[1]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (
2
1793), 1338
: Classisch[3/5], adj. et adv. 1) In seiner Art vortrefflich, so daß es andern zum Muster und zur Richtschnur dienen kann; am häufigsten von den Producten des Geistes. Ein classischer[3] Schriftsteller der in seiner Wissenschaft der vornehmste ist, darin andern zur Richtschnur dienet. 2) In engerer Bedeutung sind classische[3/5] Schriftsteller, welche die Regeln des Schönen, so wohl in Rücksicht auf die Gedanken, als auf den Ausdruck auf das genaueste befolgen, und in so fern andern zum Muster dienen, dergleichen Schriftsteller man auch wohl Classiker zu nennen pflegt. Ein classischer[5] Geschmack, der den möglichsten Grad der Richtigkeit und Feinheit hat. | Anm. Aus dem Lat. classicus, nicht so fern als dergleichen Schriftsteller in den Schul-
Classen gelesen werden, sondern weil in dem alten Rom die obern
Classen der Einwohner vorzugsweise
classici hießen, zum Unterschiede von den proletariis
, oder den Gliedern des gemeinen Volkes. ➢ Volltext und Faksimile
[2]
Blanckenburg, Roman (1774), Vorw., 17 f.
: Vielleicht folgert er hieraus, [...] daß alle die von den Morgenländern und Griechen besessene Vollkommenheiten und Vorzüge nicht das sind, was man eigentlich glaubt; – daß die Abänderung und Umschmelzung unsers Geschmacks hierinn, nicht Verfall, und die Vollkommenheiten der Griechischen Literatur nicht die höchsten Vollkommenheiten sind. – | Glücklich der Dichter, der [...] indem er uns den Menschen zeigt, und kennen, und es uns selbst werden lehrt, sein Volk doch nie, 〈18〉
mit seinen Besondernheiten, dabey vergißt, sondern in seiner Art so national ist, als es die Griechischen Dichter für ihr Volk waren. | Dadurch glaub' ich, kann der Romanendichter classisch
, und sein Werk des Lesens werth werden.
[3]
Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 270
: 1) in seiner Art vortrefflich und musterhaft; am häufigsten von Geistesproducten. 2) In engerer
Bedeutung sind Schriftsteller solche, welche die Regeln des Schönen musterhaft befolgen; 3) in noch engerer Bedeutung
werden die alten Griechischen und Römischen Schriftsteller Classiker
genannt.
[4]
Büchner, Leonce u. Lena (1838), WuB, 147
: [D]ann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische[6] Kehlen, klassische Leiber und eine commode Religion[1]!
[5]
Goethe, Litt. Sanscül. (1795), 51
: Wer mit den Worten[1], deren er sich im Sprechen oder Schreiben bedient, bestimmte Begriffe[1] zu verbinden für eine unerläßliche Pflicht hält, wird die Ausdrücke: classischer Autor, classisches Werk höchst selten gebrauchen. Wann und wo entsteht ein classischer Nationalautor? Wenn er in der Geschichte[3] seiner Nation[1] große Begebenheiten und ihre Folgen in einer glücklichen und bedeutenden Einheit vorfindet; wenn er in den Gesinnun〈52〉gen seiner Landsleute Größe, in ihren Empfindungen Tiefe und in ihren Handlungen[1] Stärke und Consequenz nicht vermißt; wenn er selbst, vom Nationalgeiste durchdrungen, durch ein einwohnendes Genie[2] sich fähig fühlt, mit dem Vergangnen wie mit dem Gegenwärtigen zu sympathisiren; wenn er seine Nation[1] auf einem hohen Grade der Kultur[4] findet, so daß ihm seine eigene Bildung[2] leicht wird; wenn er viele Materialien gesammelt, vollkommene oder unvollkommene Versuche seiner Vorgänger vor sich sieht, und so viel äußere und innere Umstände zusammentreffen, daß er kein schweres Lehrgeld zu zahlen braucht, daß er in den besten Jahren seines Lebens ein großes Werk zu übersehen, zu ordnen und in Einem Sinne[10] auszuführen fähig ist. ➢ Volltext
[6]
Goethe, an J. H. Meyer (1. 8. 1809), WA IV, 21, 18 f. (19)
: Kaaz hat sich auch hier ganz wohl befunden, ist herumgeführt worden, hat die Aussichten als Aussichten 〈19〉 gelobt, im Landschaftmalerischen Sinne[1] gescholten und hier sowenig gezeichnet wie drüben. Daß es ihm doch auch nur eingefallen wäre einen so unschätzbar classischen Platz, wie Schillers Garten, wo so treffliche Sachen wie seine Wallensteine, seine Almanache und sonst Gott weiß was zu Stande gekommen sind, zu zeichnen oder nur danach zu fragen!
[7]
Goethe, an H. K. A. Eichstädt (24. 10. 1816), WA IV, 27, 207
: Man hat [...] den Vorsatz des Herrn Staatsminister von Voigt Excellenz [...] durch eine Medaille zu feyern. Hiezu wünscht' ich nun einige lateinische Inschriften, und es wird Ew. Wohlgeboren nicht schwer seyn mehrere classische
Stellen zu diesem Zweck aufzufinden.
[8]
Goethe, Ital. Reise I (1816), WA I, 30, 191
: Und so wird es einem denn doch wunderbar zu Muthe, daß uns, indem wir bemüht sind, einen Begriff des Alterthums zu erwerben, nur Ruinen entgegen stehen, aus denen man sich nun wieder das kümmerlich aufzuerbauen hätte, wovon man noch keinen Begriff hat. | Mit dem, was man classischen
Boden nennt, hat es eine andere Bewandtniß. Wenn man hier nicht phantastisch verfährt, sondern die Gegend real nimmt, wie sie daliegt, so ist sie doch immer der entscheidende Schauplatz, der die größten Thaten bedingt, und so habe ich immer bisher den geologischen und landschaftlichen Blick benutzt, um Einbildungskraft und Empfindung zu unterdrücken und mir ein freies, klares Anschauen der Localität zu erhalten.
[9]
Goethe, Rez. Manzoni [Carmagn.] I (1820), WA I, 41.1, 211
: [S]o wünschen wir [...] dem Verfasser Glück, daß er, von alten Regeln sich lossagend, auf der neuen Bahn so ernst und ruhig fortgeschritten, dermaßen daß man nach seinem Werke gar wohl wieder neue Regeln bilden kann. [...] Männlicher Ernst und Klarheit walten stets zusammen, und wir mögen daher seine Arbeit gern classisch
nennen.
[10]
Goethe, an Großhzg. Carl August (20. 11. 1821), WA IV, 35, 180
: Ew. Königliche Hoheit | empfangen gnädigst das schon früher angekündigte Product böhmischer Landwirthschaft, welches wohl klassisch
genannt zu werden verdient [...].
[11]
Goethe, Ital. Reise III (1829), WA I, 32, 176
: Mir ward [...] das Gefühl, der Begriff, die Anschauung dessen, was man im höchsten Sinne die Gegenwart des classischen
Bodens nennen dürfte. Ich nenne dies die sinnlich geistige Überzeugung, daß hier das Große war, ist und sein wird.
[12]
Goethe, an F. v. Müller (20. 8. 1830), WA IV, 47, 189
: Wollten Sie nicht die letzte Seite dieses Briefs[1], abschriftlich unsrer gnädigsten Frau mittheilen; sie ist im eigentlichen Sinne klassisch
d. h. für jetzt und für alle Zeit1 vollkommen gültig.
[13]
Goethe, an Zelter (4. 9. 1831), WA IV, 49, 56
(27)
f.
: Um der lieben Kürze willen schreib ich dir ein altes canonisch-classisches
Wort her, das du vielleicht kennst: Was ist ein Philister? | Ein hohler Darm, | Von Furcht und Hoffnung ausgefüllt, | Daß Gott erbarm!
[14]
Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 68
: Die Musik der Griechen ist uns ganz fremd und unbekannt, und wir können nicht einmal ihr klassisches
Zeitalter bestimmen.
[15]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 296
: Die Arie [...] ist erhaben und klassisch
; vortrefliche Musik durchaus, und zugleich edler Ausdruck.
[16]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. III (1804), 581 f.
: Keine Begriffe werden willkührlicher verbraucht als die von Simplizität und von Klassizität. Da klassisch überall jedes Höchste in seiner Art bedeutet, jeden noch so tiefen Stern, der hinter und vor uns durch den Meridian geht, folglich das Maximum jedes Stoffs – wie es denn klassische Forst- Bienen- und Wörter-Bücher gibt –: so muß das Höchste dieser Höhen, gleichsam der Stern, der durch den Meridian und Scheitelpunkt zugleich durchgeht, 〈582〉 jenes sein, das Stoff und Form zugleich zu einem Höchsten verschmilzt; und dieß ist nur der Fall der poetischen Genialität. Keine Philosophie heißet klassisch, weil der Weg zur Wahrheit – der Stoff – unendlich ist.
[17]
Novalis, Blüthenstaub (1798), 86, Nr. 55
: Das Individuum interessirt nur, daher ist alles Klassische
nicht individuell.
[18]
Novalis, Über Goethe (*1798), NS 2, 641 f., Nr. 445
: Wenn ich die neuesten[3] Freunde der Litteratur des Alterthums[3] recht verstehe, so haben sie mit ihrer Foderung, die klassischen[7/3] Schriftsteller nachzuahmen nichts anders im Sinn[10], als uns zu 〈642〉 Künstlern zu bilden – Kunsttalent in uns zu erwecken. Keine moderne[1] Nation[1] hat den Kunstverstand in so hohem Grad gehabt, als die Alten[10]. Alles ist bey ihnen Kunstwerk[2] – aber vielleicht dürfte man nicht zu viel sagen, wenn man annähme, daß sie es erst für uns sind, oder werden können. Der classischen[7/3] Litteratur geht es, wie der Antike[4]; sie ist uns eigentlich nicht gegeben – sie ist nicht vorhanden – sondern sie soll von uns erst hervorgebracht werden. Durch fleißiges und geistvolles Studium der Alten[10] entsteht erst eine klassische[7/3] Litteratur für uns – die die Alten[10] selbst nicht hatten.
[19]
Schiller, an W. H. v. Dalberg (24. 8. 1784), NA 23, 155
: Auch nähre ich insgeheim eine kleine Hoffnung, der teutschen Bühne mit der Zeit durch Versezung der klaßischen
Stüke Corneilles, Racines, Crebillons und Voltaires auf unsern Boden eine wichtige Eroberung zu verschaffen.
[20]
A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 6
: [S]o findet man schon nicht häufig Dilettanten, welche Wielands sämtliche Werke ganz durchgelesen haben, und jemand zu finden, der in Klopstocks Messias bis ans Ende gekommen wäre, ist eine wahre Seltenheit. Die meisten als classisch gesetzten Schriftsteller, die unser goldnes Zeitalter ausmachen sollen, verdienen auch dieses Schicksal, außer Umlauf gesetzt zu werden, vollkommen [...]. ➢ Volltext
[21]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 356
: Dem Liebhaber alter Sprachen, der sich ihnen doch nicht wie ein eigentlicher Philologe ganz widmen kann, ist zu rathen, daß er ohne seine Zeit[6] mit dem untergeordneten und abgeleiteten zu verderben, sich gleich an die classischen und wahrhaft exemplarischen Hauptwerke mache.
[22]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 99, Nr. 169
: Wer seine Sprache weiter bringt,
sie wahrhaft bildet, ist für diese classisch
; gesezt auch, er könnte veralten. – Selbst die alten Classiker
konnten veralten.
[23]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 166, Nr. 119
: Gäbe es aber auch noch eine Natur[12] so konsequent schön[1] und klassisch, daß sie sich nackt zeigen dürfte, wie Phryne vor allen Griechen: so giebts doch kein Olympisches Publikum[4] mehr für ein solches Schauspiel. ➢ Volltext
[24]
F. Schlegel, Philolog. I (*1797), KFSA 16, 41, Nr. 86
: Interpretation verdient nicht jede gute historische Quelle sondern nur classische
Werke.
[25]
F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 179 f. (180)
: [A]uch diejenigen [griechischen] Werke, deren Styl tadelhaft ist, sind durch die einfache Echtheit der Anlagen und Gränzen, durch die dreiste Bestimmtheit der reinen Umrisse, und die kräftige Vollendung der bildenden Natur einzige, für alle Zeitalter gültige, und gesetzgebende Anschauungen. Die kindliche Sinnlichkeit der frühern 〈180〉 Griechischen Poesie hat mehr gleichmäßigen Umfang und schönes Ebenmaß, als die künstlichste Verfeinerung mißbildeter Barbaren, und selbst die Griechische Künsteley hat ihre klassische[3/5] Objektivität. ➢ Volltext
[26]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 38, Nr. 147
: Klassisch
zu leben, und das Alterthum praktisch in sich zu realisiren, ist der Gipfel und das Ziel der Philologie.
[27]
F. Schlegel, Ideen (1800), 21/265, Nr. 95
: Alle classischen
Gedichte der Alten hängen zusammen, unzertrennlich, bilden ein organisches Ganzes, sind richtig angesehen nur Ein Gedicht, das einzige in welchem die Dichtkunst selbst vollkommen erscheint.
[28]
F. Schlegel, Less. Ged. u. Mein. I (1804), 22 f. (23)
: Das Prinzip [...], nach welchem sie [sc. Griechen] [...] verfuhren, ist durchaus das richtige; indem sie nicht das fehlerfreie, meistens nur das, was keine Kraft hat zum Ausschweifen, für vortrefflich, für gebildet und ewiger Nachbildung würdig hielten; sondern was in seiner Gattung als das Erste, Höchste oder Letzte am kräftigsten 〈23〉 angelegt, oder am kunstreichsten vollendet war, mochte es übrigens dem beschränkten Sinne noch so viel Anstoß geben. Und vortrefflich war die Methode ihres Studiums; ein unaufhörliches, stets von neuem wiederhohltes Lesen der classischen Schriften, ein immer wieder von vorn angefangnes Durchgehen des ganzen Cyklus; nur das heißt wirklich lesen; nur so können reife Resultate entstehen und ein Kunstgefühl, und ein Kunsturtheil, welches allein durch das Verständniß des Ganzen der Kunst[10] und der Bildung[6] selbst möglich ist.
[29]
F. Schlegel, Dt. Gramm. (*1805), KFSA 17, 18, Nr. 112
: Als classische Epoche muß die schwäbische gesezt werden.
[30]
Schleiermacher [Lücke], Hermen. u. Krit. (1838), SW I, 7, 4
: Hermeneutik und Kritik sind nur mit Hülfe der Grammatik ausführbar und beruhen auf derselben. Aber die Grammatik ist wieder nur mittelst jener beiden aufzustellen, wenn sie nicht den schlechtesten Sprachgebrauch mit dem klassischen
und allgemeine Sprachregeln mit individuellen Spracheigenthümlichkeiten vermischen will.
[31]
R. Schumann, Eröffn. 1835 (1835), 3
: Glaube ja Niemand, wir hätten [...] etwas gegen gewisse Tagesgenies. Diese [...] sind [...] die Capitale, mit denen die Verleger, die doch auch da sein müssen, den Verlust, welchen sie oft bei Herstellung classischer Werke tragen, in etwas decken.
[32]
Seume, Spaz. n. Syrakus (1803), 127
: Der Metaurus ist, wie fast alle Flüsse welche aus den Apenninen kommen, ein gar schmutziger Fluß, und hat eben so
wenig wie der Rubikon ein klassisches Ansehen.
[33]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 207
: Claßisch
. (Redende Künste)
Claßische
Schriftsteller werden diejenigen genennt, die als Muster der guten und feinen Schreibart können angesehen werden; denn bedeutet in diesem Ausdruk so viel, als von der ersten oder obersten Classe
. Wer Sachen schreibt, die gründlich gedacht und so ausgedrukt sind, daß Personen von reiffem Verstand und gutem Geschmak nicht nur an jedem Gedanken, sondern auch an jedem einzeln Ausdruk Gefallen haben, der gehört in diese Classe
.
[34]
L. Tieck, Phant. ü. d. Kunst (1799), 256
: Die Musik, so wie wir sie besitzen, ist offenbar die jüngste von allen Künsten; sie hat noch die wenigsten Erfahrungen an sich gemacht, sie hat noch keine wirklich klassische Periode erlebt. Die großen Meister haben einzelne Theile des Gebietes angebaut, aber keiner hat das Ganze umfaßt, auch nicht zu einerley Zeit haben mehrere Künstler ein vollendetes Ganzes in ihren Werken dargestellt.
[35]
L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), VI
: Die Zeit[3], aus welcher die Abschriften und Umarbeitungen älterer Werke, so wie die originalen Gedichte der Deutschen herrühren, ist früher, als die klassische Zeit[3] der italiänischen Poesie[11], welche sich mit dem Dante eröffnet [...]. ➢ Volltext
[36]
L. Tieck, Tischlermeister (1836), W 4, 361
: Er wehrte sich, so gut er konnte, doch ließ man ihn nur wenig zu Worte, und da einige der Nebenpersonen, am meisten aber der husarische Schulmeister, mit etwas empfindlichen Vorstellungen in ihn drangen, der Graf Bitterfeld aber beinahe beleidigend wurde, so fürchtete Emmrich schon, daß er den Ausdruck des klassischen
Dichters, oder wenigstens einen ähnlichen in seiner eignen Angelegenheit wiederholen möchte. [Anspielung auf das Götz-Zitat.]
[37]
Wienbarg, Holland I (1833), 29
: [H]aben Sie meine Kanoniere schießen hören? Die Kerle schießen majestätisch, klassisch
sag' ich Ihnen.
[38]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (
21798), 168
: Die Meisterhand, welche den classischen Vollkommenheiten der Alten nachzueifern weiß..
[39]
Blanckenburg, Roman (1774), 20
: Es dürfte auch wirklich die Zahl der Ausrangirten so groß werden, daß nur sehr wenige übrig bleiben möchten, die, wie Hr. Lessing
vom Agathon
sagt, verdienten, von einem Manne von Classischem
Geschmack gelesen zu werden..
[40]
Börne, Ew. Jud. (*1821; 1829), SS 2, 496
: Der Verfasser sagt in dem Vorworte: er hoffe, der deutschen Literatur ein klassisches
Werk geliefert zu haben. Dieses uneigennützige Geständnis gereicht ihm zur großen Ehre. Denn wohl mußte er daran gedacht haben, daß, nach einer solchen Äußerung, das Bureau der deutschen
Klassiker
in Karlsruhe nicht säumen werde, sein Buch nachzudrucken. Herr Kupferberg dankt es mir gewiß, wenn ich die Welt versichere, daß die Schrift seines Verlages durchaus nicht klassisch
sei und gar nicht verdiene, daß man daran zum Schelme werde..
[41]
Börne, Tageb. (1832), SS 2, 828
: Als ich in Hannover in das dortige Museum eingeführt worden, fragte ich den Sekretär, aus welchen Klassen[3] von Bürgern die Gesellschaft bestünde? Daß die Gesellschaft klassisch[2/3] sein werde, wie überall, konnte ich mir denken. Der Sekretär antwortete mir mit triumphierender Miene: „Es sind gar keine Bürger dabei, höchstens ein paar, und wir haben zwei Minister.“.
[42]
Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 117
: Die classische
Schrift über die Banken ist die Schrift von Büsch,
in seinen kleinen Schriften über die Handlung..
[43]
Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 300
: [Cornelius Nepos] stellt hier in classischen
[sic]
Styl, gedrängter Kürze und mit großer Deutlichkeit fünf und zwanzig Biographien der merkwürdigsten Helden des Alterthums auf..
[44]
Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 106
: [C. P. E. Bachs] Versuch über die wahre Art Clavier zu spielen ist noch immer das einzige classische Werk in seiner Art..
[45]
Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 19
: Der Styl [in Fenelons
Telemach]
ist classisch
erhaben, voll Feuer und Anmuth; und die häufig eingewebten Regeln aus dem Gebiete der Moral und Politik sind mit unnachahmlicher Schönheit vorgetragen..
[46]
Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 158
: [Hagedorn] hatte von Jugend an viel Vorliebe für die Werke der Dichtkunst, und machte schon 1729 eigne Versuche darin bekannt. Allein seine spätern Arbeiten ließen diese Erstlinge seiner Muse weit hinter sich zurück, und verschafften ihm eine der ersten Stellen unter den classischen
Dichtern Deutschlands.
.
[47]
Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 221
: [David Hume] war der Erste, welcher eine classische
Geschichte Englands (in sechs Quartbänden) lieferte, wodurch er sich den Ruhm eines der größten Geschichtschreiber erwarb..
[48]
Brockhaus, Conv.-Lex. II (1809), 298
: Sie wandte sich mit ihrem Mann von Fraustadt nach Großglogau: aber ihre Armuth nahm immer mehr zu; und ihr einziger Trost war, daß sie in dem dasigen Buchladen classische
Schriften studiren konnte..
[49]
Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 354
: [D]er Panegyricus des Isokrates ist, ungeachtet der zu sehr hervor schimmernden Kunst, ein wahres Meisterstück dieser Art – vielleicht ein noch größeres als der treffliche Panegyricus des jüngern Plinius auf den Römischen Kaiser Trajan, der sowohl in Rücksicht des classischen
Styls als der rednerischen Anlage das beste Römische Product dieser Art bleibt..
[50]
Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 373
: Als Schriftsteller hat er [sc. Blaise Pascal]
sich durch einige classisch
geschriebene Französische Werke [...] berühmt gemacht [...]..
[51]
Brockhaus, Conv.-Lex. III (1809), 406 f. (407)
: [Petrarcas] Gesänge [...] stellen die Liebe in ihrer höchsten Veredlung dar [...]. Selbst auf einen Theil des Genius seiner Muttersprache wirkte diese Liebe; denn alle seine Italiänischen 〈407〉 Gedichte sind, ungeachtet diese Sprache[3] noch sehr roh war, doch so edel, rein und vollendet, daß sie, auch wenn man auf Werth der Sprache[3] und die dem Italiänischen eigene musikalische[3] Harmonie sieht, classisch sind..
[52]
Brockhaus, Conv.-Lex. VI (1809), 33
: Zum Schlusse sei es noch erlaubt, ein klassisches Werk über Spanien anzuführen [...]..
[53]
Brockhaus, Conv.-Lex. VI (1809), 69
: [Tassos] Schäferdrama, Amynt, (worin ein Theil aus des Dichters Lebensroman vorkommen soll) rechnet man auch zu seinen classischen Werken..
[54]
Brockhaus, Conv.-Lex. VI (1809), 287
: Die Stelle als Assessor des kaiserlichen Landgerichts des Burggrafthums Nürnberg, und gemeinschaftlicher Rath der Markgrafen von Anspach und Kulmbach (1763) entzog ihn [sc. J. P. Uz] nach und nach den Musen, obgleich er noch einige Bücher Oden und Lieder – besonders auch religiösen Inhalts, herausgab, auch noch (1781) mit Junkheim das neue Anspach. Gesangbuch zu einem wahrhaft classischen Werke ausarbeitete..
[55]
Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 400
: Friedrich Wilhelm Gotter, einer unsrer klassischen Dichter, am 3. Sept. 1746 zu Gotha geboren..
[56]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 3
: Abbt
(Thomas), ein sehr jung verstorbener, aber um die bessere Gestaltung der Sprache und die Ausbildung des Geschmacks der Deutschen höchst verdienter Mann, der um die Mitte des 18. Jahrh. kräftig mitgewirkt hat, das classische
Zeitalter der deutschen Literatur herbeizuführen..
[57]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 437
: Classisch[3] und Classiker[4] wurden zuerst diejenigen Bürger des alten[10] Roms genannt, welche zufolge der durch den König Servius Tullius, 578–534 v. Chr., angeordneten Eintheilung des Volkes[4] in sechs Vermögensclassen, in die erste Classe[1] gehörten. Nach Wiederherstellung des Studiums der aus dem Alterthume[3] übrigen Schriftsteller wurden aber beide Ausdrücke auf die griech.[2] und röm. Autoren im Allgemeinen angewandt und man legte ihren gesammten Schriften, im Gegensatze zur neuern[5] oder romantischen{12], den Namen der classischen[7] Literatur bei, obgleich Vieles nicht als classisch[3], d. h. durch seine äußere und innere Vollendung in die erste Classe[1] gehörend, betrachtet werden kann. Auch die Schöpfungen der Kunst[2] der Alten[10] werden classisch[7] genannt, und insofern man darunter die innere und äußere Vollendung und musterhafte Ausführung eines Schrift- oder Kunstwerks[4] versteht, besitzt auch die neuere[5] Zeit[3] ihre classischen[3] Schriftsteller und Künstler..
[58]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 565
: Pierre D
.[idot],
[...] welcher [...] Prachtausgaben von alten und franz. classischen
Schriftstellern in Folio lieferte [...].
.
[59]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. IV (1841), 177
: Lessing, Göthe, Schlegel und Tieck sind vor Allen als Diejenigen zu nennen, welchen wir die tiefere Erkenntniß S.[hakespeare]'s zu danken haben. Wieland und Eschenburg gaben die erste deutsche Übersetzung, später kamen die Übersetzungen von J. H. Voß [...], Benda [...], Jul. Körner Kaufmann [...] und mehre andere; die vortrefflichste und wahrhaft classisch
zu nennende Übersetzung ist die von A. W. von Schlegel (verbessert und vollendet von Tieck, 9 Bde., Berl. 1829–35; gegenwärtig in einer neuen Ausgabe erscheinend)..
[60]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. IV (1841), 609
: In dieser Stellung entwickelte er [...] die rühmlichste Thätigkeit, richtete dann als Oberpräsident [...] der neuen Provinz Westfalen die Verwaltung derselben ein und erwarb sich um dieselbe nach allen Richtungen, durch besondere Pflege der öffentlichen Bildungsanstalten, die Anlegung von Kunststraßen, Kanälen, des Hafens Ruhrort am Rhein, die Austrocknung von Morästen, Beförderung einer zweckmäßigen Gemeindetheilung, welchen Gegenstand er in einer classischen
Schrift (Berl. 1825) bearbeitete, fortwährend die wesentlichsten Verdienste [...]..
[61]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. IV (1841), 431
: Die billige und für das Schöne[1] empfängliche Kritik[8] wird stets anerkennen, daß im ganzen Verlaufe der Thätigkeit T.[ieck]'s sich die eigenthümliche Richtung desselben, welche allerdings anfänglich einseitig schroff ausgebildet war, immer mehr zur reinsten, vorurtheilsfreien Poesie[4] herausgebildet hat, und in jener Schroffheit früherer Productionen nur die nothwendige Opposition gegen die Afterpoesie erkennen, während der Dichter in seinen spätern Werken, getragen durch das Gefühl, für ein durch ihn gebildetes Publicum[3] zu wirken, zu der Ruhe und Klarheit gelangt ist, welche seinen Werken den Stempel classischer[3/5] Vollendung aufdrücken..
[62]
Büchner, Dant. Tod (1835), WuB, 80
: Meine Herren, ich will mich zuerst servieren. Das ist ein klassisches
Gastmahl; wir liegen auf unsern Plätzen und verschütten etwas Blut als Libation..
[63]
Bürger, Anweis. (1787), 37
: Denn unter allen Vollkommenheiten, wornach das vorzüglichste Talent, der hartnäckigste Fleiß nur immer streben können, sind die Gewalt über seine Sprache[3] und eine Classische Schreibart, die nie ihres Endzweckes verfehlt, gerade am Schwersten und letzten zu erreichen. Man wird weit leichter und eher ein nicht unbeträchtlicher Gelehrter, als ein guter Classischer Schriftsteller..
[64]
Droysen, Alex. (o. J. [1833]), 301, Anm. 27
: Die classische Stelle für diese Paßgegend findet sich in den Memoiren des Sultan Baber [...]. ➢ Volltext.
[65]
Droysen, Alex. (o. J. [1833]), 546
: Auch die poetische Kunst versuchte es, an diesem neuen Leben Antheil zu gewinnen; aber erstorben wie sie schon war, hat sie es nicht mehr vermocht, die Farbenpracht Persischer Mährchen oder die überirdische Feierlichkeit monotheistischer Psalmen und Prophetien in sich aufzunehmen; sie kehrte schnell zur blinden Nachahmung ihrer classischen Zeit[3] zurück und überließ es dem Morgenlande, die Erinnerung an den gemeinsamen Helden Iskander in tausend Sagen und Gesän〈547〉gen von Geschlecht zu Geschlecht zu vererben. ➢ Volltext.
[66]
Fichte, Krit. all. Offenb. (1792), SW 5, 29, Anm.
: Nil admirari – omnia humana infra se posita cernere
– ist es nicht das unsichtbare Wehen dieses Geistes, das uns hier weniger, da mehr an die klassischen
Schriften der Alten anzieht?.
[67]
Fichte, F. Nicolai (1801), SW I, 8, 12
: In den ersten drei Bänden dieses klassischen
Werks können die Leser sich unterrichten, wie der erste Schrei des Neugebornen die Schriftstellerwelt erschütterte und alle Sünder in ihr erbeben machte, und wie schon seine Windeln von dem attischen Salze dufteten, das er seitdem in unsterblichen Worten ausgehaucht und angesetzt hat, so dass alle Umstehenden sich verwunderten, und sprachen: was will aus dem Kindlein werden?.
[68]
Fichte, Grundzg. d. Zeitalt. (1806), SW 7, 97 f.
: Bei den beiden klassischen
Nationen unter den Alten, die wir näher kennen, den Griechen und Römern, wurde um vieles weniger geschrieben und gelesen, als bei uns, dagegen weit mehr gehört und Unterredung gepflogen. Fast alle ihre Schriften waren zuerst mündlich vorgetragen, und darum ein Abbild gehaltener Rede für diejenigen, welche der Rede selbst nicht hatten beiwohnen können: und, unter anderen, auch aus diesem Umstande entsteht der grosse Vorzug, den die Alten im Stile vor den meisten neueren haben, indem der letzteren Schriften etwas für sich zu bedeuten begehren, und ihnen das Correctiv der lebendigen Rede grösstentheils abgeht..
[69]
G. Forster, Ansichten III (1794), W 2, 848
: Hier sind wir auf klassischem
Grunde. Links blieb uns in einer Entfernung von drei bis vier Meilen Bosworth liegen, wo der Herzog von Richmond, hernach Heinrich VII, den König Richard den Dritten schlug, welcher auf der Wahlstatt blieb..
[70]
C. de la Motte Fouqué, Span. u. Frw. (1814), 45
: Ich sehe gar nicht ein, weshalb sie [sc. die französische Sprache als Gesellschaftssprache]
nicht zu entbehren sei. Es kommt nur darauf an, daß nothwendiger Ausgleichungen im Leben wegen, das klassisch
, poetische Italiänisch Hofsprache werde. Welch ganz anderer Geist würde in die Gesellschaft übergehen..
[71]
Frölich, Virginia I (1820), 77
: Der Sieg bei Marengo wurde erfochten, und die Völker[14] Italiens wurden frey[6]. Jedes Gemüth, welches sich von dem klassischen[3/7] Boden angezogen fühlte, war leidenschaftlich bewegt; man hoffte die Nachkommen der Griechen und Römer würden aus ihrem langen Schlaf erwachen..
[72]
Gerstenberg, Merkw. Litt. I (1766), 14 f.
: Fein genug ist unser Geschmack schon itzt, delicat genug – bald hätte ich üppig, weichlich, verzärtelt gesagt. – In rechtem Ernste, mein lieber Fr., es sollte mir lieb seyn, wenn er weniger ekel wäre, und desto mehr Nerven hätte; vielleicht würde er, was auch unsere neuern Kunstrichter sagen mögen, um so viel klassischer
, vielleicht um so viel allgemeiner, vielleicht um so viel lebhafter, edler, und der ursprünglichen Würde des menschlichen Geistes, der nicht sowol die Spielwerke der Kunst, als die hohen Talente der kunstlosen Natur bewundern sollte, um so viel angemessener seyn. Ich für meine Person erkenne den Homer nicht deutlicher in der Einheit und dem Verhältnisse seines Plans, als in dem grossen Umrisse, der unverfeinerten Simplicität, dem kühnen Ideal seiner Helden, der Fruchtbarkeit seiner Einbildungskraft und dem Reichthume seiner Erfindung. Ein griechischer Athlet, mit keinem andern Schmucke ausgeziert, als den die partheyische Natur auf das hohe Edle seines schönen unentnervten Körpers verwandt hat – dieser Athlet mit seiner nackten Schulter, seinen entblößten Füßen, seinem ungekräuselten Haupthaare, blühende Gesundheit auf seiner Wange, und sich selbst bewußte Stärke in der Nachlässigkeit seiner Stellung, zieht mich weit mächtiger an sich, als der zierlichste Hofmarschall in seinem engen gedrechselten Gallakleide..
[73]
Gerstenberg, Merkw. Litt. III (1767), 258
: Damals hielt ich den Don Quixote
für eine der artigsten Erfindungen, für eine sehr sinnreiche Satyre, für einen so amüsanten Roman, als ich je einen gelesen hatte: itzt lese ich ihn, als eine der wenigen claßischen
Compositionen unter den neuern, die dem Geschmacke, der Urbanität und der Weisheit des feinsten Atheniensers Ehre machen würden..
[74]
Gerstenberg, Merkw. Litt. III (1767), 261
: Nein, mein Lieber, an Beurtheilungen neuer und neuester Schriften fehlt es mir vor der Hand gar nicht: aber detaillirte Untersuchungen claßischer
Werke, von der Art, wie Sie mir Anlaß geben, und wie ich mir schmeichle, sie von Ihnen erwarten zu dürfen, – die sind [...] zu rar, zu wirklich neu, als daß ich nicht recht ernstlich in Sie dringen sollte, mir nie etwas vorzuenthalten, wovon Sie urtheilen, daß es Ihre Einsicht erweitert habe
, und folglich die meinige erweitern könne.
.
[75]
Gerstenberg, Merkw. Litt. IV (1770), 327
: Der klassische
Scribent besitzt ausser der Form, die er der Sache abgewonnen hat, noch seine besondre Form der Vorstellung, durch welche sich die todte Materie zu einer zweyten Schöpfung verarbeitet, die reich an Mannigfaltigkeit, und mit der göttlichen Schönheit einer Seele
geschmückt, hervortritt..
[76]
Goethe, an A. L. Karsch (28. 8. 1775), WA IV, 2, 283
: Nur eine klassische
Stelle zur Erörterung: Les gens amoureux, sagt die superkluge Gemahlinn des unvergleichlichen Schah Bahams, ne dorment gueres, a moins qu'ils ne soi[en]t favorisés..
[77]
Goethe, Theatr. Send. I (*1777\85), WA I, 51, 121
: [D]a ich niemand hatte, der mir ein Wort[2] drüber sagen konnte, so war mir Gottscheds Bühne der Maßstab, wornach ich meine Stücke maß, und mir kamen sie immer interessanter[1] dem Inhalte nach und an Versen ebenso wohlklingend vor als jene, und damit wußte ich mir viel, weil ich in meiner Unerfahrenheit meine Muster alle für klassisch hielt..
[78]
Goethe, Eleg. (1795), WA I, 1, 239
: Froh empfind' ich mich nun auf klassischem
Boden begeistert; | Lauter und reizender spricht Vor- und Mitwelt zu mir..
[79]
Goethe, Litt. Sanscül. (1795), 50 f.
: Der Verfasser bedauert die Armseligkeit der Deutschen[1] an vortrefflich classisch prosaischen[1] Werken und hebt alsdann seinen Fuß hoch auf, 〈51〉 um mit einem Riesenschritte über beinahe ein Dutzend unserer besten Autoren hinwegzuschreiten, die er nicht nennt und mit mäßigem Lob und mit strengem Tadel so charakterisiret, daß man sie wohl schwerlich aus seinen Karrikaturen herausfinden möchte. | Wir sind überzeugt, daß kein deutscher[1] Autor sich selbst für classisch hält und daß die Forderungen eines jeden an sich selbst strenger sind als die verworrnen Prätensionen eines Thersiten, der gegen eine ehrwürdige Gesellschaft aufsteht, die keineswegs verlangt, daß man ihre Bemühungen unbedingt bewundere, die aber erwarten kann, daß man sie zu schätzen wisse. ➢ Volltext.
[80]
Goethe, Litt. Sanscül. (1795), 52 f.
: Man halte diese Bedingungen, unter denen allein ein classischer Schriftsteller, besonders ein prosaischer[1] möglich wird, gegen die Umstände, unter denen die besten Deutschen[1] dieses Jahrhunderts gearbeitet haben, so wird, wer klar sieht und billig denkt, dasjenige, was ihnen gelungen ist, mit Ehrfurcht bewundern und das was ihnen mißlang anständig bedauern. | Eine bedeutende Schrift ist, wie eine bedeutende Rede, nur Folge des Lebens; der Schriftsteller so wenig als der handelnde Mensch[1] bildet die Umstände, unter denen er gebohren wird und unter denen er wirkt. Jeder, auch das größte Genie[4], leidet von seinem Jahrhundert in einigen Stücken, wie er von andern Vortheil zieht, und einen vortrefflichen Nationalschriftsteller kann man nur von der Nation[1] fordern. | 〈53〉 Aber auch der deutschen[1] Nation[1] darf es nicht zum Vorwurfe gereichen, daß ihre geographische Lage sie eng zusammen hält, indem ihre politische sie zerstückelt. Wir wollen die Umwälzungen nicht wünschen, die in Deutschland classische Werke vorbereiten könnten. ➢ Volltext.
[81]
Goethe, Einl. Prop. (1798), WA I, 47, 6
: Welche neuere Nation verdankt nicht den Griechen ihre Kunstbildung? und, in gewissen Fächern, welche mehr als die deutsche? | So viel zur Entschuldigung des symbolischen Titels, wenn sie ja nöthig sein sollte. Er stehe uns zur Erinnerung, daß wir uns so wenig als möglich vom classischen
Boden entfernen, er erleichtere durch seine Kürze und Bedeutsamkeit die Nachfrage der Kunstfreunde, die wir durch gegenwärtiges Werk zu interessieren gedenken, das Bemerkungen und Betrachtungen harmonisch verbundner Freunde über Natur und Kunst enthalten soll..
[82]
Goethe, Ram. Neffe (1805), 466
: Möge dem Besitzer des französischen Originals gefallen, dem Publikum auch dieses baldigst mitzutheilen; als das klassische Werk eines abgeschiedenen, bedeutenden Mannes mag alsdann sein Ganzes in völliger unberührter Gestalt hervortreten..
[83]
Goethe, Tageb. (*1813), WA III, 5, 34
: Gegen 12 Uhr in Leipzig, im Hotel de Saxe eingekehrt. [...] Spatziergang durch die Stadt und die locos classicos
besucht..
[84]
Goethe, an S. Boisserée (7. 8. 1816), WA IV, 27, 139
: Die thüringischen alten Chroniken liest man hier recht an der Stelle; obgleich es immer schmerzhaft genug ist zu sehen wie das so schöne, über die Maßen frucht- und bewohnbare Land, mehrere Jahrhunderte durch, von Rohheit, Unverstand, Unzulänglichkeit und Verirrung aus das schrecklichste leiden mußte. Freylich giebt die übrige Welt in diesen Epochen auch keinen tröstlichen Anblick. | Hier aber ist der eigentlichste classische Boden grenzenloser Absurditäten jeder Art. Religiöse, revolutionäre, fürstliche, städtische, edelmännische; dahingegen hört man von tüchtigen Menschen meist nur insofern sie zu Grunde gehen..
[85]
Goethe, Reinig. u. Restaur. (*1816), WA I, 49.2, 144
: Dieser Mann [...] ist im Restaurationsfache classisch [...]..
[86]
Goethe, Ital. Reise II (1817), WA I, 31, 95
: Ich konnte ihm [...] nicht erklären, daß man sich von einer gebirgigen Gegend nicht schneller einen Begriff machen kann, als wenn man die Gesteinarten untersucht, die in den Bächen herabgeschoben werden, und daß hier auch die Aufgabe sei, durch Trümmer sich eine Vorstellung von jenen ewig classischen[3/5] Höhen des Erdalterthums zu verschaffen..
[87]
Goethe, Ital. Reise II (1817), WA I, 31, 201
(28)
f.
: [D]as alles gab mir ein solches Attachement an diesen Plan, an diesen Vorsatz, daß ich darüber meinen Aufenthalt zu Palermo, ja den größten Theil meiner übrigen sicilianischen Reise verträumte. Weßhalb ich denn auch von allen Unbequemlichkeiten wenig empfand, da ich mich auf dem überclassischen
Boden in einer poetischen Stimmung fühlte, in der ich das, was ich erfuhr, was ich sah, was ich bemerkte, was mir entgegen kam, alles auffassen und in einem erfreulichen Gefäß bewahren konnte..
[88]
Goethe, an J. H. Meyer (13. 10. 1819), WA IV, 32, 67
: In Nöhdens Brief[1] steht eine klassische Stelle die auch meine frühere und spätere Überzeugung enthält, ich habe sie mit Bleystift vorgestrichen, das ich wegzulöschen bitte..
[89]
Goethe, Nept. Schlußbek. (*1819), WA II, 13, 314
: Nord Amerikaner glücklich keine Basalte zu haben. Keine Ahnen und keinen klassischen
Boden..
[90]
Goethe, an Chr. E. F. Weller (21. 3. 1825), WA IV, 39, 147
: Ich habe vor ungefähr acht Tagen an Herrn Professor Göttling eine lateinische kurze Inschrift überschickt, die für ein architektonisches Bild bestimmt ist, und zugleich um dessen Rath gebeten. [...] [Ich] wünsche [...], daß Sie in meinem Namen Herrn Professor Göttling höflichst ersuchen: nur mit wenigem über diese Angelegenheit seine Gedanken zu eröffnen [...]. Möchte Herr Professor Göttling auch nur aussprechen, daß die Inschrift nicht fehlerhaft ist, wenn sie auch nicht als classisch vor Meister und Gesellen gelten könnte..
[91]
Goethe, an C. W. Göttling (23. 4. 1827), WA IV, 42, 155
: Corrigirt man doch an den alten Classikern schon einige tausend Jahre, und Gubitz muß sich bey seinen Stereotypen doch noch endlich ein fehlendes Strichelchen nachweisen lassen..
[92]
Goethe, Theiln. d. Frz. (*
?1828), WA I, 49.2, 494
: Als Moderne[1] waren sie [sc. die Franzosen] schon längst auf dem romantischen[4] Wege. | Getrauten sichs nicht zu bekennen. | Besonders auf dem Theater wo die alte[10] Form erstarrt war und Klassisch hieß. | Diese mußte nach und nach durchbrochen werden. | Da kam ihnen unser Beyspiel unser Vorgang zu Nutz und sie fingen an unsre Productionen günstiger anzusehen..
[93]
Goethe, Not. u. Abhdlg. (1829), WA I, 7, 129 f. (130)
: Im Orient lernte man den Koran auswendig und so gaben die Suren und Verse, durch die mindeste Anspielung, ein leichtes Verständniß unter den geübten. Das Gleiche haben wir in Deutschland erlebt, wo vor funfzig Jahren die Erziehung dahin gerichtet war, die sämmtlichen Heranwachsenden bibelfest zu machen; man lernte nicht allein bedeutende Sprüche auswendig, sondern erlangte zugleich von dem übrigen genugsame Kenntnis. [...] 〈130〉 Gleicherweise bedient man sich classischer[7/3] Worte, wodurch wir Gefühl und Ereigniß als ewig wiederkehrend bezeichnen und aussprechen..
[94]
Goethe, Wanderjahre I (1829), WA I, 24, 299
: Bei solch unerwartetem Anerbieten fühlte sich der Major wirklich betroffen; die zierliche Pracht dieser Gabe hatte so gar kein Verhältniß zu dem was ihn gewöhnlich umgab, [...] daß er sie sich, obgleich dargereicht, kaum zueignen konnte; doch nahm er sich zusammen, und wie seinem Erinnern ein überliefertes Gute niemals versagte, so trat eine classische
Stelle alsbald ihm in's Gedächtniß. Nur wäre es pedantisch gewesen sie anzuführen, doch regte sie einen heitern Gedanken bei ihm auf, daß er aus dem Stegreife mit artiger Paraphrase einen freundlichen Dank und ein zierliches Compliment entgegen zu bringen im Falle war [...]..
[95]
Goethe, Tag- u. Jahres-Hefte I (*1817..26; 1830), WA I, 35, 74
: Zum drittenmale besucht' ich die kleinen Cantone, und weil die epische Form bei mir gerade das Übergewicht hatte, ersann ich einen Tell unmittelbar in der Gegenwart der classischen
Örtlichkeit..
[96]
Goethe, Tag- u. Jahres-Hefte II (*1817..26; 1830), WA I, 36, 10
: Freund Meyer studirte das Colorit der Alten und fing an einen Aufsatz darüber auszuarbeiten; die Verdienste dieser nie genug zu schätzenden classischen Altvordern wurden in ihrer reinen Natürlichkeit redlich geachtet..
[97]
Görres, Tt. Volksb. (1807), 290
: So wäre es daher verständig wohl, nicht ferner mehr so sehr zu pochen auf das was wir geleistet, und bey unsern Vätern anzufragen, daß sie in unserm Misere uns ihren Geist[11] nicht vorenthalten, und uns erquicken in unserer Noth, mit dem was Gutes und Schönes sie gebildet: sie sind immer die Nächsten uns, und werden es uns nicht entgelten lassen, was wir in den Tagen unseres Stolzes gegen sie verbrochen haben. Auch das wird uns fernerhin wenig zieren, sie herabzusetzen so ganz und gar gegen die alte[10] classische Zeit[3] in Griechenland; die Griechen mögten sonst, wenn wir so gar knechtisch von unserm und unserer Väter Naturelle denken, uns wohl für Heloten nehmen, die sich mit ihrer Herren Sitte und ihrer Art nach gemeiner Sclaven Weise blähen wollten, und das würde uns wieder sehr empfindlich fallen..
[98]
Görres, Tt. Volksb. (1807), 290 f.
: Es war wohl allerdings eine herrliche Zeit[5], diese Griechische[2], gerade deswegen weil sie Alles hatte, was uns nach und nach hingeschwunden ist: Lebensmark, und Trotz und freie Besonnenheit im raschen Thun und Treiben: sie mußte Treffliches wohl bilden, und das Trefflichste im engsten Kreise concentrirt mußte classisch[3/5/6] werden. Diese Concentrirung war nicht in der neuen[5] Zeit[5], dagegen trat das Unendliche ein in sie, und mit dem Uebergang in's Geisterreich konnte nun physische Geschlossenheit nicht mehr bestehen; im Uebersinnlichen sind nicht begränzte, scharf geschnittne Crystalle, aber es ist unendliche Crystallisirbarkeit, ein schwebend[5] Formenreich, das nur mehr Magnet bedarf, um anzuschießen in die einzelne besondere Gestalt. So war die Aufgabe der neuen[5] Zeit[5] eine Unendliche, ihr könnt von einem endlichen Zeitraum nicht fodern, daß er das ganze Problem nett und rein auf einmal euch löse. Das Mittelalter hat kein rein classisches[3/5/6] Werk hervorgebracht, aber 〈291〉 es hat die Schulschranken der alten[10] sinnlichen Classicität durchbrochen, und eine Andere, Höhere begründet, an der alle Zeiten[5] zu bauen haben, weil in keiner einzeln die Quadratur des Zirkels gefunden werden kann. Den herrlichen Torso der Kunst[11] hat die alte[10] griechische[2] Zeit[5] gebildet; aber blind war wie die alte[10] Plastik die treffliche Gestalt, das tiefe, schwärmerisch versunkene Auge hat erst die Romantik[8] ihm gegeben, und die nordische Schaam hat freilich dafür den schönen[1] Körper in die Drapperie des Gewands verhüllt, das symbolisch nur die Formen der Gliedmaßen anzudeuten hat..
[99]
Grabbe, Shaksp. (1827), WuB 4, 35
: Schiller begann die deutsche Tragödie, Kotzebue die deutsche Comödie zu beherrschen. Die Opposition blieb nicht aus. Wohl vorzüglich gegen Schiller, den mancher beneidete, erhob sich die romantische
Schule
(die Schlegel, Novalis, Tieck pp.) Diese bemühete sich der allgemeinsten Objectivität in allen spanischen, englischen, italiänischen und mittelalterlichen Darstellungsformen zu huldigen. Trotz der ausgebreiteten Gelehrsamkeit des älteren Schlegel, der für Genialität ausgerufenen Bizarrerien seines Bruders und der wirklich trefflichen Poesie Tiecks, war [...] dieser Verein nicht kräftig genug, seine Grundsätze zu den herrschenden zu machen. Daher wurde Goethe (wohl ohne seine Einwilligung) zum Meister erkohren, und als auch dieses nicht ausreichte (besonders, da Goethes Talent zu umfassend ist, um sich einer Schule zu fügen) wurden verstorbene Dichter fremder Nationen, vor allem Shakspeare, zur Meister- und Mitgliederschaft
berufen. Nun legte Wilh. Schlegel durch die classische
Übersetzung von 17 Schauspielen Shakspeares die festeste Basis zur Dauer der romantischen Schule in Deutschland, – ohne diese Übersetzung wäre sie schon aus Mangel eigner Stärke erloschen, – seit dieser Übersetzung hat aber auch außer Goethe, Schiller und einigen wenigen anderen Bevorzugten, die deutsche schöne Literatur nichts Bedeutendes hervorgebracht [...]..
[100]
Grabbe, Napoleon (1831), HKA 2, 332
: Eine alte Putzhändlerin. Nein, hieher Ausrufer, – hieher – Deine wichtige Nachricht gehört an diesen Tisch! | Zeitungsausrufer. An das morsche, alte Brett? | Die alte Putzhändlerin. Respekt vor ihm, Mann! Der Tisch ist klassisch – Auf diesem Fleck fiel zuerst das Fünkchen, welches die Welt entzündete. Hier saß ich am zwölften Juli des Jahres siebenzehnhundertneunundachtzig, nachmittags gegen halb vier Uhr, an einem sonnigen Tage, und selbst noch jung und heiter verkaufte ich einem fröhlichen Bräutchen aus St. Marceau einige Spitzen. Wir scherzten über den Preis und dachten an nichts als den Hochzeittag. Da kam ein Mann mit wild flutenden Locken, brennenden Augen, herzzerschmetternder Stimme[3] – es war Camille Desmoulins, – die Tränen rannen ihm aus den Augen, zwei Pistolen riß er aus der Tasche und rief: Necker hat den Abschied, eine Bartholomäusnacht ist wieder da, nehmt Waffen und wählt Kokarden, daß wir einander erkennen..
[101]
Gutzkow, Wally (1835), 101
: Bettina!
– Spielerei – alte Gedanken; nur klassische
, neue Formen..
[102]
v. d. Hagen, Zueign. Nibel. (1810), V
: Schon in der Sache selber würde ich hinlänglichen Grund finden, Ihnen, als dem gefeierten Hersteller der Homerischen Gesänge, in ihrer wahren Gestalt und Bedeutung, diese Ausgabe des Deutschen Nazionalepos zu widmen: außerdem aber folge ich noch gern einem eigenen Antriebe, Ihnen, Dessen Schüler zu sein ich mich rühme, hauptsächlich in der durch Sie vor allen verherrlichten, für die klassischen Werke jedes Alterthums[2] gültigen und ziemlichen Wissenschaft der Philologie, und Der mir stäts auf dieser Bahn als ein großes Vorbild vorleuchten wird, durch diese Zuschrift öffentlich meine Erkenntlichkeit und Verehrung zu bezeigen..
[103]
Hamann, Krzzg. d. Phlg. (1762), N 2, 125
: An Beobachtungen fehlt es uns nicht, wodurch das Verhältnis der Sprache zu ihren wechselsweisen Gebrauch ziemlich genau bestimmt werden kann. Die Einsicht in dies Verhältnis und die Kunst selbiges anzuwenden, gehört mit zu dem Geist der Gesetze und zu den Geheimnissen der Regierung [...]. Eben dies Verhältnis macht klassische
Schriftsteller..
[104]
Hamann, Krzzg. d. Phlg. (1762), N 2, 215, Anm.
: Ohngeachtet meiner kauderwelschen Mundart[1] würde ich sehr willig seyn, des Herrn Klopstocks prosaische[1] Schreibart für ein Muster von klaßischer[3/5] Vollkommenheit zu erkennen..
[105]
Hase, Cours Villois. (1803), 150, Anm.
: Selbst während der Schreckenszeit, wo die allgemeine Gefahr ruhige Forschung fast unmöglich machte, verlohr Villoison, der sich nach Orleans zurück gezogen hatte, keinen Augenblick, um sein Werk weiter zu fördern; und nach Proben zu schließen, die der Verfasser dieses Aufsatzes gesehen hat, wird sein französisch geschriebenes Iter Graeciae viele Resultate seiner sonstigen philologischen Forschungen und das Wissenswertheste aus den fast nicht gelesenen zahlreichen Theologen und Epistolographen des byzantinischen Reichs zusammenstellen, und nicht nur dadurch, sondern auch durch die Geschichte aller beschriebenen Orte während der dunkeln Zeit des Mittelalters, als ein klassisches und in seiner Art einziges Werk, manche Lücke unserer Literar- und politischen Geschichte ausfüllen. ➢ Volltext.
[106]
Hegel [Hotho], Aesth. II (1837), 14 f.
: Die klassische[3/7] Kunst[10] und ihre schöne[1] Religion[1] befriedigt [...] nicht die Tiefen des Geistes[19]; wie konkret sie auch in sich selber ist, bleibt sie doch für ihn noch abstrakt, weil sie, statt der Bewegung und aus der Entgegensetzung erworbenen Versöhnung jener unendlichen Subjektivität, nur die ungetrübte Harmonie 〈15〉 der bestimmten freien Individualität in ihrem adäquaten Daseyn, diese Ruhe in ihrer Realität, dieses Glück, diese Befriedigung und Größe in sich selbst, diese ewige Heiterkeit[3] und Seligkeit zu ihrem Elemente hat, die selbst im Unglück und Schmerz das sichere Beruhen auf sich nicht verliert. Die klassische[3/7] Kunst[10] hat in den Gegensatz, der im Absoluten begründet ist, nicht bis zur Tiefe hineingearbeitet und ihn ausgesöhnt. Dadurch kennt sie nun aber auch nicht die Seite, welche mit diesem Gegensatze in Beziehung steht, die Verhärtung des Subjekts in sich als abstrakte Persönlichkeit gegen das Sittliche und Absolute, die Sünde und das Böse, so wie das Verlaufen der subjektiven Innerlichkeit in sich, die Zerrissenheit, Haltlosigkeit, überhaupt den ganzen Kreis der Entzweiungen, welche innerhalb ihrer das Unschöne, Häßliche[1], Widrige nach der sinnlichen und geistigen Seite hin hereinbringen. Die klassische[3/7] Kunst[10] überschreitet den reinen Boden des ächten Ideals nicht. ➢ Volltext.
[107]
Hegel [Hotho], Aesth. II (1837), 75
: Da nun aber die Götter[5] aus ihrer Bestimmtheit des Charakters[2] zugleich in die Allgemeinheit zurückgebogen sind, so hat sich auch in ihrer Erscheinung zugleich das Selbstseyn des Geistes[19] als das Beruhen in sich und als die Sicherheit seiner in seinem Aeußern darzustellen. | [...] Darum sehen wir in der konkreten Individualität der Götter[5], bei dem eigentlich klassischen[3/7] Ideal, ebensosehr diesen Adel[5] und diese Hoheit des Geistes[19], in welcher sich, trotz seinem gänzlichen Hineingehn in die leibliche und sinnliche Gestalt, das Entferntseyn von aller Bedürftigkeit des Endlichen kund giebt. ➢ Volltext.
[108]
Hegel [Hotho], Aesth. II (1837), 461
: In der römischen Kunst[4] [...] zeigt sich schon die beginnende Auflösung der klassischen[3/7] Skulptur. Hier nämlich ist das eigentlich Ideale nicht mehr das Tragende für die ganze Konception und Ausführung; die Poesie[14] geistiger Belebung, der innere Hauch und Adel[5] in sich vollendeter Erscheinung, diese eigenthümlichen Vorzüge der griechischen[2] Plastik verschwinden und machen im Ganzen der Vorliebe für das mehr Portraitartige Platz. ➢ Volltext.
[109]
Hegel [Hotho], Aesth. III (1838), 466
: Den Grund für die allgemeine Gruppirung der vielfachen nationalen und individuellen lyrischen Produkte haben wir [...] aus den durchgreifenden Formen zu entnehmen, zu denen sich das künstlerische Hervorbringen überhaupt entfaltet, und welche wir als die symbolische, klassische und romantische[9] Kunst[2] haben kennen lernen. Als Haupteintheilung müssen 〈467〉 wir [...] dem Stufengange folgen, der uns von der orientalischen[1] zu der Lyrik der Griechen und Römer, und von dieser zu den slavischen, romanischen[2] und germanischen Völkern[1] herüberführt. ➢ Volltext.
[110]
Heine, Brf. aus Berlin (1822), DHA 6, 17
: Aber dort am Tisch das kleine bewegliche Männchen mit den ewig vibrirenden Gesichtsmuskeln, mit den possierlichen und doch unheimlichen Gesten? Das ist der Kammergerichtsrath Hoffmann, der den Kater Murr geschrieben, und die hohe feyerliche Gestalt, die gegen ihn über sitzt, ist der Baron von Lüttwitz, der in der Vossischen Zeitung die klassische
Rezension des Katers geliefert hat. .
[111]
Heinse, Ardinghello (1787), 165
: Das Klassische
überall ist das gedrängt Volle, wenn einer alles Wesentliche und Bezeichnende von einem Gegenstande herausfühlt und nachahmt; und in diesem Verstande kann man gewiß schon aus einer Hand oder irgendeinem Teil am menschlichen Körper bei einem Künstler den großen Mann erkennen, wie aus der Klaue den Löwen..
[112]
Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 80
: Mit den großen klassischen
Werken der Kirchenmusik, seinem Requiem aeternam
, und seinem erhabnen erschütternden Benedictus dominus Deus Israel
für die Peterskirche zu Rom, läßt es [sc. N. Jommellis
Miserere]
sich, was Vollkommenheit betrift, in gar keine Vergleichung stellen..
[113]
Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 117 f.
: »Pergolesi
drückt in seinem Se cerca, se dice
die reinste gefühlvollste Natur aus, und entzückt die Kenner. Ein andrer zieht mit einem Pomp von Instrumenten, und einem Schwall von Harmonie und Disharmonie auf, die nichts sagt, und bezaubert den Janhagel. Der Schwarm mittelmäßiger Komponisten richtet sich nach dem letztern, und nicht nach dem ersten; und die vortreflichen Meister endlich selbst nach dem großen Haufen. Und so stehen denn die Komposizionen nach denselben Texten himmelweit von einander; die Musik zu einer Oper von Metastasio
könnte man zu allen seinen andern brauchen, wenn man nur das Sylbenmaaß darnach veränderte; so wenig Charakter und eignen bestimmten Ausdruck hat die heute gewöhnliche Musik.« | »Das Klassische
gleicht einem Wald von hohen Stämmen; es faßt nur mit der Zeit tiefe Wurzel, und strebt hoch in die Lüfte. Homer, Sophokles,
und Euripides
wurden durch die Zeit bewährt; so Horaz
und Virgil; so Petrarca, Ariost,
und Tasso; Raphael, Tizian
und Correggio; so Corneille, Racine
und Moliere.
Und so hat es die Zeit schon an Allegri, Leo, Händel
und Jomelli
gethan; und so wird sie es bald thun mit Traetta, Majo, Gluck
und andern. Neid und Kabale, seichtes Gefühl und schwache Einbildungskraft, obgleich zuweilen bey guter Theorie, welche mittelmäßige Werke ausposaunen, und vortrefliche lästern; kindische Liebhabereyen des rohen gemißleiteten Pöbels müssen endlich vor dem Urtheil der Kenner und der großen dauernden Wirkung verstummen. Das Klassische
, wenn es keine teufelische Zerstörung angreift, hält sich mit der Zeit selbst fest. Verstand und Klugheit aber ist es, der Zeit zu Hülfe zu kommen, und dessen Wirkungen zu vervielfältigen. Man sollte die entschiednen großen Meisterstücke wenigstens jährlich einmal wieder in die Seelen bringen; aber nicht verhunzt sondern vortreflich. Bey den Kirchenmusiken geschieht es mit einigen; bey den Opern noch nicht. Das Brodstudium der lebenden Komponisten wird es aber nicht lange mehr hindern.«.
[114]
Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 119
: [D]iese Oper [sc. N. Jommelli,
Armida abbandonata]
mag wohl unter dem Klassischen
über diese Leidenschaft den ersten Rang behaupten..
[115]
Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 121
: [N. Jommelli,
Armida abbandonata:]
Die heftigen Ausbrüche von Armidens Leidenschaft darauf gehören unter das erhabenste Lyrische der Musik; und ich kenne wenig, das sich ihm an die Seite stellen kann, recht hell und heftig brennendes Feuer; wahr klassisch
, keine Note zu viel und zu wenig..
[116]
Heinse, H. v. Hohenth. I (1795), SW 5, 122
: [N. Jommelli,
Armida abbandonata:]
Und eben so ist das Misera Armida
der Verlaßnen der Triumph der Italiänischen Musik; klassisch
durchaus mit dem Odio, furor, dispetto
. .
[117]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 174
: [T. Traetta,
Sofonisba:]
Die zehnte Scene der Sophonisbe aber gehört unter das Allerhöchste von Traetta,
und ist ganz klassisch
in der Italiänischen Musik..
[118]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 175
: [Tomaso Traetta,
Sofonisba:]
Diese Scene behauptet gewiß mit den ersten Rang unter allem Klassischen
, was je ist geliefert worden; und ich glaube nicht, daß die ganze Griechische Musik etwas gehabt hat, das mit dieser in Vergleichung kommen könnte..
[119]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 187
: [N. Jommelli,
Olimpiade:]
Diese Stelle ist klassisch
bearbeitet; der Sieg der Freundschaft in der Seele über die Liebe. Das höchste Opfer wird ihr in einer heftig und zärtlich Geliebten gebracht. Jomelli schwingt hier recht die tragische Keule. In der Declamazion und Begleitung liegt eine erstaunliche Kraft von Darstellung: alle innern Gefühle des höchst leidenschaftlichen Menschen werden hörbar hervor in die Luft gezaubert; und da ist nichts von Schlendrian, nichts von dem weichlichen Neuern der Piccini
und Paesiello
: alles aus der höhern menschlichen Natur, wovon der Meister selbst war..
[120]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 193
: Man mag aus Neid und jugendlichem Uebermuth sagen, was man will: das Stabat mater [sc. von G. B. Pergolesi]
gehört unter die klassischen
Werke der Kirchenmusik, und ist ganz gemacht für ungeheuchelte Christen. Es liegt wunderbar viel christliches Gefühl darin..
[121]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 209
: Auch Traetta
hat eine Dido geschrieben; aber sie enthält wenig Vortrefliches, außer dem Schlusse, welcher recht groß und pathetisch und recht im klassischen
tragischen Styl ist..
[122]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 217
: Ich habe Ihnen hier noch drey Opern von Jomelli herbringen lassen, von denen wir das Beste durchgehen wollen, und Sie selbst durchgehen mögen. Dieser Meister verträgt das Ausschweifende, Willkürliche der Sänger und Sängerinnen am allerwenigsten, weil er am allerwenigsten die gewöhnlichen Phrasen schreibt. Seine Werke sind die beste Uebung für die Folge. Wie einer, der ein starker Fechter werden will, vorher die allerschwersten Rappiere braucht, wogegen hernach eine Schilfklinge ihm eine Feder in der Hand ist: so sind Jomelli's
klassische
Scenen das ersprießlichste Studium für Sänger..
[123]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 219
: [N. Jommelli,
Vologeso:]
Der Zweifel und die Unentschlüssigkeit voll Pein und Leiden in der reinen zärtlich und heftig liebenden Seele ist vortreflich ausgedrückt; der Styl ächt klassisch
, und in hoher Vollkommenheit. Es ist alles so weiblich, und doch kein schwacher Zug darin. Eine unaussprechliche Süßigkeit und Schönheit voll Geist und Empfindung. | Die zweyte klassische
Scene ist im dritten Akt gegen das Ende, wo Berenize ihren Geliebten für ermordet hält..
[124]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 225
: Das Terzett am Ende ist ein Meisterstück; [...] es kann unter die klassischen
gezählt werden, so wohl was Ausdruck, als was Kunst betrift..
[125]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 247
: [G. F. de Majo,
Montezuma:]
Die Geschichte ist die Gefangennehmung des Montezuma durch Cortes; und die Poesie hat glückliche Stellen für Musik. Das Heroische herrscht durch das Ganze; und in dieser Art sind darin von dem jungen Tonkünstler klassische
Sachen, die, so viel ich weiß, ihres gleichen noch nicht haben..
[126]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 251
: „Die Neapolitanische Musik liebt von den mittlern Zeiten Jomelli's
an einen edlen freyen Gang, und bey heftigen Leidenschaften einen kühnen Flug. Armida wagt in ihrer Wuth Sprünge, wie eine gejagte Gemse.“ | &baquo;Man kann dieß wohl das klassische
Zeitalter der Musik nennen; die Schönheit der Melodie drückt das höchste Ideal edlen freyen, Lebens aus. Majo's
göttliches Genie strahlt recht darin hervor, und rückte die Kunst jugendlich gewaltig der Vollkommenheit näher.« | »Gluck
fällt schon wieder etwas zurück, und nicht selten, den Französischen Ohren zu gefallen, in das Kleinliche; doch herrscht in seinen besten Werken der klassische
Styl.&lbquo;.
[127]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 270
: [G. F. Majo,
Demofoonte:]
Sie sang sogleich die vorletzte Scene im ersten Akt der Dircea: Padre perdona, oh pene!
und fand sie ganz nach den Worten leidenschaftlich und reizend; ward aber entzückt von dem Klassischen
des Timante: La dolce compagna vedersi rapire
; so wohl von der Melodie in der höchsten, edlen Süßigkeit, als von der zärtlichen Begleitung..
[128]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 277
: „Herr von Wallersheim
hat die Musik von Sterzer
zu Noverre'ns
Ballet Les Horaces et les Curiaces
aus Wien erhalten, und ist so gütig gewesen, sie mir zu bringen. Sie werden Sich mit uns darüber freuen.“ | „Gewiß, erwiederte er; ich selbst besitze von dem klassischen
Meister für dieses Fach nur Adèle de Ponthieu.“.
[129]
Heinse, H. v. Hohenth. II (1796), SW 5, 365
: Warum vereinigte sich statt Bailli's de Roulet
nicht einer von unsern Deutschen klassischen
dramatischen Dichtern mit dem großen Meister!.
[130]
Heinse, H. v. Hohenth. III (1796), SW 6, 114
: Alle Zuhörer fanden in der ganzen Oper nichts Mittelmäßiges, sondern jede Scene ungewöhnlich ausgearbeitet; und die feinsten Kenner bewunderten einen Reichthum klassischer
Schönheiten, und den durchaus originellen großen Styl..
[131]
Herder, Krit. Wäld. III (1769), 415
: Die lange Deklamation des Hrn. Kl. über die Parallele, [...] von Classischen
Schriftstellern, die unsern Zeitpunkt allen Völkern und der spätesten Nachkommenschaft bewundernswürdig machen werden, die ganze Parallele ist in Vergleichung der Alten link..
[132]
Herder, Dt. Art u. Kunst I (1773), SW 5, 208
: Die kühnsten Feinde Shakespears haben ihn [...] beschuldigt und verspottet, daß er, wenn auch ein grosser Dichter, doch kein guter Schauspieldichter, und wenn auch dies, doch wahrlich kein so klassischer
Trauerspieler sey, als Sophokles, Euripides, Corneille
und Voltaire,
die alles Höchste und Ganze dieser Kunst erschöpft..
[133]
Herder, Bef. d. Hum. I (1793), 72
: Fast immer tönet diese Stimme[3] um mein Ohr[3], wenn ich Friedrichs [des Großen] Schriften lese. Man wandelt in ihnen wie auf klaßischem Boden; ein Gefühl für die Würde, den Werth, die Schönheit[1] der Wissenschaften ist in seine kleinsten und größesten Aufsätze verbreitet..
[134]
Herder, Bef. d. Hum. III (1794), 151
: Einzelne Blätter, die mir über die Humanität einiger griechischen Dichter und Philosophen in die Hände gekommen sind, sollen Ihnen zu einer andern Zeit zukommen; jetzt bemerke ich nur, daß, wenn in spätern Zeiten bei irgendeinem Schriftsteller, er sei Geschäftsmann, Arzt, Theolog oder Rechtslehrer, eine feinere, ich möchte sagen, classische Bildung[6] sich äußerte, diese meistens auch auf classischem[7] Boden, in der Schule der Griechen und Römer erworben, der Sprößling ihres Geistes[11] gewesen..
[135]
Herder, Bef. d. Hum. V (1795), 73
: Wo sind nun in Deutschland die Odeen unsrer Geschichtschreiber, unsrer Lyrischen und Epischen Dichter? Wo sind die Schulen, in denen man die edelsten Gesänge den Jünglingen ans Herz legt, und sie nebst den schönsten[2] classischen Stellen der Alten[10] nicht etwa blos deklamirt, sondern in die Seelen schreibet?.
[136]
Herder, Bef. d. Hum. V (1795), 90
: Als Ueberwinderin sammlete Rom; sie erfand aber nichts Neues[1]. Auch die Sprache[3] der Römer bildete sich nur durch die Griechen zu einer reinen und ewigen Sprache[3]. | Das Publicum[1] also, das für die classische[3/5] Denkart in Rom blühete, war ein erbeutetes, künstliches Publicum[1] [...]..
[137]
Herder, Bef. d. Hum. V (1795), 91 f. (92)
: Daß aber in den bessern Stellen ihrer Gedichte Lukrez und Catull, Horaz und Virgil, Ovid, Tibull, Properz u. 〈92〉 a. so classisch-ausgearbeitet, vollendet und schön[2] geschrieben, zeigt, daß sie sich feinere Vorbilder, schärfere Leser und ein höheres Publicum[3] dachten, als viele unsrer Dichter und Schriftsteller zu denken gewohnt sind..
[138]
Herder, Bef. d. Hum. VIII (1796), 116
: Die Poesie der Niedersachsen ging auf ebendem Wege fort. Hagedorn
ist ihr schöner claßischer
Gipfel..
[139]
Herder, Bef. d. Hum. VIII (1796), 72
: Bekanntlich war Petrarka
Einer der Ersten, der sich durch unabläßigen Fleiß eine fast classische
Denkart angebildet hatte, ohne welche er seine liebliche Vulgarpoësie
schwerlich hätte erschaffen mögen..
[140]
Herder, Bef. d. Hum. VIII (1796), 73
: Poliziano, Pico, Bembo, Castiglione, Casa
und so viel andre Geschichtschreiber, Dichter, Philosophen und Philologen schrieben
nicht nur classisch
Latein, sondern einige derselben dachten
auch classisch
und erwägten
die Werke der Alten..
[141]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 218
: Erst nachdem sie die Pflichten ihres hohen Berufs erfüllt, [...] wagte sie, [...] den seit ihrer frühesten Jugend genährten Wunsch, Italiens classischen Boden zu betreten, in Erfüllung gehen zu lassen..
[142]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 321
: Alle Geschichte wurzelt in Asien, dort ist Wiege und Sarg der größten, gebildeten Völker, für welche die Geschichte kein Gedächtniß und die Welt nur unerklärliche Erinnerungen durch ungeheure, von Kunst und Pracht, im kolossalsten Stile, zeugende Ruinen großer Städte hat. Heilige, tiefbedeutungsvolle Sagen begegnen dem Wandrer bei jedem Schritte auf diesem geweiheten, klassischen Boden..
[143]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 477
: Dieselbe entwickelte eine vorzügliche Lernbegierde und zeigte namentlich ein für ihr Geschlecht seltenes Interesse für die klassische Literatur der Römer und Griechen [...]..
[144]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. II (1834), 188
: Unter den deutschen Schriftstellern, deren Briefe[1/3] in unserer Literatur für klassisch gelten, nennen wir: Klopstock, Lessing, Winckelmann, Gellert, Jakobi, Lichtenberg, v. Müller, Matthisson, Goethe, Schiller, Fr. Schlegel, die Briefe[3] eines Verstorbenen etc. Von Damen zeichnen sich Sophie Laroche, Caroline Pichler, Johanna Schopenhauer, Carol. v. Woltmann, Amal. Schoppe, Charl[.] v. Ahlefeldt, die Briefe[1] der Rahel van Ense (durchweg geistreich, ganz vernachlässigt in der Form) aus..
[145]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. II (1834), 404
: In ganz Italien tönte der Ruf ihrer seltenen Gelehrsamkeit wieder, die sich namentlich in dem Gebiete der Philosophie und Theologie bewegte, daneben aber eine außerordentliche Kenntniß der alten und classischen Sprachen[3] umfaßte.
.
[146]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 108
: Da, wo sonst die pythischen Spiele viele Tausend Fremdlinge versammelten, wandelt vielleicht jetzt einsam unter trauernden Ruinen ein kräutersuchender Mönch, der kaum ahnet[2], auf welch klassischem Boden er sich befindet..
[147]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 158
: Franz Moor, Shylock, Lear, Falstaff, Richard III.. waren klassische Darstellungen [Ludwig Devrients], und nicht leicht wird es einem zweiten gelingen, so verschiedenartige Gewalten mit einem so wunderbaren Zusammenwirken in sich zu verbinden..
[148]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 177
: Nach den Hebräern kam das sogenannte klassische Alterthum[2], und die griechische Kunst blühte in Europa und Kleinasien..
[149]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 210
: Die Kunst, in ihrem nördlichen Vaterland wenig beachtet, ging gleich einem strahlenden Gestirn vor ihrer Seele auf, und die höchste Begeisterung ergriff sie gleich einer Flamme, als sie in Rom unter den Denkmälern einer altergrauen, aber großen und unvergeßlichen Vergangenheit wandelte. [...] Während sie nun an der Seite ihres Gemahls den Genuß des Wandelns auf klassischem Boden in seiner ganzen Größe empfand, verdunkelten sich die Aussichten in der Heimath, und kündigten das Ungewitter an, das bald in politischer Hinsicht über den Herzog einbrach..
[150]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 244
: Dussek, Johann Ludwig, war zu seiner Zeit einer der beliebtesten Componisten für das Pianoforte und ein bedeutender Virtuos auf diesem Instrument. [...] 〈244〉 [...] Seine Werke, in denen er so originell als gemüthlich erscheint, werden den Musikfreunden stets theuer bleiben. Mehrere seiner Sonaten sind klassisch..
[151]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 433
: Die Neigung zu rhetorischer Ausbildung des poetischen[4] Talentes ward noch vorherrschender während des siebenzehnten Jahrhunderts, dessen dichterische Erzeugnisse sich durch ein entschiedenes Streben nach Correktheit und Eleganz auszeichnen [...], und diese Richtung blieb auch, obwohl das eigentliche Wesen der Poesie[11] sehr darunter litt, in der folgenden Zeit vorherschend, wo es durch Alexander Pope [...], einen eigentlich mehr geistreich als originell zu nennenden Dichter, der aber unbedingt als der correkteste Autor zu betrachten ist, welchen England aufzuweisen hat, die höchste Stufe erreichte. Es war in Hinsicht auf die Form eine wahrhaft klassische Zeit[3] für die englische 〈434〉 schöne Literatur [...]..
[152]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 57
: Faini, Diamante, geborne Medaglia, eine bekannte italienische Dichterin des 18. Jahrhunderts, [...] äußerte schon als Kind ein so außerordentliches Talent für die Dichtkunst, daß sie im 15. Jahre, der alten Sprachen vollkommen mächtig, ohne einen andern Lehrer, als das Vorbild der klassischen Dichter des Alterthums[3] gehabt zu haben, Sonette dichtete, welche die allgemeinste Bewunderung erregten..
[153]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 133
: Fioravanti zeichnet sich in der komischen Oper durch Naivetät, Grazie, Leichtigkeit, Lebendigkeit und natürliche Anmuth der 〈133〉 Melodien aus; sein klassischer Stil spiegelt den eigenthümlichen Geist[12] der alten ital. kom. Oper noch in jugendlicher Frische..
[154]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 203
: Drei Kreise waren es vorzüglich, in welchen sich die Leistungen der nordfranzösischen Dichter Trouvéres genannt (von trouver, finden, erfinden), bewegten; der Kreis der britischen Dichtungen, zu dem besonders die Sagen von Artus und der Tafelrunde gehörten; der Kreis der fränkischen Dichtungen, welcher die Mythen von Karl dem Großen und seinen Paladinen umschloß, und die nach damaliger Weise modernisirten Sagen des klassischen Alterthums[2], zu welchen man vorzüglich den berühmten Roman von Alexander dem Großen rechnen kann..
[155]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 222
: Indem wir hier die weniger interessante[1] frühere Geschichte[3] der französischen Musik übergehen, wenden wir uns aus dem Gebiete ihrer Kindheit sogleich zu Lully, dem Schöpfer des Nationalgeschmacks. Dieser große Meister war zwar in Italien zu Florenz (1633) geboren; doch kam er schon in seinem 12. Jahre nach Paris, wo er, von Ludwig XIV. unterstützt, seine musikalische[1] Bildung[4] vollendete, und bis zu seinem Tode blieb. Dort componirte er Opern, welche die französische Nation[1] ein halbes Jahrhundert hindurch entzückten, und viele andere klassische Tonstücke..
[156]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IV (1835), 431
: Gil Blas (von Santillana), das fast in alle Sprachen übersetzte und bei allen Nationen anerkannt klassische Werk des französichen [sic] Dichters Allain René Lesage..
[157]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VI (1836), 4
: Der Charakter[4] der höhern Kochkunst trägt in Italien, so wie der der Moden, den Stempel der franz. Abkunft. Allerdings ist das Eigenthümliche nicht verloren gegangen und es haben sich die klassischen Gerichte des Volkes[5], so wie das vaterländische Obst auf den Tischen der Reichen mit erhalten, aber die Polenta und das Hartbrod ist von Ragouts fins und pane francese verdrängt worden..
[158]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VI (1836), 13
: Im 13. Jahrh. entwickelt, erhob sich im folgenden durch die Florentiner die Literatur zur klassischen Vollendung, und so ging, durch die unsterblichen Schrift- und Kunstschätze der größten Vorzeit, die gleichsam ihre Wiedergeburt erlebten, durch die gewaltigen Erinnerungen an eine Weltherrschaft, durch die Summe von Kraft und Wohlstand der kleinen Freistaaten, durch die allgemein ausgebildete Empfänglichkeit für geistige Genüsse und den Schutz hochgebildeter Fürstengeschlechter, von Italien die gesammte wissenschaftliche und künstlerische Bildung Europa's aus..
[159]
Herwegh, Verscholl. (1839), W 2, 80
: Wenig dichterische Köpfe sind in Schwaben, die Hölderlin
nicht ein paar Strophen geweiht, oder in seiner Nähe ein paar Stunden verlebt hätten. | Er hat auch wohl für die mit dem Altertum sich beschäftigende Jugend mehr Wert, als der größte Philolog. Er wollte uns das Schönste aus jenen klassischen
Zeiten erobern, den freien,
großen Sinn..
[160]
Hippel, Querzg. I (1793), 34
: [...] ohne daß es damals schon die classische
Schrift Candide
in der besten Welt gab [...]..
[161]
Hirt, Baukunst (1809), 160 f. (161)
: Man kann [...] dem Architekten das Studium zur genauern Kenntniß aller Art Materialien und ihres zweckmäßigen Gebrauches, die Aufmerk〈161〉samkeit auf gut construirte Gebäude, besonders auf die klassischen Denkmäler des Alterthums[3], und das Sammeln gründlich gemachter Erfahrungen nie dringend genug empfehlen..
[162]
Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 84] (1813), SW 1, 741
: Um so mehr ist diese Komposition ein hoher Gewinn für die Kunst[2], als wirklich, sonderbarer Weise, ein größeres Göthesches, für die Musik, oder auch nur für den musikalischen[1] Schmuck berechnetes Werk, sich noch keiner gediegenen, klassischen Komposition zu erfreuen hat. So sinnig z. B. ein Meister der Tonkunst manches gemütliche Lied von Göthe gesetzt hat, so wahrhaft klassisch in dieser Art die Gesänge zum Wilhelm Meister geraten sind: so mißlungen ist doch die Musik der überaus zarten, lieblichen, dem Komponisten recht in die Hand gearbeiteten Claudine von Villa Bella. Rez. darf dies frei sagen, da das Publikum[3]
〈742〉 durch gänzliches Nichtbeachten und Vergessen längst über die Komposition den Stab gebrochen hat..
[163]
Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 84] (1813), SW 1, 742
: Mancher gute Komponist der neuesten Zeit ist um Operntexte verlegen: möge er sich doch zu den klassischen Werken des großen Dichters [sc. Goethe] wenden, und durch eine Komposition, in der wahre Begeisterung glüht, den noch nicht gewonnenen Kranz zu erringen suchen..
[164]
Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 84] (1813), SW 1, 743 f. (744)
: Rez. kann ohne weitere Entwick〈744〉lung des Einzelnen, von dem er nur sagen darf, daß es sich ganz nach der klassischen Manier des Meisters zum Ganzen verschlingt und ordnet, den Leser auf das aufmerksame Anhören der gediegenen Komposition verweisen..
[165]
Hoffmann, Theaterdir. (1819), PW 2, 502
: Nur die Begeisterung[1], von dem darüber schwebenden[5] Verstande[1] beherrscht und gezügelt, schafft das klassische Kunstwerk[2]..
[166]
Hoffmann, Serap. III (1820), PW 4, 28
: Wie ein Stoff bearbeitet oder vielmehr lebendig gestaltet werden kann, hat niemand herrlicher bewiesen als Heinrich Kleist in seiner vortrefflichen, klassisch
gediegenen Erzählung von dem Roßhändler Kohlhaas..
[167]
Hoffmann, Zshg. d. Dinge (1820), PW 4, 526
: Scott ist eine herrliche Erscheinung in der englischen Literatur, er ist ebenso lebendig als Smollet, wiewohl viel klassischer
und edler, doch fehlt ihm nach meiner Meinung das Brillantfeuer des tiefen Humors, der aus Sternes und Swifts Werken hervorblitzt..
[168]
Th. Huber, Holland (1811), 349
: Der Weg von dem Haag nach Delft führt durch einen klassischen Boden, für eine Epoche der holländischen Geschichte, die von den neuen und alten Dichtern dieses Landes benutzt worden ist. .
[169]
A. v. Humboldt, Cordill. II [TrN. N.] (1810), 29
: Die Wiener Sammlung, welche fünf und sechzig Seiten hat, ist dadurch merkwürdig geworden, daß sie die Aufmerksamkeit von Doctor Roberton beschäftigte, welcher auch mehrere Seiten davon, ohne Farben, und in bloßen Umrissen, in seinem claßischen Werk über die Geschichte[3] des neuen[3] Continents bekannt gemacht hat..
[170]
W. v. Humboldt, Herrm. u. Dor. (1799), 182
: [W]enn er, mit dem classischen Geiste[14] der Alten[10] vertraut, und von dem besten der Neueren[3] durchdrungen, zugleich so individuell gebildet ist, daß er nur unter seiner Nation{1] und in seiner Zeit[3] emporkommen konnte, daß alles Fremde[1], was er sich aneignet, danach sich umgestaltet und er sich nur in seiner vaterländischen Sprache[3] darzustellen vermag, in jeder andern aber und zwar gerade für seine Eigenthümlichkeit schlechterdings unübersetzbar bleibt; wenn es ihm nun so gelingt, die Resultate seiner Erfahrungen über Menschenleben und Menschenglück in eine dichterische Idee zusammenzufassen, und diese Idee vollkommen auszuführen – dann mußte, und nur so konnte ein Gedicht, wie das gegenwärtige ist, entstehen..
[171]
W. v. Humboldt, Lat. u. Hell. (*
?1806), GS I, 3, 136
: Es giebt einen vierfachen Genuss des Alterthums[3]: | in der Lesung der alten[10] Schriftsteller, | in der Anschauung der alten[10] Kunstwerke[4], | in dem Studium der alten[10] Geschichte[1], | in dem Leben auf classischem[3/7] Boden..
[172]
W. v. Humboldt, Versch. Sprachb. (*1827–29), GS I, 6.1, 131 f.
: Die Philologie ist [...], ohne sie, in anderer Erweiterung, zur Alterthumskunde zu machen, die auch besser wie eine Hülfswissenschaft von ihr angesehen, als selbst mit ihr vermischt wird, ihrem reinen Begriff[1] nach, auf die alte Literatur, die Sprachkunde auf die Sprachen[3] gerichtet. Zwar ist beides unzertrennlich verbunden, ja sogar Eins, gerade die Philologie hat die tiefste Sprachforschung zum Zweck, und die Sprachkunde muss, auch bei ganz ungebildeten und unliterärischen Nationen[1], Stücke verbundener Rede aufsuchen; allein bei den geistigen Einflüssen wissenschaftlicher Behandlung ist die Unmittelbarkeit oder Mittelbarkeit der Richtung nicht gleichgültig. Die anhaltende Beschäftigung mit den classischen[7/3] Schriftstellern führt auf Feinheiten und Eigenthümlichkeiten des Sprachgebrauchs und selbst des Baues, auf welche der nicht so auf Kritik[2/3] und Hermeneutik gerichtete Sprachforscher nicht gekommen seyn würde; dagegen lenkt die unmittelbare Rücksicht auf die Sprache[3] den Geist[22] unvermerkt von der Strenge der Individualität der Forschung auf philosophisch und historisch Allgemeineres hin. Es liegt auch in dem wohlthätigen Bildungszwecke der Philologie, die man als die grosse Erzieherin des Menschen zu der schönsten und edelsten Humanität betrachten kann, die das in ihn pflanzt, was allem Streben nach Wissenschaft und Kunst[3] Mass, Haltung und innere Uebereinstimmung giebt, dass sie die Sprache[3] nicht sowohl an 〈132〉 sich, als gleichsam in dem Spiegel ihrer gelungensten Werke zeige; nur dadurch kann sie bis in das Knabenalter ihres Zöglings hinabsteigen, schaffend und vorbereitend, was ihr im Jüngling und Mann entgegenreifen soll..
[173]
Jean Paul, Hesp. II (1795), 277 f. (278)
: Wenn man [...] zusieht, wie sie einen lesen – nämlich noch fünfmal elender, gedankenloser, abgerissener, als man schreibt – [...] wie sie bei den besten Stellen zwei Blätter auf einmal umwenden, [...] 〈278〉 [...] wie solche klassische Leser oft kurz vor einer Visite, oder unter dem Couvertiren mit Papillotten oder unter dem Auskämmen der Haare, (die gar das erhabenste Kapitel einpudern,) letztes lesen oder ein rührendes unter dem Keifen mit der ganzen Stube [...]: so preiset man das deutsche Publikum glücklich, das doch solche Werke nähren, an denen wie an Truthühnern das Weisse das Beste ist..
[174]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. III (1804), 582 f.
: Das Maximum der Form oder Darstellung kann [...] auf zweierlei Weise falsch gesehen werden: man verwechselt die Darstellung entweder mit grammatischer Korrektheit oder mit rhetorischer. Das gemeine (Schreib- und Lese-) Volk[5], unempfänglich für die poetische Vollkommenheit und Darstellung, will gern die grammatische – durch den Sprung von Werken in todten Sprachen[3], wo jedes Wort entscheidet und befiehlt, auf Werke in lebendigen – zum Ordensterne des Klassischen machen. Dann wäre aber niemand klassisch, als einige Sprach- und Schulmeister, kein einziger Genius; fast alle Franzosen sind dann klassisch, wenige Männer wie Rousseau und Montaigne ausgenom〈583〉men, und jeder könnte klassisch werden lernen. [...] Sobald etwas anders klassisch ist als Genialität: so wird – da das Gewöhnliche stets leichter korrekt auszudrücken ist, schon darum, weil es schon mehrmals ausgedrückt wurde [...] – die Schwäche zur Trägerin der Stärke ge〈584〉macht [...]..
[175]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. II (
21813), 545
: Werther, der Geisterseher, Woldemar, Ardinghello, die neue Heloise, Klingers Romane, Donamar, Agnes von Lilien, Chateaubriands Romane, Valérie, Agathon, Titan etc.; lauter Romane zu Einer Klasse, obwol mit sehr auf- und absteigendem Werthe, gehörig; denn keine Klasse macht klassisch..
[176]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. III (
21813), 786 f. (787)
: Wenn nun alle Klassiker nur durch die Mehrheit glänzender Theile sich über die Gemeinen und doch Tadelfreien erheben: so fragt sich, ob diese Mehrheit in sogenannten sprach-klassischen oder ob in genialen Theilen bestehe. In den letzten durchdringt sich, wie gesagt, von selber Stoff und Form, Seel' und Leib erschaffen sich gegenseitig, aber die ersten würden nur eine negative, ja bloße grammatische Musterhaftigkeit 〈787〉 geben, und so wäre denn, mit Longin zu reden, ein Ion aus Chios klassischer als Sophokles, und Adelungs Geschichte[7] der Menschheit[2] klassischer als die Herdersche, und Goethe hätte vor Merkels Köpfchen den Hut abzunehmen. Kurz das Klassische kann nicht in der Minderzahl der Flecken, sondern in der Mehrzahl der Strahlen bestehen. Auch nach dem vorigen Kunstrichter kann nichts klassisch sein, was höher zu treiben ist [...]; – aber daher ist dann jede noch lebende Sprache[3] nur für die Gegenwart klassisch, weil sie Blüten abwirft und nachtreibt. Jede alte[10] todte war auch so lange keine klassische, als sie fort- und nachwuchs; nur ihr Tod gab ihr feste Verklärung..
[177]
Jean Paul, Vorsch. Ästh. III (
21813), 787 f.
: Und warum wollen wir es überhaupt vergessen, daß der Titel klassisch zuerst im Zeitalter der Barbarei durch den Gegensatz von 〈788〉 kenntnisloser Rohheit eine viel stärkere Bedeutung angenommen, als wir jetzo im Zeitalter der Bildung[6], das nur Hohes mit Höherem vergleicht, fortgebrauchen können? Vielleicht wären – so kühn der Gedanke ist, ein Klopstock, ein Herder, ein Schiller, rück- oder nachwärts selber den Griechen klassisch [...]. – Die Alten kannten wol begeisterte Dichter, aber keine Muster-Dichter; daher war nicht einmal das Wort „Geschmack“ – welches sonst in dem Klassischsein König ist – in ihrer Sprache vorhanden; und nur in den bildenden Künsten, in den für alle Augen unveränderlichen, erkannten sie einen Polyklets Kanon an [...]..
[178]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (1790), 174 f. (175)
: Es giebt weder eine Wissenschaft des Schönen[1], sondern nur Critik[2], noch schöne[2] Wissenschaft, sondern nur schöne[2] Kunst[1]. Denn was die erstere betrifft, so würde in ihr wissenschaftlich, d. i. durch Beweisgründe ausgemacht werden sollen, ob etwas für schön[1] zu halten sey oder nicht; das Urtheil über Schönheit[1] würde also, wenn es zur Wissenschaft gehörte kein Geschmacksurtheil seyn. Was das zweyte anlangt, so ist eine Wissenschaft, die, als solche, schön[2] seyn soll, ein Unding. Denn, wenn 〈175〉 man in ihr als Wissenschaft nach Gründen und Beweisen früge, so würde man uns durch geschmackvolle Aussprüche (Bon Mots) abfertigen. – Was den gewöhnlichen Ausdruck, schöne[2] Wissenschaften veranlaßt hat, ist ohne Zweifel nichts anders, als daß man ganz richtig bemerkt hat, es werde zur schönen[2] Kunst[1] in ihrer ganzen Vollkommenheit viel Wissenschaft, als z. B. Kenntnis alter[10] Sprachen[3], Belesenheit der Autoren, die für Classiker gelten, Geschichte[6], Kenntnis der Alterthümer[5] u. s. w. erfordert und, um daher diese historische Wissenschaften weil sie zur schönen[2] Kunst[1] die nothwendige Vorbereitung und Grundlage ausmachen, zum Theil auch weil darunter selbst die Kenntnis der Producte der schönen[2] Kunst[1] (Beredsamkeit und Dichtkunst) begriffen worden, durch eine Wortverwechselung, selbst schöne[2] Wissenschaften genannt hat..
[179]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (
21793), 138
: Daß man die Werke der Alten[10] mit Recht zu Mustern anpreiset, und die Verfasser derselben classisch nennt, gleich einem gewissen Adel[4] unter den Schriftstellern, der dem Volke[1/5] durch seinen Vorgang Gesetze giebt: scheint Quellen des Geschmacks a posteriori anzuzeigen, und die Autonomie desselben in jedem Subjecte zu widerlegen..
[180]
Kant, Crit. d. Urtheilskr. (
21793), 185 f. (186)
: Die Muster der schönen[2] Kunst[1] sind [...] die einzigen Leitungsmittel, diese auf die Nachkommenschaft zu bringen: welches durch bloße Beschreibungen nicht geschehen könnte (vornehmlich nicht 〈186〉 im Fache der redenden Künste[1]); und auch in diesen können nur die in alten[10], todten, und jetzt nur als gelehrte aufbehaltenen Sprachen[3] classisch werden..
[181]
Klein, Rheinreise (1828), 3 f. (4)
: Hat ja jede Stadt, wie jedes Land, seine wahrhaft goldene Zeit nur einmal! Doch die prächtige Lage, in der Mitte des deutschen Paradieses, oberhalb und seitwärts die blühende Rheinpfalz, 〈4〉 unterhalb das reiche, weinbekränzte Rheingau besitzt Mainz immer noch. Auch das geschichtlich Bedeutende, das wahrhaft Klassische, vom frühesten Römeraufenthalte an, die ganze deutsche Reichsgeschichte hindurch, ist ihm geblieben..
[182]
Klein, Rheinreise (1828), 90
: Hier [sc. am Loreley-Felsen] war es, wo im Sommer 1818 bei der Reise zur Fürstenversammlung nach Aachen, hoch auf der vergoldeten, prachtvollen Herzoglich Nassauischen, früherhin Kurtrierischen Jacht unter schwellenden Segeln stehend, der letzte deutsche Kaiser, Franz der Zweite, an die herrlichen Naturschönheiten seines weiten Reiches gewöhnt, doch verwundert stand. Unvergeßliche Augenblicke, den Erlauchten Herrscher, dessen ehrwürdiges Aeußere und herablassendes Benehmen die zahlreichen Zuschauer auf Strom und Land unwiederstehbar fesselte, für diese klassisch interessante[1] Gegend, in welcher einst Karl der Große, Otto der Erste, Rudolph 〈91〉 von Habsburg, wandelten, durch seine hochgefeierte Gegenwart die alte[1] fast tausendjährige Reichsgeschichte gleichsam abschließen zu sehen!.
[183]
Klingemann, Nachtw. Bonavent. (1805), 47
: Ich liebe die große klassische
Würde im Menschen, die viel Worte haßt, wo viel gethan werden soll [...]..
[184]
F. M. Klinger, Betr. u. Ged. (1809), 166, Nr. 448
: Wenn
uns ein Bewunderer der Alten mit ihrer klassischen
Literatur demütigen will, so können wir ihn mit etwas Größerm, Wichtigern und Wesentlicherm niederschlagen: mit unserer Staatswissenschaft. Gegen diese sind jene Klassiker nur Kinder, da wir überklassisch
darin geworden sind..
[185]
Knigge, Umgang (
3
1790), 110
: [S]chade, daß diese herrlichen Sinfonien, die gewiß in allem Betracht ein klassisches
Werk genannt werden können, so äußerst schwer vorzutragen sind..
[186]
J. D. Michaelis, Lebensbeschr. (1793), 59
: [W]eil er [sc. D'Alembert] das Französische der Preißschrift sur l'influence du langage für mein eigenes ansahe, hielt er mich für einen sehr guten französischen Schriftsteller, und machte mir, als ich in einem französischen Briefe[1] wegen meiner Schreibart um Vergebung bat, dieß unverdiente Compliment: die schönen[2] Geister[32] in Paris würden sehr vergnügt seyn, wenn sie so gut französisch schreiben könnten, wie die Schrift sur l'influence geschrieben wäre. Daß ich nicht stolz darauf wurde, wird man leicht denken, und ich schrieb ihm gleich, das ganze mir gegebene Lob eines classischen französischen Schriftstellers gehöre Merian und Premontval zu, ich könnte ohne Mühe und Furcht zu fehlen, den Brief[1] nicht einmahl schreiben, welchen er hier von mir bekäme..
[187]
Mundt, Dt. Prosa (1837), 56
: Als den ersten Vermittler der ciceronischen Prosa mit den modernen Literaturen kann man den Boccaccio
ansehn, der in seinem Decamerone, welcher ein europäisches Lesebuch wurde und sehr früh und sehr häufig auch in Deutschland Uebersetzer fand, zuerst die italienische Prosa nach dem classischen
Musterbild des Cicero formte, zu einer Zeit, wo es noch nirgends in Europa eine gebildete moderne Prosa gab..
[188]
Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 256, Nr. 87
: Romantik[1]. Absolutisirung – Universalisirung – Classification des individuellen Moments, der ind[ividuellen] Situation etc. ist das eigentliche Wesen des Romantisirens[1/4/5]. vid. Meister. Mährchen..
[189]
Novalis, Glaub. u. Lieb. (1798), 279
: Es würde ein sehr gefährliches Symptom des Neupreußischen Staats sein, wenn man zu stumpf für die wohlthätigen Einflüsse des Königs und der Königin wäre, wenn es in der That an Sinn[5] für dieses klassische Menschenpaar gebräche..
[190]
Novalis, Polit. Aphor. (*1798), NS 2, 502, Nr. 67
: Es liegt am Tage, daß sich aus todten Stoffen kein lebendiger Körper – aus ungerechten, eigennützigen und einseitigen Menschen kein gerechter, uneigennütziger und liberaler Mensch zusammensetzen läßt. Freilich ist das eben ein Irrthum einer einseitigen Majorität, und es wird noch lange Zeit[6] vergehn, eh man sich von dieser simpeln Wahrheit allgemein überzeugen wird. Eine so beschaffene Majorität wird nicht die Vortrefflichsten, sondern im Durchschnitt nur die Bornirtesten und die Weltklügsten wählen. Unter den Bornirtesten versteh ich solche, bei denen Mittelmäßigkeit zur fertigen Natur[1] geworden ist, die klassischen Muster des großen Haufens. Unter den Weltklügsten – die geschicktesten Courmacher des großen Haufens. Hier wird sich kein Geist[12] entzünden – am wenigsten ein reiner – Ein großer Mechanismus wird sich bilden – ein Schlendrian – den nur die Intrigue zuweilen durchbricht. Die Zügel der Regierung werden zwischen den Buchstaben[8] und mannichfaltigen Partheimachern hin und her schwanken..
[191]
Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. I (1830), 69
: Er trug [...] ein leichtes Ränzchen auf dem Rücken, den Alpenstock in der Hand, und einen soliden, für Bergreisen classischen Anzug [...]..
[192]
Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. II (1830), 383
: Besonders erfreute mich der Seilschwinger, Diavolo betitelt [...]. Eine schönere Gestalt, größere Gewandtheit, Sicherheit und vollendetere Grazie scheinen in dieser Art kaum denkbar. Er ist der fliegende Merkur, der von Neuem eine menschliche Form angenommen hat; die Luft scheint sein wahres Element, und das Seil nur ein Luxusartikel, um sich damit, wie mit einer Guirlande, zu drapiren. Im wildesten Schwunge sieht man ihn, haushoch, ganz frei und unangebunden auf dem Seile liegen, jetzt dicht vor den Logen mit dem classischen Anstand einer Antike[3] vorüberschweben, und gleich darauf, wie eine Marionette, mit dem Kopf unten, und den Beinen nach oben, ein entrechat in den Wolken des Theaterhimmels ausführen..
[193]
Ramdohr, Landsch. Friedr. (1809), 109
: [I]ch, der ich [...] um funfzig Jahre zu spät geboren [...] [bin], um statt der Bildung[5], die ich durch die klassischen Werke der Alten[10] und Neuen[5] erhalten habe, durch die Werke aus der ersten Kindheit der Kunst[4] zum Gefühl des Schönen[1] angezogen zu seyn [...]. ➢ Volltext.
[194]
Ramdohr, Landsch. Friedr. (1809), 119 (1)
: Jener Mysticismus, der Symbole, Phantasieen[19] für malerische[2] und poetische[1] Bilder ausgibt, und das klassische Alterthum[2] mit gothischem Schnitzwerk, steifer Kleinmeisterei, und mit Legenden vertauschen möchte! ➢ Volltext.
[195]
Ramdohr, Landsch. Friedr. (1809), 119 (2)
: Jener Modeton wird sich nicht leicht ausbreiten an Orten, wo Geschichte[4] gründlich gelehrt, und das klassische Alterthum[2] mit Geschmack vorgetragen wird [...]. ➢ Volltext.
[196]
Schelling, Syst. transsc. Id. (1800), 593
: [...] auf den Fortschritt in Künsten
und Wissenschaften,
welcher aber, von dem historischen (praktischen) Standpunkt aus betrachtet, eher ein Rückschritt, oder wenigstens ein anti-historischer Fortschritt ist, worüber wir uns auf die Geschichte selbst und auf das Urtheil und Beispiel der Nationen, welche in historischem Sinn die klassischen
sind (z. B. die Römer), berufen können..
[197]
Schelling, Freiheit (1809), SW I, 7, 340
: Eine andere, wie man gewöhnlich glaubt näher treffende, Erklärung des Pantheismus ist allerdings die, daß er in einer völligen Identification Gottes[1] mit den Dingen, einer Vermischung des Geschöpfs mit dem Schöpfer bestehe, woraus noch eine Menge anderer harter und unerträglicher Behauptungen abgeleitet werden. Allein eine totalere Unterscheidung der Dinge von Gott[1], als in dem für jene Lehre als klassisch angenommenen Spinoza sich findet, läßt sich kaum denken..
[198]
Schelling, Philolog.-hist. Klass. (*1818), SW I, 8, 468
: Die Sprache[1] an sich ist ein vollendetes Ganzes und bis in jeden Theil organisch[6] gebildet. Denkt man aber Philologie als Erklärung, Beurtheilung und Auslegung alterthümlicher Denkmäler, es sey der redenden oder bildenden Kunst, so hat sie hier den Vortheil eines schon an sich abgeschlossenen Gegenstandes. Aber auch als Alterthumswissenschaft, es sey, daß sie das öffentliche Leben, oder Staats-Verfassungen, Gesetze, Sitten, oder religiöse Formen der alten[9] und besonders der classisch[3/5] gebildeten Völker[1] untersuche, schließt sich ihr alles in einzelne Kreise ab, in denen sie sich der Vollständigkeit – nicht des Wissens, aber doch des Gebrauchs der vorhandenen Mittel vollkommen versichern kann..
[199]
Schiller, Dom Karlos Thal. I (1785), NA 6, 343 f. (344,
1
)
: Jeder Leser und jede Leserin, welche Wohlwollen genug für den Herausgeber in ihrem Busen fühlen, um für die klassische
Vollkommenheit seines Werks bekümmert zu seyn – euch aber insbesondere, Schriftsteller meines Vaterlands, deren Namen der Ruhm bereits schon unter den Sternen aufstellte, die ihr jezt keine schönere Beschäftigung mehr übrig findet, als eurem Schüler und Freund noch die Hand zu reichen, und ihn zu eurer Gemeinschaft empor zu ziehn – euch alle fodre ich auf, diesen Versuch eurer Aufmerksamkeit werth zu achten, und mir den Ausspruch eures Gefühls mit der strengsten Offenherzigkeit mitzutheilen..
[200]
Schiller, Goldon. Mem. (1788), NA 22, 242
: Daß in der Konversationssprache sein Ton oft in das Gesuchte fällt, scheint der Übersetzer selbst gefühlt zu haben, und er sucht diesen Vorwurf der deutschen Sprache[3] überhaupt zuzuwälzen, die sich nicht wohl anders, wie er sagt, von dem Extrem des Platten soll entfernen können als durch das entgegengesetzte Extrem des Künstlichen. Da Hr. Schatz es wohl schwerlich mit so vielen unsrer klassischen Schriftsteller wird aufnehmen wollen, die von der deutschen edlern Gesellschaftssprache Muster geliefert haben, so kann sich dieser Vorwurf nicht 〈243〉 wohl weiter als auf den Kreis des Umgangs erstrecken, den er selbst beobachtet hat; und wenn ihm dieser zwischen Platt und Gesucht keinen Mittelweg zeigte, so war es immer ein wenig rasch, dieses Urteil auf seine ganze Nation[1] auszudehnen..
[201]
Schiller, an G. J. Göschen (5. 7. 1793), NA 26, 256
: Von dieser Feder wäre noch etwas recht gutes zu erwarten, wenn sie sich die Mühe nicht reuen lässt, und nach klaßischen
Mustern sich bildet. .
[202]
Schiller, Matthisson. (1794), NA 22, 282
: Hr. M.[atthison] hat seinen Anspruch auf diesen Titel auf eine Art beurkundet, die auch dem strengsten Richter Genüge tun muß. Wer eine Phantasie, wie sein Elysium
[...], komponieren kann, der ist als ein Eingeweihter in den innersten Geheimnissen der poetischen Kunst und als ein Jünger der wahren Schönheit gerechtfertigt. Ein vertrauter Umgang mit der Natur und mit klassischen
Mustern hat seinen Geist genährt, seinen Geschmack gereinigt, seine sittliche Grazie bewahrt; eine geläuterte heitre Menschlichkeit beseelt seine Dichtungen, und rein, wie sie auf der spiegelnden Fläche des Wassers liegen, malen sich die schönen Naturbilder in der ruhigen Klarheit seines Geistes. Durchgängig bemerkt man in seinen Produkten eine Wahl, eine Züchtigkeit, eine Strenge des Dichters gegen sich selbst, ein nie ermüdendes Bestreben nach einem Maximum von Schönheit..
[203]
Schiller, an J. F. Cotta (5. 2. 1800), NA 30, 141
: Werthes hat zwar eine gute, gewählte und sich dem klaßischen
annähernde Sprache, aber zum dramatischen Dichter hat ihn die Natur nicht bestimmt, sein Werk ist an dramatischem Gehalt leer und hat keine Kraft..
[204]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 109
: Moderne Dichtarten
[...] sind mehr progressiv und ihr Wesen ist nicht wie bei den klassischen Dichtarten darauf berechnet, den höchsten Gipfel zu erreichen..
[205]
A. W. Schlegel, Nachschr. (1799), 281
: Meine Absicht ist, alles in seiner Form und Eigenthümlichkeit poetisch[5] übersetzen zu können, es mag Namen haben wie es will: antikes[2] und modernes[1], klassische Kunstwerke[2] und nazionale Naturprodukte. ➢ Volltext.
[206]
A. W. Schlegel, Zeichn. (1799), 224 f.
: Mehr kann man wahrlich von einem geistvollen Manne nicht verlangen, als daß er in seiner Sinnesart und seinem Geschmack entweder recht entschieden modern, oder recht entschieden antik sey. Leider giebt es, seit begeisterte Kunstrichter das klassische Alterthum[2] gepredigt haben, so viel halbe Wesen, die nicht sind was sie sollen und nicht seyn können was sie wollen. Es sind die Mäuse der Kunst und Poesie, die bey dem großen Kampfe zwischen Erd- und Luftbewohnern zur entgegengesetzten Partey übergingen, und zum Dank 〈225〉 dafür Fledermäuse geworden sind. ➢ Volltext.
[207]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 193
: Die Kunstgeschichte soll keine Elegie auf verlohrne und unwiederbringliche goldne Zeitalter seyn. Eine solche vollendete Harmonie des Lebens und der Kunst[2] wie in der Griechischen[2] Welt statt fand und die von einer Seite unendlich über unserm jetzigen Zustande ist, wird man in derselben Art nie wiederkommen sehen. Allein jene schöne[1] Periode fiel in die Jugend, ja zum Theil in die Kindheit der Welt, wo sich die Menschheit[1] noch nicht recht auf sich besonnen hatte. Aber wenn einmal ein solches Zusammentreffen auf andre Weise, weit mehr mit Absicht und Bewußtseyn wieder erlangt wird, so kann man zuverläßig voraus sagen, daß es etwas weit größeres und daurenderes seyn wird als die Hellenische Blüthezeit. Wie sehr uns auch die Barbarey und Unpoesie mancher Zeitalter, und vielleicht unsers eignen, abstoßen mag: wer kann wissen, ob nicht der Genius alle diese abweichenden tausendfachen Formen und Gestaltungen der Menschheit[1] selbst, zu einem großen Kunstwerke[2] verarbeitet und ordnet, worin auch die Dissonanzen ihre Stelle finden müssen? Wie in allem der unendliche Fortschritt gefodert wird, so steht sogar zu erwarten, daß er in dieser allgemeinen Metempsychose in immer höhere und mehr geläuterte Organisationen[7] übergehen und zuletzt sich in aetherischer Verklärung darstellen wird..
[208]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 195
: Höchst wesentlich ist für die Kunstgeschichte die Anerkennung des Gegensatzes zwischen dem modernen[1] und antiken[2] Geschmack. [...] Man hat den Charakter[1] der antiken[2] Poesie[11] mit der Bezeichnung classisch[3/5/7], den der modernen[1] [als] romantisch[12/4/11] bezeichnet; [...] sehr treffend. Es ist eine große Entdeckung für die Kunstgeschichte daß dasjenige, was man bisher als die ganze Sphäre der Kunst[3] betrachtete (indem man den Alten[10] die uneingeschränkte Autorität zugestand) nur die eine Hälfte ist: das classische[7] Alterthum[2] kann dadurch weit besser verstanden werden als aus sich allein..
[209]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!1802–03), KAV 1, 686
: Die Elegie darf [...] auf die hingegebenste Art subjectiv seyn: sie ist die Poesie selbst im schmuck- und anspruchslosen Morgenkleide, eben erwacht, und die gehabten Träume mit freywilliger Verirrung erzählend. Wo nur Talent und Empfänglichkeit für reine classische[5/3] Formen 〈auch ohne eigentlich schöpferischen Geist〉 durch Hingebung an eine zärtliche Leidenschaft befruchtet wird, kann das bescheidne Unternehmen nicht mislingen..
[210]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!1803–04), KAV 2.1, 4
: Den Zweifel, welcher sich hier und da noch regt, ob es denn wirklich eine romantische[12], d. h. eigenthümlich moderne[1], nicht nach den Mustern des Alterthums[3] gebildete, und dennoch nach den höchsten Grundsätzen für gültig zu achtende, nicht bloß als wilde Naturergießung zum Vorschein gekommene, sondern zu ächter Kunst[3] vollendete, nicht bloß national und temporär interessante[1], sondern universelle und unvergängliche Poesie[11] gebe: diesen Zweifel [...] hoffe ich befriedigend zu heben..
[211]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!1803–04), KAV 2.1, 5
: Die meisten Dichter und Werke von denen in diesen Stunden die Rede seyn wird, werden in den gewöhnlichen Literargeschichten nur der Vollständigkeit wegen ohne weitere Auszeichnung mit aufgeführt, von denen aber, welche eine kritische Auswahl der classischen[4/5] und für golden zu achtenden Literatur einer Sprache nach den Principien der Correctheit haben geben wollen, als fremdartiger Auswuchs zum Theil gänzlich übergangen und verworfen: Die leeren Stellen hat man nicht selten mit Autoren ausgefüllt, denen nach unsern Ansichten gar nicht einmal der Name von Dichtern geschweige von Meistern in ihrer Kunst zukommt: mit den geistlosen Nachahmern einer misverstandnen Classicität und dem ganzen Heer der ihnen nachtretenden Versificatoren..
[212]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!1803–04), KAV 2.1, 183
: Die drey Stifter der romantischen[12] Kunst[3] [sc. Dante, Petrarca, Boccaccio], von denen wir im bisherigen gesprochen, haben durch ihre Werke aufs Stärkste die ursprüngliche Eigenthümlichkeit der neueren[3] Poesie[11] bekundet, und können uns zum Beyspiel dienen, daß für uns in der bloßen und uneingeschränkten Nachahmung des classischen[7] Alterthums[2] das Heil nicht zu suchen ist. [...] Boccaz ist [...] der erste, welcher den ganzen Sprachschatz mit philologischer Gründlichkeit zum Vortheil der Darstellung verwandte, und gleichsam die Gränzen der romantischen[12/1] Prosa[1], von heroischer Würde und leidenschaftlicher Energie bis zum vertraulichen Tone des Scherzes abgesteckt hat. Theils hat er ihr classische[3/7?] Gediegenheit und Großheit in den periodischen Verknüpfungen zu geben gesucht, theils die Sprache[4] des gemeinen Lebens durch geschicktes Anbringen in zierlichen Wendungen geadelt..
[213]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 55
: Bald entzündete sich im westlichen Europa ein allgemeiner Enthusiasmus für die mehr gefühlte als eingesehene Vortrefflichkeit der Classiker, wie man sie nun als exemplarisch in ihrer Art zu nennen pflegte, und die Philologie fing an eine große Anzahl von Gelehrten zu beschäftigen..
[214]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 56
: Die Römer erlangten ihre Bekanntschaft mit der Griechischen Litteratur hauptsächlich durch Vermittlung [...]; sie modelten ihre eigne darnach, und da diese Bestrebungen ziemlich bald ihr Ziel erreicht und sich fixirt hatten, so erklärten sie ebenfalls einige ihrer Schriftsteller, besonders aus dem Zeitalter des Augustus, und dem zunächst vorhergehenden, für classisch und fingen schon sehr früh an, sie als Classiker
in den Schulen auszulegen, um die Schreibart der Jugend darnach zu bilden..
[215]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 347
: Ariost suchte den geselligen Ton in die Poesie einzuführen, und Tasso und Guarini dem Styl einen antiken Anstrich und classische[7/3] Gediegenheit zu geben..
[216]
A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 32
: Der Pastor fido insbesondre ist eine unnachahmliche Hervorbringung: originell und doch classisch[3]; romantisch[7] durch den Geist[12] der dargestellten Liebe: in den Formen mit dem großen einfachen Gepräge des classischen[3/7] Alterthums[2] bezeichnet; neben den süßen Tändeleyen der Poesie[3] voll von hoher keuscher Schönheit[6] des Gefühls. Keinem Dichter 〈33〉 ist es wohl so gelungen, die moderne[1] und antike[2] Eigenthümlichkeit zu verschmelzen. Für das Wesen der alten[10] Tragödie zeigt er einen tiefen Sinn[5], denn die Idee des Schicksals beseelt die Grundanlage seines Stückes, und die Hauptcharakter kann man idealisch[1] nennen; er hat zwar auch Caricaturen eingemischt, und die Composition deswegen Tragikomödie genannt: allein sie sind es nur durch ihre Gesinnungen, nicht durch den Unadel der äußern Sitten, gerade wie die alte[10] Tragödie selbst den untergeordneten Personen, Sklaven oder Boten, ihren Antheil an der allgemeinen Würde leiht. ➢ Volltext.
[217]
A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), VI
: Sogar in Frankreich zeigen sich Symptome, daß die Sinnesart des Publicums[4] meinen Ansichten von dem bisher für classisch geltenden tragischen Theater, welche die nationale Eigenliebe anfangs so heftig empört haben, sich wohl einigermaaßen entgegen neigen möchte..
[218]
F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 146, Nr. 717
: Shak[speare]'s Wesen ist romantisch[6] s[eine] Tendenz transscendental[3]. Er ist Rom[antisch][6] und classizisirt. Goethe's Wesen ist Abstraction und Poesie[4], s.[eine] Tendenz romantisch[6]; er ist classisch und romantisirt[3]. – 〈Goethe geht über das Classische hinaus bis zum Progressiven[6]. Sh.[akspeare] übers Romantisch[e][6] ins Transscendentale[3]. [...]〉.
[219]
F. Schlegel, G. Forster (1797), 33
: Jeder klassische Schriftsteller ist ein Wohlthäter seiner Nazion[1], und hat gerechte Ansprüche auf ein öffentliches Ehrendenkmal. ➢ Volltext.
[220]
F. Schlegel, G. Forster (1797), 34
: Wenn wir nur recht viel klassische Leser hätten: einige klassische Schriftsteller, glaube ich, fänden sich noch wohl. Sie lesen; viel und vieles: aber wie und was? Wie viele giebt es denn wohl, welche, auch nachdem der Reiz der Neuheit ganz vorüber ist, zu einer Schrift, die es verdient, immer von neuem zurückkehren können; nicht um die Zeit zu tödten, noch um Kenntnisse von dieser oder jener Sache zu erwerben, sondern um sich den Eindruck durch die Wiederholung schärfer zu bestimmen, und um sich das Beste ganz anzueignen? So lange es daran fehlt, muß ein reifes Urtheil über geschriebene Kunstwerke unter die seltensten Seltenheiten gehören. ➢ Volltext.
[221]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 136, Nr. 20
: Eine classische Schrift muß nie ganz verstanden werden können. Aber die, welche gebildet sind und sich bilden, müssen immer mehr draus lernen wollen. ➢ Volltext.
[222]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 140, Nr. 36
: Wer noch nicht bis zur klaren Einsicht gekommen ist, daß es eine Größe noch ganz ausserhalb seiner eigenen Sphäre geben könne, für die ihm der Sinn[5] durchaus fehle; wer nicht wenigstens dunkle Vermuthungen hat, nach welcher Weltgegend des menschlichen Geistes hin diese Größe ungefähr gelegen seyn möge: der ist in seiner eignen Sphäre entweder ohne Genie, oder noch nicht bis zum Klassischen gebildet. ➢ Volltext.
[223]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 151, Nr. 69
: [...] jene harmonisch ausgebildete Kunst-Plattheit, in welcher die größten engländischen Kritiker so klassisch sind. ➢ Volltext.
[224]
F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 154, Nr. 81
: Es hat etwas Kleinliches, gegen Individuen zu polemisiren, wie der Handel en detail. Will er die Polemik nicht en gros treiben, so muß der Künstler wenigstens solche Individuen wählen, die klassisch sind, und von ewig dauerndem Werth. Ist auch das nicht möglich, etwa im traurigen Fall der Nothwehr: so müssen die Individuen, kraft der polemischen Fikzion, so viel als möglich zu Repräsentanten der objektiven Dummheit, und der objektiven Narrheit idealisirt werden: denn auch diese sind wie alles Objektive, unendlich interessant[1], wie der höhern Polemik würdige Gegenstände seyn müssen.
➢ Volltext.
[225]
F. Schlegel, Philolog. I (*1797), KFSA 16, 38, Nr. 41
: Da ist Studium des Class.[ischen]
[
3/
7]
〈
der bildenden Kunst der Poesie〉
das Fundament – das Ziel historisch – praktisch..
[226]
F. Schlegel, Philolog. I (*1797), KFSA 16, 47, Nr. 143
: Postulat: es soll
kl.[assische]
Werke geben.
.
[227]
F. Schlegel, Philolog. I (*1797), KFSA 16, 55, Nr. 235
: Die Absicht, zu verbreiten
hat wohl noch keiner gehabt; aus der φλ [philologischen] Pflicht,
das zu thun, wohl noch keiner übersetzt..
[228]
F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 62, Nr. 34
: Die Kritik bedarf klassischer Werke zu ihren Gegenständen..
[229]
F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 66, Nr. 68
: Die engl.[ändischen] Kritiker wie Harris haben gar keinen Enthusiasm für das Klassische selbst, sondern nur für den Begriff des Klassischen..
[230]
F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 71, Nr. 112
: Herders Liebe für die Alten[10] ist wohl mehr Interesse für Cultur[7] überhaupt, sie mag progressiv[3/5] oder klassisch[3/5/7] oder selbst barbarisch oder auch ganz kindisch seyn..
[231]
F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 74, Nr. 150
: Die Bibel kann und sollte eigentlich nicht kritisirt werden; weil sie kein klassisches Buch ist..
[232]
F. Schlegel, Philolog. II (*1797), KFSA 16, 76, Nr. 170
: Den Arabern muß der Begriff des Classischen ganz gefehlt haben. Sonst hätten sie unmöglich, nach gemachten Uebersetzungen, das Original durchaus geringschätzen können..
[233]
F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 244
: Das schöne[1] Drama [...] erfordert absoluten Umfang der Bildung[2], und völlige Freyheit[1] von nazionellen Schranken, Eigenschaften, von denen die Franzosen sehr weit entfernt sind! Es können leicht Jahrhunderte hingehn, ehe sie dieselben erreichen: denn die neue politische Form wird die Einseitigkeit ihres Nazionalcharakters nur stärker konzentriren, und schneidender isoliren. Daher ist die sogenannte französische Tragödie auch ein klassisches Muster der Verkehrtheit geworden. Sie ist nicht nur eine leere Formalität ohne Kraft, Reiz und Stoff, sondern auch ihre Form selbst ist ein widersinniger, barbarischer Mechanismus, ohne innres Lebensprinzip und natürliche[4] Organisazion[8]. ➢ Volltext.
[234]
F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 244
: Das schöne[1] Drama [...] erfordert absoluten Umfang der Bildung[2], und völlige Freyheit[1] von nazionellen Schranken, Eigenschaften, von denen die Franzosen sehr weit entfernt sind! Es können leicht Jahrhunderte hingehn, ehe sie dieselben erreichen: denn die neue politische Form wird die Einseitigkeit ihres Nazionalcharakters nur stärker konzentriren, und schneidender isoliren. Daher ist die sogenannte französische Tragödie auch ein klassisches[3] Muster der Verkehrtheit geworden. Sie ist nicht nur eine leere Formalität ohne Kraft, Reiz und Stoff, sondern auch ihre Form selbst ist ein widersinniger, barbarischer Mechanismus, ohne innres Lebensprinzip und natürliche[4] Organisazion[8]. ➢ Volltext.
[235]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 29, Nr. 116
: Die romantische12/14/1/9/4/10/11] Poesie[11] [...] 〈29〉 [...] ist der höchsten und allseitigsten Bildung[2] fähig; [...] indem sie jedem, was ein Ganzes in ihren Produkten seyn soll, alle Theile ähnlich organisirt[6], wodurch ihr die Aussicht auf eine gränzenlos wachsende Klassizität eröffnet wird. ➢ Volltext.
[236]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 38, Nr. 146
: Wie der Roman die ganze moderne Poesie[11], so tingiert auch die Satire, die durch alle Umgestaltungen, bey den Römern doch immer eine klassische Universalpoesie, eine Gesellschaftspoesie aus und für den Mittelpunkt des gebildeten Weltalls blieb, die ganze römische Poesie[11], ja die gesammte römische Litteratur, und giebt darin gleichsam den Ton an. ➢ Volltext.
[237]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 40, Nr. 155
: Die rohen kosmopolitischen Versuche der Carthager und andrer Völker[1] des Alterthums[3] erscheinen gegen die politische Universalität der Römer, wie die Naturpoesie ungebildeter Nazionen[1] gegen die klassische Kunst[12] der Griechen. Nur die Römer waren zufrieden mit dem Geist[12] des Despotismus, und verachteten den Buchstaben[8]; nur sie haben naive[2] Tyrannen gehabt. ➢ Volltext.
[238]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 121, Nr. 394
: Die besten Einfälle machen durch ihre zermalmende Kraft ihren unendlichen Gehalt und ihre klassische Form oft einen unangenehmen Stillstand im Gespräch. ➢ Volltext.
[239]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 124, Nr. 404
: Zur Philologie muß man gebohren seyn, wie zur Poesie[11] und zur Philosophie. Es giebt keinen Philologen ohne Philologie in der ursprünglichsten Bedeutung des Worts[1], ohne grammatisches Interesse. Philologie ist ein logischer Affekt, das Seitenstück der Philosophie, Enthusiasmus für chemische Erkenntniß: denn die Grammatik ist doch nur der philosophische Theil der universellen Scheidungs- und Verbindungskunst. Durch die kunstmäßige Ausbildung jenes Sinns[5] entsteht die Kritik[3], deren Stoff nur das Klassische und schlechthin Ewige seyn kann, was nie ganz verstanden werden mag: sonst würden die Philologen, an deren meisten man die gewöhnlichsten und sichersten Merkmahle der unwissenschaftlichen Virtuosität wahrnimmt, ihre Geschicklichkeit eben so gern an jedem andern Stoff zeigen als an den Werken des Alterthums[3], für das sie in der Regel weder Interesse noch Sinn[5] haben. Doch ist diese nothwendige Beschränktheit um so weniger zu tadeln oder zu beklagen, da auch hier die künstlerische Vollendung allein zur Wissenschaft[1] führen, und die bloße formelle Philologie einer materialen Alterthumslehre und einer humanen Geschichte[4] der Menschheit[2] nähern muß. ➢ Volltext.
[240]
F. Schlegel, Goethe's Meister (1798), 172
: Der Onkel [...] ruht im Hintergrunde dieses Gemähldes, wie ein gewaltiges Gebäude der Lebenskunst im großen alten Styl, von edlen einfachen Verhältnissen, aus dem reinsten gediegensten Marmor. [...] Bekenntnisse zu schreiben wäre wohl nicht seine Liebhaberey gewesen; und da er sein eigner Lehrer war, kann er keine Lehrjahre gehabt haben, wie Wilhelm. Aber mit männlicher Kraft hat er sich die umgebende Natur[2] zu einer klassischen[3/8] Welt gebildet, die sich um seinen selbständigen Geist[32] wie um den Mittelpunkt bewegt. ➢ Volltext.
[241]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. III (*1798), KFSA 18, 124, Nr. 21
: Das Classische[7/3/5] und Progreßive[5/3] paßt nur nach Mehr oder Weniger auf Antik[2] und Modern[1]; relativ, nicht absolut..
[242]
F. Schlegel, an A. W. Schlegel (
⌈?12
⌉. 2. 1799), KFSA 24, 229 f.
: Aber das ist doch gut und schön[6] καλονκαγαθον von Dir, daß Du As you like it übersetzest aus eigner göttlicher Willkühr. Nun fehlt also nur noch der einzige Love's labour lost zu denen vier die ich clas〈230〉sisch halte und groß unter den romantischen[12]. Das vierte ist Hamlet, Romeo versteht sich von selbst..
[243]
F. Schlegel, Lucinde (1799), 33 f. (34)
: Reime liebt sie 〈34〉 besonders, wie alles Schöne; sie kann oft gar nicht müde werden, alle ihre Lieblingsbilder, gleichsam eine klassische Auswahl ihrer kleinen Genüsse, sich selbst unaufhörlich nach einander zu sagen und zu singen. .
[244]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 58 f. (59)
: Die Vernunft ist nur eine und in allen dieselbe: wie aber jeder Mensch seine eigne Natur hat und seine eigne Liebe, so trägt auch jeder seine eigne Poesie in sich. Die muß ihm bleiben und soll ihm bleiben, so gewiß er der ist, der er ist, so gewiß nur irgend etwas Ursprüngliches in ihm war; und keine Kritik kann und darf ihm sein eigenstes Wesen, seine innerste Kraft rauben, um ihn zu einem allgemeinen Bilde ohne Geist und ohne Sinn zu läutern und zu reinigen, wie die Thoren sich bemühen, die nicht wissen was sie wollen. Aber lehren soll ihn die hohe Wissenschaft ächter Kritik, wie er sich selbst bilden muß in sich selbst, und vor allem soll sie ihn lehren, auch jede andre selbständige Gestalt der Poesie in ihrer classischen
Kraft und Fülle zu fassen, daß die Blüthe und der Kern fremder Geister Nahrung und Saame werde für seine eigne Fantasie[1]. .
[245]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 76
: Wer Talent zum Reden hatte, widmete sich bey den Römern gerichtlichen Geschäften, und wenn er ein Hellene war, hielt er populäre Vorlesungen über allerley Philosophie. Man begnügte sich, die alten Schätze jeder Art zu erhalten, zu sammeln, zu mischen, abzukürzen und zu verderben; und wie in andern Zweigen der Bildung[6], so zeigt sich auch in der Poesie[11] nur selten eine Spur von Originalität, einzeln und ohne Nachdruck; nirgends ein Künstler, kein classisches Werk in so langer Zeit. ➢ Volltext.
[246]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 77
: Von den Altvordern der Nation[1] lernte er [sc. Dante] das eigenste und sonderbarste, das heiligste und das süßeste der neuen[3] gemeinen Mundart[1] zu classischer Würde und Kraft zusammenzudrängen, und so die provenzalische Kunst der Reime zu veredeln [...]. ➢ Volltext.
[247]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 79
: Der Versuch, das Romanzo durch einen würdigen Gegenstand und durch classische[3/5] Sprache[4] zur antiken[3] Würde der Epopöe zu erheben, das man sich als ein großes Kunstwerk[2] aller Kunstwerke[2] für die Nation[1], und nach seinem allegorischen Sinn[2] noch besonders für die Gelehrten dachte, blieb, so oft er auch wiederhohlt wurde, nur ein Versuch, der den rechten Punkt nicht treffen konnte. ➢ Volltext.
[248]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 122
: Ich habe ein bestimmtes Merkmal des Gegensatzes zwischen dem Antiken[2] und dem Romantischen[12] aufgestellt. Indessen bitte ich Sie doch, nun nicht sogleich anzunehmen, daß mir das Romantische[12] und das Moderne[1] völlig gleich gelte. [...] Wollen Sie sich den Unterschied völlig klar machen, so lesen Sie gefälligst etwa die Emilia Galotti, die so unaussprechlich modern[5] und doch im geringsten nicht romantisch[7] ist, und erinnern Sie sich dann an Shakspeare, in den ich das eigentliche Centrum, den Kern der romantischen[12/7] Fantasie[3] setzen möchte. Da suche und finde ich das Romantische[12/7], bey den ältern[1] Modernen[1], bey Shakspeare, Cervantes, in der italiänischen Poesie[11], in jenem Zeitalter der Ritter, der Liebe und der Mährchen, aus welchem die Sache und das Wort[1] selbst herstammt. Dieses ist bis jetzt das einzige, was einen Gegensatz zu den classischen Dichtungen des Alterthums[3] abgeben kann [...]. ➢ Volltext.
[249]
F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 179
: [Der Goethe'sche Wilhelm Meister] eröffnet eine ganz neue[[[[BedeutungsVerweis ID='435' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] endlose Aussicht auf das, was die höchste Aufgabe aller Dichtkunst zu seyn scheint, die Harmonie des Classischen[[[[BedeutungsVerweis ID='22' Anzeige='3' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='24' Anzeige='5' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='25' Anzeige='6' Formatierung='1']]]?] und Romantischen[[[[BedeutungsVerweis ID='923' Anzeige='4' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='34' Anzeige='6' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='63' Anzeige='9' Formatierung='1']]]?]. [...] 〈180〉 [...] Cervantes und Shakspeare [...] sind [...] die einzigen, mit denen Goethe's Universalität eine Vergleichung zuläßt. [...] Nur ist Goethe's Kunst[[[[BedeutungsVerweis ID='221' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] durchaus progressiv[[[[BedeutungsVerweis ID='35' Anzeige='6' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='45' Anzeige='3' Formatierung='1']]]] [...]. | Goethe hat sich [...] zu einer Höhe der Kunst[[[[BedeutungsVerweis ID='221' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] heraufgearbeitet, welche zum erstenmal die ganze Poesie[[[[BedeutungsVerweis ID='86' Anzeige='17' Formatierung='1']]]] der Alten[[[[BedeutungsVerweis ID='418' Anzeige='10' Formatierung='1']]]] und der Modernen[[[[BedeutungsVerweis ID='323' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] umfaßt, und den Keim eines ewigen Fortschreitens enthält. ➢ Volltext.
[250]
F. Schlegel, Transc. (
!1800–01), KFSA 12, 104
: Interessant[1] ist, was sich bezieht auf den innern Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen, oder was zur Gottheit führt. Jedes Individuum kann und darf Geschichte[2] seyn. | Wir haben einen Begriff[4] zu suchen, der das ausdrückt, was interessant[1] im Individuo ist. Es ist der Begriff[4] des Classischen. Man bezog immer diesen Begriff[4], aber mit Unrecht, bloß auf die Kunst[10]. | Bey den Alten[10] bedeutete classisch die Vollendung des Individuums nach seinem eigenen Ideal [...]..
[251]
F. Schlegel, Paris. Neuigk. (1803), 155 f. (156)
: Uebrigens sind die Schauspieler nur mit sich, mit ihrem Spiel, und mit dem Urtheil des Publikums darüber beschäftigt, daß das Ganze des Stücks deutlich, angemessen und schön sich darstelle, daran denkt man um so weniger, weil auch die Zuschauer nicht sehr danach fra〈156〉gen. Sie kennen einmal die Stücke des Racine, Voltaire und der ihrer andern Tragödienschreiber. Sie verstehen sie ja schon von Jugend auf, und damit gut; was bei unsern Stücken von Shakspeare, Goethe oder Tiek eintritt, daß man sie gerne immer von neuem verstehen möchte, ja, daß man sie nur immer besser und nie ganz zu Ende verstehen kann, das findet auch wohl bei jenen Dramen nicht eben Statt. ➢ Volltext.
[252]
F. Schlegel, Dt. Gramm. (*1805), KFSA 17, 7, Nr. 25
: Theile der Grammatik sind folgende 1) Analytik. Von den Arten der Worte. Gramaire Generale. 2) Etymologie. Theorie der Sÿlben. Ursprache. Ursprung der Sprache. 3) Kritik. Classische Schriftsteller, vorzüglich mit Rücksicht auf Sprache und Etÿmologie..
[253]
F. Schlegel, Prop. u. Log. (
!1805–06), KFSA 13, 185
: Einen Begriff der Sprachgelehrsamkeit überhaupt wird [...] vorzüglich derjenige Teil darbieten, der schon am meisten nach Regeln ist behandelt worden. Solche gelehrte Sprachen, wo sowohl die Grammatik als auch die klassischen Meisterwerke am gründlichsten sind erklärt und beurteilt worden, müssen auch der erklärenden Philologie den reichsten Stoff hergeben. – In dieser Hinsicht ist das Studium des Lateinischen und noch mehr des Griechischen die Grundlage der Sprachgelehrsamkeit..
[254]
A. W. Schlegel/F. Schlegel, Eleg. (1798), 108
: [S]o allgemein ist ihr [sc. Elegie] Karakter[1], so weltbürgerlich ihre Gesinnung, daß sie es ungeachtet ihrer zarten Weichheit doch nicht verschmähte, die härtere Sprache[3] des großen Roms zu reden, ja sogar aus dem südlichen Mutterlande nach Norden zu wandern. Die Römer glaubten in dieser Kunstart den Griechen näher gekommen zu seyn, und sind ihren Vorbildern hier wenigstens treuer geblieben als in vielen andern Fächern. Unter den Deutschen der jetzigen Zeit hat man das klassische Metrum derselben nachgebildet, und ein Dichter, von dem es nie entschieden werden kann, ob er größer oder liebenswürdiger sey, hat zu seinen frühern unverwelklichen Lorbern auch den Namen eines Wiederherstellers der alten Elegie gesellt. ➢ Volltext.
[255]
Schleiermacher [Lücke], Hermen. u. Krit. (1838), SW I, 7, 4
: Wie Hermeneutik und Kritik[3] zusammengehören, so beide mit der Grammatik. Alle drei haben schon als philologische Disciplinen zusammengestellt Fr. A. Wolf und Ast, jener als philologische Vorbereitungswissenschaften, dieser als Anhang zur Philologie. Beide aber fassen sie zu speciell, nur in Beziehung auf die beiden klassischen Sprachen[3] des Alterthums[3]. .
[256]
J. Schopenhauer, Tante I (1823), 160
: Französisch war ohnehin unsre tägliche Haussprache; sobald wir unter uns allein waren, sprachen wir keine andere, denn dies war damals fast in allen adlichen Familien so der Gebrauch. Mein Vater zog diese Sprache jeder andern vor, weil von ihr zu seiner Zeit nicht nur seine, sondern auch die geistige Bildung aller derer ausgieng, die sich nicht geradezu dem eigentlichen Gelehrtenstande widmen wollten, und die klassischen
Schriftsteller der Franzosen blieben ihm zeitlebens die liebsten, ich könnte wohl sagen, die einzigen, die er las..
[257]
J. Schopenhauer, Tante II (1823), 206
: Das Talent und die unermüdliche Wißbegierde des Knaben entzückte seinen Lehrer; er brachte es bald dahin, die klassischen
Schriftsteller Roms und Griechenlands mit ihm in ihrer Ursprache lesen zu können..
[258]
J. Schopenhauer, Jugendlb. u. Wanderb. I (1839), 320
: Daß wir [...] die oft beschriebene schöne Gegend um Pyrmont auf größeren Spazierfahrten durchstreiften, daß rüstigere Fußgänger, als meine liebe B** es war, sich zu mir gesellten, um mit mir die Berge zu besteigen, wo Hermann mit seinen Cheruskern einst hausete, daß ich mit dem größten Interesse auf klassischem
Boden hier wandelte, das Alles versteht sich von selbst..
[259]
J. Schopenhauer, Jugendlb. u. Wanderb. I (1839), 191
: Jedermann weiß oder könnte wissen, daß der vielfältig und vielseitig bekannte Lord Chesterfield einen noch jetzt in England für classisch
geltenden, ziemlich starken Band sehr geistreicher Briefe[1] herausgab, in welchen er sich bemüht, seinen Sohn in alle Pflichten und Gesetze der höchsten geselligen Eleganz einzuweihen, deren Kenntniß und strenge Uebung ihm über Alles ging..
[260]
Chr. F. D. Schubart, Leb. u. Gesinng. I (1791), 289
: Es giebt in München mehr als Ein Haus, wo in einem Stokwerk Pater Kochem's Legenden [sc. Pater Martin von Cochem (1634–1712), religiöser Volksschriftsteller]
, im andern Edelmann's [sc. Johann Christian Edelmann, (1698–1767), rationalistischer Theologe und Religionskritiker]
oder Voltär's Schriften klassisch
verehrt werden..
[261]
Seume, Spaz. n. Syrakus (1803), 63
: Zwischen Franz und Sankt Oswald steht rechts am Berge eine Pyramide mit einem Postament von schwarzem Marmor, auf dem die Unterwerfungsakte der Krainer an Karl den Sechsten eingegraben ist: Se substrauerunt, heißt es mit klassisch diplomatischer Demuth..
[262]
Seume, Spaz. n. Syrakus (1803), 107
: Von Livius weg ging ich mit dem Livius im Kopfe gerades Weges durch seine alte trojanische Vaterstadt in das klassische Land hinein, das ehemahls so große Männer gab..
[263]
Seume, Spaz. n. Syrakus (1803), 162
: Eben habe ich Canova gesehen und unsere Freunde, Reinhart und Fernow. Es ist überall wohlthätig, wenn sich verwandte Menschen treffen; aber wenn sie sich auf so klassischem Boden finden, gewinnt das Gefühl eine eigene Magie schöner[1] Humanität..
[264]
Seume, Spaz. n. Syrakus (1803), 270 f. (271)
: [M]ein Tischgeselle war ein hiesiger Geistlicher, eben die Physionomie, die ich auf der Straße zum Führer bekam. Der Mann ist indessen für einen sicilischen Theologen vernünftig genug, 〈271〉 und hat mir eben ich weiß nicht wie klassisch[3/6 bewiesen, daß Katanien das Vaterland der Flöhe sey..
[265]
Seume, Spaz. n. Syrakus (1803), 347
: Ich suchte, jetzt in der Rosenzeit, Rosen in Pästum für Dich, um Dir ein klassisch[3/7?] sentimentales[4] Geschenk mit zu bringen [...]..
[266]
Seume, Spaz. n. Syrakus (1803), 370
: Aus den Gärten Borghese ist kein einziges Stück entfernt. Bloß der Fechter und der Silen daselbst haben einen so klassischen Werth, wie ihn mehrere der nach Paris geschafften Stücke nicht haben..
[267]
Seume, Spaz. n. Syrakus (1803), 473
: In der Villa Borghese steht alles wie es war; und der Fechter und der Silen mit dem Bacchus sind Werke, die an klassischem Werth in Paris ihres gleichen suchen..
[268]
Seume, Sommer (1806), 6
: Dießmal besuchte ich die Gallerie und habe sie, ein halbes Dutzend der ersten klassischen Stücke abgerechnet, in den bessern italiänischen Schulen bey weitem nicht so reich gefunden, als ich geglaubt hatte: desto reicher an Zahl und Gehalt ist sie aber an Niederländern. Die Pariser Sammlung ausgenommen, ist in Dresden nun doch wohl die erste in Europa..
[269]
Seume, Sommer (1806), 226
: Der Inspektor behauptete von drey Stücken, die ich vorzüglich betrachtete, eins sey ein Angelo, eins ein Leonardo da Vinzi und eins ein Raphael. Ich bin nicht Kunstkenner genug, um den Ausspruch gehörig zu würdigen; aber er ist nicht ohne Grund. Nur am Leonardo da Vinzi möchte ich zweifeln, weil ich dazu in dem Stücke nicht die Vollendung, weder in der Zeichnung noch in der Färbung, finde. Aber es giebt bestimmt mehreres in der Sammlung, das klassisch italienisch ist; schon genug für einen Ort, von dem man gewöhnlich nur wenig hört, wenn man von Kunstsammlungen redet..
[270]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 3
: Es scheinet, daß Hr. Wieland bey Bekanntmachung seines Idris die Absicht gehabt, Deutschland ein Werk dieser Gattung [sc. des Abenteuerlichen3] zu liefern, das in seiner Art claßisch[3/4] werden sollte, so wie es der Orlando furioso des Ariost in Italien ist. Es fehlt in der That diesem Werk nicht an glänzenden poetischen[3] Schönheiten[1]; doch scheint etwas mehr, als dieses erfoderlich zu seyn, um ein Buch bey einer ganzen Nation[1] claßisch[4] zu machen..
[271]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208 (1)
: [...] die Schriftsteller, die auch für die Nachwelt claßisch
bleiben, weil sie aus der unveränderlichen Quelle alles Guten und Schönen, der Natur, geschöpft haben..
[272]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208 (2)
: Es scheinet, daß der Mensch ein gewisses Maas von Verstandeskräften habe, in die Beschaffenheit sittlicher Gegenstände einzudringen, welches er nicht überschreiten kann, und daß die besten Köpfe jeder Nation, die sich die Cultur[3] des Verstandes ernstlich hat angelegen seyn lassen, den höchsten Grad dieses Maasses erreichen. Daher geschieht es denn, daß die Schriften dieser Männer, in welcher Nation und in welchem Jahrhundert sie gelebt haben mögen, jeder andern Nation, die ohngefehr auch den höchsten Grad der Vernunft erreicht hat, nothwendig gefallen müssen. Diese sind alsdenn die wahren claßischen
Schriftsteller für alle Völker. | Der beste Schriftsteller einer Nation aber, die jenen hohen Grad der Cultur[4] noch nicht erreicht hat, kann seiner Nation sehr gefallen, kann einen allgemeinen Ruhm bey seinen Zeitverwandten haben, ohne in die Zahl der claßischen
Schriftsteller zu gehören. Nicht die besten jeder Nation sind claßische
Schriftsteller, sondern die besten der Nation, welche die Cultur[3/4] der Vernunft auf das höchste gebracht hat..
[273]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208 (3)
: Der scharfe Beobachtungsgeist, der die Haupteigenschaft eines claßischen
Kopfs ist, entwikelt sich nicht durch das Studium der abstrakten Wissenschaften; wird nicht durch die Arbeit im Cabinet ausgebildet, sondern in der Welt, unter Geschäften, und vornehmlich durch den Umgang mit Menschen, die denselben schon besitzen. Nicht die Schulen, sondern die Gesellschaft, da wo sie sich am meisten mit grossen Gegenständen beschäftiget, wo die schnelle Anstrengung der Verstandeskräfte nothwendig wird, wo man vieles auf einmal übersehen, und sich angewöhnen muß, auch ohne methodisches Nachdenken gründlich zu seyn, geben dem Geist die Stärke, die männliche Kühnheit und die Sicherheit, welche zum claßischen
Denken nöthig ist. Doch kann ein glükliches Genie, durch den blossen lebendigen oder todten Umgang mit wahrhaftig claßischen
Köpfen, sich selbst zum claßischen
Schriftsteller bilden..
[274]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 208 (4)
: Wenn diese Anmerkungen ihre Richtigkeit haben, so können daher die Gründe angegeben werden, warum ohne irgend einen Mangel an Genie, bis itzt noch so wenig deutsche Schriftsteller sich hervorgethan haben, von denen man vermuthen kann, daß sie, sowol bey der deutschen Nachwelt, als auch bey andern Nationen, als claßische
Schriftsteller werden angesehen werden..
[275]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 209
: Daß überhaupt aller Orten mehr claßische
Dichter, als andre claßische
Schriftsteller erscheinen, läßt sich leicht begreifen. Die Einbildungskraft und die Empfindungen zeigen sich allemal früher, als der Verstand und der Beobachtungsgeist; also können sie in einer Nation auch eher zur Vollkommenheit kommen, als die Talente, die nur auf eine gewisse Grösse des Verstandes gegründet sind..
[276]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 276
: Für einen Dichter von Genie[3], der den Menschen[6] sowol aus der Geschicht[5], als aus der täglichen Beobachtung kennen gelernt hat, ist die Materie zum Drama unerschöpflich. Aus der Geschichte[5] selbst stellen sich die größten oder die mächtigsten Männer dar, denen ganze Nationen[1] ihr gutes oder schlechtes Schiksal zu verdanken haben. Er weiß sie wieder ins Leben zurük zu führen, uns fürs Gesichte zu stellen, und uns zu Zeugen ihrer merkwürdigsten Thaten zu machen, daß wir die grossen Seelen eines Themistokles, eines Alexanders, eines Cicero, und andrer claßischer Männer, in ihren Reden und Handlungen[1] sich in unsrer Gegenwart entfalten sehen..
[277]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 289
: Wer das Glük hat, von Jugend auf mit Menschen von feinerm Gefühl und einer edlern Lebensart umzugehen, dessen Geschmak wird allmählig zu dem edlern gebildet. Wer aber von dem Glük diese Wolthat nicht erhalten hat, der muß desto aufmerksamer das Genie[5] und den Geschmak der besten Werke der Kunst[2] alter[10] und neuer[5] Völker[1] studiren. Mit Vorbeygehung aller Schriftsteller und Künstler, die nur einen zufälligen Ruhm, aus irgend einem mechanischen Theil derselben, oder nur einen vorübergehenden Beyfall erhalten haben, muß er sich an die ersten und claßischen Männer jeder Art halten; an die, die nicht blos bey ihrer Nation[1], sondern bey allen Völkern[1], wo der Geschmak aufgekommen ist, für die ersten in ihrer Art gehalten werden. Für junge, noch ungebildete Genie[4], wenn die Natur[2] sie nicht vorzüglich bedacht hat, ist es allemal gefährlich, gutes, mittelmäßiges und schlechtes durch einander zu lesen, oder zu sehen. Es gehört ein ausnehmendes Genie[3] dazu, sich nach schlechten Mustern zu bilden, und gut zu werden..
[278]
Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 354
: Wenn der erzählende Dichter lehrreich seyn will, wenn seine Absicht ist, nur solche Geschichten oder Thaten zu erzählen, die in dem Verstand der Leser wol bestimmte und auf immer würksame Grundbegriffe oder Grundsätze zurüklassen, so muß er sich weit und mit scharfen Bliken in dem sittlichen Leben der Menschen umsehen. Auch der fleißigste Beobachter der Menschen ist nur selten so glüklich, auf solche claßische
Männer seiner eigenen, oder der vergangenen Zeiten zu stoßen, deren Denkungsart und Handlungen, als canonische Lehren
für alle Menschen, anzusehen sind..
[279]
Sulzer, Allg. Theor. II (1774), 592
: Es ist [...] angemerkt worden, daß im Ganzen genommen, die Ilias weniger Klarheit, als die Aeneis habe; aber in einzeln Theilen kann Homer, als das erste Muster der Klarheit angeführt werden. Für die Beredsamkeit, müssen Demosthenes, und in dem einfachesten Vortrag Xenophon vor allen andern studirt werden. Von unsern einheimischen Schriftstellern, können wir in Ansehung des klaren prosaischen Vortrags Wieland, Lessing
und Zimmermann,
als die ersten claßischen
Schriftsteller empfehlen..
[280]
L. Tieck, Zerbino (1799), 19
: Ich habe hier ein Buch geschrieben [...]. Es soll dazu dienen, die gespannte Phantasie[1] wieder etwas herabzustimmen, den Verstand aufzuklären, indem wir das Unförmliche einsehn, und uns so in der Poesie[11] unvermerkt zum Klassischen[3/5] und Vollendeten zu führen..
[281]
L. Tieck, Zerbino (1799), 304
: Göttin. Was nennt Ihr den guten Geschmack? | Nestor. Ich will es Euch schon anvertrauen, weil Ihr mir ziemlich lernbegierig scheint. Seht, der Geschmack, – als wenn ich sagen wollte, ein Gedicht, – nun müßt Ihr aber recht begreifen, denn ich strenge mich pur so an, um Euch die Sache recht klar und deutlich zu machen, – also, wenn Ihr Euch ein klassisches vollendetes Gedicht denkt, – klassisch nehmlich, was, – nun, das ergiebt sich von selbst, – oder so ein Epigramm, ein Heldengedicht, eine Tragödie, worinn alle Regeln observirt, niemals verwandelt – | Göttin. Ich verstehe Euch nicht; meint Ihr vielleicht überhaupt die Kunst[13]? | Nestor. Nun ja, es wird ungefähr so zutreffen. Wenn Ihr die Classiker[2] gelesen hättet, da würdet Ihr mich schon sehr verstehn. Hätt' ich doch nur meine Grundsätze der Kritik[2] bei mir!.
[282]
L. Tieck, an Ph. O. Runge (4. 4. 1803), HS 1, 207
: Bey allem, was nur recht eigenthümlich und wahr, ohne Affectation ist, soll man immer an den Spruch denken: Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet. – Eigentlich bin ich hauptsächlich dadurch darauf geführt, daß der Ausdruck Friedrich's in der Europa: „die kalte Grazie des Guido“ Ihrem Bruder zu mißfallen scheint: ein Ausdruck, der nach meinem Gefühl so classisch und befriedigend ist, daß mir schon deswegen jener Aufsatz erwünscht ist. Guido hat Grazie, das fühlen wir alle, und doch ist kalte Grazie nicht ein innerer Widerspruch. Das ist grade das beklemmende Gefühl bey den Werken des Guido..
[283]
L. Tieck, Gemälde (1822; hier 1830), W 3, 66
: Gibt es hier [sc. bei den Weinsorten]
nicht auch das Klassische
und Vollendete, das Moderne und Triviale, das Manierierte und Gesuchte, das Lieblich-Alte und Fromm-Schlichte, das Gemütliche und leer Renommierende?.
[284]
L. Tieck, Tischlermeister (1836), W 4, 385
: Wie herrlich wäre es, wenn der Baron Elsheim sein Theater bestehen ließe, daß wir zum Unterricht und zur Besserung der Gemeine nur sechs oder siebenmal im Jahre so klassische
patriotische Schauspiele [sc. wie Goethes
Götz von Berlichingen]
aufführten! wir würden bald den Nutzen davon gewahr werden..
[285]
Waiblinger, Brit. in Rom (1829–30), WuB 2, 431
: Ein Anderer brachte den unsterblichen Sgricci auf. »Haben Sie ihn gehört? Er hat in Arezzo eine Akademie gegeben, und eine Tragödie improvisiert. Sie glückte unsäglich, das Florentinerblatt ist voll von ihm, und Italien nennt ihn sein erhabenstes Dichtergenie! Welche Begeisterung, welch' ein Schwung! welche Darstellung der Leidenschaften, welche unschätzbare Reden und Sentenzen! Er hält den klassischen
Stil von Alfieri fest!«.
[286]
Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 162
: Wem eine so schnelle und große Veränderung zuzuschreiben sey, ist unter den Franzosen selbst keine Frage. Die ganze Nation[1] ist nur Eine Stimme[6], sie [ist] nicht der Pracht des Hofes unter Ludwig XIV. nicht dem Weinbau, Seidenbau, den Manufacturen, und der Handlung, die damals in Frankreich blüheten, nicht dem Zusammenfluß glüklicher Umstände, welche sich zum glänzendsten Wohlstande des Französischen Reichs in der ersten Hälfte der Regierung jenes großen Königs vereinigten – sondern den Arnaud, Pascal, Bourdaloue, Fenelon, Bossuet, La Brüyere, 〈162〉 u. a. unter den Prosaisten, und den Corneille, Racine, Moliere, Boileau und La Fontaine unter den Dichtern, zuzuschreiben, welche sich, nach des Schiksals Schluß, zusammen fanden, und durch ihre Werke die goldne Epoke der französischen Litteratur hervorbrachten. Und wodurch wurden alle diese Männer die Classischen[3/4] Schriftsteller ihres Volkes[1], und die Muster der besten Schreibart? Etwa dadurch, daß sie sich nach dem Geschmacke der obern Classen[2] in Paris bildeten, und die Sprache[3] schrieben, welche jene redeten? Pascal, dessen Lettres Provinciales bis auf diesen Tag für das vollkommenste Muster der schönsten französischen Sprache[3] und Schreibart gelten, hatte von Jugend auf in einer großen Abgeschiedenheit gelebt, und zu seiner Zeit war die Clelie, der große Cyrus und andre Werke dieser Art noch die Mode-Lecture der obern Classen[2] in Paris. Der große Corneille war nichts weniger als was man einen Weltmann nennt; er lebte in seinem Cabinet und im Schooße seiner Familie; mit den hohen Charaktern[6] und Idealen des alten[10] Roms und Griechenlandes besser bekannt als mit dem Adel[2] und dem vornehmen Bürgerstande zu Paris. Mit welchem Grunde sollte man also von diesen und den übrigen großen Schriftstellern der schönsten Zeit Ludwigs des XIV. sagen können: daß sie den guten Geschmack, der ihnen vor ihren Vorgängern einen so großen Vorzug giebt, von ihren Zeitgenossen erhalten hätten? anstatt daß alle Welt bißher gerade das Gegentheil ge〈163〉glaubt hat. Freylich reden die ersten guten Schriftsteller eines Volks[1] keine unerhörte selbst erfundene Sprache[3]; und ihre vortreflichen Werke setzen voraus, daß die Sprache[3], schon durch eine Menge Stufen nach und nach zu einem großen Reichthum an Worten und Redensarten, und selbst zu einigem Grade von Ausbildung und Politur gekommen sey. Viele gute Schriftsteller mußten vorher an der Französischen Sprache[3] gearbeitet haben, ehe sie von den Besten der Vollkommenheit nahe gebracht werden konnte. Aber wodurch thaten diese leztern es in allen Schrift-Arten ihren Vorgängern so sehr zuvor? Etwa dadurch, daß sie ihren Geschmack nach den obern Classen[2] ihrer Nation[1], oder dadurch, daß sie ihn nach den besten Mustern der Alten bildeten? Man braucht sie nur zu lesen, nur ihr eignes Geständniß zu hören, um von dem leztern überzeugt zu werden. Die Calpreneden, die Boyers, Pradons u. s. w. diese waren die Leute, die sich nach dem Geschmack ihres Publikums richteten, und dadurch die vergängliche Ehre eines augenbliklichen Beyfalls erschlichen: aber die Corneille und Racine schlugen einen ganz andern Weg ein; sie erhoben sich durch ihren mit der reinsten Blüthe Classischer[7] Gelehrsamkeit genährten Genie, durch einen Geschmak, den sie sowohl an den vollkommnen Mustern der Alten als an den fehlerhaften Werken ihrer Vorgänger und Zeitgenossen geschärft hatten, über den Geschmak ihres Publikums; wurden die Gesezgeber 〈164〉 desselben, anstatt seine Sklaven zu seyn. ➢ Volltext.
[287]
Wienbarg, Holland I (1833), 126
: Er [...] bekannte sich als Anhänger der alten classischen
Monarchie und Literatur unter Ludwig dem Vierzehnten [...]..
[288]
Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 184 f. (185)
: Goethe vergleicht [...] sehr richtig die französische Sprache[3] mit ausgeprägter Scheidemünze, die jeder in der Tasche bei sich trägt und der er sich auf das schnellste im Handel und Wandel bedienen kann, die deutsche aber mit einer Goldbarre, die sich ein jeder erst münzen und prägen muß; woher es auch ein gewöhnlicher Fall, daß der gemeinste Franzose rasch und fließend spricht, da er seine Wörter[1] ungezählt nur so ausgibt, der Deutsche aber, selbst der gebildete, sich nur selten so rund und voll auszudrücken vermag, als er wohl wünscht. Demselben Umstande hat die französische Prosa[1] ihre Vollkommenheit zu verdanken und sie, die Prosa[1], ist es vor allen Dingen, was den Ruhm und auch den Wert der französischen Literatur gegründet hat, obwohl darüber noch 〈185〉 manche im unklaren sind und die französische Poesie[3], die Trauerspiele eines Corneille, Racine, die gereimten Lustspiele eines Moliere, die Henriade eines Voltaire usw. für die einflußreichsten und am meisten klassischen[3] Produkte der französischen Literatur erachten. Ich weiß nicht, ob die Franzosen ein rein poetisches[4] Produkt zustande gebracht haben, ich wüßte keins, wo nicht der Redner den Poeten überwöge oder wenigstens ihm den Rang abzulaufen versuchte; selbst in der neuesten[3/7] romantischen[14] Schule, an deren Spitze Viktor Hugo steht, und die ohne Zweifel an poetischem[4] Gehalt die altfranzösisch klassische[4/8?] überflügelt, spielt die Rhetorik, die Floskelei, die Tiradensucht die Hauptrolle..