Wortliste
Struktur
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Semantik 
4. ›kanonisch, als qualitativ hochrangig und beispielhaft bzw. verbindliches Richtmaß allgemein anerkannt; zur Nachahmung empfohlen‹; offen zu 3, im Gegensatz dazu möglicherweise ohne (nach Meinung der Autoren) wirklichen Wert. Als Kriterien dafür, einen Autor als klassisch4 einzuschätzen, nennt A. W. Schlegel die vollkommenste Reinigkeit, Klarheit, Zierlichkeit und Anmut der Sprache [43].
Belege 
[1] Börne, Brf. Paris III (1833), 277: Bei Tische wurde auch angekündigt, daß eine aus polnischen und französischen Gelehrten gebildete Gesellschaft den Vorsatz gefaßt, alle classischen Schriften der Polen, etwa funfzig bis sechzig Bände, in das Französische zu übersetzen[1], um mit dem Ertrage des Werkes die dürftigen Polen zu unterstützen.

[2] C. de la Motte Fouqué, Dt. Geselligk. (1814), 30 f. (31): Wir sollen nicht länger zwischen eigenthümlicher und fremder[5] Bildung[5] schwanken, es steht uns wohl an Deutsch[1] zu seyn. Ist die französische Sprache[3] dem gesellig verkehrenden Europa unentbehrlich geworden, so gelte sie wie eine Scheide- und Ausglei⟨31⟩chungsmünze, so lange sie in Cours bleiben kann, Jedweder lerne sie als solche kennen, sie bleibe ihm Mittel, nichts weiter. Was hülfe es auch, sie zum Zweck machen zu wollen? Ihre klassischen Sprichwörter und Phrasen liegen doch nur wie veralteter bestäubter Modeprunk auf der lebendigen Nationalbildung, der deutsche[1] Geist[12] ist aus dem alten[6] Kleide herausgewachsen, beide passen nicht zu einander.

[3] Goethe, an J. Lawrence (5. 4. 1816), WA IV, 26, 328: Wenn in einem
alten
bekannten Stücke Stellen vorkommen, die auf gegenwärtige Zustände deuten, dann ist der Theaterschauer höchst entzückt, das sogleich zu deuten, beklatscht es als eine
classische
, als eine canonische Stelle. Bringen wir aber der Menge Gegenstände, deren Wirklichkeit ihr ganz nahe lagen, so kann nach unserer neuern Empfindungsweise das Publicum nicht angenehm mitfühlen, und solche Arbeiten finden immer nur eine trübe Theilnahme.


[4] Goethe, Tag- u. Jahres-Hefte II (*1817..26; 1830), WA I, 36, 150
(27)
f.: General-Superintendent
Krause
erschien als tiefkranker Mann, und man mußte vielleicht manche schwache Äußerung einem inwohnenden unheilbaren Übel zuschreiben. Er empfahl den oberen Classen des Gymnasiums
Tiedgens
Urania als ein
classisches
Werk, wohl nicht bedenkend, daß die von dem trefflichen Dichter so glücklich bekämpfte Zweifel
⟨151⟩
sucht ganz aus der Mode gekommen, daß niemand mehr an sich selbst zweifle und sich die Zeit
[
6
]
gar nicht nehme, an Gott zu zweifeln.


[5] Jerusalem, Dt. Spr. u. Litt. (1781), 10: [U]ngeachtet der Entfernung, worinn die Verfasser durch alle Provinzen von Deutschland zerstreuet wohnen, ist doch in keiner dieser Schriften die Provinz mehr zu kennen, sondern sie sind für ganz Deutschland klaßisch, als Schriften von einer einzigen Akademie; und würden nun selbst schon hinreichend seyn, den Geschmack der Nation[1] ferner auszubilden; wie denn auch mit jedem Jahre unsre Litteratur mit ähnlichen Schriften noch mehr bereichert wird. Bey die⟨11⟩sen Meisterstücken wird sie freylich mit jedem Jahre auch mit einer Menge von pedantischen, abentheuerlichen[3], wahnsinnigen Misgeburten überhäuft; aber dergleichen muß die ausgebildeteste Nation[1] unter sich leiden, und wie vielmehr unser armes Vaterland, wo jährlich wenigstens Fünftausend neue Bücher, (eine schreckliche Manufaktur!) herauskommen.

[6] Kant, Prlgm. (1783), 41 (Anm.): Es ist unmöglich zu verhüten, daß, wenn die Erkentniß nach und nach weiter fortrückt, nicht gewisse schon classisch gewordne ⟨42⟩ Ausdrücke, die noch von dem Kindheitsalter der Wissenschaft her sind, in der Folge sollten unzureichend und übel anpassend gefunden werden, und ein gewisser neuer und mehr angemessener Gebrauch mit dem Alten in einige Gefahr der Verwechselung gerathen sollte.

[7] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 155: Was ich von unsern hochdeutschen korrekten Schriftstellern denke, die sich schon vor dreißig Jahren untereinander zu klassischen Autoren ernannten, die Literatur in allgemeinen deutschen Bibliotheken und gelehrten Zeitungen zu regieren unternahmen und ihr Zusammentreffen frischweg und ohne die eigentliche Nation[1] weiter zu fragen, für das goldne Zeitalter der Literatur erklärten, habe ich hinlänglich angezeigt.

[8] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. III (1830), 115: In der Mitte des Saals steht ein Büreau, an welchem ein Commis postirt ist, der klingelt, sobald man etwas von den Waiters verlangt, die Rechnung führt, auch bei streitigen Fällen die
classischen
Werke über das Whist herbeibringt.


[9] Schiller, an J. F. Cotta (6. 2. 1801), NA 31, 7: [E]in gebildeter gelehrter Engländer, der erst seit wenigen Jahren in Deutschland ist, der alle neue und alte
klaßische
Litteratur aus dem Grunde kennt, sollte seine Muttersprache nicht schreiben können, Er, der mir selbst die schändlichsten Uebersetzungsfehler in den Piccolominis die Coleridge übersezte nachgewiesen hat?


[10] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 5: Die meisten Dichter und Werke von denen in diesen Stunden die Rede seyn wird, werden in den gewöhnlichen Literargeschichten nur der Vollständigkeit wegen ohne weitere Auszeichnung mit aufgeführt, von denen aber, welche eine kritische Auswahl der classischen[4/5] und für golden zu achtenden Literatur einer Sprache nach den Principien der Correctheit haben geben wollen, als fremdartiger Auswuchs zum Theil gänzlich übergangen und verworfen: Die leeren Stellen hat man nicht selten mit Autoren ausgefüllt, denen nach unsern Ansichten gar nicht einmal der Name von Dichtern geschweige von Meistern in ihrer Kunst zukommt: mit den geistlosen Nachahmern einer misverstandnen Classicität und dem ganzen Heer der ihnen nachtretenden Versificatoren.

[11] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 56: Die Römer erlangten ihre Bekanntschaft mit der Griechischen Litteratur hauptsächlich durch Vermittlung [...]; sie modelten ihre eigne darnach, und da diese Bestrebungen ziemlich bald ihr Ziel erreicht und sich fixirt hatten, so erklärten sie ebenfalls einige ihrer Schriftsteller, besonders aus dem Zeitalter des Augustus, und dem zunächst vorhergehenden, für
classisch
und fingen schon sehr früh an, sie als Classiker
[vgl.
klassisch3
]
in den Schulen auszulegen, um die Schreibart der Jugend darnach zu bilden.


[12] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 226: Die französischen Kunstrichter und die durch sie herrschend gewordene Meynung erklären nur einen einzigen ihrer Lustspieldichter, den Moliere, für klassisch, und alles seitdem Geleistete wird nur als mehr oder weniger unvollkommene Annäherung an dieses vermeyntlich unübertreffliche, ja unerreichbare Muster geschätzt. Volltext

[13] J. Schopenhauer, Jugendlb. u. Wanderb. I (1839), 113: Vor allen Andern aber ehrte und bewunderte ich den Dictator Cincinatus! Stundenlang malte ich in Gedanken es mir aus, wie er in Rom als Sieger triumphirend einzog, und dann still bescheiden zu seinem Pfluge und seinen Teltower Rübchen zurückkehrte, die auch ich sehr gern aß; denn daß der große Mann mit einer schlechteren Sorte als dieser, seit der Erscheinung des berühmten Briefwechsels [⦿] späterhin classisch gewordenen, vorlieb genommen haben sollte, war mir nicht denkbar.

[14] Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 206: [D]ie Luthersche Bibelübersetzung [...], welche sonst immer ein Classisches Ansehen in dem protestantischen Teutschlande behauptete, wird von Hrn. A.[delung] in seinem Wörter­buche unzähliger theils Ober-Teutscher, theils in Chur-Sachsen veralteter Redensarten überwiesen. Volltext

[15] A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 110 f. (111).

[16] Blanckenburg, Roman (1774), 115.

[17] Börne, Brf. Paris IV (1833), 181.

[18] Brockhaus, Conv.-Lex. V (1809), 339.

[19] Claudius, Asmus VII (1803), 508.

[20] Claudius, Asmus VII (1803), 519.

[21] Fichte, Zweite Einleit. (1797), SW 1, 472.

[22] Goethe, Not. u. Abhdlg. (1829), WA I, 7, 219.

[23] Heine, Brf. aus Berlin (1822), DHA 6, 27 f. (28,
1
).

[24] Heine, Romant. Schule (1836), 130.

[25] Herder, Engl. u. dt. Dichtk. (1777), 427.

[26] Herder, Gesch. d. Menschh. IV (1791), 259.

[27] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 201 f. (202).

[28] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. V (1835), 332.

[29] A. v. Humboldt, Basalte Rhein (1790), 19.

[30] A. v. Humboldt, Einl. Königr. Neuspanien (1809), LXXVI.

[31] Immermann, Düsseld. Anf. (1840), 7.

[32] Kant, Religion (1793), XVIII.

[33] Kant, Religion (1793), 208.

[34] Kant, Religion (1793), 273 f. (274).

[35] Moritz, Dt. in Engld. (1783), 37.

[36] Moritz, Dt. in Engld. (1783), 38.

[37] Moritz, Dt. in Engld. (1783), 39.

[38] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 462.

[39] Schiller, an Goethe (17. 8. 1797), NA 29, 120.

[40] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 485.

[41] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 126.

[42] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 330.

[43] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 39.

[44] F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 77, Nr. 174.

[45] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 66.

[46] Schleiermacher, Meth. d. Übers. (1813), SW 3.2, 228.

[47] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 3.

[48] Thümmel, Mittägl. Prov. I (1791), W 1, 191.

[49] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XXIV f. (XXV).

[50] Wieland, Gold. Spiegel (1772 [hier: 1795]), 297.

[51] Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 158.

[52] Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 162.

[53] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 184 f. (185).














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