Wortliste
Struktur
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Semantik 
2. ›wertende Betrachtung eines Kunstwerks‹, auch allgemein ›empirisch fundiertes Nachdenken über Kunst und ihre Ausübung, Reflexion über das Wesen von Kunstwerken‹, Spezialisierung zu 1. Kritik2 ist die Aufgabe des Kunstrichters [8] (vgl. Kritik8). Nach A. W. Schlegel steht sie als „Mittelbegriff“ [6] bzw. „verbindendes Mittelglied“ [50] zwischen allgemeiner philosophischer Kunsttheorie und Kunstgeschichte [53]. ⦿ Sie ist nicht nur rezeptiv (beschränkt auf die Beurteilung vorhandener Werke), sondern kann bzw. soll auch geschmacksbildend (rezeptionspädagogisch) wirken [27, 66, 78; ironisierend: 60] sowie die Produktion neuer Werke beeinflussen [2?, 6, 9, 18, 35, 37, 50, 67, 70, 72; bestritten: 24]. Prinzipiell ist sie allerdings gegenüber der Kunst2 sekundär [10]: Die Theorie braucht vorgängig einen Gegenstand. Idealiter erscheint sie nicht als Tadel von Kunstfehlern (als solcher kann sie schädliche Wirkung entfalten, da sie den ausübenden Künstler demoralisiert [70]), sondern als Studium [46] großer Kunstwerke (die sie nicht hinsichtlich einzelner Vorzüge, sondern hinsichtlich des Ganzen beurteilen soll [68] ⦿) und als charakterisierender Nachvollzug der Eigentümlichkeit des Werks bzw. des Künstlers (den sie nicht besser als er sich selbst, sondern nur genau so gut wie er sich selbst zu verstehen beanspruchen sollte [29]). Sie soll in dem einzelnen Beispiel zugleich die Gattung und in dem Werke zugleich den Künstler schildern [28, vgl. 30] und sich nicht auf eine nationale Kunstproduktion beschränken, sondern überhaupt „den menschlichen Geist[10] in dem Stufengange seiner Entwickelung bis zu dem Gipfel hinauf“ verfolgen [53] und setzt daher Universalität des Geistes14 voraus [46]. Wilhelm von Humboldt und die Romantiker, insbesondere die Brüder Schlegel, konzipieren Kritik2 als dem Anspruch nach wissenschaftliche Tätigkeit, die mit Geschichte und Philologie in Verbindung steht [32, 45, 53]; vgl. Kritik3.
Belege 
[1] B. v. Arnim, Günder. II (1840), 133 f. (134): Dein klein Gedicht was Du bei Gelegenheit der Langenweile gemacht [...], für jeden Andern wollt ich es als Gedicht rechnen, aber für Dich nicht, denn Du sprichst darin eine äußere Situation aus, nicht die innere, und ein Gedicht ist doch wohl nur dann lebendig wirkend wenn es das Innerste in lebendiger Gestalt hervortreten macht, je reiner je entschiedner dies innere Leben sich ausspricht je tiefer ist der Eindruck, die Gewalt des Gedichts. Auf ⟨134⟩ die Gewalt kommt alles an, sie wirft alle Kritik zu Boden und thut das ihre. Was liegt dann dran ob es so gebaut sei wie es die angenommne Kunstverfassung nicht verletze?

[2] Ditters v. Dittersdorf [Spazier], Lebensbeschr. (1801), 128: Es [...] ist weltbekannt, daß Kritik – echte, unparteiische Kritik wahrer Kenner – von jeher allen schönen Künsten und Wissenschaften den ergiebigsten Nutzen gebracht hat und immerfort verschaffen wird.

[3] Herder, Bef. d. Hum. VIII (1796), 162: Auch die Kritik ist ohne Genius nichts. Nur ein Genie[4] kann das Andre beurtheilen und lehren. Nur der, der selbst Känntnisse hat und Kräfte zeigt, kann Kräfte wecken und Känntnisse befördern.

[4] Scheibe, Musik. Compos. (1773), XXXV f.: Ein solches Fach [sc. musikalische[1] Gelahrtheit] gehörig auszufüllen, dazu gehöret bey einer vieljährigen Erfahrung und Kenntniß der Literatur überhaupt, eine gewisse Stärke in der Kritik, eine ansehnliche Büchersammlung, ein weitläufiger Briefwechsel, und folglich auch ein solches Einkommen, welches die Unkosten dazu, die nicht geringe seyn können, zu bestreiten hinreichend ist. Aber welcher gründlicher Musikverständiger ⟨XXXVI⟩ befindet sich in diesen glücklichen Umständen?

[5] A. W. Schlegel, Entw. Krit. Inst. (*1800), SW 8, 50: Die hauptsächlichsten Fehler der bis jetzt bestehenden recensierenden Zeitschriften sind: Mangel an unpartheilicher und rücksichtsloser Schärfe der Kritik; große Ungleichheit in dem Maßstabe der Beurtheilung, weil die Mitarbeiter auf äußerst verschiednen Punkten der Fähigkeit und Ausbildung stehen; allzu langes Verweilen bei dem Mittelmäßigen und Schlechten und zu kurze Abfertigung oder gänzliche Uebergehung des Wichtigen und Vortrefflichen; Ungleichheit in der Zeit der Beurtheilung, indem einiges sogleich nach seiner Erscheinung angezeigt wird, andres erst Jahre nachher, wenn schon das ganze Verhältniß des Werkes zu dem bis dahin Geleisteten verändert ist; Zufälligkeit der Anordnung, oder vielmehr absichtliche Zerstückelung, und Vermeidung einer solchen, die irgend eine Übersicht gewährte; endlich Einförmigkeit, Trockenheit und Geistlosigkeit in der Form oder Unform des Vortrags.

[6] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 4: Die Aesthetik oder die philosophische Theorie des Schönen[2] und der Kunst[2] ist unendlich wichtig in ihrer Beziehung auf die übrigen Untersuchungen über den menschlichen Geist[11]; aber für sich allein ist sie darum noch nicht praktisch belehrend. Dieß wird sie erst durch ihre Verbindung mit der Geschichte[4] der Künste[2]. Kritik nennen wir den Mittelbegriff zwischen der allgemeinen Lehre und der geordneten Erfahrung oder der Geschichte[4]. Die Vergleichung und Beurtheilung der vorhandenen Hervorbringungen des menschlichen Geistes[11] muß uns die Bedingungen an die Hand geben, die zur Bildung[1] eigenthümlicher und gehaltvoller Kunstwerke[2] erfoderlich sind. | Mit der Fackel der Kritik also wollen wir die Geschichte[1] der dramatischen Kunst[2] beleuchten. Volltext

[7] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 104, Nr. 244 f.: Die moderne[1] κρ [Kritik] muß eben so aufs Absolute tendenziren als die π [Poesie][11] – | Gewöhnlich ists nicht κρ [Kritik] sondern nur deklamirender Enthusiasm der s.[ich] über die einzelnen Stellen vernehmen läßt und ignoranter Witz[3] der polemisch über das Ganze herfällt.

[8] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 578: [L]eicht würde die Beurtheilung der Kunstwerke[2] seyn, wenn unsre Kunstrichter und die Verfasser der mannigfaltigen periodischen Schriften, darin die von Zeit[7] zu Zeit[7] herauskommenden Werke des Geschmaks beurtheilet werden, sich angelegen seyn ließen, anstatt so viel Geheimnisvolles von den Regeln der Kunst[2], in einer dem gemeinen Leser unverständlichen Kunstsprache, zu sagen, ihm auf die rechte Spuhr hülfen, selbst zu urtheilen. Dieses wäre bald gethan, wenn man nur bey jeder Gelegenheit die Wahre und gar einfache Theorie der Kunst[2] überhaupt, und jedes Zweyges derselben besonders, vorbrächte, danach urtheilte, und so die allgemeine Critik in ihrer wahren Einfallt darstellte, und auf populare Kenntnis zurükführte.

[9] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 580: Dieses wenige kann hinlänglich seyn, denen, die dergleichen Kirchen bauen, oder bauen lassen, zu zeigen, wie nöthig es sey, überall auf den wahren Zwek der Sachen zu sehen. Auch diesem Theile der Kunst[2], fehlet es noch an einer wahren gründlichen Critik, die den Baumeister in seinen Verrichtungen immer auf dem geraden Weg halte.

[10] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (1): Doch kann [...] nicht geläugnet werden, daß die Künste[2] meistentheils ihrem Verfall am nächsten gewesen, wenn die Critik und die Menge der Kunstrichter aufs höchste gestiegen sind. Die Griechischen Dichter, die später als Aristoteles gelebt haben, scheinen weit unter denen zu seyn, die vor diesem Kunstrichter gewesen sind. Und wer wird sich getrauen zu behaupten, daß die Lateinische Dichtkunst nach Horaz, oder die Französische nach Boileau höher gestiegen sey, nachdem diese Kunstrichter das Licht der Critik haben scheinen lassen? | Aber dieses beweißt nichts gegen die Critik. Die fürtreflichsten Werke der Kunst[2] mögen immer älter als sie seyn, so wie die edelsten Thaten, der Philosophischen Kenntnis der Sittenlehre können vorhergegangen seyn. Man hat große Heerführer und große Kriegesthaten gesehen, ehe man über die Kriegeskunst geschrieben hat, und vor der Philosophie gab es große Philosophen. Dieses beweißt blos, daß die Bestrebungen des Genies[4] nicht von Theorien und Untersuchungen abhangen, sondern ganz andere Veranlassungen haben. Der Mangel des Genies[2] kann durch die helleste Critik nicht ersetzt werden; und wenn auch dieses vorhanden ist, so wird es nicht durch Kenntnis der Regeln sondern durch innerliche Triebe, die von irgend einer Nothwendigkeit herkommen in Würksamkeit gesetzt. Der Mensch dem die Natur[2] alles gegeben hat, sinnreich und erfinderisch zu werden, wird es doch erst dann, wenn ihn irgend eine Noth antreibet, seine Kräfte zusammen zu nehmen. Diese Bestrebung entsteht freylich nicht aus der Critik. Schon Aeschylus hat angemerkt, daß die Nothwendigkeit und nicht die Kenntnis der Kunst[2] dem Genie[2] seine Stärke giebt [...]. Aber diese Kräfte haben eine Lenkung nöthig, um den nächsten Weg einzuschlagen, der zum Zwek führet.

[11] Wackenroder, an seine Eltern (24. 8. 1793), VL 2, 222: Das Rathhaus hat eine Italiän[ische] Façade, die, wenn sie auch nicht die Kritik aushält, doch viel Frappantes hat.

[12] A. v. Arnim, Dolores (1810), RuE 1, 438.

[13] Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 162.

[14] Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 228.

[15] Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 334.

[16] Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 390.

[17] Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 127.

[18] Bürger, Vorr. Ged. (1789), 26.

[19] Chézy, Erinn. Leb. (1818), 44.

[20] C. D. Friedrich, an J. L. Lund (Sept. 1800), Z, 17.

[21] Goethe, an J. G. Herder (?Sommer 1771), WA IV, 1, 256 f. (257).

[22] Goethe, an J. D. Salzmann (6. 3. 1773), WA IV, 2, 68.

[23] Goethe, an F. A. Wolf (26. 12. 1796), WA IV, 11, 297.

[24] Goethe, an Schiller (6. 1. 1798), WA IV, 13, 8 f. (9).

[25] Goethe, an A. W. Schlegel (6. 10. 1803), WA IV, 16, 319 f. (320).

[26] Heine, Romant. Schule (1836), 31.

[27] W. v. Humboldt, Stud. Alterth. (*1793), GS I, 1, 268 f..

[28] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), V f. (VI).

[29] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 16.

[30] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 31 f. (32).

[31] W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 247.

[32] W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 131 f..

[33] W. v. Humboldt, Schiller (1830), GS I, 6.2, 520.

[34] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), 174.

[35] Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), 258.

[36] Novalis, Blüthenstaub (1798), 88, Nr. 68.

[37] Ritter, Einl. Fragm. (1810), LXIII f..

[38] Scheffner, Leben (1816), 164.

[39] Scheibe, Musik. Compos. (1773), 15.

[40] A. W. Schlegel, an Schiller (9. 11. 1795), KW, 16.

[41] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 131.

[42] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 132.

[43] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 133.

[44] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 150.

[45] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 65.

[46] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 5 ff..

[47] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 18.

[48] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 36 f. (37).

[49] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 426 f. (427).

[50] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (21817), 3 f. (4).

[51] A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), III f..

[52] A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), VIII.

[53] A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), XIII f..

[54] A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), XIV.

[55] C. Schlegel, an A. W. Schlegel (2. 3. 1801), C 2, 55.

[56] D. Schlegel, Theaterkr. (1803), 174 f..

[57] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 168, Nr. 992.

[58] F. Schlegel, Lessing (1797), 78.

[59] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 148, Nr. 57.

[60] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 155, Nr. 86.

[61] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 164, Nr. 114.

[62] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 166, Nr. 120.

[63] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 62, Nr. 35.

[64] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28 ff. (30), Nr. 116.

[65] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 66.

[66] F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 31.

[67] Schleiermacher, Religion (1799), 219 f..

[68] Schleiermacher, Brf. Lucind. (1800), 1 f. (2).

[69] Chr. F. D. Schubart [L. Schubart], Id. Tonk. (*1784–85; 1806), 214.

[70] Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–?94), 251.

[71] Schulze-Kummerfeld, Leb. I (*1782–?94), 287.

[72] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 122.

[73] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 257.

[74] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 327.

[75] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 352.

[76] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 451.

[77] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 473.

[78] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 499.

[79] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 574.

[80] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (2).

[81] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 632 (3).

[82] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (1).

[83] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (2).

[84] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 633 (3).

[85] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 744.

[86] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 913.

[87] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 966.

[88] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1018.

[89] Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 1046 f. (1047).

[90] L. Tieck, Zerbino (1799), 304.














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