[1]
Arndt, Erinn. (1840), 216
: Der Bauer um Köln, der im Jülicher, Klever, Limburger Lande, ja der in Brabant und Flandern spricht mit kleinen Abweichungen im Grunde denselben Dialekt [...].
[2]
A. F. Bernhardi, Sprachlehre I (1801), 110 f. (111)
: Aus mehreren Stämmen bildet sich, nach Anleitung von einzelnen, äußeren Umständen, ein Staat; die nachbarlichen Stämme mit ihren im Ganzen ähnlichen Sprachen[3] schmelzen zu einem Volke[1] zusammen; es entsteht Volkssprache, welche einen allgemeinen und noch festern Charakter[1] bekommt. Allein diese Stämme vereinigen sich 〈111〉 anfangs nur durch ein sehr lockeres Band, und die einzelnen Stammsprachen bleiben daher noch lange Zeit von einander getrennt, und erhalten blos eine allgemeine Aehnlichkeit. Diese allgemeine Aehnlichkeit ist nun die eigentliche Landessprache, und die übrigen Stammsprachen erscheinen in Hinsicht auf diese als Dialekte
. Nun ist aber ein doppelter Fall denkbar; entweder dies Band zwischen den Stämmen bleibt so locker, als es anfangs war, und jeder kultivirt sich für sich, dann wird die jedesmalige Provinz, in welcher die Kultur[4] wohnt, ihren Dialekt
zur Hauptsprache erheben, und temporell die Sprachen[
4]
der andern Stämme als abweichend und weniger gebildet herabsetzen; oder die Stämme nähern sich einander bis zur Vermischung, dann entsteht eine Hauptsprache, welche die andern, durch zufällige Umstände, sich neben der Hauptsprache erhaltenden Dialekte
, würklich als fehlerhaft und provinziell, wenigstens für die schriftliche Darstellung, verwirft. Griechenland liefert Beispiele zu beiden, in der anfänglichen Trennung in einzelne Stämme und Dialekte
, und der spätern Reception des attischen Dialekts
als klassisch[
4]
. ➢ Volltext
[3]
G. Forster, Reise u. d. Welt I (1778), 108
: Er war in der Sprache[3] von O-Taheiti besonders erfahren; und zwischen dieser und der Sprache[3] von Neu-Seeland, ist nur ein solcher Unterschied als zwischen zwey Dialecten zu seyn pflegt.
[4]
Goethe, Dicht. u. Wahrh. II (1812), WA I, 27, 57 f.
: Ich war [...] in dem oberdeutschen Dialekt geboren und erzogen, und obgleich mein Vater sich stets einer gewissen Reinheit der Sprache[4] befliß und uns Kinder auf das, was man wirklich Mängel jenes Idioms nennen kann, von Jugend an aufmerksam gemacht und zu einem besseren Sprechen vorbereitet hatte, so blieben mir doch gar manche tiefer liegende Eigenheiten, die ich, weil sie mir ihrer Naivetät wegen 〈58〉 gefielen, mit Behagen hervorhob, und mir dadurch von meinen neuen Mitbürgern jedesmal einen strengen Verweis zuzog. Der Oberdeutsche nämlich, und vielleicht vorzüglich derjenige, welcher dem Rhein und Main anwohnt, (denn große Flüsse haben, wie das Meeresufer, immer etwas Belebendes) drückt sich viel in Gleichnissen und Anspielungen aus, und bei einer inneren menschenverständigen Tüchtigkeit bedient er sich sprüchwörtlicher Redensarten. In beiden Fällen ist er öfters derb, doch, wenn man auf den Zweck des Ausdruckes sieht, immer gehörig; nur mag freilich manchmal etwas mit unterlaufen, was gegen ein zarteres Ohr[4] sich anstößig erweis't. | Jede Provinz liebt ihren Dialekt: denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Athem schöpft. Mit welchem Eigensinn aber die Meißnische Mundart[1] die übrigen zu beherrschen, ja eine Zeit lang auszuschließen gewußt hat, ist jedermann bekannt. Wir haben viele Jahre unter diesem pedantischen Regimente gelitten, und nur durch vielfachen Widerstreit haben sich die sämmtlichen Provinzen in ihre alten Rechte wieder eingesetzt.
[5]
Goethe, Serb. Lied. (1825), 51
: Die serbische Mundart[1] ist also eine Unterabtheilung des südslavischen Dialekts, sie lebt noch in dem Munde von fünf Millionen Menschen und darf unter allen südslavischen für die kräftigste geachtet werden.
[6]
Goethe, Reg. f. Schausp. (*1803; 1832), WA I, 40, 139
: Wenn mitten in einer tragischen Rede sich ein Provincialismus eindrängt, so wird die schönste Dichtung verunstaltet und das Gehör des Zuschauers beleidigt. Daher ist das Erste und Nothwendigste für den sich bildenden Schauspieler, daß er sich von allen Fehlern des Dialekts befreie und eine vollständige reine Aussprache zu erlangen suche. Kein Provincialismus taugt auf die Bühne! Dort herrsche nur die reine deutsche Mundart[1], wie sie durch Geschmack, Kunst und Wissenschaft ausgebildet und verfeinert worden.
[7]
J. Grimm, Fr. Alda (1815), 46
: Laufen und lüpfen drücken schon das Entrinnen und Lüften aus, ohne die vorausgehende Hemmung (sch); wogegen schleifen gleichfalls ein noch an dem einen Ende anhangendes Gehen. Bewiesen wird das durch schweben, entschweben, welches im Altdeutschen einschlafen und einschläfern heißt, wie noch jetzt in den nordischen Dialekten der Schlaf svefn [...] bedeutet[.] ➢ Volltext
[8]
Immermann, Düsseld. Anf. (1840), 7
: Vergiß nicht [...], daß Du das Stück [sc. Schiller,
Wallensteins Lager]
von den Meisten in Dialekten
sprechen ließest. | Dieses Mittel, die Illusion der buntesten Mannigfaltigkeit zu erzeugen, liegt so nahe, daß man nicht begreift, wie die Leute, die sich mit dem Theater beschäftigen, es haben außer Acht lassen können [...]. Eine rohe Soldateska, die durcheinander schwatzt und selbst von sich aussagt, daß sie aus allen Ecken und Enden zusammengeblasen worden sey, braucht doch nicht mit uniformer klassischer Eleganz zu reden. Man zerstört also nicht den Sinn des Gedichts, man interpretirt vielmehr Schiller auf richtige Weise, wenn man statt des gangbaren reinen Deutsch ein Sprachmengfutter in diesem Stücke auftischt.
[9]
A. Müller, Beredsamk. (
!1812; 1816), 38
: Die Dialekte unsrer Sprache[3] sind, zumal was Betonung und Akzent angeht, schöne Denkmale vaterländischer Treue, festen Beharrens an dem Boden, der uns erzeugt, und an die Weise, wie seine Berge und Wälder und die Herzen, die er trägt, den Ton der Herzlichkeit zurückgaben; aber wie schroff stehn sie untereinander, wie sperren und spannen sie die einzelnen Gebiete von Deutschland gegeneinander; so auch die Gesinnungen, die Gedanken: ein gemeinschaftlicher Grundton der Harmonie nirgends, wenn nicht etwa in dem Nachklang dessen, was wir einst waren, und in der Ahndung dessen, was wir werden können.
[10]
Novalis, an A. C. Just (1. 7. 1797), NS 4, 233
: Er errieth unser Vaterland Weißenfels aus dem Dialect; so genau hatte er die Dialecte und Provinzialismen der deutschen Sprache[3] inne.
[11]
Novalis, Allg. Brouill. (*1798), NS 3, 306, Nr. 367
: Die Dialecte und Pronunciationen werden durch Consonanten und Vocale im Großen gebildet. | Lippensprache – Gaume – Kehle – Zunge – Zähne – Nase etc. Manche Sprache[4] wird aus dem e, u, o etc. gesprochen. So hat jeder Mensch seinen Hauptvocal.
[12]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 16
: Je mehr eine bestimmte Eigentümlichkeit in einer Sprache[3] vorwaltet, desto eingeschränkter wird ihr Gebrauch. Die Drolligkeit findet vorzüglich in eignen Dialekten und unter besonderen Ständen (so die Fischhändlerinnen in Paris) statt.
[13]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 217
: Überhaupt muß man sich hüten, von der großen Rolle Frankreichs im modernen Europa auf die früheren Zeiten zurückzuschließen. Hier mußte es sehr gegen Deutschland zurückstehen. Denn zuvörderst war es in zwey ganz verschiedne Sprachen[3] getheilt, die Französische und Provenzalische, und schon deswegen erscheinen die Franzosen weniger als Eine Nation[1]. Das Französische blieb lange ein unförmlicher widerwärtiger Dialekt, während das Provenzalische durch liebliche Poesie[11] ausgebildet, weit höher geschätzt und im Auslande verbreitet war. Es ist eigentlich ein zufälliger und für die National-Cultur unstreitig sehr nachtheiliger Umstand, daß dieser nördlichere dürftige Sprößling des Lateinischen zur herrschenden Sprache[3] erhoben worden; wenn die Krone an ein südliches Fürstenhaus gekommen wäre, so würde es wahrscheinlich umgekehrt ergangen seyn, und man würde das Französische jetzt nur als ein unbedeutendes Patois kennen.
[14]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 303 f.
: Es ist für die Poesie[3] unendlich vortheilhaft, wenn in einer Sprache[3] für die [poetische] Licenz ein weites Feld offen gelassen ist, welches besonders durch den Zusammenfluß verschiedner Dialecte, verständliche Erhaltung des Alten, und Fähigkeit zu neuen Ableitungen bewerkstelligt wird [...]. Zuerst hat dieß den negativen Vortheil, daß die Poesie[3] dadurch ihre Verschiedenheit von der Prosa[1] und ihren Vorsatz sich in einer freyeren Sphäre zu bewegen, selbst dem Ohre[4] 〈unmittelbar〉 ankündigt; dann aber wird die Sprache[3] durch diese Breite zu einem weit biegsameren Organ[1] für sie. Sie hat sich dabey nur vor der Gefahr zu hüten, daß dieser poetische[5] 〈304〉 Dialekt nicht ins conventionelle ausarte, bloße Phrase werde, so wie dem unvermeidlichen, oft sehr heilsamen Gebrauche der Terminologie das nachbetende Formularwesen nahe liegt.
[15]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 330 f.
: Wir können uns hiebey nicht über alle Sprachen[3] Germanischen Stammes im Einzelnen verbreiten. Was aber die unsrige charakterisirt, gilt entweder von jenen mit, oder es leidet Einschränkungen. Nur dieß will ich hier im allgemeinen bemerken, daß sich der Deutsche Stamm in zwey Hauptzweige theilt: das Ober- und Niederdeutsche. Zu dem letzten gehören das Friesische, Holländische und Englische. Ob man noch einen dritten Hauptstamm anzunehmen habe, den Scandinavischen, zu welchem dann das Schwedische und Dänische gehören würde, dieß lasse ich dahin gestellt seyn. Auf jeden Fall sind die eben genannten Dialekte dem Niederdeutschen verwandter als dem Oberdeutschen. Zwischen diesen beyden Dialekten muß man wie mich dünkt, ohne Frage für das letzte entscheiden. Es hat weit mehr Bestimmtheit, Charakter und grammatische Construction; statt daß die niederdeutschen Dialekte erscheinen wie Sprachen[3], welche dieß alles gehabt, aber aus weichlichem Phlegma weggeschliffen und verschmolzen hätten. Das ist nicht zu leugnen, daß das Oberdeutsche in seiner ungemilderten Gestalt eine gewisse Unbeholfenheit und rauhe Bergaccente an sich hat; in der fließenden Leichtigkeit des Niederdeutschen erkennt man den klimatischen Einfluß der mildernden Seeluft und der an der See gelegnen Ebnen. Dazu kommt, daß sich der Deutsche Volks〈331〉stamm im Norden reiner erhalten hat, vielleicht sind manche Dialekte im Süden von Deutschland dadurch härter geworden, daß die große Masse der Einwohner Slavisch war, und das Deutsche erst als eine fremde Sprache[3] erlernt werden mußte, wie es ja noch jetzt innerhalb der Gränzen Deutschlands keineswegs allgemein verbreitet ist. Allein bey allem dem verräth der so oft widerhohlte Wunsch, das Niederdeutsche möchte doch statt des Hochdeutschen die poetische[4] und Büchersprache geworden seyn, eine große philologische und historische Unkunde. Der Versuch ist ja angestellt mit dem Englischen und Holländischen, und man hat genugsam gesehen, was daraus geworden. Dasjenige wodurch ein solches Provinzial-Patois gefällt, eine gewisse naive Grazie, ein scherzhafter Anstrich, geht bey der Ausbildung durch Schrift unausbleiblich verlohren. Es ist eine beschränkte Individualität, die keine allgemeine Gültigkeit haben kann. Das sogenannte Plattdeutsch schreibt sich zum Theil von flamändischen Colonien her, in neueren Zeiten ist es aber so sehr durch eingemischtes Hochdeutsch verfälscht worden, daß es als eine Bestandsprache keinen höheren Rang verdient, als Dialekt des gemeinen Volks[5] in einer Provinz zu seyn.
[16]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 340
: [Die romanischen Sprachen] waren zuerst corrumpirte Dialekte des gemeinen Volkes[5]. Durch die frisch aufblühende Poesie[11] erhielten sie Form. Dieß erschien nun als ein unschätzbares Gut, welches man zu erhalten suchte; so wurden früher oder später gewisse Autoren als unübertreffliche Muster der Reinigkeit anerkannt, und die nachherigen sollten nun nicht mehr gleiche Rechte der Sprachschöpfung genießen, sondern wurden eingeengt. In Italien wurde hiemit, so wie mit dem ausschließenden Vorzugsrechte des Florentinischen Dialektes, schon im 16ten Jahrhundert große Pedanterey getrieben.
[17]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 342
: Sonor sind die südlichen Neulateinischen Sprachen[3] alle, jedoch mit verschiednen Modificationen. [...] Das Portugiesische scheint unter allen der mildeste und lieblichste Dialekt zu seyn, welches dem Kehllaut der Spanier grade den sanftesten aller Konsonanten, das weichere Sch (j) entgegensetzt, auch die endenden S alle zischt.
[18]
F. Schlegel, an A. W. Schlegel (25. 2. 1799), KFSA 24, 234
: Auch die Verse misfallen mir nicht in der Prosa[1], da jeder göttliche Dialekt das Recht haben muß einzig zu seyn, und die himmlischen eben werden wie es ihnen gut däucht.
[19]
F. Schlegel, Unverst. (1800), 342
: Ich lasse [...] die Ironie[1] fahren und erkläre gerade heraus, das Wort[1] bedeute in dem Dialekt der Fragmente, alles sey nur noch Tendenz, das Zeitalter sey das Zeitalter der Tendenzen.
[20]
F. Schlegel, Zur Poesie II (*1802), KFSA 16, 421, Nr. 48
: Die provenzal[ischen] Dial.[ekte] (auch der von Valencia) in d[er] Verstümmelung schon sehr französisch. Das Quelle [sic] und das Franz[ösische] als d[er] Untergang der romant[ischen][15] Sprach[en][3] [möglicherweise auch Sprach[e][5]] zu betrachten. ⦿
[21]
F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 61
: Wo die in der menschlichen Organisation[5] gegründeten Dialekte sich ungehindert frey entfalten können, werden sie sehr sichtbar die Spuren des klimatischen Einflusses an sich tragen. Der Dialekt der Berge äußert überall einen entschiedenen Hang zu den rauh aspirirten ch, an den Seeküsten findet man das schmelzende sch, und auch die nasalen Töne; auf dem platten Lande hingegen bei ackerbauenden Völkern, eine Neigung zu den breiten Tönen und sehr scharfen Accenten.
[22]
Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 170
: [I]ch behaupte, so lange bis ich des Gegentheils durch überwiegende Gründe überzeugt werde, a) daß die Hochteutsche Schrift-Sprache oder die Frage, was ist Hochteutsch? sich nicht durch die Mundart[1] irgend einer blühenden Provinz, sondern ganz allein aus den Werken der besten Schriftsteller bestimmen lasse; b) daß hiervon auch die Schriftsteller des 16ten und 17ten Jahrhunderts nicht ausgeschlossen werden dürfen; c) daß die Zeit noch nicht gekommen sey, wo die Anzahl der 〈170〉 Autoren, welche den ganzen Reichthum unsrer Schrift-Sprache enthalten, für beschlossen angenommen werden könnte: und daß d) bis dahin die ältern Dialekte noch immer als gemeines Gut und Eigenthum der ächten teutschen Sprache[3], und als eine Art von Fundgruben anzusehen seyen, aus welchen man den Bedürfnissen der allgemeinen Schriftsprache, in Fällen, wo es vonnöthen ist, zu Hülfe kommen könne. ➢ Volltext
[23]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (
2
1793), 1162
: Pruhhan bedeutet schon bey dem Kero, pruchen bey dem Notker, und gebruchan bey dem Willeram uti. Im Nieders.[ächsischen] lautet dieses Zeitwort bruken, im Angels.[ächsischen] brucan, im Holl.[ändischen] bruyken, im Schwed.[ischen] bruka, im Dän.[ischen] bruge. Frischens und Ihre's Muthmaßung, daß es das Intensivum von einem ältern Verbo sey, welches sich noch in dem Latein frui erhalten habe, hat alle Wahrscheinlichkeit. Indessen kann der untergeschobene Hauchlaut auch nur eine bloße Folge des Dialectes seyn..
[24]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. I (
2
1793), 1360
: So schreibt Ottfried beständig ther, thaz, thanne, thu, thoh, thenkan u. s. f. vermuthlich, weil er und seine Landsleute hier eine härtere Aussprache hören ließen, als sie dem d beylegen konnten. Der Alemannische Dialekt scheinet diesen feinen Unterschied, wenn ja einer gewesen ist, nicht gekannt zu haben, denn da findet man zu Anfange der Wörter entweder d oder t, und die Hochdeutschen haben ihn noch mehr vernachlässiget, indem in der Aussprache des th und t bey ihnen fast gar kein Unterschied ist..
[25]
Adelung, Gramm.-krit. Wb. III (
2
1798), 311
: Die Mundart[1], plur. die -en, die besondere Art zu reden, wodurch sich die Einwohner einer Gegend von den Einwohnern anderer Gegenden unterscheiden, die Abweichungen einzelner Gegenden in der gemeinschaftlichen Sprache[3]; wohin also nicht nur die Abweichungen in der Aussprache, sondern auch in der Bildung, der Bedeutung und dem Gebrauche der Wörter gehöret; mit einem Griechischen Kunstworte der Dialekt. Die Oberdeutsche Mundart[1], so fern sie sich von der Niederdeutschen unterscheidet. Beyde theilen sich wiederum in eine große Menge untergeordneter Mundarten[1]; ja im schärfsten Verstande hat jeder Ort seine eigene Mundart[1], weil doch jeder Ort etwas besondres in der Sprache[3] hat. Auf der andern Seite kann man auch mehrere dem Anscheine nach verschiedene Sprachen[3] als bloße Mundarten[1] ansehen, je nachdem der Begriff ist, welchen man mit dem Worte Sprache[3] und Hauptsprache verbindet..
[26]
B. v. Arnim, Günder. I (1840), 64
: [...] der Niklas Voigt der im Mainzer Dialekt sie alle auslachte [...]..
[27]
B. v. Arnim, Günder. II (1840), 42
: Die Großmama war mir sehr freundlich, [...] sie [...] erzählte im schwäbischen Dialekt, was sie nur in heiterer[5] Weichherzigkeit tut und einem Ehrfurcht mit ihrer Liebenswürdigkeit einflößt [...].
.
[28]
A. F. Bernhardi, Anfangsgr. d. Sprw. (1805), 45
: Aus der Familie wird ein Stamm, der Ansichten, Bedürfnisse, Gegenstände, Veranlassungen werden mehrere, die Sprache[3] selbst bildet sich aus, erhält durch den Gebrauch einen festern, allgemeinern Charakter[1]. Diese Sprachen[3] einzelner Stämme verschwinden späterhin in der Volkssprache und erhalten sich nur als Gegensatz derselben, in manchen Formen und Wendungen, sie erhalten den Namen der Dialekte. | [...] Aus mehreren Stämmen entsteht ein Staat und mit ihm eine Landes- oder Volkssprache, welcher aber immer ein Dialekt, der des gebildetsten Stammes zum Grunde liegt, oder auch wenn die Bildung wechselt, mehrerer Stämme. | In dieser Volkssprache erhalten sich die Dialekte[1], bald als fehlerhafte Formen, bald als zwar gebildete aber veraltete Sprachdarstellungen..
[29]
S. Boisserée, Denkm. Baukunst (1833), 21
: Peelen bedeutet [...] Pfähle, also Pfahlgraben, wovon man sich leicht aus der kölnischen Kronik überzeugen kann, welche [...] berichtet, dass 1465 der Rath den Rhein gegen Deutz zu peelen, das heisst, pfählen liess, um die von Geldern zu hindern, dass sie nicht vorbeifahren konnten. Nach der gegenwärtigen kölnischen Aussprache heisst freilich pfählen, poelen; aber wie veränderlich ein Dialekt ist, der nicht mehr geschrieben wird, und blos im Munde des Volkes[5] lebt, das weiss jeder Sachkundige..
[30]
Brockhaus, Conv.-Lex. I (1809), 160
: Die Leibeigenschaft ist in Böhmen noch nicht ganz aufgehoben. Ein großer Theil der Bürger und die niedern Stände sprechen Böhmisch, welches ein Dialect des Slavischen ist; die höhern Stände sprechen Deutsch oder Französisch..
[31]
Brockhaus, Conv.-Lex. IV (1809), 364
: Im Russischen Reiche werden über 20 verschiedne Sprachen[3] gesprochen. Die Russische, ein Dialect der reichen Slavonischen, bedient sich eines dem Griechischen ähnlichen Alphabets..
[32]
Brockhaus, Conv.-Lex. VII (1809), 290
: Der Dialect (a. d. Griech.) heißt die Mundart[1], die Aussprache der Wörter[1] nach Verschiedenheit der Nationen[1]..
[33]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. II (1838), 344
: Der Knabe wußte über nichts Auskunft zu geben, zeigte Unkenntniß aller, auch der gewöhnlichsten Dinge und schrieb nur den Namen 〈344〉 Kaspar Hauser auf einen Zettel, welchen Namen man ihm von nun an gab. Einzelne Worte im altbair. Dialekt waren Alles, was man aus ihm herauszubringen vermochte..
[34]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. II (1838), 437
: Idiōm (ein dem Griechischen entlehntes Wort) bezeichnet so viel wie Sprachweise oder Mundart[1], und Idiotismus die einer Sprache[3] oder einem Dialekt derselben eigenthümliche Ausdrucksweise. Ein Wörterbuch, welches die gewissen Dialekten eigenthümlichen Worte und Redewendungen zusammenstellt, ist ein Idiotikon genannt worden..
[35]
Brockhaus, Bild.-Conv.-Lex. IV (1841), 234
: Die jetzige span.[ische] Sprache[3] ist eigentlich der castilische Dialekt, welcher sich über das ganze Land verbreitet hat..
[36]
Ditters v. Dittersdorf [Spazier], Lebensbeschr. (1801), 174
: Wer hätte auch nicht solch eine schöne Schwester haben wollen! Diese hier hatte ein so reizendes Gesicht, war ein so proportioniertes schlankes Figürchen, und ihr munterer, degagierter und naiver Humor, zu welchem sich ihr venezianischer Dialekt allerliebst ausnahm, war [...] unwiderstehlich [...]..
[37]
Ditters v. Dittersdorf [Spazier], Lebensbeschr. (1801), 258
: An dem Vormittage vor der Aufführung, wo die Menschen sich haufenweise drängten, um Eingangsbillets zu holen, kam auch ein gemeiner Soldat zu mir und forderte in ganz gemeinem märkischen Dialekt ein Billet [...]..
[38]
G. Forster, Reise u. d. Welt I (1778), 412 [420]
: Den wenigen Worten[2] nach zu urtheilen, die wir von ihnen [sc. Einwohner der Osterinsel] gehört hatten, dünkte uns ihre Sprache[3] ein Dialect der Tahitischen zu seyn. Es wird also an beyden Enden der Südsee einerley Sprache[3] geredet..
[39]
Goethe, Rez. Grübel (1798), WA I, 40, 311
: Sein Dialekt hat zwar etwas Unangenehmes, Breites, ist aber doch seiner Dichtart sehr günstig..
[40]
Goethe, an ?Chr. G. Voigt (
?Mrz. 1804), WA IV, 17, 306
: Für die deutsche Sprache[3] scheint mir ein glücklicher Zeitpunct einzutreten. Die Recension der grammatischen Gespräche legt einen fürtrefflichen Grund; die kurzen sich auf Sprache[3] beziehenden Bemerkungen im Intelligenzblatt machen die allgemeine Aufmerksamkeit rege. Durch ein sonderbares Zusammentreffen 〈306〉 zeigt sich Marcard im deutschen Merkur im gleichen Fache [...], und nun sollte man suchen die Deutschen allgemeiner dafür zu interessiren. | Hiezu wünschte ich, daß sich im Stillen eine kleine Societät zusammenthäte, nicht zu einem Kleyen-, sondern wo möglich Waizen-Verein. Unser Voß müßte präsidiren, die Herren Eichstädt, Fernow, Voß, der Sohn, würden sich anschließen und Schiller und ich nach unserer Weise nicht unwirksam bleiben. | Man vereinigte sich leicht über den schon ausgesprochenen Hauptzweck, ein wahrhaft allgemeines deutsches Wörterbuch zusammen zu bringen, wozu ja unser Voß so vortrefflich vorgearbeitet hat, daß er auch ganz allein das Werk zu vollbringen im Stande wäre. | Man vereinigte sich sodann über einen zu erlassenden Aufruf wegen der Idiotiken; diesem wäre freylich schon die möglichste Bedeutsamkeit zu geben. Man theilte Deutschland in Provinzen ein, je nachdem sie sich verschiedner Dialecte bedienen, man zeigte an, von welchen Gegenden Idiotiken vorhanden sind, bezeichnete ihren Werth und zöge die nöthigen Linien zur Anleitung für künftige Sammler. Man forderte diejenigen auf, die sich bisher im Stillen mit diesem Geschäft abgegeben, mit in Verbindung zu treten und so sähe man, in wie fern sich nach und nach eine Masse von Liebhabern sammelte, welche den Stoff herbey zu führen geneigt wäre. | Vielleicht [...] interessirte man in der Folge einige Regierungen, vielleicht stifteten Durchl. der Herzog etwas zu Gründung einer solchen Anstalt. | Freylich würde das Vorzüglichste und Hauptsächlichste von unserm Voß dabey geleistet werden, welcher hier statt einer ganzen Academie steht, aber ich halte doch in mehrerm Betracht für gut der Sache die Gestalt einer Societät zu geben, wobey jedoch von dem gewöhnlichen Hocuspocus nichts vorkommen müßte..
[41]
Goethe, Rez. Hebel [Allem. Ged.] (1805), WA I, 40, 304
: Vielleicht könnte man sogar dem Verfasser zu bedenken geben, daß, wie es für eine Nation[1] ein Hauptschritt zur Cultur[4] ist, wenn sie fremde Werke in ihre Sprache[3] übersetzt, es eben so ein Schritt zur Cultur[4] der einzelnen Provinz sein muß, wenn man ihr Werke derselben Nation[1] in ihrem eigenen Dialekt zu lesen gibt. Versuche doch der Verfasser aus dem sogenannten Hochdeutschen schickliche Gedichte in seinen oberrheinischen Dialekt zu übersetzen. Haben doch die Italiäner ihren Tasso in mehrere Dialekte übersetzt..
[42]
Goethe, Tageb. (1806), WA III, 182
: Abends bey Mad. Schopenhauer. Fernow las über den florentinischen und römischen Dialect..
[43]
Goethe, an Chr. G. Voigt (9. 12. 1808), WA IV, 20, 256
: Man erinnere sich der Gattin des Director Belluomo, die, mit einer leidlichen Stimme[3], einem völlig oberdeutschen Dialect und einem unscheinbaren Äußeren, mehrere Jahre die ersten Liebhaberinnen vortrug. [Wortgleich mit Beleg 44.].
[44]
Goethe, Trenng. Schausp. Oper (*1808), WA I, 53, 268
: Man erinnere sich der Gattin des Director Bellomo, die mit einer leidlichen Stimme[3], einem völlig oberdeutschen Dialect und einem unscheinbaren Äußeren mehrere Jahre die ersten Liebhaberinnen vortrug. [Wortgleich mit Beleg 43.].
[45]
Goethe, Dicht. u. Wahrh. II (1812), WA I, 27, 59
: Daneben hörte ich, man solle reden wie man schreibt und schreiben wie man spricht; da mir Reden und Schreiben ein- für allemal zweierlei Dinge schienen, von denen jedes wohl seine eigenen Rechte behaupten möchte. Und hatte ich doch auch im Meißner Dialekt manches zu hören, was sich auf dem Papier nicht sonderlich würde ausgenommen haben..
[46]
Goethe, an W. v. Humboldt (8. 2. 1813), WA IV, 23, 278
: Bertuch hat mir einige Europa's bräunlich abdrucken lassen, davon soll eins auf ein großes Reißbrett aufgezogen und die Gränzen illuminirt werden. Alsdann will ich mit kleinen aufgeklebten Zeddeln die Hauptsprachen, und insofern es möglich ist, auch die Dialecte bemerken [...]..
[47]
Goethe, Dicht. u. Wahrh. III (1814), 152
: Denn schon damals hatte sich bey mir eine Grundmeynung festgesetzt, [...] bey allem was uns überliefert, besonders aber schriftlich überliefert werde, komme es auf den Grund, auf das Innere, den Sinn[9], die Richtung des Werks an; hier liege das Ursprüngliche, Göttliche, Wirksame, Unantastbare, Unverwüstliche, und keine Zeit[5], keine äußere Einwirkung noch Bedingung könne diesem innern Urwesen etwas anhaben, wenigstens nicht mehr als die Krankheit des Körpers einer wohlgebildeten Seele. So sey nun Sprache[3] Dialect, Eigenthümlichkeit, Stil und zuletzt die Schrift als Körper eines jeden geistigen Werks anzusehn [...]..
[48]
Goethe, Ital. Reise I (1816), WA I, 30, 49
: Als ich ihm nun die genaueste Auskunft fast über alles gegeben, um was er mich befragt, wechselten Heiterkeit[4] und Ernst in den Zügen des Mannes. Er war froh und gerührt, das Volk[5] erheiterte sich immer mehr und konnte unserm Zwiegespräch zuzuhören nicht satt werden, wovon er freilich einen Theil erst in ihren Dialect übersetzen mußte..
[49]
Goethe, Ital. Reise I (1816), WA I, 30, 112
: Auf einem Uferdamme, im Angesicht des Wassers, bemerkte ich schon einigemal einen geringen Kerl, welcher einer größern oder kleinern Anzahl von Zuhörern im venezianischen Dialect Geschichten erzählte; ich kann leider nichts davon verstehen, es lacht aber kein Mensch, nur selten lächelt das Auditorium, das meist aus der ganz niedern Classe besteht..
[50]
Goethe, Rez. Pfingstmont. I (1816), WA I, 41.1, 147
: Das große Verdienst dieses Kunstwerks um die deutsche Sprache[3], jenen bedeutenden Straßburger Dialekt und nebenher die verwandten oberdeutschen lebhaft und ausführlich dargestellt zu haben, ist wohl eben Ursache, daß es nicht nach seinem eigentlichen Werthe allgemein beachtet werden kann: denn indem es jenen Kreis vollkommen ausfüllt, verschließt es sich vor dem übrigen Vaterlande; wir wollen daher versuchen, dessen Vorzüge unsern sämmtlichen lieben Landsleuten eingänglicher und anschaulicher zu machen..
[51]
Goethe, an C. L. F. Schultz (24. 9. 1817), WA IV, 28, 262
: In früheren Zeiten suchte ich nur an Freunden die zustimmende Seite, da sich denn im Laufe des Umgangs die abstimmende oft von selbst zeigte; jetzt such ich die Differenzen zuerst, damit die Einigkeit daraus hervorgehe. Es ist doch zuletzt alles eine Art von Sprache[3], wodurch wir uns erst 〈262〉 mit der Natur[2], und auf gleiche Weise mit Freunden unterhalten möchten. Diese haben nun etwa einen wenig abweichenden Dialect und da giebt es wohl einmal ein Mißverständniß, das aber wohl zu lösen ist wenn man sich eines gemeinsamen Idiodikons befleißigt..
[52]
Goethe, Ital. Reise II (1817), WA I, 31, 136
: Die Alte that einige Fragen an mich, die ich mir aber mußte dolmetschen lassen, eh' ich sie beantworten konnte, da mir der sicilianische Dialekt nicht geläufig war..
[53]
Goethe, Serb. Lied. (1825), 51
: Die Serben besitzen eine alte Bibel-Uebersetzung aus dem neunten Jahrhundert, geschrieben in einem verwandten Dialekt, dem altpannonischen..
[54]
Goethe, Serb. Lied. (1825), 53
: Um nun von meinem Verhältniß zu dieser Literatur zu reden, so muß ich vorerst gestehen, daß ich keinen der slavischen Dialekte, ohnerachtet mehrerer Gelegenheiten, mir jemals eigen gemacht noch studirt und also von aller Original-Literatur dieser großen Völkerschaften völlig abgeschlossen blieb, ohne jedoch den Werth ihrer Dichtungen, in so fern solche zu mir gelangten, jemals zu verkennen..
[55]
Goethe, Not. u. Abhdlg. (1829), WA I, 7, 238
: Man erinnere sich des entschiedensten Beifalls den wir Deutschen einer solchen Übersetzung der Sakontala gezollt, und wir können das Glück was sie gemacht gar wohl jener allgemeinen Prosa[1] zuschreiben, in welche das Gedicht aufgelös't worden. Nun aber wär' es an der Zeit uns davon eine Übersetzung der dritten Art zu geben, die den verschiedenen Dialekten, rhythmischen, metrischen und prosaischen Sprachweisen 〈239〉 des Originals entspräche und uns dieses Gedicht in seiner ganzen Eigenthümlichkeit auf's neue erfreulich und einheimisch machte..
[56]
Goethe, Not. u. Abhdlg. (1829), WA I, 7, 253
: Zuvörderst also möge von der Rechtschreibung orientalischer Namen die Rede sein, an welchen eine durchgängige Gleichheit kaum zu erreichen ist. Denn, bei dem großen Unterschiede der östlichen und westlichen 〈253〉 Sprachen[3], hält es schwer für die Alphabete jener bei uns reine Äquivalente zu finden. Da nun ferner die europäischen Sprachen[3] unter sich, wegen verschiedener Abstammung und einzelner Dialekte, dem eignen Alphabet verschiedenen Werth und Bedeutung beilegen; so wird eine Übereinstimmung noch schwieriger.
.
[57]
Goethe, Tag- u. Jahres-Hefte I (*1817..26; 1830), WA I, 35, 17
: Damit ich [...] von dichterischer und ästhetischer Seite nicht allzukurz käme, übernahm ich mit Vergnügen die Leitung des Hoftheaters. Eine solche neue Einrichtung ward veranlaßt durch den Abzug der Gesellschaft Bellomo's, welche seit 1784 in Weimar gespielt und angenehme Unterhaltung gegeben hatte. Sie war aus Ober-Deutschland gekommen, und man hatte sich mit jenem Dialekt im Dialog, um des guten Gesangs willen, befreundet..
[58]
Goethe, Rez. Brfwechs. Jacobi (*1827; 1833), WA I, 42.2, 84
: Jetzt [...] kommen sie mir vor wie Menschen, die sämmtlich Eine Sprache[3] sprechen, aber in den verschiedensten Dialekten, und jeder glaubt, auf seine Weise drücke man sich am besten aus: der Schweizer schüttelt den Kopf über den Niedersachsen, der Wiener über den Berliner [...]..
[59]
Hase, Cours Villois. (1803), 149
: Sobald man sich historisch das Daseyn einer Sprache[3] erklären will, die, wie das Neugriechische, größtentheils nur durch die Beziehungen und Annäherungen ein Interesse gewinnt, die zwischen ihr und einer untergegangenen, vollendeteren Mundart[1] statt finden, so ist ein Gelehrter, der die Literatur der älteren Sprache[3] und die Geschichte ihrer Umbildung völlig kennt, oft bei Erlernung des neueren Dialekts einem Eingebohrnen vorzuziehen, der zwar diesen als Muttersprache spricht und schreibt, aber vielleicht weder über seine Entstehung Auskunft zu geben, noch die Kenntniß desselben für Sprachstudium überhaupt zu benutzen versteht. .
[60]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 13
: Keine einzige lebendigtönende Sprache[3] läßt sich vollständig in Buchstaben[1] bringen, und noch weniger in zwanzig Buchstaben[1]: dies zeugen alle Sprachen[3] sämtlich und sonders. Die Artikulationen unsrer Sprachwerkzeuge sind so viel; Ein jeder Laut wird auf so mannichfaltige Weise ausgesprochen, daß z. E. Herr Lambert im zweiten Theil seines Organon mit Recht hat zeigen können, „wie weit weniger wir Buchstaben[1], als Laute haben, und wie unbestimmt also diese von jenen ausgedrückt werden können.“ Und das ist doch nur aus der deutschen Sprache[3] gezeiget, die die Vieltönigkeit und den Unterschied ihrer Dialekte noch nicht einmal in eine Schriftsprache aufgenommen hat: vielweniger wo die ganze Sprache[3] nichts als solch ein lebendiger Dialekt ist? ➢ Volltext.
[61]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 179
: Väter, die nichts selbst gedacht, nichts selbst erfunden; die alles mechanisch gelernt haben – was bekümmern sich die um Unterricht ihrer Söhne? um Verewigung dessen, was sie ja selbst nicht besitzen? Aber der erste Vater, die ersten dürftigen Spracherfinder, die fast an jedem Worte[1] die Arbeit ihrer Seele hingaben, die überall in der Sprache[3] noch den warmen Schweiß fühlten, den er ihrer Würksamkeit gekostet – welchen Informator konnten die bestellen? Die ganze Sprache[3] ihrer Kinder war ein Dialekt ihrer Gedanken, ein Loblied ihrer Thaten, wie die Lieder Oßians auf seinen Vater Fingal. ➢ Volltext.
[62]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 188
: So wenig als es zween Menschen[1] ganz von einerlei Gestalt und Gesichtszügen: so wenig kann es zwo Sprachen[3], auch nur der Aussprache nach, im Munde zweener Menschen[1] geben, die doch nur Eine Sprache[3] wären. | Jedes Geschlecht wird in seine Sprache[3] Haus und Familienton bringen: das wird, der Aussprache nach, verschiedne Mundart[1]. | Clima[1], Luft und Wasser, Speise und Trank, werden auf die Sprachwerkzeuge und natürlich[4] auch auf die Sprache[3] einfließen. | Die Sitte der Gesellschaft und die mächtige Göttin der Gewohnheit werden bald nach Geberden und Anstand diese Eigenheiten und jene Verschiedenheiten einführen – ein Dialekt. – – „Ein philosophischer Versuch über die verwandten Spracharten der Morgenländer“ wäre der angenehmste Beweis dieser Sätze. ➢ Volltext.
[63]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 163
: Dialekt, Mundart[1]. Die besondere Weise im Ausdrucke, die eine Sprache[3] in verschiedenen Gegenden leidet und wodurch sich die Bewohner derselben scharf charakterisiren..
[64]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. V (1835), 388
: Jargon, sprachwidriges Gemisch mehrerer Dialekte oder verdorbene Sprechart überhaupt..
[65]
Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. VII (1836), 430
: Nibelungen, das Lied der, das älteste Erzeugniß deutscher Volkspoesie, reicht, wie man annimmt, zwei Jahrhunderte über Karl d. Gr. hinaus, und bestand, wie alle Uranfänge der Dichtung, wahrscheinlich aus einzelnen Volks- und Heldengesängen, die später vielfach überarbeitet und zu einem Ganzen vereinigt wurden. Die letzte Umarbeitung geschah zu Ende des 12. Jahrhunderts und wird dem Minnesänger Heinrich von Ofterdingen zugeschrieben. Es war Jahrhunderte hindurch das Helden- und Sagenbuch unserer Vorfahren, und für seine große Verbreitung bürgt der Umstand, daß man Handschriften davon in verschiedenen Dialekten aufgefunden hat..
[66]
Hoven, Lebenserinn. (1840), 161
: Beide sprachen jüdisch-deutsch, aber jeder in einem ganz verschiedenen Dialekt [...]..
[67]
A. v. Humboldt, Königr. Neuspanien (1809), 113
: Weit entfernt, blosse Dialecte einer einzigen Sprache[3] zu seyn, (wie einige Schriftsteller mit Unwahrheit behauptet haben,) sind diese Sprachen[3] vielmehr zum mindesten eben so verschieden von einander, als das griechische von dem deutschen, oder das französische von dem polnischen. [...] Diese Manigfaltigkeit von Idiomen bei den Völkern[1] des neuen[3] Continents, (man darf sie ohne Uebertreibung zu mehrern Hunderten annehmen,) ist, besonders in Vergleichung mit den wenigen Sprachen[3] von Asien und Europa, ein äußerst auffallendes Phänomen..
[68]
S. v. Knorring, Evremont I (1836), 44
: [D]a er [...] das Deutsche im härtesten Thüringer Dialekt sprach und diesen auch auf das Französische übertrug, so klangen seine Worte den Ohren[3] des geboren Parisers so rauh, wie die Rede eines Wilden, und er sah den Arzt mit Erstaunen an, der so unbefangen behauptet hatte, dies sei so gutes Französisch, als nur immer er, der Pariser, zu sprechen vermöge..
[69]
Krünitz, Oecon. Encycl. LXV (1794;
21803), 270
: Die lateinische Sprache[3] ist, eben so wie die griechische, ursprünglich aus der Sprache[3] der verwandten Nationen[1], die erst Deutschland und die nordischen Reiche bevölkerten, und von welchen hernach 〈270〉 ein Theil aus Deutschland nach Italien ging, und sich daselbst wohnhaft niederließ, entstanden. Daher können die ältesten lateinischen Wörter und Ausdrücke allein aus den deutschen Dialekten hergeleitet und erkläret werden.| Die Aborigines, oder ersten Einwohner Italiens, sind aus Deutschland dahin gekommen, und haben also die Sprache[3], welche die ältesten Einwohner Deutschlandes redeten, dahin gebracht. Diese Sprache[3] ging nicht nur vor der lateinischen, sondern auch vor der griechischen, her, und in derselben Töchter-Sprachen, oder in der jezt genannten deutschen, niederländischen, dänischen, norwegischen, isländischen und schwedischen Sprache[3], findet man allein die ältesten Stamm-Wörter, so wie der griechischen, also auch der lateinischen Sprache[3]..
[70]
Maimon, Lebensgesch. I (1792), 61
: Die Sprache[3] des Talmuds ist aus verschiedenen orientalischen Sprachen[3] und Dialekten zusammengesetzt [...]..
[71]
A. Müller, Beredsamk. (
!1812; 1816), 5
: Und wenn die Natur[2] Talente für die Beredsamkeit über Deutschland so reichlich ausstreute wie über den Boden irgend eines andern Landes, so sind es ja in Deutschland nur einzelne, die hören; es gibt kein Ganzes, keine Gemeinde, keine Stadt, keine Nation[1], die wie mit Einem Ohre[3] den Redner anhörte. Im Gespräch mit dem Einzelnen sind wir zu ungebunden, zu unbeschränkt; wir lassen uns gehen, wir reden nachlässig, und so verliert sich aus der Sprache[3] des Volks[1] der allgemeine, bindende Geist[12]; sie zerbröckelt sich in unzählige Dialekte und Idiome; jede Sekte und jede Kotterie verunstaltet sie in ihrer eigenen Manier. Nun mögen die Klopstock, die Lessing, die Schiller, die Göthe alle Strahlen dieser zerstreuten Sprache[3] wie in einem Brennspiegel versammeln; das, was allen gemeinschaftlich ist in Wort[5] und Klang, mag von einzelnen wirklich niedergeschrieben, auch ausgesprochen werden: die Nation[1] liest sie, verschluckt sie, aber hört sie nicht, spricht ihnen nicht nach..
[72]
A. Müller, Beredsamk. (
!1812; 1816), 152 ff. (153 f.)
: Ich habe mich seit vielen Jahren um die deutsche[2] Aussprache bekümmert, aber noch heut weiß ich keinen Ort in Deutschland anzugeben, wo die Sprache[3] gut gesprochen würde oder nur besser als anderswo. Ich habe wohl Personen angetroffen, von denen in Schwaben, in Franken, in Sachsen, an der Mündung der Elbe wie in Österreich gesagt werden würde: sie sprechen gut. Aber kein Ort hat dieß Privilegium für sich. Die Örter sind, was die Sprache[7] angeht, gleich gut: sie müssen ächt republikanisch alle gelten, sie müssen alle ihre Stimme[6; 8] hergeben, wenn ein guter deutscher[2] Sprecher werden soll, – und so habe ich auch immer gefunden, daß die, welche gut sprachen, an recht verschiedenartigen Stellen von Deutschland gelebt und gesprochen hatten. Sie hatten unter der Rauhigkeit der Gebirgstöne, und 〈153〉 unter den weichen, platten Klängen, die das deutsche[2] Niederland spricht, in Städten und auf dem Lande, an den südwestlichen Grenzen, wo die romanischen[1] Sprachen[3], und an den nordöstlichen, wo die slavischen Sprachen[3] Deutschland berühren – kurz, sie hatten aus den verschiedenartigsten Dialekten sich das eigentlich Deutsche[2] herausgehört, herausgefühlt. | Wenn nun, was sie herausgehört hätten, niedergeschrieben würde, so wäre es freilich für heute und morgen das beste Deutsch[2] [...]. Aber auch für die Folge der Jahre? – Gewiß nicht. Ein Wörterbuch, aus lauter solchen guten und lebendigen Sprechern abgezogen, kann keine gesetzgebende Kraft erlangen in einem Volke[1], das innerlich frei ist. Besser ist es, daß solche gebildete Sprache[3] wieder zurückströmt in die Dialekte, sich wieder unaufhörlich erfrischt in dem Bade der Natur[19], daß, was Mühe, Fleiß und Geschick erreicht haben, sich immer wieder anschließe an jene alte Naturstimme der Gebirge und Thäler; daß dieses ächte und lebendige Hochdeutsch sich beständig wieder nicht auf unedle Weise vermische, aber – vermähle mit den Dialekten. Also kein Wörterbuch, auch keine Hauptstadt, die nur den Wahn nähren kann, als gebe es in Sprachangelegenheiten einen privilegirten Ort, keine Akademie, deren ganze Kunst doch nur im 〈154〉 Waschen, Feilen, Absondern der Sprache[3], in der Verordnung einer strengen Diät für dieselbe, im Bewirken einer künstlichen Magerkeit bestehen würde – kann helfen. Es muß gesprochen werden, man muß reisen für die Sprache[3], man muß ihre Dialekte hören lernen, aus der österreichischen, schweizerischen, fränkischen, niedersächsischen Mundart[1] das Deutsche[2] herausfühlen lernen: Die größten Autoren und Sprecher der deutschen[2] Sprache[3], Göthe, Schiller, Herder, Johann Müller, Gentz u. s. w., verdanken einen großen Theil ihrer Sprachkraft dem Umstande, daß sie umhergelebt haben in Deutschland oder aus dem Norden in den Süden, aus dem Westen in den Osten des Landes verpflanzt worden sind. – Wie müßte grade unsre Sprache[3] mit ihrem Reichthum, mit allen tausendfältigen Sitten und Lebensweisen, die sie jetzt einzeln ausdrückt, ergötzen können, wenn sie nur zwanzig Jahre hindurch ordentlich ineinander gesprochen wäre; wenn die naive Roheit der Naturtöne und Dialekte nicht weiter getrennt wäre von der gebildeten Flachheit der hochdeutschen Buchsprache und nun durch jede Reihe von Tönen in dieser so veredelten dritten, mittleren Sprache[3] Deutschland hindurchklänge, während es doch nur immer Paris ist, das unaufhörlich in Eine Hauptstadt zusammenstrebende Frankreich, welches man durch die französische Sprache[3] hindurchhört..
[73]
Mundt, Dt. Prosa (1837), 244
: Ein durchgreifendes und gewaltsames Bemühen, die Einheit des neuhochdeutschen Dialekts durch landschaftliche Mannigfaltigkeit wieder zu unterbrechen, wie Einige den Plan gehabt, muß [...] als widersinnig erscheinen, nachdem durch und seit Luther die neuhochdeutsche Combination der Mundarten[1] die übrigbleibenden Bestandtheile der deutschen Dialekte gewissermaßen von dem mitlebenden Antheil 〈245〉 an der Nationalcultur ausschloß, und sie in das Einzelleben der Gaue nach Willkür zerstieben ließ. .
[74]
Novalis, an A. C. Just (1. 7. 1997), NS 4, 233
: Er errieth unser Vaterland Weißenfels aus dem Dialect; so genau hatte er die Dialecte und Provinzialismen der deutschen Sprache[3] inne..
[75]
Sachse, Dt. Gilblas (1822), 12
: Waren wir fleißig gewesen, so bekamen wir dafür täglich einen Weispfennig, oder neun Pfennige, zum Lohn, welchen wir, bey manchmal sehr spärlicher Kost, uns zu Spielgelde sparten, das wir Sonntags mit den Jungen der Nachbarschaft verthaten, denen unser thüringischer ländlicher Dialekt ebenso komisch als uns ihre platteutsche Mundart[1] klang, welche wir unter ihnen bald verstehen lernten..
[76]
Schiller, an F. Hoven (27. 10. 1801), NA 31, 67
: Mit der Universität zu Jena ist es nichts für jezt, denn Hufelands Stelle ist während meiner Abwesenheit durch einen gewißen Doktor Himmli aus Helmstædt besezt und die Medizinische Facultæt noch durch andre Privatdocenten vermehrt worden. Auch würdest Du Dich vielleicht in die ganz ungewohnte academische Thätigkeit nicht so gleich finden; den schwäbischen Dialect, der bei dem öffentlichen Vortrag auf einer sächsischen Universität im Wege steht, nicht einmal gerechnet..
[77]
Schiller, an Goethe (14. 9. 1803), NA 32, 72
: Die zwey theatralische Recrouten habe ich gestern gesehen, sie stellen sich recht gut dar und mit dem Dialect des einen gehts doch noch leidlicher, als ich erwartet hatte..
[78]
A. W. Schlegel, Shksp. W. Meist. (1796), 84
: Ob es gleich in England keine zwey völlig abgesonderten Sprachen[3] der Vornehmen und Geringen, kein Sanskrit und Prakrit giebt, so weicht doch Shakespeare's poetische[5] Sprache[3] von seiner prosaischen[1] durch die Wahl, Zusammensetzung, Anordnung und Bindung der Worte vielleicht eben so weit ab, als jene Indischen Dialekte von einander. .
[79]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!1798–99), KAV 1, 32
: Die größten Bequemlichkeiten für die Überwindung der metrischen Schwierigkeiten abgerechnet, die für die Freiheit[5] in einer Sprache[3] dadurch entspringt, erhebt es die Poesie[3], wenn sich ihr Ausdruck so viel als möglich von dem des gewöhnlichen Lebens entfernt [...]. In dieser Rücksicht sind die sogenannten poetischen[4] Freiheiten[17] keine Begünstigung, sondern nach Maßgabe der jeder Gattung erforderlichen Stile ein Gesetz. [...] Folgende sind die vorzüglichsten Arten der Vorrechte, die eine Sprache[3] zu einem freien und kühnen poetischen[5] Stile erheben können: 〈32〉 1. die Fähigkeit, das Materielle der Wörter zum Behufe des Wohlklanges und des Silbenmaßes allerhand Veränderung, Zusammenziehung, Verlängerung, Hineinsetzung (epenthesis) usw. unterwerfen zu können, ohne daß sie dadurch dunkel werden. Diese Biegsamkeit können in einem beträchtlichen Grade fast nur solche Sprachen[3] besitzen, deren Ableitung und Flexionen vielsilbig sind, so die griechische, lateinische italienische; 2. eigentümliche, der Poesie[3] ausschließend gewidmete Flexionen, Konstruktionen und Wörter; für diese pflegen die verschiedenen Dialekte (Stammabsprachen) und das Veraltete in den Sprachen eine Hauptquelle zu sein, welche daher dem Dichter auch niemals verschlossen werden darf..
[80]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
11798–99), KAV 1, 96
: Den Ausdruck behandelt der [komische] Dichter[1] mit eben der absoluten Willkür, wie alles übrige. Ihm stehen nicht nur alle Reichtümer der Sprache[3] von der erhabenen Diktion des lyrischen und tragischen Dichters[1] bis zu den gemeinsten Redensarten des Pöbels, ja bis zu unvollkommenen Sprecharten einzelner Orte und Stimmen[11] zu Gebote, sondern er prägt auch mit der größten Kühnheit ganz neue[1] Wörter[1] und Wendungen. [...] Im Aristophanes kommt jede Art des Ausdrucks vor; so dithyrambische Gesänge, freilich in Parodien. Der herrschende Ton[3] in ihm ist die attische Feinheit, die sich selbst bis auf die geringeren Stände erstreckte. Er führt auch Dialekte ein; den lakonischen, den megarensischen [...]. Er hat eine Menge von neuen[1] Wörtern[1], die alle komisch sind [...]..
[81]
A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
!
1798–99), KAV 1, 99
: Die Comoedia del arte, die improvisiert wurde, mit stehenden, immer wiederkommenden Masken, die in verschiedenen Dialekten sprachen, ist originell bei den Italienern [...]..
[82]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!
1801–02), KAV 1, 417
: Keine andre mir bekannte Sprache[3] hat einen so eigenthümlichen und von der Prosa[1] so weit abweichenden poetischen[5] Theil gehabt als die Griechische. Dieß verdankte sie zum Theil der freyen Entwicklung verschiedner Dialekte, die einen so schönen und harmonischen Charakter[1] gewannen, daß sie den verschiednen Dichtarten zum Grunde gelegt werden konnten. So war das Ionische der epische Dialekt, das Aeolische und Dorische der lyrische, das Attische der dramatische: der erste durch 〈418〉 Fülle und Stätigkeit, die beyden folgenden durch energisch ausgesprochne Eigenthümlichkeit, der letzte endlich durch muntre lebhafte Gewandtheit für ihre Gattungen einzig geeignet..
[83]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!1801–02), KAV 1, 419
: Die Lateinische Sprache[3], wiewohl als ein Dialekt des Griechischen zu betrachten, indem das Pelasgische, die Stammsprache des Griechischen ihre Wurzel gewesen zu seyn scheint, entbehrte doch verschiedne Vorzüge desselben, und andre hat sie sich nur durch die fleißigste Cultur[3] zu eigen machen können. Sie hatte keine verschiednen für die Poesie[1] gültigen Dialekte, auch keine alten Denkmäler, in welchen ihre poetische[4] Wortformen aufbewahrt worden wären..
[84]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!
1801–02), KAV 1, 421
: Ich will zuerst über die Neulateinischen Sprachen[3] einige sie sämtlich betreffende Bemerkungen machen, und sie dann einzeln charakterisiren. | Diese Sprachen[3] sind nämlich aus der Vermischung des Römischen mit der von eindringenden Barbaren, welche die verschiednen Provinzen des Römischen Reichs unterjochten, nebst andern weniger ausgebreiteten Einstreuungen aus fremden Dialekten entstanden; und zwar so daß die Wortmasse im ganzen Lateinisch, die Form aber barbarisch ist..
[85]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!
1801–02), KAV 1, 425
: Überhaupt haben die Engländer auf ihre Sprache[3] als historisches Document nicht eben Ursache stolz zu seyn, sie trägt durchaus die Spuren langer Knechtschaft an sich, und wie England ein Raub jedes fremden Eroberers gewesen, erst der Sachsen, welche die Britten vertrieben oder unterjochten, dann der Dänen, dann der Normannen, die ihnen das Französische mit Feuer und Schwert einprägten; dann sieht man auch in dem vielen eingemischten Lateinischen die Bigotterie des Mittelalters und den Einfluß der Mönche. Alles fremde ist zwar nach den Bedürfnissen eines weichen aber charakterlosen niederdeutschen Dialekts umgemodelt, und das Englische ist in der Aussprache grade das Widerspiel des Französischen. Wie in diesem ungestüme Lebhaftigkeit so drückt sich in jenem phlegmatische Gleichgültigkeit aus, wie das Französisch sprechen gleichsam ein beständiges Fragen, so könnte man das Englische ein beständiges Antworten nennen, als wollte man nur die Frage auf die kürzeste Art los seyn. Nichts gellendes und schreyendes ist in ihr, auch keine eigentliche Härten der Consonanten, sondern die Schwierigkeit dabey entsteht meistens nur aus einem gewissen lispelnden Vortrage. Alles wird nur auf der Spitze der Zunge articulirt, die Vocale sind abgedämpft und zum Theil unbestimmt und zweydeutig geworden. So viel Worte als möglich sind auf Einsylbigkeit reducirt, und bey den vielsylbigen ist der Accent möglichst zurückgelegt, und das darauf folgende wird wie ein unnützer Anhang fallen gelassen. Vermöge dieser Einsylbigkeit ist das wenige, was die Niederdeutschen Dialekte noch von grammatischen Flexionen haben (die darin offenbar unedler als die Oberdeutschen sind) vollends verloren gegangen, oder fast unhörbar geworden. Es fehlt an grammatischer Organisation[8], die Worte werden ohne näher verknüp〈426〉fende Umformung nur neben einander gestellt, was man zusamt der Einsylbigkeit den grammatischen Atomismus nennen könnte. Eine gewisse Kürze in Ansehung des Raumes, welchen sie einnimmt, hat daher allerdings die Englische Sprache[3], worin es sogar der Deutschen schwer wird, gleichen Schritt mit ihr zu halten..
[86]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!
1802–03), KAV 1, 478
: Überdieß sind die Griechische und Lateinische Sprache[3] sich sehr verwandt, beynah als Dialekte einer Hauptsprache zu betrachten [...]. .
[87]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!
1802–03), KAV 1, 498
: Die Oberdeutsche Allgemeine Literatur-Zeitung will es in der Form der Jenaischen nachthun; sie legt sich auch besonders auf Theologie, und sucht die Aufklärung der Allgemeinen Deutschen Bibliothek für 〈498〉 das katholische Deutschland zuzubereiten. Hiebey und überhaupt, wenn sie philosophiren will, verfällt sie in eine breite Unbeholfenheit und Verworrenheit. In der schönen Literatur ist sie aber vollends unnachahmlich lächerlich; unter andern hat sie an Gedichten immer viel gegen die Reinheit der Sprache[3] einzuwenden, als ob den Recensenten wegen ihres Bairischen Dialekts das Gewissen schlüge, und sie durch dieses Mittel die Aufmerksamkeit davon ablenken wollten..
[88]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!1802–03), KAV 1, 550
: Die Entstehung jener gewissermaßen unregelmäßigen aber unendlich reizenden Mannichfaltigkeit in der Sprache[3] muß man sich so denken, daß bey den vielen kleinen Völkerschaften, worein sich der Griech.[ische] Völkerstamm spaltete, bey den einen diese Formen, Ausdrücke und Sprecharten aufgekommen waren, bey andern jene; und daß bey nachher erfolgter Vermischung von allen etwas beybehalten ward. Wir werden durch diese Bemerkung auf einen Punkt geführt, der für die gesamte Griechische Bildung[5] äußerst wichtig ist: daß nämlich die Lage dieser Nation[1] ganz dazu eingerichtet war, daß sie sich aufs mannichfaltigste individualisiren, und dann wieder durch lebhaften Verkehr, das Individuelle zu einem allgemeineren Charakter[1] verschmelzen mußte. Man sehe nur auf der Landcharte den Erdstrich an, welchen die Griechen inne hatten. Auf einer weiten ununterbrochnen Ebne hätten sie schwerlich das werden können, was sie wurden, und wären vielleicht, wie andre Nationen[1] in Asien unter einer despotischen Regierungsform auf einer sehr niedrigen Stufe für immer fixirt geblieben. [...] 〈550〉 [...] | Bey einer solchen Nation[1] mußten natürlicher[4] Weise Dialekte entstehen: bey den Griechen allein aber (unter den Nationen[1] wenigstens, die wir bey solchen Betrachtungen vor Augen zu haben pflegen) haben wir die Erscheinung, daß die Dialekte nicht bloß untergeordnete, mehr oder weniger rohe oder verderbte, Abarten einer vollkommneren Hauptsprache blieben, sondern sich zu einem bestimmten im Verhältniß gegen die übrige Nation[1] gültigen Charakter[1] entwickelten, und nicht bloß im gemeinen Leben, sondern auch in der Schrift gebraucht wurden, ja in verschiednen Gattungen der Poesie[11] kunstmäßig gebraucht werden mußten. ➢ vgl. [99].
[89]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!1802–03), KAV 1, 551
: Zuvörderst was die älteste[1] epische Epoche betrifft, so fällt sie, genauer betrachtet, vor der eigentlichen Sonderung der Dialekte, in der höheren, oben angegebnen, Bedeutung dieses Wortes[1]. Wir finden beym Homer die Griechische Bildung[5] auf einer Stufe, wo die Bestandtheile der Nation[1] durch Kriege, Wanderungen und mancherley Revolutionen sich gegenseitig durchdrungen hatten, [...] aber noch nicht wieder nach verschiednen eigenthümlichen Richtungen gesetzmäßiger aus einander gegangen waren. Deswegen behaupten die Alten[10], Homer habe geflissentlich alle Dialekte durch einander gemischt, um sämtlichen Griechen verständlich zu seyn: der Wahrnehmung nach richtig, aber nur historisch unrichtig ausgedrückt..
[90]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!
1802–03), KAV 1, 555
: Stellt uns das Ionische die Griech.[ische] Sprache[3] und Bildung[5] in noch flüßigem Zustande und als ein ununterscheidbares Continuum vor, so ist es klar, warum es in demjenigen, was aus der Zeit vor kunstgemäßer Sonderung der Dialekte und Nationalrichtungen auf uns gekommen, vorwaltend ist, wiewohl von dem nachherigen reinen Ionischen verschieden und mit manchen Spuren eines erst bestimmbaren Gemisches..
[91]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!
1802–03), KAV 1, 612
: Bey den Griechen war, wie wir gesehen haben, der Ionische Dialekt der eigenthümlich epische, so sehr, daß auch Dichter, die von Geburt gar nicht Ionier waren, sich dessen bedienten, so bald sie ein Epos dichteten. Die Römische Sprache[3] hatte nun nichts den Griechischen Dialekten ähnliches, und konnte nach ihrer besondern Natur[1] sich die Flüßigkeit und allbiegsame Gelindigkeit des Ionischen Dialekts keinesweges aneignen; ihr Charakter[1] bestand vielmehr in gebieterischer Kürze und einer Schweigsamkeit, die fast an Stummheit gränzte..
[92]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (
!1802–03), KAV 1, 654
: [W]ie die Hauptrichtungen des Griechischen[2] National-Charakters, welche sich 〈in den Dialekten ausdrückten〉 (wie ich es schon an einer andern Stelle ins Licht gesetzt) dergleichen Absonderungen waren, so dürfen wir nach historischen Angaben, einen jonischen, aeolischen, dorischen und attischen Styl der Lyrik annehmen, wenn wir schon wegen des fast allgemeinen Verlustes der Dichter von diesen nur eine zum Theil sehr unbestimmte Vorstellung haben..
[93]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 11
: Übrigens sind in [...] Europa die sämtlichen Sprachen[3] entweder rein Deutsche Mundarten[1], oder aus der Vermischung des Deutschen mit dem in den Provinzen vorgefundnen 〈11〉 Lateinischen entstanden. Nimmt man nun noch die nahe Verwandtschaft des Deutschen mit dem Lateinischen und Griechischen hinzu, die keinem Sprachforscher zweifelhaft seyn kann: so erscheinen die verschiednen Sprachen[3] Europa's fast nur als Dialecte einer einzigen, welche in zwey Hauptclassen zerfallen, wovon in der einen der größte Theil der Masse Lateinisch, in der andern Deutsch ist; denn auch in den für rein geltenden ist die vornämlich durch die Geistlichen als die ersten Lehrer des Volkes[5] bewirkte Einmischung des Lateinischen weit beträchtlicher, als man meistens geneigt ist, sichs vorzustellen. Überdieß war das Lateinische allgemeines Organ[1] der Mittheilung, und zwar nicht, wie man gewöhnlich annimmt, als gelehrte und todte, sondern als eine lebende und sich fortbildende Sprache[3]..
[94]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!1803–04), KAV 2.1, 12
: Romanisch[1], Romance, nannte man die neuen[3] aus der Vermischung des Lateinischen mit der Sprache[3] der Eroberer entstandnen Dialekte; daher Romane[1], die darin geschriebnen Dichtungen, woher denn romantisch[1/12/4] abgeleitet ist, und ist der Charakter[1] dieser Poesie[11] Verschmelzung des altdeutschen mit dem späteren, d. h. christlich gewordnen Römischen, so werden auch ihre Elemente schon durch den Namen angedeutet..
[95]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 36
: Was die Mundart[1] der Minnesinger betrifft, so sollte man sie wohl nicht so geradehin die Schwäbische nennen, viele lebten zwar in Schwaben und der heutigen Schweiz, andre in Österreich und andern Theilen Deutschlands, wir haben auch noch viele Stücke im Thüringischen Dialekt; es war eben das damalige Oberdeutsch überhaupt, worin sie sangen, was dann nach der Aussprache jeder Provinz umgemodelt ward..
[96]
A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 137 f. (138)
: So viel sich aus den mitgetheilten Fragmenten und den damaligen Verhältnissen und Wirkungen der provenzalischen Poesie[11] schließen läßt, 〈138〉 scheint die Sprache[3], welche unter allen neulateinischen zuerst zur Reife gedieh, auch die vielseitigste gewesen zu seyn, welche alle nachher einzeln ausgebildete Charaktere[1] verschiedner unter ihnen, vereinigt, wenigstens im Keime in sich enthielt, und daher recht eigentlich zu einer Muttersprache der Europäischen Poesie[11] geeignet war. So wie die Provinzen wo sie gesprochen wurde, in der Mitte zwischen dem nördlichen und südlichen Europa liegen, so glaube ich auch in der Sprache[3] Ähnlichkeiten mit den südlichsten und nördlichsten Dialecten des Neulateinischen zu finden. In der Englischen Sprache[3] hat es sich am weitesten nordwärts gezogen, und die möglichste Einsylbigkeit bey einer accentlosen Stummheit der Vocale angenommen; bey lebhafteren Accenten findet sich im Französischen dasselbe Bestreben der Abkürzung, den nicht accentuirten Schlußsylben sind alle übrigen Vocale außer dem E. entzogen, jedoch wird dieses noch um etwas mehr gehört, als im Englischen. Die südlichen Dialecte haben nebst eigenthümlichen Modificationen die Vielsylbigkeit, das volle, sonore der Vocale, und die mannichfaltige Accentuation mit einander gemein. Das Provenzalische steht zwischen beyden, man bemerkt in den Formen der Wörter, ihrer Biegungen und Ableitungen bald die gewandte Leichtigkeit des Französischen, bald die prächtige Fülle der südlichen Idiome, und ohne Zweifel so, daß der Dichter sich mit Absicht bald mehr auf diese, bald auf jene Seite neigen konnte..
[97]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 220
: [I]m Anfang des 11ten Jahrhunderts war ganz England eine Dänische Provinz. Kaum war es von diesem vergleichungsweise milden Joche erlöst, so fiel es Französischen Eroberern aus der Normandie anheim, die es mit eisernem Zepter regierten. Denn nunmehr ward der ganze Adel[2] ausländisch, ja die bisherige Sprache[3] (der Sächsische Dialekt des Deutschen) welche sich unter den Dänischen Regenten, die eine verwandte hatten, immer noch erhalten, wurde mit Gewalt unterdrückt, das Französische zur Gerichtssprache gemacht und der junge Adel[2] in Frankreich erzogen..
[98]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 238
: Daß die nordischen Reiche nicht als in einer Continuität mit dem heutigen Deutschlande stehen, und von dort aus bevölkert worden, weiset, wie mich dünkt, schon der größere Abstand der, obwohl verwandten Sprachen[3] aus. Nach Holland und England zu verändert sich der Dialekt durch das Plattdeutsche, Niederdeutsche (wie die Holländer ihre Sprache[3] nennen) und Friesische allmählich. Das Dänische aber ist dem Schwedischen weit näher verwandt als dem Deutschen, und wenn Dänemark ehedem von derselben Nation[1] bewohnt war, welche unter dem Namen der Angeln und Sachsen England eroberten, so dürfte es nachher von einer scandinavischen Kolonie besetzt seyn. Die Verschiedenheit der Sprachen[3] ist vielleicht nur eine klimatische: das Dänische ist weich und auseinander geflossen, so wie ihr Klima[1] feucht und nebelicht, das Schwedische athmet eine rauhere Bergluft..
[99]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 324
: Einen ganz einzigen Vorzug hat die Griechische Sprache[3] an ihren Dialecten, welche nicht, wie bey andern Nationen[1], unvollkommne Abarten der allgemeinen Sprache[3] sind, sondern vielmehr Ausbildungen derselben in verschiednen Richtungen, so daß die Gesamtheit des Griechischen Nationalcharakters nur durch sie alle zusammen ausgedrückt wurde, und diese Dialecte in der Büchersprache galten, ja gewisse Gattungen der Poesie[11] ihrer nicht entrathen könnten. ➢ vgl. [88].
[100]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 337 f. (338)
: Über die Neulateinischen Sprachen[3] will ich erst einige allgemeine Bemerkungen voranschicken, und dann sie einzeln in der Kürze charakterisiren. Das Lateinische war keinesweges eine sanfte Sprache[3]: sonor allerdings, jedoch nicht milde, und den Griechen fiel sehr vieles darin als unerträgliche Härte auf. Die Altgermanischen Dialekte der einwandernden Eroberer waren vollends in jener Zeit[3] rauh und ungeschlacht. Und dennoch sind aus der Verschmelzung dieser beyden Bestandtheile die sanftesten und anmuthigsten[1] Sprachen[3] des neueren[3] Europa hervorgegangen. [...] Ich glaube [...], daß Mischung und Verschmelzung mehrerer Idiome ein besonders günstiger Umstand für die Sprachbildung ist. Es erfolgt nämlich, ehe sie sich amalgamiren, ein Zeitraum der Anarchie und Verwirrung, wo der große Haufe, beyder Sprachen[3] nicht recht mächtig, spricht, wie er will und kann. Ist nun Anlage und Sinn[5] für das Schöne[1] da, so kann eben diese Unsicherheit und Unbestimmtheit Anlaß werden, daß das Angenehmere gewählt, Härten weggeschliffen, die Aussprache überhaupt gemildert werde u. s. w.: und so ist eben Barbarey und Idiotismus im Sprechen Quelle einer ganz 〈338〉 neuen[1] Vollkommenheit. Die schriftlichen Denkmäler lehren uns, daß alle diese Sprachen[3] auf dem Übergange vom Latein ein sehr mißfälliger harter formloser Jargon waren, und das sind sie Jahrhunderte lang geblieben. Die ritterliche Galanterie und die damit verknüpfte Poesie[1] des Mittelalters hat unstreitig den größten Antheil an der Verfeinerung der romanischen[1] Dialekte. [...] Haben demnach diese Sprachen[3] gleich vor dem Lateinischen, ihrer Stammsprache, bedeutende Vorzüge: so ist auf der andern Seite nicht zu läugnen, daß ein gewisser Makel der Corruption an ihnen haftet. Sehr spät haben sich daher auch die Gelehrten dieser Länder gewöhnt, sie anders als ein ausgeartetes Latein, als Mundarten[1] des ungelehrten Haufens (lingua volgare) zu betrachten. Unläugbar ist es, daß vieles daher entstanden, daß die Germanischen Eroberer wohl die Lateinischen Wörter[1], aber nicht die gehörige Art sie zu biegen, erlernen konnten. Man kann daher diese Sprachen[3] sämtlich aufs kürzeste so charakterisiren, daß man sagt: die Materie (die Hauptmasse der Wörter[1]) ist lateinisch, die Form Deutsch[5]..
[101]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 341
: Die vornehmsten Sprachen, die ich bisher immer unter dem Namen der Neulateinischen begriffen habe, sind: die Französische, Provenzalische, Italiänische, Spanische, Portugiesische. In eben dieser Reihe folgen auch die Zeitalter ihres höchsten Glanzes, der ihnen durch große Originaldichter verliehen ward, ungefähr auf einander. Es versteht sich, daß in Ansehung der beyden ersten Dialekte
von einer weit früheren Periode die Rede ist, welche leider ganz zur Antiquität geworden..
[102]
A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!1803–04), KAV 3, 350
: [D]as Dänische und Sächsische waren verwandte Dialekte, und man möchte wohl nicht überall mit Sicherheit unterscheiden können, was dem einen und dem andern angehört..
[103]
F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 80, Nr. 295
: Hülsen ist seines Gedankens und seines Ausdrucks völlig Meister, er geht sicher und leise; und diese ruhige hohe Besonnenheit bey dem weltumfassenden Blick und der reinen Humanität, ist es eben was ein historischer Philosoph in seinem antiquarischen und aus der Mode gekommenen Dialekt das Sokratische nennen würde; eine Terminiologie die sich jedoch ein Künstler, der so viel philologischen Geist[20] hat, gefallen lassen muß. .
[104]
F. Schlegel, Philos. Lehrj. IV (*1799), KFSA 18, 288, Nr. 1099
: Eine Uebersetzung ist ein K[unst]werk des Witzes[1]; bezieht sich auf d[den] Begriff[1] d[es Dialekts. Der Imperativ des Uebersetzens beruht wohl auf d[em] Postulat d[er] Spracheinheit..
[105]
F. Schlegel, Fragm. Poes. u. Litt. (*1801), KFSA 16, 333, Nr. 930
: So wie erst nach d[er] Zerstörung des Ganzen die romant.[ischen][15] Dialekte aus d[em] Lateinischen, so ist's auch wohl mit dem Deutschen. In d[em] ältest[en][1] Deutsch die entgegengesetzt[en] Pole mehr vereinigt..
[106]
F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 60
: Man könnte das Portugiesische in seiner Weichheit vielleicht dem jonischen Dialekte der hellenischen Sprache[3] vergleichen, so wie die stolze Sprache[3] der Spanier dem Dorischen, und die kunstgebildete der Italiäner dem Attischen. .
[107]
F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 67
: Eine provenzalische Grammatik ist in dem Katalogus der Nationalbibliothek angegeben, wird aber seit mehreren Jahren nicht mehr gefunden. Die Sprache[3] aber ist denn doch dem Französischen, dem Italiänischen, und auch vorzüglich dem Spanischen so nah verwandt, daß man meistentheils schon durch diese Kenntniß bei Anwendung einiger Mühe im Stande seyn wird, den Sinn[1] herauszukriegen. Wo dies aber nicht aushilft, bleibt das wichtigste Hülfsmittel die Kenntniß des gegenwärtigen provenzalischen und languedocschen Dialects; von welchen beide[n] man Lexica hat. .
[108]
F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 71
: Sonach scheint es besonders zwei Hauptdialekte dieser ältesten romantischen[15] Sprache[3] gegeben zu haben, wenigstens für den poetischen[4] Gebrauch; den provenzalischen und den catalonischen Dialekt. .
[109]
F. Schlegel, Zur Poesie III (*1803), KFSA 16, 455, Nr. 19
: Es giebt nur zwei Dialekte 1) d.[er] harte a t h (o) 2) der weiche sh, b, i, u. / Das macht gleichsam zwei Tonarten (Moll und Dur), der Unterschied der häßlichen[1] und d[er] schönen[1] productiven Sylben – noch zwei. .
[110]
F. Schlegel, Spr. u. Weish. d. Ind. (1808), 53 f. (54)
: Auf der östlichen Halbinsel Indiens zählt Symes sechs verschiedne Sprachen[3], wovon mehre selbst in den Zahlworten, diesem so wichtigen Grundbestandtheile, ganz verschieden sind; die Burma〈54〉sprache, die wieder in vier Mundarten[1] zerfällt, wovon die hauptsächlichste die von Ava ist, schließt sich durch ihre Einsylbigkeit an das Chinesische an; verwandt mit dieser ist die Sprache[3] Koloun zwischen Bengalen, Arakan und Burma, so wie einige Dialekte in Pegu; die Pegu-Sprache selbst ist aber nach Symes noch ganz verschieden, so wie die im Lande Meckley, südlich von Asam, und die Sprache[3] in Siam, von der die der südlichen Cingalesen abgeleitet seyn soll. ➢ Volltext.
[111]
F. Schlegel, Gedanken (*1808–09), KFSA 19, 290, Nr. 211
: In d[em] sächsischen Ort Bulkesch in der Kadelburger Gespannschaft reden die Einwohner einen besondren Dialekt..
[112]
Schoppe, Erinn. Leb. II (1838), 152
: „Das arme Dier!“ pflegte E. in ihrem fränkischen Dialekt dann wohl mitleidig zu sagen; „das arme Marschir-Lieselchen, wie gern schenkte ich ihr'nen warmen Mantel!“.
[113]
R. Schumann, Tageb. I (*1829), 44
: Ein Zug ist allen Frankfurter Mädchen gemein – der Charakter[5] einer deutschen, männlichen Wehmuth, den wir oft in anderen ehemaligen Reichsstädten finden – Charaktervoll sind fast alle Gesichter – geistreich viele, schön[1] wenige – die Nasen sind meist griechisch[6] u. oft eingestülpt – der Dialect gefällt mir nicht[.].
[114]
Seume, Sommer (1806), 170
: Du siehst, daß es der finnischen Sprache[3] nicht an Anmuth fehlt. Die finnische Sprache[3] ist die Hauptsprache; und das Esthnische und Lappische sind nur ihre Dialekte, wie ich höre..
[115]
Wieland, Was ist Hochteutsch? (1782), 196
: Die Scribenten die ihre eigene Sprache[3] nicht zu schreiben wissen, sind doch wohl nur elende Scribenten; sie leben einen Tag, und verschwinden wieder, ohne daß in dem Gehirn ihrer Leser mehr Spuren von ihrem kurzen Daseyn zurückbleiben als 〈196〉 in den Jahrbüchern der Litteratur. Ihre Sprachschnitzer, ihre grammatikalische Unreinlichkeit, ihr ekelhafter Mischmasch von Dialekten, wird schwehrlich jemand an dem etwas gelegen ist, verführen können. ➢ Volltext.