies Gedicht richtig zu würdigen versteht, wird erkennen, dass es eine wahre poetische[4] Riesenarbeit ist; selbst Schiller's formender Geist[19] vermochte diesen weit ausgreifenden Stoff doch nur in drei zusammenhängenden Studien zu bezwingen. Allein auch die Forderungen, welche Schiller an seine theatralischen Werke machte, hatten sich gesteigert, da das schöpferische Genie[2] augenblicklich feierte, trat desto geschäftiger die richtende Kritik, und nicht ohne Besorgnisse, an ihre Stelle..
[37]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), 174
: Es giebt weder eine Wissenschaft des Schönen[1], sondern nur Critik, noch schöne[2] Wissenschaft, sondern nur schöne[2] Kunst[1]. Denn was die erstere betrifft, so würde in ihr wissenschaftlich, d. i. durch Beweisgründe ausgemacht werden sollen, ob etwas für schön[1] zu halten sey oder nicht; das Urtheil über Schönheit[1] würde also, wenn es zur Wissenschaft gehörte kein Geschmacksurtheil seyn. Was das zweyte anlangt, so ist eine Wissenschaft, die, als solche, schön[2] seyn soll, ein Unding. Denn, wenn 〈175〉 man in ihr als Wissenschaft nach Gründen und Beweisen früge, so würde man uns durch geschmackvolle Aussprüche (Bon Mots) abfertigen. – Was den gewöhnlichen Ausdruck, schöne[2] Wissenschaften veranlaßt hat, ist ohne Zweifel nichts anders, als daß man ganz richtig bemerkt hat, es werde zur schönen[2] Kunst[1] in ihrer ganzen Vollkommenheit viel Wissenschaft, als z. B. Kenntnis alter[10] Sprachen[3], Belesenheit der Autoren, die für Classiker gelten, Geschichte[6], Kenntnis der Alterthümer[5] u. s. w. erfordert und, um daher diese historische Wissenschaften weil sie zur schönen[2] Kunst[1] die nothwendige Vorbereitung und Grundlage ausmachen, zum Theil auch weil darunter selbst die Kenntnis der Producte der schönen[2] Kunst[1] (Beredsamkeit und Dichtkunst) begriffen worden, durch eine Wortverwechselung, selbst schöne[2] Wissenschaften genannt hat..
[38]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), 258
: Nur durch die Aufweckung der Einbildungskraft des Schülers zur Angemessenheit mit einem gegebenen Begriffe[1], durch die angemerkte Unzulänglichkeit des Ausdrucks für die Idee, welche der Begrif[1] selbst nicht erreicht, weil sie ästhetisch ist, und durch scharfe Critik kann verhütet werden, daß die Beyspiele, die ihm vorgelegt werden, von ihm nicht sofort für Urbilder und etwa keiner noch höhern Norm und eigener Beurtheilung unterworfene Muster der Nachahmung gehalten, und so das Genie[2], mit ihm aber auch die Freyheit[1] der Einbildungskraft selbst in ihrer Gesetzmässigkeit erstickt werde, ohne welche keine schöne[2] Kunst[1], selbst nicht einmal ein richtiger sie beurtheilender eigener Geschmack, möglich ist..
[39]
Novalis, Blüthenstaub (1798), 88, Nr. 68
: Eine Übersetzung ist entweder grammatisch, oder verändernd, oder mythisch. Mythische Übersetzungen sind Übersetzungen im höchsten Styl. Sie stellen den reinen, vollendeten Karakter[1] des individuellen Kunstwerks dar. Sie geben uns nicht das wirkliche Kunstwerk, sondern das Ideal desselben. Noch existirt wie ich glaube, kein ganzes Muster derselben. Im Geist[30] mancher Kritiken und Beschreibungen von Kunstwerken trifft man aber helle Spuren davon. .
[40]
Ritter, Fragm. I (1810), LXIII f.
: [A]uch innigster und wahrster Freundschaft oder Liebe unfehlbarstes Zeichen sey, daß sie für ihre Aeußerungen keiner Kritik, also auch 〈LXIV〉 keiner Reflexion darüber, die ja überall nur der „Kritik“ wegen entstehe, und die nur das Unvollkommene fordere, bedürfe. ➢ Volltext.
[41]
Scheffner, Leben (1816), 164
: Bey kleinen Abendgesellschaften, wo Critik unter Wein und Gesang gemischt wurde, lernt ich einen Schauspieler Schmidt kennen, der den Romeo ziemlich gut, den Cumberlandschen Westindier trefflich und den Goldonischen Lügner meistermäßig spielte..
[42]
Scheibe, Musik. Compos. (1773), 15
: Wollen sie diesen angeführten Schriften in Ansehung der Kritik meinen kritischen[3] Musikus und [...] die kritischen[3] Briefe[3] über die Tonkunst, die in Berlin heraus gekommen sind, [...] beyfügen: so werden sie vielleicht darinn mancherley kritische[3] Betrachtungen antreffen, die zur Kenntniß der Charaktere[1] verschiedener Musikstücke und Schreibarten nicht eben entbehrlich seyn möchten..
[43]
A. W. Schlegel, an Schiller (9. 11. 1795), KW, 16
: Freylich fodern solche Beurtheilungen, wie die, welche Sie mir vorschlagen, die angestrengteste Thätigkeit aller Geisteskräfte: allein sie fallen auch selten vor. Dieser Antrag ist sehr ehrenvoll, und ein für mich unendlich schätzbarer Beweis Ihres Zutrauens. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, ihn anzunehmen, sollten sich auch geheime Zweifel regen, ob ich seiner glücklichen Ausführung wohl völlig gewachsen bin, da man berechtigt ist über Meisterstücke der Kunst[2] auch ein Meisterstück von Kritik zu erwarten, und mehrere von den Gedichten in den Horen so viel philosophische Tiefe haben. Wenn Sie indessen nicht etwa jemanden finden, der besser dazu im Stande ist, wie ich, so will ich mich gern an dieses belohnende Geschäft wagen. .
[44]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 131
: Zur Kritik ist die Kunstgeschichte unentbehrlich, weil wir ein Kunstwerk nicht aus unserm Zeitalter beurteilen dürfen, da es in historischem Zusammenhange mit den vorhergehenden bis auf das erste Kunstwerk steht. .
[45]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 132
: Lessing ging zu einseitig mit dem Verstande zu Werke, verwickelte sich in Sophistereien. Die Literaturbriefe befriedigen nicht denjenigen, der tiefer untersucht; sie verdienen nicht als Muster der Kritik aufgeführt zu werden..
[46]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 133
: Das Gefühl für Poesie[11] und Musik war [sc. bei den Alten] allgemein verbreitet, denn es war ein Teil ihrer Erziehung. Nur als es keinen öffentlichen Geschmack mehr gab, kam man auf die Theorie, die aber zu schönen Perioden nicht wieder zurückrufen konnte. Die Kritik wurde glücklich später als philosophische Theorie ausgeübt, besonders unter den Alexandrinern, die eine treffliche Auswahl der Klassiker voranstellten als Muster von jeder Gattung der Dichtungsart..
[47]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 150
: Cicero [...] kommt dem Dionysius [...] in der reinen kunsttheoretischen Kritik nicht gleich..
[48]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 65
: Die Symbolik beruht zwar auf allgemeinen Gesetzen der Fantasie[2] und des Schematismus, doch modificirt sie sich nach Zeitaltern und Nationen[1]; und indem hier der Cirkel eintritt, in welchem der Philolog sich so oft befangen sieht, daß er eben dasjenige aus dem Gegenstande erst kennen lernen muß, wovon er die Kenntniß doch zu dessen richtiger Beurtheilung schon bedarf, so fällt auch diese Deutung symbolischer Monumente ihrer ganzen Analogie nach unter die höhere philologische Kritik..
[49]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 5 ff.
: Und hier zuvor noch einige Worte über den Geist[12] meiner Kritik, eines Studiums, dem ich einen großen Theil meines Lebens gewidmet habe. Wir sehen eine Menge Menschen, ja ganze Nationen[1], so sehr befangen in den Gewöhnungen ihrer Erziehung und Lebensweise, daß sie sich auch dann nicht davon losreißen können, wenn vom Genusse schöner[2] Kunst[10] die Rede ist. Nur dasjenige, was in ihrer Sprache[3], ihren Sitten und ihren gesellschaftlichen Verhältnissen einheimisch und hergebracht ist, erscheint ihnen als natürlich[4], schicklich und schön[2]. In dieser ausschließenden Ansicht und Empfindungsweise kann man es durch Bildung[4] zu einer großen Feinheit der Unterscheidung in dem engen Kreise bringen, worauf man sich nun einmal beschränkt hat. Aber ein ächter Kenner kann man nicht seyn ohne Universalität des Geistes[13], d. h. ohne die Biegsamkeit, welche uns in den Stand setzt, mit Verläugnung persönlicher Vorliebe und blinder Gewöhnung, uns in die Eigenheiten anderer Völker[1] 〈6〉 und Zeitalter zu versetzen, sie gleichsam aus ihrem Mittelpunkte heraus zu fühlen, und was die menschliche Natur[1] adelt, alles Schöne[2] und Große unter den äußerlichen Zuthaten, deren es zu seiner Verkörperung bedarf, ja bisweilen unter befremdlich scheinenden Verkleidungen zu erkennen und gehörig zu würdigen. Es giebt kein Monopol der Poesie[19] für gewisse Zeitalter und Völker[1]; folglich ist auch der Despotismus des Geschmacks, womit diese, gewisse vielleicht ganz willkührlich bey ihnen festgestellte Regeln allgemein durchsetzen wollen, immer eine ungültige Anmaßung. Poesie[19], im weitesten Sinne genommen, als die Fähigkeit das Schöne[2] zu ersinnen und es sichtbar oder hörbar darzustellen, ist eine allgemeine Gabe des Himmels, und selbst sogenannte Barbaren und Wilde haben nach ihrem Maaße Antheil daran. Innere Vortrefflichkeit entscheidet allein, und wo diese vorhanden ist, soll man sich nicht an Aeußerlichkeiten stoßen. Auf die Wurzel unsers Daseyns muß alles zurückgeführt werden: ist es da entsprungen, so hat es auch unbezweifelt seinen Werth; ist es aber ohne einen lebendigen Keim nur von außen angehängt, so kann 〈7〉 es kein Gedeihen, noch wahren [sic] Wachsthum haben. ➢ Volltext.
[50]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 18
: Diesen früheren Styl brachten Pacuvius und Attius zur Vollendung, deren Stücke allein sich bis zu Cicero's Zeiten, ja noch später, auf der Bühne behauptet und viele Bewunderer gehabt zu haben scheinen. Horaz richtet seine eifersüchtige Kritik auch gegen diese, so wie gegen alle übrigen älteren Dichter.
.
[51]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 36 f. (37)
: Allein ich kann diesen Dichtern [sc. Metastasio und Alfieri] nicht helfen: ist es wirklich wahr, daß sie die französischen Trauerspiele gar nicht, oder erst nach Vollendung ihrer Arbeiten gelesen, so muß ein unmerklicher Einfluß in der Atmosphäre verbreitet gewesen seyn, der ohne ihr Wissen sie bestimmt hat. Dieß ist sehr begreiflich aus dem großen Ansehen, worin seit Ludwig dem vierzehnten das französische Trauerspiel 〈37〉 bey der gelehrten sowohl als der großen Welt in ganz Europa gestanden; aus der Ummodelung vieler auswärtigen Theater nach französischem Zuschnitt; aus der auf negative Correktheit dringenden Kritik, welche von Frankreich aus den Ton in der Litteratur angab. Die Verwandtschaft ist bey beyden unläugbar, auffallender aber beym Alfieri, wegen der Einmischung des musikalischen[2] Elements beym Metastasio. ➢ Volltext.
[52]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 426 f. (427)
: Was die Menge in unsern halb rührenden, halb drolligen Dramen am meisten anzieht, die uns bald nach Peru, bald nach Kamtschatka, bald in die Ritterzeit versetzen, während die Gesinnungen modern[4] und empfindsam bleiben, ist immer eine Fratze des Romantischen[2], die man auch in den abgeschmacktesten Zauber-Opern noch wieder kennt. [...] 〈427〉 [...] Auf hundert Komödienzetteln wird der Name romantisch[2] an rohe und verfehlte Erzeugnisse verschwendet und entweiht; es sey uns erlaubt, ihn durch Kritik und Geschichte[4] wieder zu seiner wahren Bedeutung zu adeln. ➢ Volltext.
[53]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (
21817), 3 f. (4)
: Die allgemeine philosophische Theorie der Poesie[1] und der übrigen schönen[2] Künste[1] stellt die Grundgesetze des Schönen[1] auf, die allen mit einander gemein sind. Jede Kunst[2] hat ferner ihre besondere Theorie, welche darauf abzweckt, die Gränzen, die Schwierigkeiten und die Mittel dieser Kunst[2] kennen zu lehren. Hiezu werden wissenschaftliche Erörterungen erfo〈4〉dert, welche dem Künstler nützlich, aber wenig anziehend für solche Freunde der Kunst[2] sind, die nur die Hervorbringungen ausgezeichneter Geister[33] genießen wollen. Die allgemeine Theorie hingegen zergliedert eine der menschlichen Natur[1] wesentliche Eigenschaft: die Fähigkeit das Schöne[1] zu empfinden, woraus das Bedürfniß der schönen[2] Künste[1] und das Wohlgefallen daran entsteht; sie zeigt das Verhältniß zwischen dieser Fähigkeit und allen übrigen sittlichen und erkennenden Fähigkeiten des Menschen. Sie ist also sehr wichtig für den Denker, aber an sich allein reicht sie nicht hin, um zur Führerin bey Ausübung der Kunst[2] zu dienen. | Die Geschichte[4] der schönen[2] Künste[1] lehrt uns, was geleistet worden, die Theorie, was geleistet werden soll. Ohne ein verbindendes Mittelglied würden beyde abgesondert und unzulänglich bleiben. Die Kritik ist es, welche die Geschichte[4] der Künste[2] aufklärt, und ihre Theorie fruchtbar macht. Die Vergleichung und Beurtheilung der vorhandenen Hervorbringungen des menschlichen Geistes[11] muß uns die Bedingungen an die Hand geben, die zur Bildung[2] eigenthümlicher und gehaltvoller Kunstwerke[2] erforderlich sind..
[54]
A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), III f.
: Ein Pariser Journalist nannte den Kritiker [sc. A. W. Schlegel] den Domitian der Französischen Litteratur, welcher wünsche, sie möge nur Ein Haupt haben, um es mit einem einzigen Streiche abzuschlagen. Der gelehrte Kunstrichter hatte den Domitian mit dem Caligula verwechselt, denn diesem wird ja bekanntlich jener grausame Wunsch zugeschrieben. Indessen traf er es vielleicht besser, als er selbst wußte. Die Lieblings-Unterhaltung des Domitian, Fliegen zu spießen, möchte ein ganz passendes Bild für eine scharfe Kritik seyn, welche an kurzlebige Erzeugnisse der 〈IV〉 litterarischen Betriebsamkeit, die einen Augenblick im Sonnenschein des Modegeschmacks herumgaukeln, verschwendet wird..
[55]
A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), VIII
: Das gewagteste Unternehmen der Kritik scheint der Widerspruch gegen eine durch lange Verjährung befestigte Meinung über Kunst-[2] und Geisteswerke zu seyn: denn hier hat der einzelne, dem Anschein nach, unzählbare Tausende von Stimmen[3] gegen sich..
[56]
A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), XIII f.
: Unter allen Aufgaben der Kritik ist keine schwieriger, aber auch keine belohnender, als eine treffende Charakteristik der großen Meisterwerke. Wie die schöpferische Wirksamkeit des Genius immer von einem gewissen Unbewußtseyn begleitet ist, so fällt es auch der begeisterten Bewunderung schwer und, je ächter sie ist, um so schwerer, zu besonnener Klarheit über sich selbst zu gelangen. Am besten wird es damit gelingen, wenn die Betrachtung nicht vereinzelt wird, sondern vielmehr den menschlichen Geist[10] in dem Stufengange seiner Entwickelung bis zu dem Gipfel hinauf begleitet. Mit einem Worte[2], die Kunstkritik muß sich, um ihrem großen Zwecke Genüge zu leisten, mit der Geschichte[4], und, so fern sie sich auf Poesie[3] und Litteratur bezieht, auch mit der Philologie verbünden. Mein Versuch über die dramatische Kunst[13] [sc. A. W. Schlegel, Dramat. Lit. (!1808; 1809–11)] ist bisher der einzige in dieser Art geblieben. Jetzt wünschte ich, mehr dergleichen unternommen, meine Kräfte nicht am einzelnen und zuweilen am unbedeutenden verwendet zu haben. Aber in den nicht vollen neun Jahren, vom Sommer 1795 bis zum Frühling 1804, wo ich mich ausschließend dem Schriftsteller-〈XIV〉Berufe widmete, während welcher Zeit das meiste hier Gesammelte, dann meine Nachbildungen des Shakspeare, des Calderon und einzelner Stücke von Italiänischen und Spanischen Dichtern zu Stande gekommen sind, hatte ich mit mancherlei Schwierigkeiten und Beschränkungen zu kämpfen; und die Anfoderungen des Augenblicks ließen mir nicht freie Muße genug, um Gegenstände von großem Umfange zur Behandlung zu wählen, und dazu die vorbereitenden Studien zu machen. Es war längst mein Vorhaben, eine Geschichte[7] der bildenden Künste[2] in ähnlicher Weise auszuführen, wie ich die Geschichte[7] des Theaters entworfen; bei Betrachung der Europäischen Kunstschätze, wovon ich die meisten zu sehen Gelegenheit hatte, war dieß mein beständiges Augenmerk [...]..
[57]
A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), XIV
: Es war längst mein Vorhaben, eine Geschichte[7] der bildenden Künste in ähnlicher Weise auszuführen, wie ich die Geschichte[7] des Theaters entworfen; bei Betrachung der Europäischen Kunstschätze, wovon ich die meisten zu sehen Gelegenheit hatte, war dieß mein beständiges Augenmerk [...]..
[58]
C. Schlegel, an A. W. Schlegel (2. 3. 1801), C 2, 55
: Es dauert mich, daß ich mir nicht einen Revers von Dir habe geben lassen Dich aller Kritik forthin zu enthalten. O mein Freund, wiederhole es Dir unaufhörlich, wie kurz das Leben ist, und daß nichts so wahrhaftig existirt als ein Kunstwerk[2] – Kritik geht unter, leibliche Geschlechter[3] verlöschen, Systeme wechseln, aber wenn die Welt einmal aufbrennt wie ein Papierschnitzel, so werden die Kunstwerke[2] die lezten lebendigen Funken seyn, die in das Haus Gottes[1] gehn – dann erst komt Finsterniß..
[59]
D. Schlegel, Theaterkr. (1803), 174 f.
: Theaterkritik. | Ungeachtet die französischen Schauspieler die Vergleichung mit den Deutschen recht wohl aushalten können, so werden sie dennoch in Zeitungen und Journalen, die mit der Schnelle und Allgemeinheit sich verbreiten, welche nur in den größten Städten möglich ist, mit einer Strenge und Härte getadelt und schonungslos angegriffen, 〈175〉 wovon man bei uns gar keinen Begriff[1] hat. Die guten Folgen davon sind sichtbar, denn das ist allgemein hier, daß der Schauspieler sich aufs äußerste anstrengt, und nicht selten der Fall, daß er sich belehren läßt. Unsre Landsleute sollten es also ja dem in diesem Stücke unvergleichlichen Bernhardi Dank wissen, wenn er es versuchen will, die deutschen Schauspieler gleichfalls mit diesem Mittel der Bildung[2] bekannt zu machen..
[60]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 168, Nr. 992
: κ [Kritik] ist eigentl[ich] nichts als Vergleichung des Geistes[30] und des Buchstabens[8] eines Werks [...]..
[61]
F. Schlegel, Lessing (1797), 78
: Lessing [...] war einer von den revolutionären Geistern, die überall wohin sie sich auch im Gebiet der Meinungen wenden, gleich einem scharfen Scheidungsmittel, die heftigsten Gährungen und gewaltigsten Erschütterungen allgemein verbreiten. In der Theologie wie auf der Bühne und in der Kritik hat er nicht blos 〈79〉 Epoche gemacht, sondern eine allgemeine und daurende Revolution allein hervorgebracht, oder doch vorzüglich veranlaßt. ➢ Volltext.
[62]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 148, Nr. 57
: Wenn manche mystische Kunstliebhaber, welche jede Kritik[2] für Zergliederung, und jede Zergliederung für Zerstörung des Genusses halten, konsequent dächten: so wäre Potz tausend das beste Kunsturtheil über das würdigste Werk. Auch giebts Kritiken[5], die nichts mehr sagen, nur viel weitläuftiger. .
[63]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 155, Nr. 86
: Der Zweck der Kritik, sagt man, sey, Leser zu bilden! – Wer gebildet seyn will, mag sich doch selbst bilden. Dieß ist unhöflich: es steht aber nicht zu ändern. .
[64]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 164, Nr. 114
: Es giebt so viele kritische Zeitschriften von verschiedener Natur und mancherley Absichten! Wenn sich doch auch einmahl eine Gesellschaft der Art verbinden wollte, welche bloß den Zweck hätte, die Kritik selbst, die doch auch nothwendig ist, almählig zu realisiren! .
[65]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 166, Nr. 120
: Wer Göthe's Meister gehörig charakterisirte, der hätte damit wohl eigentlich gesagt, was es jetzt an der Zeit ist in der Poesie[1]. Er dürfte sich, was poetische[4] Kritik betrifft, immer zur Ruhe setzen. ➢ Volltext.
[66]
F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 62, Nr. 35
: Ist die Hermeneutik nicht auch eine Art der Kritik? oder giebt es nicht wenigstens auch eine hermeneutische Kritik? Der Gebrauch der hermeneutisch[en] Materialien (histor[ische] Erläuterung[en]) und Organe[1] (Gramm[atik] pp) ist eine Kunst[2], nicht Wissenschaft[1], und zwar nicht eine Werke bildende sondern eine urtheilende Kunst[2], also Kritik..
[67]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28 ff. (30), Nr. 116
: Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[11] ist eine progressive[3/6] Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie[11] wieder zu vereinigen, und die Poesie[11/18] mit der Philosophie, und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie[3] und Prosa[1], Genialität und Kritik[1], Kunstpoesie, und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie[11] lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch[1] machen, den Witz[1] poetisiren, und die Formen der Kunst[2] mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors[2] beseelen. [...] 〈29〉 [...] Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Dichtart [...] kann durch keine Theo〈30〉rie erschöpft werden, und nur eine divinatorische Kritik dürfte es wagen, ihr Ideal charakterisiren zu wollen. ➢ Volltext.
[68]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 66
: Sie traten [...] mit einem unmäßigen Gelächter in die Gesellschaft, und aus den letzten Worten[2], die man hören konnte, ließ sich schließen, daß ihre Unterhaltung sich auf die sogenannten classischen[4] Dichter der Engländer bezog. Man sagte noch einiges über denselben Gegenstand, und Antonio, der sich gern bey Gelegenheit mit dergleichen polemischen Einfällen dem Gespräch einmischte, das er selten selbst führte, behauptete, die Grundsätze ihrer Kritik und ihres Enthusiasmus wären im Smith über den Nationalreichthum zu suchen. Sie wären nur froh, wenn sie wieder einen Classiker in die öffentliche Schatzkammer tragen könnten. Wie jedes Buch auf dieser Insel ein Essay, so werde da auch jeder Schriftsteller, wenn er nur seine gehörige Zeit[6] gelegen habe, zum Classiker. Sie wären aus gleichem Grund und in gleicher Weise auf die Verfertigung der besten Scheeren stolz wie auf die der besten Poesie[11]. So ein Engländer lese den Shakspeare eigentlich nicht anders wie den Pope, den Dryden, oder wer sonst noch Classiker sei; bey dem einen denke er eben nicht mehr als bei dem andern. – Marcus meynte, das goldne Zeitalter sey nun einmal eine moderne[7] Krankheit, durch die jede Nation[1] hindurch müsse, wie die Kinder durch die Pocken. ➢ Volltext.
[69]
F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 31
: Uebrigens zeigt es sich in dieser Tendenz noch ganz besonders, wie fremd[4] den Menschen die Poesie[1] geworden war; das Kunstgefühl war ihnen ein Phänomen, das sie vor allen Dingen zu begreifen und zu erklären wünschten; wodurch aber weder das Verständniß der Kunst[2] eröffnet, noch auch der Dichter selbst gefördert wird. In neuerer[3] Zeit[3] hat man, besonders seit Kant, einen andern Weg eingeschlagen, und durch Zurückführung eines jeden besondern ästhetischen Gefühls auf das Gefühl des Unendlichen, oder die Erinnerung der Freiheit[10] wenigstens die Würde der Poesie[1] gerettet. Für die Kritik aber ist damit immer nicht viel gewonnen, so lange man den Kunstsinn nur erklären will, statt daß man ihn allseitig üben, anwenden und bilden sollte..
[70]
Schleiermacher, Religion (1799), 219 f.
: [S]o würdet Ihr doch zugeben, daß kein Künstler seine Kunst[9] einer Schule mit einigem Erfolg mittheilen kann wenn nicht unter den Lehrlingen eine gewiße Gleichheit der Vorkenntniße Statt findet; und doch ist diese in je〈220〉der Kunst[2] wo der Schüler seine Fortschritte durch Übungen macht, und der Lehrer vornehmlich durch Kritik nüzlich ist, minder nothwendig als in der Religion wo der Meister nichts thun kann als zeigen und darstellen..
[71]
Schleiermacher, Brf. Lucind. (1800), 1 f. (2)
: Ein tüchtiges Urtheil, wie wir es über die Bücher fällen, die so vorkommen, wirst Du doch nicht erwarten? Du weißt ja, [...] wie ich scheu und bedächtig und ehrerbietig mit Allem umgehe, was sich mir als ein eigen gebildetes Wesen ankündigt, sei es ein Mensch[1] oder ein Gedanke oder ein gebildetes Werk, und wie 〈2〉 lange und unersättlich ich bei der Anschauung verweile, ehe ich mich an etwas wage, was einer Uebersicht oder einem Urtheil ähnlich ist. Und nun gar dieses Werk, welches wie eine Erscheinung aus einer künftigen Gott[1] weiß wie weit noch entfernten Welt da steht! Gewiß, sie könnte eben so lange vollendet sein, als sie nun unvollendet ist, ehe ich es mir erlauben würde, in diesem Sinne[1] etwas über die Composition und die Kunst[14] darin überhaupt zu sagen, das heißt wirklich zu meinen. Verhielte sich auch der zweite Theil zu dem ersten nur wie die Rückseite einer Schaumünze oder das Gegenstück eines Gemäldes; so würde ich mir bis zur Vollendung Schweigen[2] und Ungewißheit gebieten, wieviel Betrachtungen dieser Art sich mir auch aufdrängen, seitdem ich mit dem Geist12 und Charakter[1] des Buchs recht gesättigt bin, und seitdem Friedrich Schlegel seine Ansicht von der romantischen[1] Poesie[1] in so klaren Worten[2] von sich gegeben hat. Doch lieber Freund, dieses Aufschieben eines vollendeten Urtheils geht bei mir nicht nur auf die Composition, sondern auf Alles, und ich müßte zu meinem Unglück weniger hohe Begriffe[1] von dem haben, was die Kritik eigentlich leisten kann und soll, wenn es anders wäre. ➢ Volltext.
[72]
Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 214
: Dieses poetische[4] Meisterstück hat Seyffert unter allen Tonkünstlern unstreitig am besten getroffen. Die goldene Schale der Kritik, die den Dichter[1] und Musiker abwägen wollte, würde gewiß hier im Gleichgewicht schweben[5]. Er verstand seinen Dichter[1] so ganz, als man ihn nur verstehen kann..
[73]
Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–
?94), 251
: Inzwischen bin ich froh, daß ich von Hamburg bin, meines Spiels wegen; ich wäre schlecht geworden, wenn ich dageblieben. Alle Lust war weg, denn wenn die Stunde kam, daß ich nach dem Theater sollte, so war's nicht anders, als wenn ich in meinen Tod sollte. Was hilft der Beifall, der einem im Schauspielhaus zugerufen wird, wenn dann ein Schurke sich hinsetzt und was gleich darauf in die Welt hineinschreibt. Gutgemeinte, ehrliche Kritik bessert, bösartige bestärkt in den Fehlern..
[74]
Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–
?94), 287
: Madame, die Gesellschaft hat mit vielem Vergnügen vernommen, daß Sie heute im Theater sind. Als eine Kennerin wie Sie, bitten wir Sie alle einstimmig um Ihr[e] Kritik..
[75]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 122
: Wie die Ballette auf der Schaubühne gegenwärtig sind, verdienen sie schweerlich unter die Werke des Geschmaks gezählt zu werden; so gar nichts geistreiches und überlegtes stellen sie vor. Man sieht seltsam gekleidete Personen, mit noch seltsamern Gebehrden und Sprüngen, mit gezwungenen Stellungen und gar nichts bedeutenden Bewegungen, auf der Schaubühne herum rasen, und niemand kann errathen, was dieses Schwärmen vorstellen soll. Es ist nichts ungereimteres, als nach einer ernsthaften dramatischen Handlung eine so abgeschmakte Lustbarkeit auf der Bühne zu sehen. Es scheinet also kaum der Mühe werth, daß diese Materie in einem ernsthaften Werk in besondre Ueberlegung genommen werde. | Da es aber nicht unmöglich ist, diesen Theil der Schauspielkunst zu veredlen, und dem Ballet einen ansehnlichen Rang unter den Werken des Geschmaks zu geben [...], so wollen wir es hier nicht ausschließen. Die Mittel, welche der Mahler hat, wichtige Werke des Geschmaks hervorzubringen, hat auch der Balletmeister, und noch dazu in einem weitern Umfange. Der Mahler und der Schauspieler bringen Scenen aus dem moralischen Leben vor unsre Augen, die sehr wichtige Eindrüke auf uns machen; dergleichen Vorstellungen hat auch der Balletmeister in seiner Gewalt. Er verdienet also eben so gut, als jene, daß die Critik ihm zu Hülfe komme..
[76]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 257
: Erst gegen die Mitte des itzigen Jahrhunderts drang das Genie[2] einiger wahrhaftig schönen und starken Geister[33] durch die Dike der Finsternis hindurch, und zeigte Deutschland in vortrefflichen Proben, so wol das helle Licht der Critik, als den wahren Geist[12] der Dichtkunst. Bodmer, Haller, Hagedorn sind die ersten gewesen, die den Schimpf der Barbarey in Absicht auf die Dichtkunst, von Deutschland weggenommen..
[77]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 327
: So verhält sich die Sache mit verschiedenen Arten des Entsetzlichen, das unlängst gegen allen Geschmak und gegen die gesunde Critik verschiedentlich auf den französischen und deutschen Schaubühnen ist eingeführt worden..
[78]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 352
: Die Kunst[9] zu erzählen erfodert eigene Gaben, die man nicht durch Regeln bekommt; alles, was die Critik hier thun kann, ist, daß sie einige Winke und Warnungen giebt.
.
[79]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 451
: Daher entsteht in der Mahlerey, so wie in der Rede, der dreyfache Stil. Aber die Critik[8] hat sich nicht so tief in besondere Betrachtungen über denselben eingelassen, wie bey der Beredsamkeit. Doch ist der Weg zu einer genauern Critik durch einen Kenner von großer Einsicht glüklich gebahnt worden. Der Herr v. Hagedorn hat nicht nur den wahren Charakter und die Gränzen jeder Gattung und Art wol bezeichnet, sondern auch richtige Grundsätze angezeiget, auf welche die Beurtheilung jeder Art gegründet seyn soll..
[80]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 473
: Gespräche machen eine besondere Gattung der Werke redender Künste, die eine nähere Beleuchtung der Critik verdienet..
[81]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 499
: Nicht die Feinheit des Geschmaks, sondern seine Größe ist das, worauf die Critik vorzüglich [hin]arbeiten sollte..
[82]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 574
: Auf diese Weise muß nothwendig in unsern [...] Urtheilen eine große Verwirrung entstehen. Aber es mangelt der Critik nicht an dem Leitfaden, vermittelst dessen man sicher aus diesem Labyrinth herauskommen kann..
[83]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (2)
: Man erkennet deutlich, warum nicht eher große Kunstrichter entstehen können, als bis große Künstler gewesen sind. Denn aus Betrachtung der Kunstwerke entstehet die Critik. Daß aber die Künste[2] fallen, nachdem die Critik das Haupt empor hebt, muß von zufälligen Ursachen herkommen. Denn in der deutlichen Kenntnis der Kunst[2], kann der Grund von der Unthätigkeit des Genies[2] nicht liegen..
[84]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (3)
: Freylich kann eine falsche und spitzfündige Critik den Künsten[2] selbst sehr schädlich werden, wie eine spitzfündige Moral einen sehr schlimmen Einfluß auf die Sitten haben kann. Es ist tausendmahl besser daß die Menschen von gutem sittlichen Gefühl nach ihren natürlichen[2] und unverdorbenen Empfindungen, als nach Grundsätzen und Lehren einer Sophistischen Sittenlehre handeln. Und in diesem Falle sind auch Künstler von gutem natürlichen[2] Genie[2] in Beziehung auf eine spitzfündige Critik. Nur so lange als sie aus ächten Grundsätzen, ohne Zwang und Sophisterey natürliche[4] Folgen zieht, wird sie unfehlbar dem Genie[2] der Künstler nützlich werden..
[85]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (1)
: Die ersten Kunstrichter widmeten ihr Nachdenken der Theorie der Künste[2], weil die Natur[2] ihnen das besondere Genie[2] zu Untersuchungen dieser Art gegeben hatte: was sie bemerkten und entdekten, hatte das Gepräg der Gründlichkeit, ob es gleich noch nicht allgemein und vollständig genug war. Nachdem einmal die Critik durch dergleichen Bemerkungen mit Säzen so weit bereichert worden, daß es der Mühe werth war, sie in ein System zu sammeln; so wurd sie zu einer Wissenschaft, die nun auch mittelmäßigen und seichten Köpfen in die Augen leuchtete. Nicht nur Männer von Genie[2], sondern auch bloße Liebhaber ohne Talente wiedmeten ihr ihre Zeit[6]. Diese bildeten sich ein, man könne sie lernen, weil die Kunstsprache, und die einmal in die Wissenschaft aufgenommenen Säze sich leicht ins Gedächtnis fassen lassen. Was also im Anfang die Frucht des wahren Genies[2] war, wurd nun zur Modewissenschaft, auf welche sich Leute ohne Genie[2] und Talente legten. Jeder seichte Kopf, der sie ohne Verstand[4] blos durch das Gedächtnis gefaßt hatte, versuchte sie mit seinen eigenen Säzen, mit neuen[1] Wörtern[1], an denen das Genie[2] keinen Antheil hatte, zu bereichern; und so wurd die Critik zulezt zu einem Gewäsche, in welchem man nur mit großer Mühe, die von den wahren Kunstrichtern gemachten Entdekungen noch wahrnehmen konnte. Wenn nun zugleich auch Menschen ohne natürlichen[3] Beruf sich auf die Künste[2] legen; so glauben sie dieselben aus den Theorien erlernen zu können: und so werden Künste[2] und Critik zugleich verdorben..
[86]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (2)
: Aristoteles, der als ein Mann von Genie[2] über diese Kunst[2] [sc. Beredsamkeit] geschrieben hatte, bekam tausend Nachfolger ohne Genie[2], welche nach und nach die Theorie der Kunst[2] in einen beynahe leeren Wortkram verwandelten [...]. Und nun gab es auch schwache Köpfe, die aus den Rhetoriken die Beredsamkeit erlernen wollten. Auf diese Weise mußte die Kunst[2] durch die Critik zu Grunde gehen..
[87]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (3)
: Man muß es deswegen nicht der Critik selbst, nicht den Kunstrichtern von Genie[2], sondern den Sophisten, die aus dieser Wissenschaft[1] ein Handwerk gemacht haben, zuschreiben, wenn die schönen[2] Künste[1] durch Theorien verdorben werden. Den ächten Kunstrichter wollen wir als den Lehrer des Künstlers[1] ansehen, und diesem rathen auf seine Stimme[3] zu horchen. Zwar scheinet es, daß der Künstler[1] auch der beste Richter über die Kunst[2] seyn sollte. Wenn man aber bedenkt, wie viel Zeit[6], Nachdenken und Fleiß die Ausübung erfodert; so läßt sich begreifen, daß ein zur Kunst[2] gebohrnes Genie[4], (und ein solches muß der Kunstrichter seyn) das sich selbst mit der Ausübung nicht beschäftiget, in gar vielen zur Kunst[2] gehörigen Dingen, noch weiter sehen muß, als der Künstler[1] selbst..
[88]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 744
: Maschine. (Epische und dramatische Dichtkunst) Durch dieses Wort[1] bezeichnet man die ganz unnatürlichen Mittel einen Knoten der Handlung in epischen und dramatischen Gedichten aufzulösen, dergleichen Wunderwerke, Erscheinungen der Götter[6], völlig außerordentliche, aus Noth von dem Poeten erdichtete Vorfälle, und andre Dinge sind, wodurch der Knoten mehr zerschnitten, als aufgelößt wird. [...] Die gesunde Critik verwirft diese Maschinen als Erfindungen, die der Absicht des epischen und dramatischen Gedichtes gerad entgegen sind..
[89]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 913
: Vor einigen Jahren kamen in Deutschland nach und nach verschiedene dramatische Werke, unter dem Titel politischer Trauerspiehle heraus, davon die meisten unsern Bodmer zum Verfasser hatten. Ob sie nun gleich keine günstige Aufnahm erfahren, und so gar in einigen critischen[3] Schriften derselben Zeit, deren Verfasser es sich zur Maxime scheinen gemacht zu haben, den Vater der wahren Critik in Deutschland zu verspotten, so gar verhöhnt wurden; so haben verschiedene Kenner ihren Werth, einiger darin vorkommender in der That unnatürlicher Ausdrüke ungeachtet, nicht verkennt..
[90]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 966
: Seitdem philosophische Köpfe es gewagt haben, die Werke des Geschmaks in der Absicht zu untersuchen, die Gründe zu entdeken, auf denen der starke Eindruk, den sie auf empfindsame Menschen machen, beruhet, hat man durchgehends dafür gehalten, daß durch dergleichen Untersuchungen Regeln entdekt werden, deren Kenntnis dem Künstler nüzlich seyn können. Darum haben nicht nur Philosophen, wie Aristoteles, sondern auch Künstler, wie Cicero, Horaz, Pope, und in zeichnenden Künsten[9] da Vinci, Rubens, Lairesse, sich ein Verdienst daraus gemacht, Regeln zu geben. Aber es scheinet bald, das einige angesehene Männer, die sich unter uns mit der Critik abgeben, dieses für ein altes Vorurtheil halten. Andere, die so viel weniger Beurtheilung zu haben scheinen, je lebhafter sie empfinden, fangen schon gar an, mit sehr entscheidender Verachtung von Regeln zu sprechen..
[91]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1018
: Es hat sich, so viel ich weiß, bis izt noch niemand in eine wahre und auf richtige Grundsäze beruhende Critik der Schaumünzen eingelassen, ob gleich die Sache dieser Mühe wol werth ist..
[92]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1046 f. (1047)
: Für junge Künstler wär es nöthig, daß man neu herausgekommene Kupferstiche in eigenen Wochen- oder Monat- Schriften mit der genauen 〈1047〉 Critik beurtheilte, wie in einigen französischen Schriften die Schreibart und die grammatische Richtigkeit des Ausdruks neuer Bücher beurtheilet werden. Noch nüzlicher wär es, wenn die verschiedenen Academien der zeichnenden Künste[9], sich angelegen seyn ließen, durch solche critische[3] Beurtheilungen, der so häufig herauskommenden Kupferstiche, den jungen Künstlern an die Hand zu gehen..
[93]
L. Tieck, Zerbino (1799), 304
: Göttin. Was nennt Ihr den guten Geschmack? | Nestor. Ich will es Euch schon anvertrauen, weil Ihr mir ziemlich lernbegierig scheint. Seht, der Geschmack, – als wenn ich sagen wollte, ein Gedicht, – nun müßt Ihr aber recht begreifen, denn ich strenge mich pur so an, um Euch die Sache recht klar und deutlich zu machen, – also, wenn Ihr Euch ein klassisches[3] vollendetes Gedicht denkt, – klassisch[3] nehmlich, was, – nun, das ergiebt sich von selbst, – oder so ein Epigramm, ein Heldengedicht, eine Tragödie, worinn alle Regeln observirt, niemals verwandelt – | Göttin. Ich verstehe Euch nicht; meint Ihr vielleicht überhaupt die Kunst[14]? | Nestor. Nun ja, es wird ungefähr so zutreffen. Wenn Ihr die Classiker[2] gelesen hättet, da würdet Ihr mich schon sehr verstehn. Hätt' ich doch nur meine Grundsätze der Kritik bei mir!.
[94]
L. Tieck, an A. W. Schlegel (20. 5. 1836), L, 207 f. (208)
: Und schon jezt erinnere ich: „Deine Memoiren!“ – „Dein Briefwechsel“. – in unsern Zeiten[3], die der Barbarei zuneigen, ist es eine Art von Pflicht[1], daß du deinen Landsleuten noch ein solches 〈208〉 Denkmal zurück lassest. Wer erzählt, wie Du! Wem ist noch diese freie[14] Kritik eigen und diese Gabe der Sprache[18]!.