Wortliste
Struktur
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Semantik 
14. ›postantikisch: die postantike Literatur und Kunst und/oder das nach ihrem tatsächlichen oder ver­meint­lichen Vorbild Gearbeitete in besonderer Weise wertschätzend (und für ihre bzw. seine Rezeption eintretend)‹, speziell ›in mittelalterlich-frühneuzeitlicher Tradition stehend, an mittelalterlich-früh­neu­zeitlicher oder mittelalterlich-frühneuzeitlich geprägter Kunst/Literatur (als Vorbild) orientiert, mittel­al­ter­lich-frühneuzeitliche Stoffe/Formen aufgreifend‹, timontosem ⦿ zu 12 und 13. Eine Opposition gegen die klassische8 Li­te­ratur und Kunst ist erkennbar, allerdings nicht notwendig eine solche gegen die klassische7: r. ist nicht gleich­be­deu­tend mit antiantik (F. Schlegel, an A. W. Schlegel [8. 9. 1805], KJ 1, 229). – Der unter 12 angegebene zeitkritische Aspekt mündet in den Anspruch, die romantische12 Periode bis in die eigene Gegenwart aus­zu­deh­nen und letztere in einer (wenngleich nicht ungebrochenen) Kontinuität mit der r.12 Zeit zu sehen: Die Kunst der Gegenwart um 1800 wird zunächst noch als neuer Stil der r.12 Kunst gesehen. Als Fahnen­wort ⦿ des romantischen Diskurses [1, 2, 4, 6, 9, 13, 14, 15, 17, 20, 21, 22, 24, 25, 26, 27, 29, 30, 31, 32, 33, 34, 55] wird das Adjektiv – ebenso wie die Substantive Romantik und Romantiker – erst ab etwa 1804 verwendet, und zunächst auch eher kritisch (als Fremdbezeichnung). Die affirmative Verwendung (als Selbstbezeichnung) [11] erfolgt in Adaption der abschätzigen Fremdbezeichnung. – Hinsichtlich ihrer Sujets und/oder stilistisch werden der r. Literatur und Kunst insbesondere die unter 2, 4 und 8 erläuterten Charakteristika zugeschrieben [13, 14, 15, 22, 28, 35, 44, 52, 54]. – Eine spezifisch auf die Architektur bezogene Verwendung findet sich bei Fürst Pückler [7], der einen r. Stil von einem neugotischen unterscheidet; letzterer ist rein historisierend, während der r.e als unserer Zeit5 angepasst erscheint.
Belege 
[1] Börne, Brf. Paris II (1832), 105: Im Collège Henri IV (nach deutschem Ausdrucke ein Gymnasium) werden von den Schülern zwei handschriftliche Journale redigirt, die in den Schulzimmern täglig cirkuliren. Das eine Journal, le lycéen genannt, kämpft unter Racine's Fahne, also für die klassische[8] Literatur; das Andere mit dem Titel le cauchemar, streitet unter der Fahne Victor Hugo's. Die romantische Literatur mit dem Worte[1] cauchemar (das Alpdrücken) zu bezeichnen, ist eine geistreiche Naivität, und die Feinde der Romantik[14] hätten nichts Besseres erfinden können.

[2] Börne, Brf. Paris V (1834), 134: Es war ein Rechtsstreit zwischen der romantischen und der klassischen[8] Schule [...] – und diesen Streit sollte ein Handelsgericht entscheiden! Ist das nicht merkwürdig? Die Anhänger der romantischen Schule hatten sich in großer Menge frühzeitig im Saale eingefunden und sollen sich sehr unanständig und ungebührlich betragen haben. Als ihr König und Feldherr Victor Hugo eintrat, wurde er von seinem treuen Heere mit rauschendem Beifallklatschen empfangen; aber es schien, daß ihn diese kleine Huldigung mehr in Verlegenheit gesetzt als geschmeichelt habe.

[3] Goethe, Klass. u. Rom. (1820), 101 f.: Romantico! den Italiänern ein seltsames Wort[1], in Neapel und dem glücklichen Campanien noch unbekannt, in Rom unter deutschen[1] Künstlern[1] allenfalls üblich, macht in der Lombardie, besonders in Mayland, seit einiger Zeit[6] großes Aufsehen. Das Publicum[2] theilt sich in zwey Partheyen, sie stehen schlagfertig gegen einander und, wenn wir Deutschen[1] uns ganz geruhig des Adjectivum romantisch bey Gelegenheit bedienen, so werden ⟨102⟩ dort durch die Ausdrücke Romanticismus und Kriticismus zwey unversöhnliche Secten bezeichnet. Da bey uns der Streit, wenn es irgend einer ist, mehr praktisch als theoretisch geführt wird, da unsere romantischen Dichter[1] und Schriftsteller die Mitwelt für sich haben und es ihnen weder an Verlegern noch Lesern fehlt, da wir über die ersten Schwankungen des Gegensatzes längst hinaus sind und beyde Theile sich schon zu verständigen anfangen; so können wir mit Beruhigung zusehen, wenn das Feuer, das wir entzündet, nun über den Alpen zu lodern anfängt.

[4] Goethe, Klass. u. Rom. (1820), 107: Monti, Verfasser von Aristodem und Cajus Gracchus, Uebersetzer der Ilias, kämpft eifrig und kräftig auf der klassischen[8] Seite. Seine Freunde und Verehrer stehen dagegen für die romantische[14] Parthey und versichern, seine eignen besten Werke seyen romantisch[4], und bezeichnen solche namentlich, worüber der kostbare Mann, höchst verdrießlich und aufgebracht, das ihm zugedachte falsche Lob gar nicht anerkennen will. | Und doch ließe sich dieser Widerstreit sehr leicht heben, wenn man bedenken wollte daß jeder, der von Jugend an seine Bildung[5] den Griechen und Römern verdankt, nie ein gewisses antikes[2] Herkommen verläugnen, vielmehr jederzeit dankbar anerkennen wird was ⟨108⟩ er abgeschiedenen Lehrern schuldig ist, wenn er auch sein ausgebildetes Talent der lebendigen Gegenwart unaufhaltsam widmet und, ohne es zu wissen, modern[2] endigt wenn er antik[3] angefangen hat.

[5] Goethe, Klass. u. Rom. (1820), 108 f. (109): In wiefern nun die italiänischen Theoretiker sich in Güte vereinigen können wird die Zeit lehren. Gegenwärtig ist noch keine Aussicht dazu; denn weil, wie nicht zu läugnen ⟨109⟩ ist, in dem romantischen Wesen manches Abstruse vorkommt, was nicht gleich einem jeden klar wird, vielleicht auch mancher Mißgriff obwaltet, den man eben nicht vertheidigen kann, so ist die Menge gleich fertig, wenn sie alles was dunkel, albern, verworren, unverständlich ist, romantisch nennt; hat man ja auch in Deutschland den edlesten Titel eines Naturphilosophen, frecher Weise, zum Spitz- und Schimpfnamen entwürdigt!

[6] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VI (1836), 152: K[leist] war vielleicht der begabteste Jünger der romantischen Schule – sein frühes Ende kam der völligen Reife seines Talentes zuvor.

[7] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. III (1830), 212 f. (213): Auf die Landstraße zurückgekommen, legten wir [...] 20 Meilen bald zurück, so daß wir schon um 3 Uhr Ashridge Park erreichten, den Sitz der Grafen von Bridgewater. Hier kannst Du mir, liebe Julie, etwas näher kommen, wenn Du Reptons Gartenbuch ⟨213⟩ aufschlägst, wo Du mehrere Ansichten und den Grundplan der reizenden hiesigen Gärten findest [], die der alte[2] Repton selbst angelegt. [...] Dieser Park ist schon einer der größten in England, denn er mißt über drei deutsche Meilen im Umfang, und das ebenfalls moderne[9] gothische Schloß ist mit allen seinen Mauern, Thürmchen und Höfen fast unabsehbar. Ich muß jedoch aufrichtig gestehen, daß dieser neugothische genre, (castellated style) der sich in der Zeichnung so feenhaft ausnimmt, in der Wirklichkeit oft durch seine Ueberladung und Unzweckmäßigkeit nicht nur geschmacklos, sondern sogar etwas läppisch ausfällt. | Wenn man in der cultivirtesten, friedlichsten Wiesenfläche, unter dem Flor unzähliger Blumen, eine Art Festung mit hundert Thürmen, Schießscharten und Brüstungen gewahr wird, die alle nicht den mindesten Zweck haben, und obendrein in ihrer Basis fast nichts als Glaswände (die Gewächs- und Treibhäuser, welche mit den Zimmern in Verbindung stehen) darbieten, so ist dies wahrlich eben so lächerlich, als wenn der Besitzer dieser lieblichen Blumengärten, darin in Helm und Harnisch, wie weiland Don Quixote, spazieren gehen wollte. Der antike[3], alt italienische oder blos romantische, unsrer Zeit[5] angepaßte Styl harmonirt unendlich besser mit solcher Umgebung, erscheint freundlicher und selbst bei weit geringern Massen, dennoch grandioser.

[8] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 59: Von dieser Zeit[7] an, gegen die Mitte des 18ten Jahrhunderts, wird nun von vielen das goldne Zeitalter der Deutschen Literatur gerechnet. Es traten damals ungefähr zugleich auf [...] Uz, Gleim, Kleist, Ramler, Geßner, dann Lessing, und Wieland der eben so früh, zum Theil unter Bodmers Leitung aufgetreten war, gelangte erst eine Anzahl Jahre später zu seiner eigenthümlichen und noch fortdauernden Celebrität. [...] Die ganze Periode gründlich zu charakterisiren und zu würdigen, das würde sich nicht so in der Kürze thun lassen, und unserm Zwecke fremd[5] seyn, indem die meisten dieser Dichter[1] anerkanntermaßen gar nicht darauf ausgegangen sind, romantisch[14/2/4/8] zu seyn.

[9] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 427: Man hat sich neuerdings bemüht, die Reste unsrer alten[11] National-Poesie und Ueberlieferung auf mancherley Weise wieder zu beleben. Diese können dem Dichter eine Grundlage für das wundervolle Festspiel geben; die würdigste Gattung des romantischen Schauspiels ist aber die historische. Volltext

[10] F. Schlegel, an A. W. Schlegel (10. 9. 1804), KJ 1, 150: Die neuesten[3] deutschen Gedichte sind mir ordentlich schwer zu verstehn; ich weiß nicht ob ich schon alt[2] geworden bin, oder ob man dort wirklich so rasend romantisch ist, wie es mir vorkommt.

[11] F. Schlegel, an A. W. Schlegel (15. 7. 1805), KJ 1, 216: Voß ist nach Heidelberg berufen [...]. Man rühmt ihn überall in Deutschland und wohl zum Theil absichtlich; es ist eine förmliche Konspiration gegen das Romantische.

[12] F. Schlegel, an A. W. Schlegel (26. 10. 1805), KJ 1, 239: Fouqué's Romanzen haben mir gefallen und sind sehr romantisch, doch finde ich sie wie alle neudeutsche Poesie[11] viel zu leicht und seicht.

[13] Börne, Schild. Paris IX (1823), SS 2, 42.

[14] Börne, Schild. Paris IX (1823), SS 2, 44.

[15] Börne, Brf. Paris I (1832), 77 f..

[16] Börne, Brf. Paris I (1832), 113.

[17] Börne, Brf. Paris I (1832), 147 f. (148).

[18] Börne, Brf. Paris V (1834), 139.

[19] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. I (1837), 559.

[20] Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. II (1838), 97.

[21] F. de la Motte Fouqué, an A. W. Schlegel (15. 2. 1807), KJ 1, 382 f..

[22] F. de la Motte Fouqué, Lebensgesch. (1840), 265.

[23] Goethe, Dicht. u. Wahrh. I (1811), 476.

[24] Goethe, Tageb. (*1818), WA III, 6, 250.

[25] Goethe, Tageb. (*1818), WA III, 6, 251.

[26] Goethe, Tageb. (*1818), WA III, 6, 254.

[27] Goethe, Tageb. (*1819), WA III, 7, 40.

[28] Goethe, Klass. u. Rom. (1820), 105.

[29] Goethe, Tag- u. Jahres-Hefte II (*1817..26; 1830), WA I, 36, 136.

[30] Goethe, Max. u. Refl. (*?1829; 1836), WA I, 41.2, 246 f..

[31] Grabbe, Shaksp. (1827), WuB 4, 34 f..

[32] Heine, Florent. Nächte (1836), DHA 5, 231.

[33] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. IX (1837), 473 f. (474).

[34] Herwegh, Lit. Industr. (1840), W 2, 139.

[35] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. I (1830), 284.

[36] Pückler-Muskau, Brf. Verstorb. II (1830), 379.

[37] Pückler-Muskau, Andeut. Landsch. (1834), 46.

[38] Schiller, an W. v. Humboldt (5. 10. 1795), NA 28, 72.

[39] Schiller, an Chr. G. Körner (29. 2. 1796), NA 28, 196.

[40] Schiller, an Chr. G. Körner (26. 9. 1799), NA 30, 98.

[41] Schiller, Jungfr. v. Orleans (1801), NA 9, 165.

[42] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 196.

[43] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!
1802–03), KAV 1, 486.

[44] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 137 f. (138).

[45] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 180 f. (181).

[46] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28 ff., Nr. 116.

[47] F. Schlegel, Fragm. Poes. u. Litt. (*1801), KFSA 16, 317, Nr. 754.

[48] F. Schlegel, an A. W. Schlegel (15. 7. 1805), KJ 1, 214.

[49] F. Schlegel, an A. W. Schlegel (27. 2. 1806), KJ 1, 295.

[50] Schoppe, Erinn. Leb. I (1838), 212.

[51] Schoppe, Erinn. Leb. II (1838), 254.

[52] Uhland, Romant. [Entw.] (*?1807), FS 2, 402.

[53] J. H. Voß, Romant. (*1801; 1808), 46.

[54] Wienbarg, Holland I (1833), 79.

[55] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 184 f. (185).














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