Wortliste
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Kritik
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romantisch
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Witz
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Struktur
Semantik
Belege
[1]
Herder, Urspr. d. Spr. (1772), 87 f.: Was so viele Alten[10] sagen und so viel Neuere[5] ohne Sinn[2] nachgesagt, nimmt hieraus sein sinnliches Leben: „daß nemlich Poesie älter[1] gewesen, als Prosa[2]!“ denn was war diese erste Sprache[3] als eine Sammlung von Elementen der Poesie? Nachahmung der tönenden, handelnden, sich regenden Natur[2]! [...] Ein Wörterbuch der Seele, was zugleich Mythologie und eine wun〈88〉derbare Epopee von den Handlungen[1] und Reden aller Wesen ist! Also eine beständige Fabeldichtung mit Leidenschaft und Interesse! – Was ist Poesie anders? ➢ Volltext
[2] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 65: Da alle Poesie ein mythologisches Fundament haben muß um selbständig auf sich zu ruhen, so wird es vor allen Dingen wichtig seyn zu untersuchen, in wiefern sich noch eine Deutsche Mythologie, oder Reste derselben, oder überhaupt eine romantische[13] erhalten.
[3] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 38, Nr. 146: Wie der Roman die ganze moderne
[4] Solger, Rez. A. W. Schlegel (1819), 83: Hierauf folgt eine Bestimmung der Begriffe[1] der antiken[2] und modernen[1] oder romantischen[12] Poesie, und mit Recht ist diese vorangestellt, da der Verfasser einen ganz praktischen Zweck hatte, und also gleich in den historischen Gegensatz eingehen mußte. Nachdem er diesen oft verkannten und mißverstandenen, und oft selbst bezweifelten Gegensatz vorläufig durch Bilder und Beyspiele deutlich zu machen gesucht, durch Rhythmus und Melodie, Plastik und Malerey[2], die antike[2] und sogenannte gothische Baukunst; so versucht er ihn endlich seinem Wesen nach in bestimmten Worten[2] darzustellen.
[5] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 240: Es ist aus dem obigen klar, daß die romantische[1] Prosa[1] von den Gattungen der prosaischen[1] Poesie die Blüthe und Krone ist [...]. Denn diese ganze Gattung der Poesie geht aus der Geschichte[7] hervor, und im Roman[1] also, der eine historische Gattung ist, muß sie sich am 〈241〉 genauesten anschließen, und in ihrer höchsten Vollkommenheit darstellen können. ➢ Volltext.
[6] Brockhaus, Conv.-Lex. V (1809), 57: Im engern Sinne bedeutet [...] Satire diejenige Gattung der Poesie, welche schädliche und selbstverschuldete Fehler, in der Absicht sie zu verbessern, auf eine witzige Art verspottet. Unschädliche und unverschuldete Unvollkommenheiten sind demnach ganz von ihr ausgeschlossen, erstere, weil dabei der Zweck der Besserung wegfällt, letztere, weil sie nie Gegenstände des Witzes[4] werden können..
[7] Collin, an A. W. Schlegel (13. 4. 1808), KJ 1, 536: Am meisten freue ich mich wohl, Sie nun bald über den Gegensatz des Antiken[2] und Romantischen[12], über das Wesen der romantischen[12] Tragödie, über das, was sie romantisch[12] macht, sprechen zu hören. Ob die Beymischung des Komischen der romantischen[12] Tragödie nothwendig oder bloß natürlich[11] – und warum das eine oder das andere? Ob das romantische[12] reine Poesie, oder bloß Uibergang [sic] sey zu einer? Ich bin dabey recht egoistisch. Denn es sey bekannt: das alles wünsche ich bloß zu hören, weil ich selbst darüber nicht klar bin..
[8] G. Forster, Ansichten II (1791), W 2, 673: So würde es ebenfalls die Scheidung des Wesentlichen in der Kunst[10] von dem Zufälligen sehr erleichtern, wenn man erwöge, daß sogar die rohesten Völker[1], die entweder einen höchst unvollkommnen oder noch gar keinen Trieb zu materiellen Kunstgebilden äußern, bereits wahre Poësien besitzen, welche, verglichen mit den geglätteten und künstlich in einander gefügten dichterischen Produkten der verfeinerten Kultur[5], diesen oft den Preis der Gedankenfülle, der Stärke und Wahrheit des Gefühls, der Zartheit und Schönheit der Bilder abgewinnen. Man begreift, wie diese Eigenschaften das einfache Hirtenlied, die Klagen und das Frohlocken der Liebe, den wilden Schlachtgesang, das Skolion beim Freudenmale und den rauschenden Götterhymnus eines Halbwilden bezeichnen können; denn sie gehen aus der schöpferischen Energie des Menschen unmittelbar hervor und sind unabhängig von dem Vehikel ihrer Mittheilung, der mehr oder minder gebildeten Sprache[3]. .
[9] v. d. Hagen, Vorr. Lit. Grdriß (1812), IX f. (X): Aus fast gleichzeitigen Galischen Quellen jedoch mag ein Theil der Dichtungen vom Artus herrühren, welche später bei den Wälschen Völkern, in den Romanen von der Tafelrunde und dem Gral ausgebildet wurden. Diese nahm die Deutsche Poesie[3], so viel sie mochte, in sich auf; und von nun an besteht der größte Theil der poetischen[5], besonders der epischen Literatur dieser Zeit in dergleichen Übertragungen aus dem Wälschen, oder dem zum Theil gemeinsamen Lateinischen. Freilich sind es solche, wie sie damals nur sein konnten, keine künstliche Nachbildungen, sondern wahrhafte Verdeutschungen in Saft und Kraft. Ebenso wurden die durch eine spätere historische Epoche in deren Heimat veranlaßten Romane von Karl dem Großen und seinen Helden herübergenommen. In beiden Fabelkreisen, wie sie zum Theil nach einander, und der von den Helden Karls erst später recht bearbeitet wurden, zeigen auch die einzelen Dichtungen in 〈X〉 ihrer mythischen Folge, in welcher sie hier aufgeführt sind, zugleich ihre Entstehung nach einander; welches auch mit von dem Heldenbuch und überhaupt von den erzählenden Gedichten gilt: so daß sich in ihnen, zunächst in diesen drei großen epischen Kreisen, nicht nur die Historie, sondern auch ihre eigene Geschichte ausdrückt. Solche allmälige Entwickelung der sämmtlichen drei Kreise ging hervor aus dem Streben aller epischen Poesie, sich cyklisch abzuschließen. Dieß zeigt sich mehr oder minder schon in einzelen Romanen, die als Grundlage und Mittelpunkt ihres Kreises anzusehen; noch mehr in späteren, die schon so viel als möglich davon in sich wiederholen; am deutlichsten aber in den wirklich und absichtlich cyklischen Gedichten, wie besonders das über die Tafelrunde und den Gral und die noch umfassendere Weltkronik: es offenbart sich hierin zugleich das ursprüngliche Streben aller romantischen[12/11] Poesie zu einem großen Universalgedicht, welches alle Gegenstände des Himmels und der Erde, alle Formen der Poesie in sich beschließt.
[10] Hegel, Solger (1828), W 11, 213 f. (214): Es ist vorhin des vortrefflichen Unsinns und der herrlichen Albernheit erwähnt worden, und wohl gibt es noch Verehrer Shakespeares, die aus dem ästhetischen Enthusiasmus für Korporal Nym und Leutnant Pistol nicht 〈214〉 herauskommen können. So machte sich denn von selbst in den eigenen Produktionen Gehalt und Inhalt nüchtern, dünn, ohne Ernst; er wurde absichtlich aufgeopfert, um ins Leere zu verschweben und mit Bewußtsein, ironischer[3]weise, die innere Wahrheitslosigkeit des Stoffes für das Beste auszugeben. Einerseits sahen wir die Theorie von der Poesie der Poesie, andererseits den Kreis von Poeten sich bilden, die es darauf anlegten, sich gegenseitig und das Publikum[3] mit den morgenrötlichen Produkten der neuen poetischen[4] Poesie, mit einer kometarischen Welt aus Duft und Klang ohne Kern zu mystifizieren. Für diese ironische[3] Sublimation zur Inhaltslosigkeit und Sehnsucht liegt die lyrische Form ganz nahe und macht sich gleichsam von selbst, denn das Spiel im wirklichkeitslosen Tönen des hohlen Geistes[19] ist für Vers und Reim nicht durch den Inhalt geniert. Im dramatischen Fache kann Wirklichkeit, Charakter[3] und Handlung[3] nicht entbehrt werden; die innere Nichtigkeit, welche von der Theorie der Ironie[3] gefordert wird, führt hier auf dasjenige, worauf die Mittelmäßigkeit von selbst gerät, – Charakterlosigkeit, Inkonsequenz und Zufälligkeit, aufgespreizte Nüchternheit; die Theorie fügt nur dies hinzu, daß die Mittelmäßigkeit auch mit der Maxime der Haltungslosigkeit und Halbheit produziert..
[11] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 87 f. (88): Insofern nun aber die Ironie[3] ist zur Kunstform gemacht worden, blieb sie nicht dabei stehen, nur das eigene Leben und die besondre Individualität des ironischen[3] Subjekts künstlerisch heraus zu gestalten, sondern außer dem Kunstwerk der eigenen 〈88〉 Handlungen[1] u. s. f. sollte der Künstler auch äußere Kunstwerke als Produkte der Phantasie[1] zu Stande bringen. Das Princip dieser Produktionen, die nur in der Poesie vornehmlich hervorgehen können, ist nun wiederum die Darstellung des Göttlichen als des Ironischen[3]. ➢ Volltext.
[12] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 202: Wir können [...] die heitere[4] Ruhe und Seligkeit, dieß Sichselbstgenügen in der eigenen Beschlossenheit und Befriedigung als den Grundzug des Ideals an die Spitze stellen. Die ideale Kunstgestalt steht wie ein seliger Gott[4] vor uns da. Den seligen Göttern[4] nämlich ist es mit der Noth, dem Zorn und Intresse in endlichen Kreisen und Zwecken kein letzter Ernst, und dieses positive Zurückgenommenseyn in sich bei der Negativität alles Besonderen giebt ihnen den Zug der Heiterkeit[3] und Stille. In diesem Sinne[1] gilt das Wort[2] Schillers: „Ernst ist das Leben, heiter[4] ist die Kunst[2].“ Zwar ist häufig genug pedantisch hierüber gewitzelt worden, da die Kunst[2] überhaupt und vornehmlich Schillers eigene Poesie von der ernstesten Art sey, – wie denn die ideale Kunst[2] auch in der That des Ernstes nicht entbehrt, – aber in dem Ernste eben bleibt die Heiterkeit[3] in sich selbst ihr wesentlicher Charakter[1]. Diese Kraft der Individualität, dieser Triumph der in sich koncentrirten konkreten Freiheit[10] ist es, den wir besonders in antiken[2] Kunstwerken[2] in der heiteren[4] Ruhe ihrer Gestalten erkennen. ➢ Volltext.
[13] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 207 f. (208): Bei diesem Gegensatze des Ideals und der Natur[19] hat man nun also die eine Kunst[10] mehr als die andre im Sinne gehabt, hauptsächlich aber die Malerei, deren Sphäre gerade die anschauliche Besonderheit ist. Wir wollen deshalb die Frage in Betreff dieses Gegensatzes allgemeiner so stellen: soll die Kunst[10] Poesie[14] oder Prosa[4] seyn? Denn das ächt Poetische[1] in der Kunst[10] ist eben das, 〈208〉 was wir Ideal nannten. Kommt es auf den bloßen Namen Ideal an, so ließe sich derselbe leicht aufgeben. Dann entsteht aber die Frage, was ist denn Poesie[14] und was ist Prosa[4] in der Kunst[10]? Obschon auch das Festhalten des an sich selbst Poetischen[1/4] in Bezug auf bestimmte Künste[10] zu Abirrungen führen kann und bereits geführt hat, insofern was der Poesie[11] ausdrücklich und näher der lyrischen etwa angehört, auch durch die Malerei, weil solch ein Inhalt denn doch gewiß poetischer[1] Art sey, dargestellt worden ist. Die jetzige Kunstausstellung (1828) z. B. enthält mehrere Gemälde, alle aus ein und derselben (der sogenannten Düsseldorfer) Schule, welche sämmtlich Sujets aus der Poesie[11] und zwar aus der nur als Empfindung darstellbaren Seite der Poesie[11] entlehnt haben. Sieht man diese Gemälde öfter und genauer an, so erscheinen sie bald genug als süß und fade. ➢ Volltext.
[14] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 263 f.: Die innere Vorstellung [...] kann in Zerrissenheit weit mehr ertragen als die unmittelbare Anschauung. Die Poesie hat deshalb das Recht nach Innen fast bis zur äußersten Qual der Verzweiflung und im Aeußern bis zur Häßlichkeit als solcher fortzugehn. In den bildenden Künsten[2] aber, in der Malerei und mehr noch in der Skulptur steht die Außengestalt fest und bleibend da, ohne wieder aufgehoben zu werden, oder als flüchtig vorübergeführt, so〈264〉gleich wieder zu verschwinden. Hier würde es ein Verstoß seyn das Häßliche[1], wenn es keine Auflösung findet, für sich festzuhalten. Den bildenden Künsten[2] ist deshalb nicht alles das erlaubt, was in der dramatischen Poesie, insofern sie es nur augenblicklich erscheinen und sich wieder entfernen läßt, sehr wohl zu gestatten wäre. ➢ Volltext.
[15] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 311 f. (312): Aus dem Bereiche der Kunst[2] [...] sind die dunklen Mächte grade zu verbannen, denn in ihr ist nichts dunkel, sondern Alles klar und durchsichtig, und mit jenen Uebersichtigkeiten [sc. Darstellungen von Personen mit ,zweitem Gesicht‘] ist nichts als der Krankheit des Geistes[19] das Wort[2] geredet, und die Poesie in das Nebulose, Eitle und Leere hinübergespielt, wovon Hoffmann und Heinrich 〈312〉 von Kleist in seinem Prinzen von Homburg Beispiele liefern. [...] Die Gesundheit des Charakters[2] [...] mit der Krankheit des Geistes[19] vertauschen zu müssen, um Kollisionen hervorzubringen und Interesse zu erregen ist immer unglücklich; deshalb ist auch die Verrücktheit nur mit großer Vorsicht anzuwenden. | An solche Schiefheiten, welche der Einheit und Festigkeit des Charakters[2/7] entgegenstehn, können wir auch noch das Princip der neueren Ironie[1/3] sich anschließen lassen. Diese falsche Theorie hat die Dichter verführt in die Charaktere[7] eine Verschiedenheit hineinzusetzen, welche in keine Einheit zusammengeht, so daß sich jeder Charakter[7] als Charakter[2] zerstört. Tritt ein Individuum zunächst auch in einer Bestimmtheit auf, so soll dieselbe gerade in ihr Gegentheil überschlagen, und der Charakter[7] dadurch nichts als die Nichtigkeit des Bestimmten und seiner selbst darstellen. Dieß ist von der Ironie[4] als die eigentliche Höhe der Kunst[2] angenommen worden, indem der Zuschauer nicht müsse durch ein in sich affirmatives Interesse ergriffen werden, sondern darüber zu stehen habe, wie die Ironie[3/4] selbst über Alles hinaus ist. – In diesem Sinne hat man denn auch Shakspearesche Charaktere[7] erklären wollen. [...] 〈313〉 [...] Jetzt [...] machen sie [...] Shakspeare's Charaktere[7] gespenstig, und meinen, daß die Nichtigkeit und Halbheit im Schwanken und Uebergehn, daß diese Quatschlichkeit eben für sich interessiren müsse. Das Ideale aber besteht darin, daß die Idee wirklich ist, und zu dieser Wirklichkeit gehört der Mensch als Subjekt und dadurch als in sich festes Eins. ➢ Volltext.
[16] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 367: Innerhalb der Poesie ist [...] das Volkslied am meisten nationell und an Seiten der Natürlichkeit geknüpft, weshalb das Volkslied auch den Zeiten[3] geringer geistiger Ausbildung angehört und am meisten die Unbefangenheit des Natürlichen bewahrt. Göthe z. B. hat in allen Formen und Gattungen der Poesie Kunstwerke producirt, das Innigste aber und Unabsichtlichste sind seine ersten Lieder. Zu ihnen gehört die geringste Kultur[4]. ➢ Volltext.
[17] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 381 f. (382): Bei dieser Gelegenheit können wir denn auch wieder der Ironie[4] gedenken, welche sich hauptsächlich dann als die höchste Originalität auszugeben liebt, wenn es ihr mit keinem Inhalt mehr Ernst ist, und sie ihr Geschäft des Spaßes nur des Spaßes wegen treibt. Nach einer anderen Seite hin bringt sie in ihren Darstellungen eine Menge Aeußerlichkeiten zusammen, deren innersten Sinn[2] der Dichter für sich behält, wo denn die List und daß [sic] Große darin bestehn soll, daß die Vorstellung verbrei〈382〉tet wird, grade in diesen Zusammentragungen und Aeußerlichkeiten sey die Poesie der Poesie, und alles Tiefste und Vortrefflichste verborgen, das sich nur eben seiner Tiefe wegen nicht aussprechen lasse. So wurde z. B. in Friedrich von Schlegel's Gedichten, zur Zeit[7], als er sich einbildete ein Dichter zu seyn, dieß Nichtgesagte als das Beste ausgegeben, doch diese Poesie der Poesie ergab sich grade als die platteste Prosa[4]. ➢ Volltext.
[18] Hegel [Hotho], Aesth. II (1837), 170: Die Tugenden der christlichen Frömmigkeit ertödten in ihrer abstrakten Haltung das Weltliche, und machen das Subjekt nur frei, wenn es sich selbst in seiner Menschlichkeit absolut verläugnet. Die subjektive Freiheit[10] des jetzigen Kreises ist zwar nicht mehr durch bloße Duldung und Aufopferung bedingt, sondern in sich, im Weltlichen, affirmativ, aber die Unendlichkeit des Subjekts hat doch, wie wir schon sahen, nur wieder die Innigkeit als solche zu ihrem Inhalt, das subjektive Gemüth, als sich in sich selbst bewegend, als der weltliche Boden seiner in sich. In dieser Beziehung hat die Poesie hier keine vorausgesetzte Objektivität vor sich, keine Mythologie, keine Bildwerke und Gestaltungen, die für ihren Ausdruck bereits fertig da lägen. Sie steht ganz frei, stofflos, rein schöpferisch und producirend, auf; es ist wie der Vogel, der frei aus der Brust sein Lied singt. Wenn nun aber diese Subjektivität auch von edlem Willen und tiefer Seele ist, so tritt doch in ihren Handlungen und deren Verhältnissen und Existenz nur die Willkürlichkeit und Zufälligkeit ein, da die Freiheit[10] und ihre Zwecke von der, in Betreff auf sittlichen Gehalt noch substanzlosen, Reflexion in sich selber ausgehen. Und so finden wir nicht sowohl in den Individuen ein besonderes Pathos im griechischen Sinn[1], und eine damit auf's engste zusammengeschlossene lebendige Selbstständigkeit der Individualität, als vielmehr nur Grade der Heldenschaft in Rücksicht auf Liebe, Ehre, Tapferkeit, Treue; Grade, in welche die Schlechtigkeit oder 〈171〉 der Adel[5] der Seele hauptsächlich Verschiedenheiten hereinbringt. ➢ Volltext.
[19] Heine, Romant. Schule (1836), 19: Die Poesie in allen diesen Gedichten des Mittelalters trägt einen bestimmten Charakter[1], wodurch sie sich von der Poesie der Griechen und Römer unterscheidet. In Betreff dieses Unterschieds nennen wir erstere die romantische[[4/8/13] und letztere die klassische[5/6/7] Poesie. Diese Benennungen aber sind nur unsichere Rubriken und führten bisher zu den unerquicklichsten Verwirrnissen, die noch gesteigert wurden, wenn man die antique[2] Poesie statt klassisch[5/6/7] auch plastisch[3/4/5] nannte. ➢ Volltext.
[20] Heine, Romant. Schule (1836), 21: Wenn Homer die Rüstung eines Helden schildert, so ist es eben nichts anders als eine gute Rüstung, die so und so viel Ochsen werth ist; wenn aber ein Mönch des Mittelalters in seinem Gedichte die Röcke der Muttergottes beschreibt, so kann man sich darauf verlassen, daß er sich unter diesen Röcken eben so viele verschiedene Tugenden denkt, daß ein besonderer Sinn[2] verborgen ist unter diesen heiligen Bedeckungen der unbefleckten Jungfrauschaft Mariä, welche auch, da ihr Sohn der Mandelkern ist, ganz vernünftigerweise als Mandelblüthe besungen wird. Das ist nun der Charakter[1] der mittelalterlichen Poesie, die wir die romantische[13/8] nennen. | 〈22〉 Die klassische[7/6] Kunst[3] hatte nur das Endliche darzustellen, und ihre Gestalten konnten identisch seyn mit der Idee des Künstlers. Die romantische[13/8] Kunst[3] hatte das Unendliche und lauter spiritualistische Beziehungen darzustellen oder vielmehr anzudeuten, und sie nahm ihre Zuflucht zu einem System tradizioneller Symbole, oder vielmehr zum Parabolischen, wie schon Christus selbst seine spiritualistischen Ideen durch allerley schöne Parabeln deutlich zu machen suchte. Daher das Mystische, Räthselhafte, Wunderbare und Ueberschwengliche in den Kunstwerken[3] des Mittelalters; die Phantasie[2] macht ihre entsetzlichsten Anstrengungen das Reingeistige durch sinnliche Bilder darzustellen, und sie erfindet die kolossalsten Tollheiten, sie stülpt den Pelion auf den Ossa, den Parcival auf den Titurel, um den Himmel zu erreichen. ➢ Volltext.
[21] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 295: Für sinnige Leserinnen sei hier noch bemerkt, daß unter so vielen Schriften, die mit mehr oder weniger Glück arkadisches Leben, arkadische Sitten schildern, das Werk eines fürstlichen Dichters, des verewigten Herzogs August von Sachsen-Gotha: „Ein Jahr in Arkadien,“ den ersten Rang mit einnimmt, und einen wahrhaft klassischen[7] Geist[12] athmet, während eine Unzahl den Griechen Theokrit nachahmender Idyllendichter den Schauplatz ihrer einschläfernden Poesien nach Arkadien, in das glückselige Schäferland verlegte, und die frischgrüne Trift der Dichtkunst damit unter Wasser setzte..
[22] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. II (1834), 38 f. (39): Beschreibung nennt man die Aufzählung der Merkmale 〈39〉 eines Gegenstandes, um selbigen von anderen unterscheiden zu können. Die Beschreibung kann entweder den Zweck haben, dem Verstande einen deutlichen Begriff[1] von Etwas zu geben, oder aber der Phantasie[1] ein schönes Bild vorzuführen. Im erstern Falle sind Wahrheit, Vollständigkeit, Genauigkeit Bedingung, weil sonst kein deutlicher Begriff[1] entstehen kann; im letztern kommt es darauf an, den todten Buchstaben[9] Leben und Frische einzuhauchen; sie ist die nahe Verwandte der Poesie und leiht sich von ihr die Farben, mit welchen sie ihre Kinder schmückt..
[23] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 433: Die Neigung zu rhetorischer Ausbildung des poetischen[4] Talentes ward noch vorherrschender während des siebenzehnten Jahrhunderts, dessen dichterische Erzeugnisse sich durch ein entschiedenes Streben nach Correktheit und Eleganz auszeichnen [...], und diese Richtung blieb auch, obwohl das eigentliche Wesen der Poesie sehr darunter litt, in der folgenden Zeit vorherschend, wo es durch Alexander Pope [...], einen eigentlich mehr geistreich als originell zu nennenden Dichter, der aber unbedingt als der correkteste Autor zu betrachten ist, welchen England aufzuweisen hat, die höchste Stufe erreichte. Es war in Hinsicht auf die Form eine wahrhaft klassische[3] Zeit[3] für die englische 〈434〉 schöne Literatur [...]..
[24] Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 67] (1810), 631: Wenn von der Musik als einer selbstständigen Kunst[2] die Rede ist, sollte immer nur die Instrumental-Musik gemeint seyn, welche, jede Hülfe, jede Beymischung einer andern Kunst[2] verschmähend, das eigenthümliche, nur in ihr zu erkennende Wesen der Kunst[2] rein ausspricht. Sie ist die romantischte[8] aller Künste[2], – fast möchte man sagen, allein rein romantisch[8]. – Orpheus Lyra öffnete die Tore des Orcus. Die Musik schliesst dem Menschen ein unbekanntes Reich auf; eine Welt, die nichts gemein hat mit der äussern Sinnenwelt, die ihn umgiebt, und in der er alle durch Begriffe bestimmbaren Gefühle zurücklässt, um sich dem Unaussprechlichen hinzugeben. Wie wenig erkannten die Instrumental-Componisten dies eigenthümliche Wesen der Musik, welche versuchten, jene bestimmbaren Empfindungen, oder gar Begebenheiten darzustellen, und so die der Plastik geradezu entgegengesetzte Kunst[2] plastisch[3] zu behandeln! Dittersdorfs Symphonien der Art, so wie alle neuere Batailles de trois Empereurs etc. sind, als lächerliche Verirrungen, mit gänzlichem Vergessen zu bestrafen. – In dem Gesange, wo die hinzutretende Poesie bestimmte Affecte durch Worte[2] andeutet, wirkt die magische Kraft der Musik, wie das Wunder-Elixir der Weisen, von dem etliche Tropfen jeden Trank köstlich und herrlich machen. Jede Leidenschaft – Liebe – Hass – Zorn – Verzweiflung etc. wie die Oper sie uns giebt, kleidet die Musik in den Purpurschimmer der Romantik[8], und selbst das im Leben Empfundene führt uns hinaus aus dem Leben in das Reich des Unendlichen. So stark ist der Zauber der Musik, und, immer mächtiger wirkend, müsste er jede Fessel einer andern Kunst[2] zerreissen. ➢ Volltext.
[25] Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 62] (1811), SW 1, 615: Mehrere Trauerspiele haben schon Ouvertüren erhalten, und der geniale Beethoven hat auch Collins Coriolan mit einer herrlichen Arbeit dieser Art ausgestattet – wiewohl Rez. gestehen muß, daß ihm Beethovens rein-romantischer[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Genius der Collinschen, meistens reflektierenden Poesie, nicht ganz befreundet zu sein scheint, und der Komponist dann erst mächtig die Seele ergreifen und ganz für die folgenden Erscheinungen aufregen würde, wenn es ihm gefiele, zu den, die Romantik[[[[BedeutungsVerweis ID='651' Anzeige='7' Formatierung='1']]]] im höchsten Sinn aussprechenden Trauerspielen Shakspeare's und Calderons Ouvertüren zu schreiben..
[26] Immermann, Epigon. (1836), W 2, 459: Ein Unterschied der modernen[1] Zeit[3] von der griechischen[2] besteht darin, daß unter uns Neueren[3] das wahrhaft geniale Schöne[2] fast immer im Gegensatze zu der herrschenden Stimmung erwächst, welche dagegen ihrerseits das als vorhanden zu präkonisieren [›auszurufen‹] pflegt, woran es ihr eben ganz gebricht. Dagegen ging in jener glücklichen griechischen[2] Periode das besondre Genie[2] der Künstler[1] aus dem allgemeinen Talente der Nation[1] hervor. Um an einem Beispiele meine Meinung klarzumachen, so glaubten wir an Klopstocks Oden, Bardieten und an den Nachahmungen derselben eine große vaterländische Poesie zu besitzen, und doch waren diese frostigen Exerzitien am allerfernsten von einer solchen..
[27] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 22: Denn wie das organische[3] Reich das mechanische aufgreift, umgestaltet und beherrschet und knüpft, so übt die poetische[4/1/3] Welt dieselbe Kraft an der wirklichen und das Geisterreich am Körperreich. Daher wundert uns in der Poesie[11/15/14] nicht ein Wunder, sondern es giebt da keines, ausgenommen die Gemeinheit. Daher ist – bey gleichgesetzter Vortrefflichkeit – die poetische[4/1/3] Stimmung auf derselben Höhe, ob sie ein ächtes Lustspiel oder ein ächtes Trauerspiel, sogar dieses mit romantischen[2/4] Wundern aufthut [...]..
[28] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 78 f. (79): Niemand klassifizieret so gern als der Mensch, besonders der deutsche. Ich werde mich im Folgenden in angenommene Abtheilungen fü〈79〉gen. Die breiteste ist die zwischen griechischer[2] oder plastischer[4] Poesie und zwischen neuer[5] oder romantischer[12/8] oder auch musikalischer[7]..
[29] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 79: [E]ntweder das Ideal herrschet im Objekte – dann ist die sogenannte ernste Poesie; – oder im Subjekt – dann wird es die komische; welche wieder in der Laune (wenigstens mir) lyrisch, in der Ironie[1] oder Parodie episch, im Drama als beides erscheint..
[30] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 120: Indeß kann dieß die große Absonderung der griechischen[2] und der romantischen[12] Poesie so wenig aufheben als die Wesenleiter der Thiere[1] deren Fach-ordnen..
[31] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 121: Ursprung und Karakter[1] der ganzen neuern[3] Poesie läßt sich so leicht aus dem Christenthum ableiten, daß man die romantische[12] ebensogut die christliche nennen könnte..
[32] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (21813), 149: Die orientalische Poesie ist weniger der griechischen[2], als der romantischen[12] durch die Vorliebe für das Erhabne und das Lyrische, und durch ihr Unvermögen in Drama und Charakteristik und am meisten durch die 〈150〉 orientalische Denk- und Fühlart verwandt. Nämlich ein Gefühl der irdischen Nichtigkeit des Schattengewimmels in unserer Nacht, Schatten, welche nicht unter einer Sonne, sondern wie unter Mond und Sternen geworfen werden, und denen das kärgliche Licht selber ähnlich ist, ein Gefühl, als würde der Lebenstag unter einer ganzen Sonnenfinsternis voll Schauer und Nachtgeflügel gelebt – ähnlich jenen Finsternissen wo der Mond die ganze Sonne verschlingt, und nur er selber mit einem strahlenden Ringe vor ihr steht – diese Denk- und Fühlart, welche Herder, der größte Abzeichner des Orients, dem Norden so nahe vorgemalt, mußte sich der romantischen[12] Dichtkunst auf einem Wege nähern, auf welchem das verschwisterte Christentum sie ganz erreichte und ausformte..
[33] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 715: In der Poesie wird das Romantische[3] [...] nur in einer üppigen und mannigfaltigen Umgebung gefunden..
[34] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 720: Wir finden in jeder Poesie[11] romantische[2] Partien. So fehlt es dem griechischen[2], als auch dem nordischen Fabelkreise nicht an reizenden romantischen[2] Einzelnheiten; nur der [sic] eigentliche vorherrschende Charakter[5], der [sic] wahre Geist[12] des Romantischen[2] findet man in den provenzalischen 〈721〉 Dichtern[3], und in dem Mythenkreise der eigentlichen alten[11] Ritterromane, der dem Süden von Europa angehört, und sich von da erst weiter ausgebreitet hat. Diesen romantischen[2] Geist[12] finden wir zuerste in Spanien und Frankreich. In Spanien verschaffte der Kampf der Christen mit den Mohren, das allmählige Aufkommen christlicher Königreiche, der romantischen[2] Poesie[1], Zunder und Nahrung; denn die ritterlichen Spiele und Thaten; die großen Feste, die unter verschiedenen Gestalten, bald in den geräumigen hochgewölbten Sälen der Palläste, bald im grünen Walde, unter dem schützenden Laubdache majestätischer Bäume abgehalten wurden, und woran Könige und Herzöge Theil nahmen, und sich mit den Rittern, Damen und Dichtern[1] unter Spiel und Gesang belustigten, trugen einen eigenen Zauber. [...] Hierzu kamen nun noch die Kreuzzüge, die gerade in jenen Ländern die meiste Theilnahme fanden, und das romantischste[2] Gemälde in der ganzen Geschichte[3] abgeben, woraus sich dann in Frankreich die schönen[1] Dichtungen von Carl dem Großen, seinen Pärs, seinen Kämpfen mit den Mauren etc. entfalteten. Von Frankreich und Spanien gelangte die Romantik[3] auch nach England und Deutschland. Im ersteren Reiche finden wir das echt Romantische[2] in dem Mythus vom fabelhaften König Uterpendragon, dem Erneurer des heiligen Graals, von Arthus etc. ausgebildet, und in Deutschland, im Süden desselben, geschah die Ausbildung des Romantischen[2], jedoch 〈722〉 nicht in dem Umfange, wie in Spanien, Frankreich und England, durch die Minnesänger..
[35] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 77 f. (78): [D]ieser Antonio ist mir sehr viel geworden! – Sein heitrer[4], umfassender Geist[18] zaubert eine schöne[1] Gegenwart um mich her, seine feurige Phantasie[3] trägt mich auf ihren Schwingen in das himmlische Land der Dichtung, wo alles auf ewig in dem entzückenden Duft jugendlicher Begeisterung[2] getaucht ist! – Und dahin will ich mich flüchten, aus dem öden verworrnen Gewebe irrdischer Pläne und Verirrungen, dahin auf ewig mit reinem, liebenden Herzen! Ich fühle es, ich muß 〈78〉 ihm alle meine Zweifel, meine Schmerzen, mein ganzes Leben muß ich ihm anvertrauen. – An den heitern[4] Sinn[7] dieses Mannes, schmiegt sich mein Herz vertrauungsvoll an, und die Welt lächelt mir neu[2] in dem Wiederschein seines Geistes[18]. Durch Antonio werde ich mit den schönsten[1] Erzeugnissen der Poesie[11/4] bekannt, die mir bis jetzt meist fremd[4] geblieben sind, und indem ich mich ganz dieser himmlischen, ewig in Morgenroth schimmernden Welt hingebe, und gar nicht mehr nach Deutlichkeit in der irrdischen strebe, geht eine neue[1] Wahrheit, ein neuer[1] Glanz in meiner Seele auf..
[36] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 76: Alle [...] Erklärungen der Poesie sind von ähnlichem Schlage: die Kritik[8] bleibt im ganzen genommen dabei stehn, eine gewisse größere Lebhaftigkeit, Bilderfülle oder das wahrzunehmen, was sie mit einem vielbeliebten Ausdruck Schwung nennt..
[37] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 230: Wenn also das häusliche Leben und das öffentliche von einander gerissen sind, wie in unserm Jahrhundert, wenn das Privatleben und die Poesie weichlich, ohnmächtig auf der einen Seite daniederliegt; das öffentliche Leben und seine Offenbarung, die Beredsamkeit, hart, steif und rauh auf abgesondertem Wege geht, so ist nichts gewonnen dadurch, daß man sie vermischt, aus der Beredsamkeit und Poesie[11], aus der Sitte und dem Gesetz ein drittes, geschlechtsloses zu bereiten sucht. Vielmehr, man muß sie sondern, ihre Eigenthümlichkeiten streng unterscheiden: in Ansehung der Poesie und der Beredsamkeit hat die Kritik[8] mir dieses wichtige Geschäft überlassen [›übriggelassen‹]..
[38] Novalis, Monolog (*1799), 2 f.: Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache[1] wie mit den mathematischen Formeln sey – Sie machen eine Welt für sich aus – Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur[1] aus und eben darum sind sie so ausdrucksvoll – eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnißspiel der Dinge. Nur durch ihre Freyheit[12] sind sie Glieder der Natur[2] u[nd] nur in ihren freyen Bewegungen äußert sich die Weltseele und macht sie zu einem zarten Maaßstab u[nd] Grundriß der Dinge. So ist es auch mit der Sprache[1] – wer ein feines Gefühl ihrer Applicatur, ihres Takts, ihres musicalischen[3] Geistes[12] hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer innern Natur[1] vernimmt, und darnach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird ein Profet sein, dagegen wer es wohl weis, aber nicht Ohr[3] u[nd] Sinn[5] genug für sie hat, Wahrheiten wie diese schreiben, aber von der Sprache[1] selbst zum besten gehalten u[nd] von den Menschen, wie Cassandra von den Trojanern, verspottet werden wird. Wenn ich damit das Wesen u[nd] Amt der Poësie auf das deutlichste angegeben zu haben glaube, so weiß ich doch, daß es kein Mensch verstehn kann, und ich ganz was albernes gesagt habe, weil ich es habe sagen wollen, und so keine Poësie[11] zu stande kömmt. Wie wenn ich aber reden müßte? und dieser Sprachtrieb zu sprechen das Kennzeichen der Eingebung der Sprache[1], der Wircksamkeit der Sprache[1] in mir wäre? und mein Wille nur auch alles wollte, was ich 〈3〉 müßte, so könnte dies ja am Ende ohne mein Wissen u[nd] Glauben Poësie seyn und ein Geheimniß der Sprache[1] verständlich machen? und so wär ich ein berufener Schriftsteller, denn ein Schriftsteller ist wohl nur ein Sprachbegeisterter? ➢ Volltext.
[39] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 99: Das Land der Poesie[14/11/1?] [⦿], das romantische[2/7/8/1?] Morgenland[2], hat euch mit seiner süßen Wehmuth begrüßt [...]..
[40] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 102: Für den Dichter ist die Poesie[11/2] an beschränkte Werkzeuge gebunden, und eben dadurch wird sie zur Kunst[2]. Die Sprache[1] überhaupt hat ihren bestimmten Kreis. Noch enger ist der Umfang einer besondern Volkssprache. Durch Übung und Nachdenken lernt der Dichter seine Sprache[3] kennen. Er weiß, was er mit ihr leisten kann, genau, und wird keinen thörichten Versuch machen, sie über ihre Kräfte anzuspannen. Nur selten wird er alle ihre Kräfte in Einen Punkt zusammen drängen, denn sonst wird er ermüdend, und vernichtet selbst die kostbare Wirkung einer gutangebrachten Kraftäußerung. Auf seltsame Sprünge richtet sie nur ein Gaukler, kein Dichter ab. Überhaupt können die Dichter nicht genug von den Musikern und Mahlern lernen. In diesen Künsten[2] wird es recht auffallend, wie nöthig es ist, wirthschaftlich mit den Hülfsmitteln der Kunst[2] umzugehn, und wie viel auf geschickte Verhältnisse ankommt. Dagegen könnten freylich jene Künstler auch von uns die poetische[2] Unabhängigkeit und den innern Geist[12] jeder Dichtung und Erfindung, jedes ächten Kunstwerks überhaupt, dankbar annehmen. Sie sollten poetischer[2] und wir musikalischer[4] und mahlerischer[3] seyn – beydes nach der Art und Weise unserer Kunst[2]..
[41] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 102: Die beste Poesie liegt uns ganz nahe, und ein gewöhnlicher Gegenstand ist nicht selten ihr liebster Stoff..
[42] Rottmanner, Krit. Jacobi (1808), 35 f. (36): Mit der Philosophie des Mittelalters endigt die ideelle Ansicht der Dinge, und unter der zahlreichen Menge der späteren Philosophen ist außer Spinoza und Leibnitz auch kaum Einer, der die Philosophie in ihrer höheren Bedeutung begriffen hätte. [...] Eine gleiche Todtengestalt tritt dir in der Kunst[12] der neueren[9] Geschichte[3] entgegen. Sie hat entweder die Absicht zu nützen oder zu gefallen, und richtet sich wie alles andere nach den Aussprüchen des für sich allein gebietenden Verstandes[1]. Jenen heiligen Sinn[1/9], jene zauberische Gluth der Phantasie[20/21] und Liebe, die Kraft 〈36〉 und kindliche Einfalt der romantischen[13] Poësie suchst du in diesem Zeitraume vergebens..
[43] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 443 f. (444): Nur der Katholicismus lebte in einer mythologischen Welt. Daher die Heiterkeit[4] der poetischen[4] Werke, die in dem Katholicismus selbst entsprungen sind, die Leichtigkeit und Freiheit[13] der Behandlung dieses – ihnen natürlichen[3] – Stoffes, fast wie die Griechen ihre Mythologie behandelt haben. Außer dem Katholicismus kann fast nur Unterordnung unter den Stoff, gezwungene Bewegung ohne Heiterkeit[4] und bloße Subjektivität des Gebrauchs erwartet werden. Ueberhaupt wenn eine Mythologie zum Gebrauch herabgesunken, z. B. der Gebrauch der alten[10] Mythologie in den Modernen[1], so ist dieser, eben weil bloß Gebrauch, bloße Formalität; sie muß nicht auf den Leib passen, wie 〈444〉 ein Kleid, sondern der Leib selbst seyn. Selbst die vollendete Dichtung im Sinn der rein-mystischen Poesie würde eine Absonderung im Dichter, sowie in denen, für welche er dichtet, voraussetzen, sie wäre nie rein, nie aus dem Ganzen der Welt und des Gemüths gegossen. ➢ Volltext.
[44] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 645: Der Geist[12] der modernen[1] Zeit[3], der im Allgemeinen schon früher dargestellt worden ist, bringt die Beschränkung der modernen[1] Lyrik in Ansehung der Gegenstände mit sich. Bild und Begleitung eines öffentlichen und allgemeinen Lebens – eines Lebens in einem organischen[6] Ganzen – konnte die Lyrik in den modernen[1] Staaten nicht mehr werden. Es blieben für sie keine andern Gegenstände als entweder die ganz subjektiven, einzelne momentane Empfindungen, worein sich die lyrische Poesie auch in den schönsten Ergüssen der spätern Welt verloren hat, und aus denen nur sehr mittelbar ein ganzes Leben hervorleuchtet, oder dauernde auf Gegenstände sich beziehende Gefühle, wie in den Gedichten des Petrarca, wo das Ganze wieder eine Art von romantischer[1] oder dramatischer Einheit wird. ➢ Volltext.
[45] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 680: Der Roman[1] des Cervantes ruht also auf einem sehr unvollkommenen, ja verrückten Helden, der aber zugleich so edler Natur[1] ist [...], daß ihn keine Schmach, die ihm widerfährt, eigentlich herabwürdiget. An diese Mischung (in Don Quixote) ließ sich eben das wunderbarste und reichste Gewebe knüpfen, das im ersten Moment so anziehend wie im letzten stets den gleichen Genuß gewährt und die Seele zur heitersten[4] Besonnenheit stimmt. Für den Geist[19] ist die nothwendige Begleitung des Helden, Sancho Pansa, gleichsam ein unaufhörlicher Festtag; eine unversiegbare Quelle der Ironie[1] ist geöffnet und ergießt sich in kühnen Spielen. Der Boden, auf dem das Ganze geschieht, versammelte in jener Zeit[3] alle romantischen[3] Principien, die es noch in Europa gab, verbunden mit der Pracht des geselligen Lebens. Hierin war der Spanier tausendfältig vor dem deutschen Dichter begünstigt. Er hatte die Hirten, die auf freiem Felde lebten, einen ritterlichen Adel[2], das Volk[1] der Mauren, die nahe Küste von Afrika, den Hintergrund der Begebenheiten der Zeit[3] und der Feldzüge gegen die Seeräuber, endlich eine Nation[1], unter welcher die Poesie populär ist – selbst malerische[4] Trachten, für den gewöhnlichen Gebrauch die Maulthiertreiber und den Baccalaureus von Salar. ➢ Volltext.
[46] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 683: Wir haben den Kreis der epischen Formen, wiefern sie im Geist[12] der modernen[1/8?] und romantischen[1/13?] Poesie möglich sind, durchlaufen. ➢ Volltext.
[47] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 718: Das Tragische und Komische könnte entweder im Zustand der Vollkommenheit, nicht aufgehobenen Indifferenz dargestellt seyn, dann aber müßte die Poesie weder als tragisch noch als komisch erscheinen; es wäre eine ganz andere Gattung, es wäre die epische Poesie. In der epischen Poesie sind die beiden Elemente, die sich in dem Drama streitend entzweien, – nicht vereinigt, sondern überhaupt noch nicht getrennt. Die Mischung beider Elemente auf solche Art, daß sie überhaupt nicht getrennt erschienen, kann also nicht die Eigentümlichkeit der modernen[1] Tragödie seyn. Es ist vielmehr eine Mischung, worin beide bestimmt unterschieden werden, und so daß der Dichter in beiden sich gleich als Meister zeigt, wie Shakespeare, der die dramatische Stärke nach beiden Polen hin concentrirt, und der erschütternde Shakespeare ist im Fallstaff und im Macbeth. | Indeß können wir doch diese Mischung entgegengesetzter Elemente als ein Zurückstreben des modernen[1] Drama zum Epos, ohne deßwegen 〈719〉 Epos zu werden, betrachten; sowie dieselbe Poesie dagegen im Epos durch den Roman[1] zum Dramatischen strebt, und also von beiden Seiten die reine Begrenzung der höheren Kunst[12] aufhebt. | Es ist zu dieser Mischung nothwendig, daß dem Dichter das Tragische und Komische nicht nur massenweise, sondern auch in seinen Nuancen zu Gebot stehe, wie dem Shakespeare, der im Komischen zart, abenteuerlich[3] und witzig zugleich, wie im Hamlet, und derbe (wie in den Fallstaffschen Stücken) ist, ohne jemals niedrig zu werden; sowie er dagegen im Tragischen zerreißend (wie im Lear), strafend (wie im Macbeth), schmelzend, rührend und beruhigend, wie in Romeo und Julie und mehreren gemischten Stücken ist. ➢ Volltext.
[48] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 730: Die Construktion des Ganzen ist [bei Calderon] rationeller, in einem Maß wie man es der modernen[1] Poesie wahrscheinlich nicht zugetraut hätte, wenn man ihren Charakter[1] allein von Shakespeare abstrahirte. Die zerstreuten Principien der romantischen[12] Gattung hat Calderon in eine strengere Einheit gefaßt, die sich der wahren Schönheit[6] nähert. ➢ Volltext.
[49] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 31: Je nachdem [...] die Poesie[1] entweder einen bestimmten Gegenstand nachahmt, wie die bildenden Künste[2] thun, oder je nachdem sie, wie die Tonkunst, bloß einen bestimmten Zustand des Gemüths hervorbringt, ohne dazu eines bestimmten Gegenstandes nöthig zu haben, kann sie bildend (plastisch[3]) oder musikalisch[7] genannt werden. Der letztere Ausdruck bezieht sich also nicht bloß auf dasjenige, was in der Poesie[11], wirklich und der Materie nach, Musik[5] ist, sondern überhaupt auf alle diejenigen Effekte derselben, die sie hervorzubringen vermag, ohne die Einbildungskraft durch ein bestimmtes Objekt zu beherrschen; und in diesem Sinne[1] nenne ich Klopstock vorzugsweise einen musikalischen[7] Dichter..
[50] Schiller, an Chr. G. Körner (3. 7. 1800), NA 30, 168: Die spanische Litteratur wird Dir gewiß eine sehr anziehende Beschäftigung geben, wenn Du Dich mit der romantischen[12/2/15] Poesie[11] vertragen kannst. Sie ist freilich das Produkt eines andern Himmels und einer ganz andern Welt. Für unsre deutsche Poesie[1] glaube ich nicht soviel Ausbeute darinn finden zu können als Du hoffst, weil wir einmal mehr philosophische Tiefe und mehr Wahrheit des Gefühls als Phantasiespiele lieben. Neuerdings hat Tiek in seinen romantischen[2] Dichtungen diese Gattung wieder angeregt und mit vielem Glück. Seine Genoveva ist wohl schon in Deinen Händen. Auch die Schlegels geben sich jezt viel mit der spanischen Litteratur ab, nach ihrer Art, aber durch ihre Einseitigkeit und Anmaßung verderben sie einem gleich die Lust..
[51] A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 171: Der jüngste und gewaltigste unter den Heymonskindern, Reynold, ist Ariosto's Rinaldo, [...] und sein Pferd Bayart, das in der Geschichte eine so große Rolle spielt, [...] ist derselbe Bayardo, der gleich zu Anfang des Orlando furioso so klug, gewandt und stark erscheint. Hat dieß treffliche Roß etwa keinen Karakter[2], weil die Motive seiner Handlungen nicht gründlich genug nach der Pferdepsychologie zergliedert worden sind? Das ist nun so die Art der Poesie, daß sie die lebendigen Kräfte hinstellt, unbekümmert um das Problem, warum ihre Eigenthümlichkeit grade diese und keine andre ist. Wenn nicht ein geheimer Grund zu einem bestimmten Daseyn in ihnen läge, so waren es ja eben keine Naturen[10]. ➢ Volltext.
[52] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 9: Die Zeichen der Sprache[1] haben nur mit dem Hörbaren eine unmittelbare Ähnlichkeit. Da das sich Bewegende auch meistens hörbar ist, so geht die Bezeichnung natürlich[4] vom Hörbaren aus. Weil aber der Mensch mit der Sprache[1] immerfort darzustellen strebt, so muß er, was in andere Sinne[4] fällt, durch übertragene Ähnlichkeit anderer Sinne[4] bezeichnen. | Die Erweiterung der Sprache[1] setzt eine ununterbrochene Kette von Vergleichungen voraus; die früheste Sprache[1] ist daher im höchsten Grade tropisch und bildlich, d. h. poetisch[6]. Poesie[8] ist bildlich anschauender Gedankenausdruck. [...] Tropen und Metaphern[1], der schönste Schmuck der Poesie[11], waren Kinder der Poesie[8]; die bildliche Benennung war eher als die (unbildliche, wesentliche) einfache..
[53] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 68: Tasso, Gierusalemme liberata, dichtete nach dem Ariosto, der ein äußerst glänzendes romantisches[12/2/7/8] Rittergedicht geschrieben hatte; nach dem Muster Homers und Virgilius' wollte er schreiben, aber die romantische[12/2/7/8] Poesie hatte zu großen Einfluß auf sein Gedicht. Das Ritterwesen, wobei sich das Feenhafte, Wunderbare mit einmischte (Zauberwesen), bekommt hier, da ihm eine große Keuschheit und Heiligkeit verliehen ist, einen großen Zauber, und zweitens das Katholische gab seinem Gedichte große Eigentümlichkeiten [...]..
[54] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
[55] A. W. Schlegel, an Goethe (4. 2. 1799), KW, 83: Voß besitzt bey der Vertrautheit mit dem Buchstaben[8] der alten[10] Poesie 〈84〉 doch gar zu wenig von ihrem Geiste[12]..
[56] A. W. Schlegel, Entw. Krit. Inst. (*1800), SW 8, 51 ff. (52): Ebenso soll die Allgemeinheit, die wir suchen, nur darin be〈52〉stehen, daß wir dasjenige umfassen, was wirklich einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt hat, also was den Menschen als Menschen interessiert und einen integrierenden Theil der gesamten höheren Geistesbildung ausmacht. Hiedurch sind also ausgeschlossen alle Bücher, die bloß empirische Data oder positive Sätze ohne Beziehung auf ein System oder Herleitung aus Principien zusammentragen, ingleichen alle bloß technischen Kenntnisse, die lediglich durch ihre Verwendung zu einem bedingten Zwecke einen Werth erhalten. | Unsre Gegenstände würden also folgende sein: | 1) Philosophie in ihrem weitesten Umfange. | 2) Naturwißenschaft. Da alle Naturbeobachtung, die den Namen verdienen kann, zu allgemeinen Naturgesetzen hinstrebt und die Spekulation über die Natur[2] ihre Sätze bis in die speciellste Erfahrung hinein bewährt wißen will, so würde sich die Kritik[7] sowohl über empirische als spekulative Physik verbreiten müßen, und es könnte nicht leicht zu viel in diesem Fache geschehen, da das Interesse des Zeitalters vorzüglich darauf gerichtet ist. [...] | 3) Von der Geschichte[4] dasjenige, was durch seinen Inhalt oder durch seine Form unmittelbaren Werth und Interesse hat und diese nicht erst durch äußerliche Brauchbarkeit erhält: also alles zur Geschichte[4] der Menschheit[1] Gehörige, dann historische Kunstwerke[4]. | 4) Von der Philologie: philosophische Grammatik und Beurtheilung der einzelnen Sprachen[3] nach Principien derselben, philologische Kritik[1] und Auslegungskunst. | Das Studium des klassischen[7] Alterthums[2] fällt unter die beiden vorhergehenden Rubriken, deren Bestimmung ausweist, was davon hier behandelt werden soll. Nur insofern sein Inhalt einen Theil der Kulturgeschichte ausmacht, gehört es in das historische Fach; seine Methode, Hülfsmittel u. s. w. in das philologische oder grammatische. | 5) Schöne[2] Kunst[9] und Theorie derselben. | Poesie in ihrem weitesten Umfange, Beredsamkeit nach ihrer 〈53〉 richtigeren Bestimmung, als schöne[2] Komposition in Prosa[1], und überhaupt was zur schönen[2] Litteratur gerechnet wird, würde den Hauptartikel in dieser Rubrik ausmachen. .
[57] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 195: Höchst wesentlich ist für die Kunstgeschichte die Anerkennung des Gegensatzes zwischen dem modernen[1] und antiken[2] Geschmack. [...] Man hat den Charakter[1] der antiken[2] Poesie mit der Bezeichnung classisch[3/5/7], den der modernen[1] [als] romantisch[12/4/11] bezeichnet; [...] sehr treffend. Es ist eine große Entdeckung für die Kunstgeschichte daß dasjenige, was man bisher als die ganze Sphäre der Kunst[3] betrachtete (indem man den Alten[10] die uneingeschränkte Autorität zugestand) nur die eine Hälfte ist: das classische[7] Alterthum[2] kann dadurch weit besser verstanden werden als aus sich allein..
[58] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 196: So kann man sich die antike[2] Poesie als den einen Pol einer Magnetischen Linie denken, die romantische[12] als den andern [...]. Freylich wird unsre historische Kenntniß nie vollendet, es muß immer durch Divination ergänzt werden. Es könnte sich in der Folge offenbaren, daß das, was wir jetzt als den andern Pol betrachten, nur ein Übergang, ein Werden sey, (welcher Charakter[1] sich sogar mit Wahrscheinlichkeit in der romantischen[12/14/11] Poesie aufweisen läßt) und die Zukunft also erst das der antiken[2] Poesie entsprechende und ihr entgegengesetzte Ganze liefern werde..
[59] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 364: Ein [...] Abweg ist es, wenn der Mahler moralisiren will, und statt uns zu belustigen, die Häßlichkeit und Ausartung zur Warnung und zum Abscheu aufstellt. Dieses war einem Zeitalter aufbehalten, welches auch in der Poesie aus den Darstellungen des wirklichen Lebens, Romanen und Komödien, die heitre[5] Freyheit[13], den fantastischen[2] Leichtsinn und somit allen poetischen[3] Zauber verbannte, und ihm den peinlichen Trübsinn psychologischer Zergliederungen und moralischer Hinweisungen substituirte. Hogarth war es, der diese durchaus falsche und werthlose Gattung vollendete, und dabey in allen Theilen der Mahlerey ein Erzstümper war. Dieß sah Walpole, wiewohl sein Freund, dennoch ein, und will ihn zwar nicht für einen Mahler, aber für einen geistreichen Komödienschreiber mit Reißfeder und Grabstichel angesehen wissen. Doch dieß Urtheil ist immer noch zu günstig; vielmehr war er ein ernsthafter Satyrenschreiber, dessen Produkten es zwar nicht an beißendem Witz[4], aber an allem Scherz und Fröhlichkeit fehlt..
[60] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
[61] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 461 f.: Weit reiner [findet sich die Scheidung der Dichtarten] in der antiken[2] Poesie, weswegen diese vorzugsweise als Kunst[9] 〈462〉 und classisch[5] erscheint. In der romantischen[12/4] Poesie eine unauflösliche Mischung aller poetischen[4] Elemente. Daher daß man sie verkennt. Die eigentlichen Originalwerke der Neueren[3] ganz übersehen, die schlechten Nachahmungen der Alten[10] als das Wichtigste gepriesen. Keinen Sinn[5] für das Chaos. 〈Auch das Universum bleibt der höhern Ansicht immer noch Chaos.〉 Das Streben nach dem Unendlichen ist in der Romantischen[12/4/11] Poesie nicht bloß im einzelnen Kunstwerke[3] ausgedrückt, sondern im ganzen Gange der Kunst[3]. Gränzenlose Progressivität..
[62] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 486: Und was sind die Gegenstände der vorzüglichsten Liebhaberey? Romane, dann Schauspiele, Taschenbücher, Journale und für etwas gelehrtere Leser literarische Zeitungen. Die beyden ersten Namen bezeichnen freylich die wichtigsten Gattungen der romantischen[12/14/7] Poesie, aber diese ist hier gänzlich abwesend..
[63] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 545 f. (546): Die Neueren[3] haben sich die Kunstausdrücke der Alten[10] von den Gattungen angeeignet, oft aber etwas ganz anderes damit gemeynt. Zuweilen haben sie aber auch die Poesie[1] auf gelehrte Weise getrieben, und sind von der Nachahmung der Alten[10] ausgegangen. Die so entstandnen Werke werde ich, da man sie wegen ihres oft großen Ansehens bey geringem eigenthümlichen Werth und Geist[12], nicht ganz übergehen kann, bey Abhandlung der Griechischen[2] Vorbilder ebenfalls anfügen, um 〈546〉 bey der neueren[3] Poesie[11] die Entwicklung des Romantischen[4] so wenig als möglich zu unterbrechen. Ich nehme den Fall aus, wo ein Werk zwar mit der Intention entworfen worden, classisch[5] zu seyn, wo aber doch romantische[4] Elemente sich ihm eingemischt haben, und vielleicht das beste darin sind, wie es z. B. mit Tasso's befreytem Jerusalem der Fall ist. 〈Tasso hatte nächst dem Virgil wohl den sehr romantischen[4] Camoens vor Augen, und wirkte wieder auf den gar nicht romantischen[4] Milton.〉.
[64] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 550: Die Entstehung jener gewissermaßen unregelmäßigen aber unendlich reizenden Mannichfaltigkeit in der Sprache[3] muß man sich so denken, daß bey den vielen kleinen Völkerschaften, worein sich der Griech.[ische] Völkerstamm spaltete, bey den einen diese Formen, Ausdrücke und Sprecharten aufgekommen waren, bey andern jene; und daß bey nachher erfolgter Vermischung von allen etwas beybehalten ward. Wir werden durch diese Bemerkung auf einen Punkt geführt, der für die gesamte Griechische Bildung[5] äußerst wichtig ist: daß nämlich die Lage dieser Nation[1] ganz dazu eingerichtet war, daß sie sich aufs mannichfaltigste individualisiren, und dann wieder durch lebhaften Verkehr, das Individuelle zu einem allgemeineren Charakter[1] verschmelzen mußte. Man sehe nur auf der Landcharte den Erdstrich an, welchen die Griechen inne hatten. Auf einer weiten ununterbrochnen Ebne hätten sie schwerlich das werden können, was sie wurden, und wären vielleicht, wie andre Nationen[1] in Asien unter einer despotischen Regierungsform auf einer sehr niedrigen Stufe für immer fixirt geblieben. [...] 〈550〉 [...] | Bey einer solchen Nation[1] mußten natürlicher[4] Weise Dialekte[1] entstehen: bey den Griechen allein aber (unter den Nationen[1] wenigstens, die wir bey solchen Betrachtungen vor Augen zu haben pflegen) haben wir die Erscheinung, daß die Dialekte[1] nicht bloß untergeordnete, mehr oder weniger rohe oder verderbte, Abarten einer vollkommneren Hauptsprache blieben, sondern sich zu einem bestimmten im Verhältniß gegen die übrige Nation[1] gültigen Charakter[1] entwickelten, und nicht bloß im gemeinen Leben, sondern auch in der Schrift gebraucht wurden, ja in verschiednen Gattungen der Poesie kunstmäßig gebraucht werden mußten. ➢ vgl. [92].
[65] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 709: Die neueren[3] Theoristen haben sich vielfältig mit dem Lehrgedicht herumgeschlagen: einige haben es viel zu wichtig genommen, andre [...] haben es mit Unrecht ganz verworfen und aus dem Gebiet der Poesie verwiesen. Das versteht sich von selbst, daß, wenn man das höchste in ihr sucht, von technischen Lehrgedichten gar nicht die Rede seyn kann; auch leuchtet es sogleich ein, daß das Ganze solcher Werke nicht poetisch[1] ist, sondern nur logisch zusammengehalten wird; dieß verhindert aber nicht die Ächtheit der einzelnen poetischen[4] Elemente, die daran sehr schätzbar seyn können. Die Poesie hat, wie jede andre Kunst[2], ihren Geist[12] und ihren Buchstaben[8]: sollte es nicht erlaubt und vortheilhaft seyn zuweilen auch den Buchstaben[8] isolirt, ohne den Geist[12], zu bearbeiten und auszubilden. Freylich muß es alsdann mit tüchtiger Gründlichkeit und Meisterschaft geschehen [...]..
[66] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 763: Doch sind in so fern die gemischten Gattungen merkwürdig, um zu sehen, wie auch in ihnen die classische7] Poesie ihre Gesetzmässigkeit behauptet. Das Verhältniß der Elemente war wenigstens genau bestimmt: zwischen der Komödie und der Tragödie lag diese Spielart doch der letzten näher; denn bey der Einseitigkeit der alten[10] Meister, die sich gewöhnlich nur in einer Gattung hervorthaten, verfertigten bloß die Tragiker satyrische Dramen, niemals aber die Komiker, wie es denn für ausgemacht unmöglich gehalten wurde, zugleich Komiker und Tragiker zu seyn..
[67] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 773: Prosaische[1] Theile in komischen Partien Romantischer[12] Dramen. Sehr zu billigen. Alte[10] Poesie[11]: Reine Sonderung der Kunst[13] und Natur[19]; verlor sich also in der Prosa[1], ohne den Rückweg zur Poesie[3] finden zu können. Romantische[12/10] Poesie[11]: unauflösliche Verschmelzung von Kunst[13] und Natur[19]. Also Prosa[1] schon als ursprünglicher Bestandtheil aufgenommen..
[68] A. W. Schlegel, Ank. Bernhardi [Sprachl.] (1803), 199: Von den einzelnen Lauten wird der Uebergang zur Prosodie, zur Quantität und dem Accent, als den sich entgegenstehenden Principien der antiken[2] und modernen[1] Verskunst, gefunden. Ueber diesen Gegensatz bin ich mit dem Verf. willig einverstanden, auch darüber, daß die Metrik eine nicht auf Erfahrung ruhende Gesetzmäßigkeit habe und haben müsse. Unstreitig waren sowohl die griechischen[2] Dichter als die Stifter der romantischen[12] Poesie im Besitz eines solchen Systems, und es kommt bloß darauf an, ihre Praxis gehörig zu verstehen und es daraus zu entwickeln. ➢ Volltext; vgl. [91].
[69] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 77 f. (78): Europa, be〈78〉stimmt, nur eine einzige große Nation[1] auszumachen, wozu auch die Anlage im Mittelalter da war, spaltete sich in sich: das wissenschaftliche Streben zog sich nach Norden, die Kunst[4] und Poesie blieb im Süden; und da ohne die Reformation Rom verdienter Maßen der Mittelpunkt der Welt geblieben wäre, und die ganze europäische Bildung[5] italiänische Farbe und Gestaltung angenommen hätte, so gaben jetzt Frankreich und England den Ton an, und unnatürlich verbreitete sich von daher aus der Westwelt vieles auch über Deutschland, den eigentlichen Orient[2] von Europa. ➢ Volltext.
[70] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 4: Den Zweifel, welcher sich hier und da noch regt, ob es denn wirklich eine romantische[12], d. h. eigenthümlich moderne[1], nicht nach den Mustern des Alterthums[3] gebildete, und dennoch nach den höchsten Grundsätzen für gültig zu achtende, nicht bloß als wilde Naturergießung zum Vorschein gekommene, sondern zu ächter Kunst[3] vollendete, nicht bloß national und temporär interessante[1], sondern universelle und unvergängliche Poesie gebe: diesen Zweifel [...] hoffe ich befriedigend zu heben..
[71] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 7: [D]ie ältere[1] romantische[12] Poesie schreibt sich aus diesem Zeitraume [Mittelalter] her, und die spätere ist wahrlich nicht dadurch romantisch[12/7], daß sie in die neue[5] Zeit[3] fällt, sondern vielmehr, weil sie sich an die Gesinnung der ritterlichen Zeit[3] anschließt [...]..
[72] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 8: Übrigens liegt unserm Geist[14] und Gemüth unstreitig die romantische[13] Poesie näher als die classische[7] [...]..
[73] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 12: Romanisch[1], Romance, nannte man die neuen[3] aus der Vermischung des Lateinischen mit der Sprache[3] der Eroberer entstandnen Dialekte[1]; daher Romane[1], die darin geschriebnen Dichtungen, woher denn romantisch[1/12/4] abgeleitet ist, und ist der Charakter[1] dieser Poesie Verschmelzung des altdeutschen mit dem späteren, d. h. christlich gewordnen Römischen, so werden auch ihre Elemente schon durch den Namen angedeutet..
[74] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 14: Wenn [...] in einer allgemeinen Geschichte[7] der romantischen[12] Poesie die Deutschen eine so unansehnliche Rolle spielen, ja fast daraus verschwinden, wenn wir besonders keine romantischen[12] Künstler aus der Vorzeit aufzuweisen haben, die sich den großen entgegenstellen ließen, worauf andre Nationen[1] seit Jahrhunderten stolz sind: so können wir uns damit trösten, daß unter der allgemeinen prosaischen[3] Erstorbenheit bey uns zuerst das Gefühl für ächte Poesie wieder erwacht ist; daß wir mitlebende Künstler besitzen, die nicht nur den alten[10] Meistern mit Glück nachfolgen, sondern etwas eigenthümliches wollen und anstreben, und eine noch nicht erreichte Stufe zu ersteigen, einen neuen[1] Styl der romantischen[12] Kunst[3] zu bilden angefangen haben, wie ihn die Wendungen fodern, welche der menschliche Geist[10] seitdem genommen, besonders die tiefere Ergründung seiner selbst; Künstler sage ich, die selbstständig und originell noch unerforschte Geheimnisse des menschlichen Gemüthes, dieses unerschöpflichen Räthsels, zu offenbaren wissen..
[75] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 35: [B]is jetzt kann man nur zwey große epische Compositionen nenen, die ganz und gar Deutschen Ursprungs sind: ich meyne das Lied der Niebelungen und das Heldenbuch, von denen ich mir vorbehalte, wegen ihrer Vortrefflichkeit und Merkwürdigkeit, unter den Quellen der romantischen[12] Poesie ausführlich zu reden..
[76] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 39: Mit einem Wort[2], es folgte auf die idealische Weltansicht des Ritterthums und seiner Galanterie ein derber Realismus: vielleicht kann man diese Zusammenstellung als ein allgemeines Gesetz, wenigstens im Gange der romantischen[12/10/11] Poesie ansehen, da in dieser die Ironie[1] zu Hause ist..
[77] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
[78] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 63: Bis hieher hätte ich also dargethan, wie alle unsre Dichter in so fern gelehrt oder literarisch zu Werke gingen, daß sie fremde[1] Muster vor Augen hatten; und zugleich wie diese entweder nicht die rechten waren, oder von ihnen verfehlt wurden. Es trat aber eine Classe[1] von Schriftstellern auf, welche behaupteten, die Poesie[1] solle gar keine Kunst[1], sondern ein bestimmungsloser fast unbewußter Erguß der Natur[15] seyn. Der Irrthum lag darin, daß sie die Entgegensetzung von Kunst[1] und Natur[15] als absolut fixirten, und sie nicht zu synthesiren wußten, da doch ächte vollendete Poesie[11] eben so sehr Kunst[9] als Natur[10] seyn muß, und eins immer in das andre übergeht..
[79] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 79: Merkwürdig ist die in der Heraldik liegende Naturanschauung, wie sie [...] gleich der romantischen[12/10] Poesie[7/11] das entfernteste, z. B. Sterne und Blumen paart u. s. w..
[80] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 123: Die Darstellung des Ringens der himmlischen und höllischen Mächte um eine menschliche Seele ist eine eigenthümliche Schönheit der christlichen romantischen[12] Poesie..
[81] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
[82] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 130: Unter den Quellen der romantischen[12] Poesie und ihren früheren Naturproducten haben wir bis jetzt von allem demjenigen geredet, was zusammen die romantische[12] Mythologie ausmacht, und als Stoff einer höheren Ausbildung in andern Formen empfänglich war, wo also besonders Erfindung der Begebenheiten und Geist[12] der Composition im Ganzen in Betracht kam. Hierher gehörten die Rittergedichte, welche nachher zum Teil in Prosa[1] aufgelöst im Druck erschienen [...]. [...] Endlich die eigentliche Volkspoesie der vorigen Jahrhunderte, worunter besonders die Romanze, als reichhaltigen poetischen[4] Stoff in der einfachsten Gestalt darbietend, hervorsticht [...]. Mit dieser kamen wir bis auf ziemlich moderne[8] Zeiten[3] herunter, die [...] schon ziemlich weit über die Epoche der romantischen[12] Kunstpoesie hinübergreifen. Wir müssen jetzt in der Zeit[1] beträchtlich wieder zurückgehn, um auf eine Classe[1] von Dichtern zu kommen, deren Hervorbringungen weniger durch den Inhalt, [...] als durch die Formen Vorbilder für die romantische[12] Kunst[3] geworden sind: ich meyne die Provenzalischen Troubadours..
[83] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
[84] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
[85] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 176: Unläugbar ist es, daß alle drey [sc. Dante, Petrarca, Boccaccio] auf ein Ideal der Weiblichkeit ausgehen, jeder auf seine Weise, und daß dies ein Mittelpunkt ihrer Poesie ist. Daß die drei Häupter der romantischen[12] Kunst[12] hierin zusammentreffen, ist gewiß nicht zufällig, und man [darf] wohl für das Ganze der romantischen[12] Poesie eine besondre Vorliebe des weiblichen Geschlechts hoffen, da diesem in der antiken[2] Poesie immer Unrecht geschieht, indem die idealischen Darstellungen von Frauen (z. B. eine Elektra, Antigone) in den männlichen Charakter[1] übergehen, die weib〈177〉lichen aber nicht idealisch sind..
[86] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 184: Wir haben zwar classische[7/5/6] und romantische[12/4/8] Poesie einander von jeher in diesen Vorträgen entgegengesetzt, aber keine Trennung ist so absolut, daß nicht Elemente des Getrennten sich auf beyden Seiten finden sollten, nur daß sie in verschiedner Rangordnung hervortreten oder zurückstehen. Wir haben schon mehrmals bemerkt, daß einzelne Dichter[3], ja ganze Gattungen der antiken[2] Poesie, welche nach den classischen[7/5/6] Gesetzen beurtheilt, nicht bestehen können, ein dem unsrigen sich annäherndes Streben verrathen, nur freylich unreif und nicht mit gehöriger Reife entfaltet..
[87] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 194: Der letzte Schluß der romantischen[12/2] Poesie. Gozzi knüpft sich an nichts an. Hätte ohne den Calderon zu kennen nicht so viel geleistet..
[88] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 159: Endlich verbreitete sich eben von dem ehemaligen Mittelpunkte aus, von dem nun in anderer Gestalt weltbeherrschenden Rom, [...] eine gemeinschaftliche Religion, das Christenthum. Aus der Synthesis der kernigten und redlichen Tapferkeit des Nordens mit diesem religiösen orientalischen Idealismus ging der14 hervor, eine glänzende und bisher in der Geschichte beyspiellose Erscheinung, die sich in der [...] romantischen127810
[89] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 217: Überhaupt muß man sich hüten, von der großen Rolle Frankreichs im modernen Europa auf die früheren Zeiten zurückzuschließen. Hier mußte es sehr gegen Deutschland zurückstehen. Denn zuvörderst war es in zwey ganz verschiedne Sprachen[3] getheilt, die Französische und Provenzalische, und schon deswegen erscheinen die Franzosen weniger als Eine Nation[1]. Das Französische blieb lange ein unförmlicher widerwärtiger Dialekt[1], während das Provenzalische durch liebliche Poesie ausgebildet, weit höher geschätzt und im Auslande verbreitet war. Es ist eigentlich ein zufälliger und für die National-Cultur unstreitig sehr nachtheiliger Umstand, daß dieser nördlichere dürftige Sprößling des Lateinischen zur herrschenden Sprache[3] erhoben worden; wenn die Krone an ein südliches Fürstenhaus gekommen wäre, so würde es wahrscheinlich umgekehrt ergangen seyn, und man würde das Französische jetzt nur als ein unbedeutendes Patois kennen..
[90] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 280: Es ist merkwürdig, daß, da die Alten[10] die schöne[2] Kunst[1] in die Historie hineintrugen, bey den Neueren[3] hingegen die Historie in die Poesie hinübergezogen worden ist: daß sich die romantische[12] Poesie die Aufgabe gemacht, die Historie ganz der Wahrheit gemäß und doch zum Ausdruck einer Idee zu gestalten..
[91] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 309: Die Metrik hat aber allerdings eine nicht auf Erfahrung ruhende Gesetzmäßigkeit, und kann im allgemeinen a priori gelehrt werden nur daß dann die näheren Bestimmungen aus der individuellen Natur[1] jeder Sprache[3] zu entlehnen sind. Unstreitig waren sowohl die Griechischen[2] Dichter als die Stifter der romantischen[12] Poesie im Besitz eines solchen reinen Systems und es kommt bloß darauf an, ihre Praxis gehörig zu verstehen und es daraus zu entwickeln. ➢ vgl. [68].
[92] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 324: Einen ganz einzigen Vorzug hat die Griechische Sprache[3] an ihren Dialecten[1], welche nicht, wie bey andern Nationen[1], unvollkommne Abarten der allgemeinen Sprache[3] sind, sondern vielmehr Ausbildungen derselben in verschiednen Richtungen, so daß die Gesamtheit des Griechischen Nationalcharakters nur durch sie alle zusammen ausgedrückt wurde, und diese Dialecte[1] in der Büchersprache galten, ja gewisse Gattungen der Poesie ihrer nicht entrathen könnten. ➢ vgl. [64].
[93] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
[94] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
[95] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 346: Was die übrigen neulateinischen Sprachen[3] betrifft, so würde man ihren Charakter[1] in poetischer[4] Hinsicht weit besser genetisch begreifen können, wenn die Denkmäler des Provenzalischen, als welches in so fern wie ihre gemeinschaftliche Mutter angesehen werden kann, erst mehr bekannt wären. Nächst diesem hat sich das Italiänische am frühesten in der Diction und den Formen ausgebildet, und [ist] also wiederum Quelle für die übrigen geworden. Alle haben eine Menge Vorzüge miteinander gemein, und wenn uns die Griechische[2] Sprache[3] das Muster einer vollkommnen Organisation[7] für den strengen und reinen Kunststyl 〈darbietet〉, so finden wir hier die gefälligsten Reize und die größte Lieblichkeit für alle Bezauberungen der romantischen[15/13/3/4] Poesie..
[96] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 13: Das ganze Spiel lebendiger Bewegung beruht auf Einstimmung und Gegensatz. Warum sollte sich diese Erscheinung nicht auch in der Geschichte[1] der Menschheit[2] im großen wiederhohlen? Vielleicht wäre mit diesem Gedanken der wahre Schlüssel zur alten[10] und neuen[5] Geschichte[1] der Poesie und der schönen[2] Künste[1] gefunden. Die, welche dieß annahmen, haben für den eigenthümlichen Geist[12] der modernen[1] Kunst[2], im Gegensatz mit der antiken[2] oder classischen[7/5], den Namen romantisch[12/4] erfunden. Allerdings nicht unpassend: das Wort[1] kommt her von romance, der Benennung der Volkssprachen, welche sich durch die Vermischung des Lateinischen mit den Mundarten[1] des Altdeutschen gebildet hatten, gerade wie die neuere[5] Bildung[5] aus den fremdartigen Bestandtheilen der nordischen Stammesart und der Bruchstücke des Alterthums[3] zusammengeschmolzen ist, da hingegen die Bildung[5] der Alten[10] weit mehr aus einem Stücke war. ➢ Volltext.
[97] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 23 f. (24): Und wenn nun die Seele gleichsam unter den Trauerweiden der Verbannung ruhend, ihr Verlangen nach der fremd[4] gewordnen Heimath ausathmet, was andres kann der Grundton ihrer Lieder 〈24〉 seyn als Schwermuth? So ist es denn auch: die Poesie der Alten[10] war die des Besitzes, die unsrige ist die der Sehnsucht; jene steht fest auf dem Boden der Gegenwart, diese wiegt sich zwischen Erinnerung und Ahndung. Man mißverstehe dieß nicht, als ob alles in einförmige Klage verfließen, und die Melancholie sich immer vorlaut aussprechen müßte. Wie in der heitern[4] Weltansicht der Griechen die herbe Tragödie dennoch möglich war, so kann auch die aus der oben geschilderten entsprungene romantische[12/9] Poesie alle Stimmungen bis zur fröhlichsten durchgehen; aber sie wird immer in einem namenlosen Etwas Spuren ihrer Quelle an sich tragen. Das Gefühl ist im ganzen bey den Neueren[3] inniger, die Fantasie[1] unkörperlicher, der Gedanke beschaulicher geworden. ➢ Volltext.
[98] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 26: Auch die Gattungen und Formen der romantischen[12] Poesie überhaupt können wir hier nicht näher betrachten, sondern müssen zu unserm Zweck, der dramatischen Kunst[8] und Litteratur, zurückkehren. Die Eintheilung dieser, wie der übrigen Kunstfächer in die antike[2] und romantische[12], zeichnet uns den Gang vor, den wir zu nehmen haben. ➢ Volltext.
[99] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 47: Es giebt eine Art von Poesie, die ein zu einsamer Beschaulichkeit gestimmtes Gemüth leise anregt, ungefähr wie gelinde Lüfte Accorde aus einer Aeolsharfe hervorrufen. Diese Poesie, wie vortrefflich sie sonst seyn möchte, würde ohne andre Begleitung auf der Bühne ungehört verhallen. Die schmelzende Harmonica ist nicht dazu gemacht, den Tritt eines Heeres zu ordnen und anzufeuern. Dazu gehören durchdringende Instrumente[3], besonders aber ein entschiedener Rhythmus, der den Pulsschlag beschleunigt, und das sinnliche Leben in rascheren Schwung setzt. Diesen Rhythmus in der Fortbewegung eines Drama's sichtbar zu machen, ist das Haupterforderniß. Ist dieß einmal gelungen, dann darf der 〈48〉 Dichter sich schon eher in seiner raschen Laufbahn verweilen, und seiner Neigung nachhängen. Es giebt Punkte, wo die entfaltetste oder geschmückteste Erzählung, die begeistertste Lyrik, die tiefsinnigsten Gedanken und entferntesten Andeutungen, die sinnreichsten Spiele des Witzes[2], die glänzendsten einer gaukelnden und in den Lüften schwebenden[7] Fantasie[2] schon an ihrer Stelle sind, und wo die [...] Zuhörer [...] diesem allem mit begierigem Ohr[3] folgen werden, wie einer zu ihrer Stimmung passenden Musik[4]. Hiebey ist die große Kunst[6] des Dichters, die Wirkung der Gegensätze zu benutzen, wodurch es möglich wird, ruhige Stille, in sich gekehrte Betrachtung, ja die nachläßige Hingegebenheit der Erschöpfung, eben so auffallend hervorzuheben, als in andern Fällen die gewaltsamste Bewegung, den heftigsten Sturm der Leidenschaften. ➢ Volltext.
[100] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 273: Die Tragödie ist der höchste Ernst der Poesie, die Komödie durchaus scherzhaft. Der Ernst aber besteht [...] in der Richtung der Gemüthskräfte auf einen Zweck, und der Beschränkung ihrer Thätigkeit dadurch. Sein entgegengesetztes besteht folglich in der scheinbaren Zwecklosigkeit und Aufhebung aller Schranken beym Gebrauch der Gemüthskräfte, und ist um so vollkommner, je größer das dabey aufgewandte Maaß derselben, und je lebendiger der Anschein des zwecklosen Spiels und der uneingeschränkten Willkühr ist. Witz[4] und Spott kann auf eine scherzhafte Art gebraucht werden, beydes verträgt sich aber auch mit dem strengsten Ernste, wie uns das Beyspiel der spätern römischen Satiren, und der alten griechischen Jamben beweist, wo diese Mittel dem Zweck des Unwillens und des Hasses dienten.
[101] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 113 ff. (114 f.): Warum ist aber dennoch das Verfahren der griechischen[2] und der romantischen[12] Dramatiker in Absicht auf Ort und Zeit[6] so sehr verschieden? [...] 〈114〉 [...] Die Hauptursache des Unterschiedes ist [...] der plastische[3] Geist[12] der antiken[2], und der pittoreske[2] der romantischen[12] Poesie. Die Sculptur richtet unsre Betrachtung ausschließend auf die dargestellte Gruppe, sie entkleidet sie möglichst aller äußern Umgebungen, und wo sie deren nicht ganz entrathen kann, deutet sie solche doch nur leicht an. Die Mahlerey[1] hingegen liebt es, mit den Hauptfiguren zugleich den umgebenden Ort und alle Nebenbestimmungen ausführlich darzustellen, und im Hintergrunde Ausblicke in eine gränzenlose Ferne zu öffnen; Beleuchtung und Perspectiv sind ihr eigentlicher Zauber. Daher vernichtet die dramatische, besonders die tragische Kunst[3] der Alten[10] gewisser〈115〉maßen die Aeußerlichkeiten von Raum und Zeit[6]; das romantische[12] Drama schmückt vielmehr durch deren Wechsel seine mannichfaltigeren Gemählde. Oder noch anders ausgedrückt: das Prinzip der antiken[2] Poesie ist idealistisch, das der romantischen[12] mystisch; jene unterwirft Raum und Zeit[6] der innern Freythätigkeit des Gemüths, diese verehrt diese unbegreiflichen Wesen als übernatürliche Mächte, denen auch etwas göttliches inwohnt. ➢ Volltext.
[102] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 164: Nichts ist verschiedener als der französische und der spanische Nationalcharakter, folglich auch als der Geist[12] ihrer Sprache[3] und Poesie.
[103] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f.: Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte[10] Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[104] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 53: Man verkennt [...] ganz und gar die Rechte der Poesie und des romantischen[12/4] Drama's, welches eben weil es pittoresk[2] ist und sein soll, reichere Umgebungen und Contraposte für seine Hauptgruppen erfodert. In aller Kunst[4] und Poesie, vornämlich aber in der romantischen[12/4], macht die Fantasie[2] als eine unabhängige Seelenkraft, die sich nach eignen Gesetzen regiert, ihre Ansprüche geltend. ➢ Volltext.
[105] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 412: Die romantische[12/10] Poesie sucht zwar das Entfernteste zu verschmelzen, allein geradezu unverträgliche Dinge kann sie nicht in sich aufnehmen [...]. ➢ Volltext.
[106] A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), XI: So viel ich weiß, ist noch keine gründliche Kritik[5] der Wielandischen Werke vorhanden, worin gezeigt würde, wie er das Idol des Deutschen Publicums geworden und zwanzig bis dreißig Jahre geblieben, und was er für die Ausbildung der Sprache[3], des Versbaues, der Formen unserer Poesie wirklich geleistet habe. Es wäre wohl an der Zeit, von der allzugroßen Vernach〈XII〉läßigung dieses von manchen Seiten liebenswürdigen Schriftstellers abzumahnen..
[107] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1796–97), KFSA 18, 24, Nr. 75: Meister = ειρ [ironische3] π [Poesie] (wie Sokrat[es] ironische[3] φ [Philosophie]), weil es π π [Poesie der Poesie]..
[108] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 97, Nr. 150: Die class.[ische][5/7] π [Poesie] hat sich historisch selbst annihilirt; die sentimentale des Sh.[akspeare] annihilirt sich gleichfalls selbst total. Nur die progressive[3/6?] nicht; d. h. sie selbstvernichtet sich wohl oft, aber selbstschafft sich auch gleich wieder..
[109] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 100, Nr. 184: Sentimental[3] ist eine Gattung von großem Umfang; alle progressive[5] π [Poesie] die regressiv ist [...]..
[110] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 102, Nr. 208: Die class.[ische] π
[111] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 104, Nr. 244: Die moderne[1] κρ [Kritik][2] muß eben so aufs Absolute tendenziren als die π [Poesie] – | Gewöhnlich ists nicht κρ [Kritik][2] sondern nur deklamirender Enthusiasm der s.[ich] über die einzelnen Stellen vernehmen läßt und ignoranter Witz[3] der polemisch über das Ganze herfällt..
[112] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 129, Nr. 539: Der Grund des Witzes[4] in der φ [Philosophie] ist der Imperativ 〈(Imperativ der Synthetik)〉: die φ [Philosophie] soll π [Poesie] werden. Der Witz[4] ist in der φ [Philosophie] was πφ [Prophetie] in der π [Poesie]..
[113] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 166, Nr. 964: Die barbarische (provenzal.[ische]) π [Poesie][11] ist d[er] Keim der Transc[endentalen][1] und der R[omantischen][12/7/9] π [Poesie][11] wie die class[ische][7] Naturπ[poesie] der class[ischen][7] und der progr.[essiven][5] K[unst]π[poesie]..
[114] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 134, Nr. 7: Mein Versuch über das Studium der griechischen[2] Poesie [sc. F. Schlegel, Stud. grch. Poes. (*1795; 1797)] ist ein manierirter Hymnus in Prosa[1] auf das Objektive in der Poesie. Das Schlechteste daran scheint mir der gänzliche Mangel der unentbehrlichen Ironie[1]; und das Beste, die zuversichtliche Voraussetzung, daß die Poesie unendlich viel werth sei; als ob dieß eine ausgemachte Sache wäre.
[115] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 143, Nr. 42: Die Philosophie ist die eigentliche Heimath der Ironie[3], welche man logische Schönheit[1] definiren möchte: denn überall wo in mündlichen oder geschriebenen Gesprächen, und nur nicht ganz systematisch philosophirt wird, soll man Ironie[3] leisten und fordern; und sogar die Stoiker hielten die Urbanität für eine Tugend. Freylich giebts auch eine rhetorische Ironie[1], welche sparsam gebraucht vortreffliche Wirkung thut, besonders im Polemischen; doch ist sie gegen die erhabne[4] Urbanität der sokratischen Muse, was die Pracht der glänzendsten Kunstrede gegen eine alte[10] Tragödie in hohem Styl. Die Poesie allein kann sich auch von dieser Seite bis zur Höhe der Philosophie erheben, und ist nicht auf ironische[1] Stellen be〈144〉gründet, wie die Rhetorik. Es giebt alte[10] und moderne[1] Gedichte, die durchgängig im Ganzen und überall den göttlichen Hauch der Ironie[3] athmen. Es lebt in ihnen eine wirklich transcendentale[1] Buffonerie. Im Innern, die Stimmung, welche alles übersieht, und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst[8], Tugend, oder Genialität: im Äußern, in der Ausführung die mimische Manier eines gewöhnlichen guten italiänischen Buffo.
[116] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 156, Nr. 93: In den Alten[10] sieht man den vollendeten Buchstaben[8] der ganzen Poesie: in den Neuern[3] ahnet[3] man den werdenden Geist[12]. ➢ Volltext.
[117] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 32 ff. (33 f.): Schon in den frühesten Zeitaltern der Europäischen Bildung[5] finden sich unverkennbare Spuren des künstlichen Ursprungs der 〈33〉 modernen[1] Poesie. Die Kraft, der Stoff war zwar durch Natur[13] gegeben: das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2] war aber nicht der Trieb, sondern gewisse dirigirende Begriffe[1] [...]. Selbst der individuelle Charakter[1] dieser Begriffe[1] war durch Umstände veranlaßt, und durch die äußre Lage nothwendig bestimmt. Daß aber der Mensch[1] nach diesen Begriffen[1] sich selbst bestimmte, den gegebnen Stoff ordnete, und die Richtung seiner Kraft determi〈34〉nierte; das war ein freyer[10] Aktus des Gemüths. Dieser Aktus ist aber eben der ursprüngliche Quell, der erste bestimmende Anstoß der künstlichen Bildung[2], welcher also mit vollem Recht der Freyheit[10] zugeschrieben wird. Die Phantasterey der Romantischen[12] Poesie, hat nicht etwa wie Orientalischer[1] Bombast eine abweichende Naturanlage zum Grunde. Es sind vielmehr abenteuerliche[3] Begriffe[1], durch welche eine an sich glückliche, dem Schönen[2] nicht ungünstige Phantasie[1] eine verkehrte Richtung genommen hatte. Sie stand also unter der Herrschaft von Begriffen[1]; und so dürftig und dunkel diese auch seyn mochten, so war doch der Verstand[2] das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2]..
[118] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 64 f. (65): Interessant[1] nehmlich ist jedes originelle Individuum, welches ein größeres Quantum von intellektuellem Gehalt oder aesthetischer Energie enthält. Ich sagte mit Bedacht: ein größeres. Ein größeres nehmlich als das empfangende Individuum bereits besitzt: denn das Interessante[1] verlangt eine individuelle Empfänglichkeit, ja nicht selten eine momentane Stimmung derselben. Da alle Größen ins Unendliche vermehrt werden können, so ist klar, warum auf diesem Wege nie eine vollständige Befriedigung erreicht werden kann; warum es kein höchstes Interessantes[1] giebt. Unter den verschiedensten For〈65〉men und Richtungen, in allen Graden der Kraft äußert sich in der ganzen Masse der modernen[1/3] Poesie durchgängig dasselbe Bedürfniß nach einer vollständigen Befriedigung, ein gleiches Streben nach einem absoluten Maximum der Kunst. ➢ Volltext.
[119] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 158 f.: Die ganze Masse der modernen Poesie ist ein unvollendeter Anfang, dessen Zusammenhang nur in Gedanken zur Vollständigkeit ergänzt werden kann. Die Einheit dieses theils wahrgenommenen, theils gedachten Ganzen ist der künstliche Mechanismus eines durch menschlichen Fleiß hervorgebrachten Produkts. Die 〈159〉 gleichartige Masse der Griechischen[2] Poesie hingegen ist ein selbstständiges, in sich vollendetes, vollkommnes Ganzes, und die einfache Verknüpfung ihres durchgängigen Zusammenhanges ist die Einheit einer schönen Organisation[7], wo auch der kleinste Theil durch die Gesetze und den Zweck des Ganzen nothwendig bestimmt, und doch für sich bestehend und frey ist. – Die sichtbare Regelmäßigkeit ihrer progressiven[2] Entwicklung verräth mehr als Zufall. Der größte wie der kleinste Fortschritt entwickelt sich wie von selbst aus der vorhergehenden, und enthält den vollständigen Keim der folgenden Stufe. ➢ Volltext.
[120] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 180: Es giebt eine gewisse Art der Ungenügsamkeit, welche ein sichres Kennzeichen der Barbarey ist. So diejenigen, welche nicht zufrieden damit, daß die Griechische[2] Poesie schön[1] sey, ihr einen ganz fremdartigen Maßstab der Würdigung aufdringen, in ihren verworrnen Prätensionen alles Objektive und Subjektive durch einander mischen, und fordern, daß sie interessanter[1] seyn sollte. Allerdings könnte auch das Interessanteste[1] noch interessanter[1] seyn, und die Griechische[2] Poesie macht von diesem allgemeinen Naturgesetz keine Ausnahme. Alle Quanta sind unendlich progressiv[3], und es wäre wunderbar, wenn unsere Poesie durch die Fortschritte aller vorigen Zeitalter bereichert an Gehalt die Griechische[2] nicht überträfe. ➢ Volltext.
[121] F. Schlegel, Vorr. Grch. u. Röm. (1797), VI: Indessen war es [...] nur nach einer nicht ganz unvollständigen Charakteristik der modernen Poesie möglich, das Verhältniß der antiken[2] Poesie zur modernen, und den Zweck des Studiums der klassischen[7] Poesie überhaupt und für unser Zeitalter insbesondre zu bestimmen. ➢ Volltext.
[122] F. Schlegel, Vorr. Grch. u. Röm. (1797), X f. (XI): Schillers Abhandlung über die sentimentalen[3] Dichter [...] hat außer, daß sie meine Einsicht in den Charakter[1] der inte〈XI〉ressanten[2] Poesie erweiterte, mir selbst über die Gränzen des Gebiets der klassischen[7] Poesie ein neues Licht gegeben. Hätte ich sie eher gelesen, als diese Schrift dem Druck übergeben war, so würde besonders der Abschnitt von dem Ursprunge, und der ursprünglichen Künstlichkeit der modernen Poesie ungleich weniger unvollkommen geworden sein. ➢ Volltext.
[123] F. Schlegel, Vorr. Grch. u. Röm. (1797), XXII: Auf den Grundriß einer Geschichte[7] der Griechischen[2] Poesie soll, sobald als möglich eine Geschichte[7] der Attischen Tragödie folgen. Sie wird nicht allein den höchsten Gipfel, welchen die klassische[7] Poesie erreicht hat, genau bestimmen müssen, sondern auch die Bildungsstufen ihrer Geschichte[1] am deutlichsten erklären können. Denn wie nach der Meynung des Platonischen Sokrates, was sittliche Vollkommenheit eigentlich sei, in der größern Masse des Staats sichtbarer ist, als im einzelnen Menschen: so sind 〈XXIII〉 die Bildungsgesetze der Griechischen[2] Kunstgeschichte in der Attischen Tragödie, wenn ich mich so ausdrücken darf, mit größerer Schrift ausgeprägt. ➢ Volltext.
[124] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28 ff., Nr. 116: Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[11] ist eine progressive[3/6] Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie[11] wieder zu vereinigen, und die Poesie[11/18] mit der Philosophie, und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie[3] und Prosa[1], Genialität und Kritik[1], Kunstpoesie, und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie[11] lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch[1] machen, den Witz[1] poetisiren, und die Formen der Kunst[2] mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors[2] beseelen. Sie umfaßt alles, was nur poetisch[4] ist, vom größten wieder mehre Systeme 〈29〉 in sich enthaltenden Systeme der Kunst[12], bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosen Gesang. [...] Nur sie kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. Und doch kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frey[1] von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen[4] Reflexion in der Mitte schweben[5], diese Reflexion immer wieder potenziren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen. Sie ist der höchsten und allseitigsten Bildung[2] fähig; [...] indem sie jedem, was ein Ganzes in ihren Produkten seyn soll, alle Theile ähnlich organisirt[6], wodurch ihr die Aussicht auf eine gränzenlos wachsende Klassizität eröffnet wird. Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[11] ist unter den Künsten[2] was der Witz[1] der Philosophie, und die Gesellschaft, Umgang, Freundschaft und Liebe im Leben ist. Andre Dichtarten sind fertig, und können nun vollständig zergliedert werden. Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet seyn kann. Sie kann durch keine Theo〈30〉rie erschöpft werden, und nur eine divinatorische Kritik[2] dürfte es wagen, ihr Ideal charakterisiren zu wollen. Sie allein ist unendlich, wie sie allein frey[5] ist, und das als ihr erstes Gesetz anerkennt, daß die Willkühr des Dichters kein Gesetz über sich leide. Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Dichtart ist die einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in einem gewissen Sinn[1] ist oder soll alle Poesie[11] romantisch[1/11] seyn. ➢ Volltext.
[125] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 64 f., Nr. 238: Es giebt eine Poesie[11], deren Eins und Alles das Verhältniß des Idealen und des Realen ist, und die also nach der Analogie der philosophischen Kunstsprache Transcendentalpoesie heißen müßte. Sie beginnt als Satire mit der absoluten Verschiedenheit des Idealen und Realen, schwebt[5] als Elegie in der Mitte, und endigt als Idylle mit der absoluten Identität beyder. So wie man aber wenig Werth auf eine Transcendentalphilosophie legen würde, die nicht kritisch[1] wäre, 〈65〉 nicht auch das Producirende mit dem Produkt darstellte, und im System der transcendentalen[2] Gedanken zugleich eine Charakteristik des transcendentalen[1] Denkens enthielte: so sollte wohl auch jene Poesie[11] die in modernen[1] Dichtern[3] nicht seltnen transcendentalen[1] Materialien und Vorübungen zu einer poetischen[4] Theorie des Dichtungsvermögens mit der künstlerischen Reflexion und schönen[2] Selbstbespiegelung, die sich im Pindar, den lyrischen Fragmenten der Griechen, und der alten[10] Elegie, unter den Neuern[5] aber in Goethe findet, vereinigen, und in jeder ihrer Darstellungen sich selbst mit darstellen, und überall zugleich Poesie[11] und Poesie[18] der Poesie[11] seyn. ➢ Volltext.
[126] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 68, Nr. 247: Dante's prophetisches Gedicht ist das einzige System der transcendentalen[1/2] Poesie[11], immer noch das höchste seiner Art. Shakespeare's Universalität ist wie der Mittelpunkt der romantischen[12] Kunst[12]. Goethe's rein poetische[4] Poesie[11] ist die vollständigste Poesie[18] der Poesie[11]. Das ist der große Dreyklang der modernen[1] Poesie[11], der innerste und allerheiligste Kreis unter allen engern und weitern Sphären der kritischen[3] Auswahl der Klassiker[4] der neuern[3] Dichtkunst. ➢ Volltext.
[127] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 68, Nr. 250: Wer Fantasie[3], oder Pathos, oder mimisches Talent hat, müßte die Poesie lernen können, wie jedes andre Mechanische. Fantasie[3] ist zugleich Begeistrung und Einbildung; Pathos ist Seele und Leidenschaft; Mimik ist Blick und Ausdruck.
[128] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 69, Nr. 252: Eine eigentliche Kunstlehre der
[129] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 70, Nr. 253: In dem edleren und ursprünglichen Sinne[1] des Worts[1] Korrekt, da es absichtliche Durchbildung und Nebenausbildung des Innersten und Kleinsten im Werke nach dem Geist[12] des Ganzen, praktische Reflexion des Künstlers, bedeutet, ist wohl kein moderner[1] Dichter korrekter als Shakspeare. So ist er auch systematisch wie kein andrer: bald durch jene Antithesen, die Individuen, Massen, ja Welten in mahlerischen[4] Gruppen kontrastiren lassen; bald durch musikalische[5] Symmetrie desselben großen Maßstabes, durch gigantische Wiederholungen und Refrains; oft durch Parodie des Buchstabens[8] und durch Ironie[1] über den Geist[12] des romantischen[12] Drama und immer durch die höchste und vollständigste Individualität und die vielseitigste alle Stufen der Poesie von der sinnlichsten Nachahmung bis zur geistigsten Charakteristik vereinigende Darstellung derselben.
[130] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 124, Nr. 404: Zur Philologie muß man gebohren seyn, wie zur Poesie und zur Philosophie. Es giebt keinen Philologen ohne Philologie in der ursprünglichsten Bedeutung des Worts[1], ohne grammatisches Interesse. Philologie ist ein logischer Affekt, das Seitenstück der Philosophie, Enthusiasmus für chemische Erkenntniß: denn die Grammatik ist doch nur der philosophische Theil der universellen Scheidungs- und Verbindungskunst. Durch die kunstmäßige Ausbildung jenes Sinns[5] entsteht die Kritik[3], deren Stoff nur das Klassische[3] und schlechthin Ewige seyn kann, was nie ganz verstanden werden mag: sonst würden die Philologen, an deren meisten man die gewöhnlichsten und sichersten Merkmahle der unwissenschaftlichen Virtuosität wahrnimmt, ihre Geschicklichkeit eben so gern an jedem andern Stoff zeigen als an den Werken des Alterthums[3], für das sie in der Regel weder Interesse noch Sinn[5] haben. Doch ist diese nothwendige Beschränktheit um so weniger zu tadeln oder zu beklagen, da auch hier die künstlerische Vollendung allein zur Wissenschaft[1] führen, und die bloße formelle Philologie einer materialen Alterthumslehre und einer humanen Geschichte[4] der Menschheit[2] nähern muß. ➢ Volltext.
[131] F. Schlegel, Fragm. Poes. u. Litt. (*1799), KFSA 16, 274, Nr. 252: Poesie[2/11] ist d[er] ursprüngl[iche] Zustand d.[es] Menschen[1] und auch d[er] letzte. Alle oriental[ische][1] φ [Philosophie] nur π [Poesie][11]. Die höchste Moral wird Poesie[11]. Nur durch Poesie[11] kann der Mensch[1] sein Dasein zum Dasein d[er] Menschheit[2] erweitern. Nur in ihr sind Alle Mittel jedes Einen. – Der Witz[4] ist d[ie] Rückkehr zur Poesie[11]. –.
[132] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 66: Sie traten [...] mit einem unmäßigen Gelächter in die Gesellschaft, und aus den letzten Worten[2], die man hören konnte, ließ sich schließen, daß ihre Unterhaltung sich auf die sogenannten classischen[4] Dichter der Engländer bezog. Man sagte noch einiges über denselben Gegenstand, und Antonio, der sich gern bey Gelegenheit mit dergleichen polemischen Einfällen dem Gespräch einmischte, das er selten selbst führte, behauptete, die Grundsätze ihrer Kritik[2] und ihres Enthusiasmus wären im Smith über den Nationalreichthum zu suchen. Sie wären nur froh, wenn sie wieder einen Classiker in die öffentliche Schatzkammer tragen könnten. Wie jedes Buch auf dieser Insel ein Essay, so werde da auch jeder Schriftsteller, wenn er nur seine gehörige Zeit[6] gelegen habe, zum Classiker. Sie wären aus gleichem Grund und in gleicher Weise auf die Verfertigung der besten Scheeren stolz wie auf die der besten Poesie. So ein Engländer lese den Shakspeare eigentlich nicht anders wie den Pope, den Dryden, oder wer sonst noch Classiker sei; bey dem einen denke er eben nicht mehr als bei dem andern. – Marcus meynte, das goldne Zeitalter sey nun einmal eine moderne[7] Krankheit, durch die jede Nation[1] hindurch müsse, wie die Kinder durch die Pocken. ➢ Volltext.
[133] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 76: Wer Talent zum Reden hatte, widmete sich bey den Römern gerichtlichen Geschäften, und wenn er ein Hellene war, hielt er populäre Vorlesungen über allerley Philosophie. Man begnügte sich, die alten Schätze jeder Art zu erhalten, zu sammeln, zu mischen, abzukürzen und zu verderben; und wie in andern Zweigen der Bildung, so zeigt sich auch in der
[134] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 80: Die Kunstgeschichte der Spanier, die mit der Poesie der Italiäner aufs innigste vertraut waren, und die der Engländer, deren Sinn[9] damals für das Romantische[12], was etwa durch die dritte vierte Hand zu ihnen gelangte, sehr empfänglich war, drängt sich zusammen in die von der Kunst[3] zweyer Männer, des Cervantes und Shakspeare, die so groß waren, daß alles übrige gegen sie nur vorbereitende, erklärende, ergänzende Umgebung scheint. ➢ Volltext.
[135] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (103): Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte[2] Gewimmel der alten[10] Götter[5]. ➢ Volltext.
[136] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 103: Wären uns nur die Schätze des Orients[1] so zugänglich wie die des Alterthums[3]! [...] Im Orient[1] müssen wir das höchste Romantische[4] suchen, und wenn wir erst aus der Quelle schöpfen können, so wird uns vielleicht der Anschein von südlicher[3] Gluth, der uns jetzt in der spanischen Poesie so rei〈104〉zend ist, wieder nur abendländisch[2] und sparsam erscheinen.
[137] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 107: Ich kann die didaktische Poesie nicht für eine eigentliche Gattung gelten lassen, ebensowenig wie die romantische[1]. Jedes Gedicht soll eigentlich romantisch[1/11] und jedes soll didaktisch seyn in jenem weitern Sinne[1] des Wortes[1], wo es die Tendenz nach einem tiefen unendlichen Sinn[2] bezeichnet. ➢ Volltext.
[138] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 121: Die alte[10] Poesie [...] vermeidet [...] den eigentlich historischen Stoff. Die alte[10] Tragödie sogar ist ein Spiel, und der Dichter, der eine wahre Begebenheit, die das ganze Volk[1] ernstlich anging, darstellte ward bestraft. Die romantische[12] Poesie hingegen ruht ganz auf historischem Grunde [...]. Das erste beste Schauspiel, das Sie sehn, irgend eine Erzählung die Sie lesen; wenn eine geistreiche Intrigue darin ist, können Sie fast mit Gewißheit darauf rechnen, 〈122〉 daß wahre Geschichte[9] zum Grunde liegt, wenn gleich vielfach umgebildet. ➢ Volltext.
[139] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 122: Ich habe ein bestimmtes Merkmal des Gegensatzes zwischen dem Antiken[2] und dem Romantischen[12] aufgestellt. Indessen bitte ich Sie doch, nun nicht sogleich anzunehmen, daß mir das Romantische[12] und das Moderne[1] völlig gleich gelte. [...] Wollen Sie sich den Unterschied völlig klar machen, so lesen Sie gefälligst etwa die Emilia Galotti, die so unaussprechlich modern[5] und doch im geringsten nicht romantisch[7] ist, und erinnern Sie sich dann an Shakspeare, in den ich das eigentliche Centrum, den Kern der romantischen[12/7] Fantasie[3] setzen möchte. Da suche und finde ich das Romantische[12/7], bey den ältern[1] Modernen[1], bey Shakspeare, Cervantes, in der italiänischen Poesie, in jenem Zeitalter der Ritter, der Liebe und der Mährchen, aus welchem die Sache und das Wort[1] selbst herstammt. Dieses ist bis jetzt das einzige, was einen Gegensatz zu den classischen[3] Dichtungen des Alterthums[3] abgeben kann [...]. ➢ Volltext.
[140] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 122 f. (123): Wie unsre Dichtkunst[2] mit dem Roman[1], so fing 〈123〉 die der Griechen mit dem Epos an und löste sich wieder darin auf. | Nur mit dem Unterschiede, daß das Romantische[1/4/7/9] nicht sowohl eine Gattung ist als ein Element der Poesie, das mehr oder minder herrschen und zurücktreten, aber nie ganz fehlen darf. Es muß Ihnen nach meiner Ansicht einleuchtend seyn, daß und warum ich fodre, alle Poesie solle romantisch[1/4/7/9] seyn; den Roman[1] aber, in sofern er eine besondre Gattung seyn will, verabscheue. [...] Ein Roman[1] ist ein romantisches[1/4/7/9] Buch. – Sie werden das für eine nichtssagende Tautologie ausgeben. [...] Das Schauspiel soll auch romantisch[1/4/7/9] seyn, wie alle Dichtkunst[2]; aber ein Roman[1] ists nur unter gewissen Einschränkungen, ein angewandter Roman[1]. ➢ Volltext.
[141] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 181 f.: Ludoviko. [...] Der Geist[12] der Poesie ist nur einer und überall derselbe. | Lothario. Allerdings der Geist[12]! Ich möchte hier die Eintheilung in Geist[12] und Buchstaben[8] anwenden. Was Sie [...] dargestellt oder doch angedeutet haben, ist, wenn Sie 〈182〉 wollen, der Geist[12] der Poesie. Und Sie werden gewiß nichts dagegen haben können, wenn ich Metrum und dergleichen ja sogar Charaktere[7], Handlung[3], und was dem anhängt, nur für den Buchstaben[8] halte. Im Geist[12] mag Ihre unbedingte Verbindung des Antiken[2] und Modernen[1] Statt finden [...]. Nicht so im Buchstaben[8] der Poesie. Der alte[10] Rhythmus z. B. und die gereimten Sylbenmaaße bleiben ewig entgegengesetzt. ➢ Volltext.
[142] F. Schlegel, Ideen (1800), 4 f. (5), Nr. 4: Die Religion[1/3] ist die allbelebende Weltseele der Bildung[5], das vierte unsichtbare Element zur Philoso〈5〉phie, Moral und Poesie, welches gleich dem Feuer, wo es gebunden ist, in der Stille allgegenwärtig wohlthut, und nur durch Gewalt und Reiz von außen in furchtbare Zerstörung ausbricht. ➢ Volltext.
[143] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 50: Eine gründliche Kenntniß jener schönen[1] südlichen
[144] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 51: Auch die neulateinischen Quellen und Anfänge der romantischen
[145] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 54: Die Anfänge der spanischen, oder für jene ältere[1] Zeit besonders genauer zu reden, der castilianischen Poesie, sind sehr einfach. Lieder in der eigenthümlichen spanischen ganz musikalischen[5], äußerst zarten und wortspielenden Form, worin es wohl nicht leicht eine andre Sprache[3] dieser gleich thun wird; das ist die eigenthümlichste Blüthe dieses Bodens. Man könnte noch die Ritterbücher dazu rechnen, besonders den Amadis wegen des schönen[1] Styls; auch weil sich, wenn gleich die erste Anlage dieses durchaus rein erfundnen Romans[1] den Nordfranzosen gehören sollte, wie so mancher andre romantische[1] Stoff, der aber erst durch die Deutschen, Italiäner und Spanier 〈55〉 Form erhielt, viele andre Ritterdichtungen doch erst in Spanien daran angeschlossen haben. ➢ Volltext.
[146] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 55: [S]päterhin beschränkten sich die Italiäner auf ihre eigne Nationalität, begnügten sich nur mit dem, was ihre ersten Dichter von den Provenzalen genommen hatten, oder wagten Versuche, den Dichtern des römischen Alterthums[3] nachzueifern. | Nicht so in der spanischen Poesie; sie eignete sich von allen Seiten her ausländische Formen und Reize an, die verschiedensten romantischen[2/4/5/6/7/8] Elemente treffen hier zusammen, um endlich die vollkommenste und farbigste Blüthe der Phantasie[1] hervorzubringen und zum höchsten Glanz zu vollenden. ➢ Volltext.
[147] F. Schlegel, Reis. n. Frankr. (1803), 7 f. (8): Die Reise von da [sc. Weimar] bis Frankfurt führt durch größtentheils angenehme und mannichfaltige, ja sogar schöne[1] Gegenden, aber keine derselben kommt dem Eindrucke gleich, welchen die Wartburg zu Eisenach mir gegeben hat. Schöneres[1] hab' ich in Deutschland nichts gesehen, als diese Burg auf einem einzelnen, ehedem ganz waldum〈8〉kränzten Berge, rundum von Felsen und Thälern und Hügeln umschlossen. Der Anblick des Abends ward noch durch ein heraufsteigendes Gewitter verschönt, vielleicht auch durch den Ruhm des Namens und durch die Erinnerung an die Zeiten[3], da die Poesie hier in voller Blüthe stand, und durch ganz Deutschland das allgemeine Element des Lebens, der Liebe und der Freude war. Nur der Rhein hat noch einen gleichen Eindruck auf mich machen können. [...] Ich kann nur von den Betrachtungen und von den Empfindungen reden, die sie in mir erregt haben. Wenn man solche Gegenstände sieht, so kann man nicht umhin, sich zu erinnern, was die Deutschen ehedem waren, da der Mann noch ein Vaterland hatte. Man fühlt es recht und glaubt es zu verstehen, beim Anblick solcher Felsenschlösser, wie die Wartburg, warum die Alten auf den Höhen des Landes in ihren Burgen lebten und welche Lebensfreude damit verbunden war. Seitdem nun die Menschen herabgezogen sind zu einander und sich alles um die Landstrassen versammelt hat, gierig nach fremden[1] Sitten wie nach fremden[1] Gelde, stehen die Höhen und Burgen verlassen und die Kunst[6] scheint verloren, dieses herrliche Land auf die edelste und angemessenste Art zu bewohnen und zu beherrschen. ➢ Volltext.
[148] F. Schlegel, an A. W. Schlegel (26. 10. 1805), KJ 1, 239: Fouqué's Romanzen haben mir gefallen und sind sehr romantisch[14], doch finde ich sie wie alle neudeutsche Poesie viel zu leicht und seicht..
[149] F. Schlegel, Gedanken (*1808–09), KFSA 19, 268, Nr. 34: Eintheilung der Poesie nicht in episch-lyrisch dramatisch – sondern in Lied – Gedicht und Schauspiel. – Gedicht ist das gemischte, didaktische – romantische[1] – Lied das Höchste der reinen Poesie..
[150] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 477 f. (478): Da die spanische Dichtkunst überhaupt ohne allen fremdartigen Einfluß und durchaus rein romantisch[7] geblieben ist, da die christliche Ritterpoesie des Mittelalters bey dieser Nation[1] am längsten bis in die Zeiten[3] der neuern[3] Bil〈478〉dung[5] fortgedauert, und die kunstreichste Form erlangt hat, so ist hier wohl der rechte Ort, das Wesen des Romantischen[12/7] überhaupt zu bestimmen. Es beruht allein auf dem mit dem Christenthum und durch dasselbe auch in der Poesie herrschendem [sic] Liebegefühl, in welchem selbst das Leiden nur als Mittel der Verklärung erscheint, der tragische Ernst der alten[10] Götterlehre und heidnischen Vorzeit in ein heiteres[5] Spiel der Fantasie[1] sich auflöst, und dann auch unter den äußern Formen der Darstellung und der Sprache[1] solche gewählt werden, welche jenem innren Liebegefühl und Spiel der Fantasie[1] entsprechen. In diesem Sinne[1], da das Romantische[7] bloß die eigenthümlich christliche Schönheit[1] und Poesie bezeichnet, sollte wohl alle Poesie romantisch[7] seyn ➢ Volltext.
[151] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 483: So wie aber unter den protestantischen Ländern England in der Verfassung der geistlichen[2] Gewalt und in den äußern Gebräuchen und Einrichtungen noch am meisten von der alten[6] Kirche beybehielt, so blühte auch hier die Poesie zuerst wieder in kunstreicher Gestalt und schöner[1] Bildung[10] empor und zwar ganz sich anschließend an die romantische[7] Weise der südlichen katholischen Völker[1]. Spenser, Shakspeare, Milton bestätigen dieß. Wie sehr Shakspeare das Romantische[7] der alten[6] Ritterzeit und auch die südlicheren Farben der Fantasie[20] in seinen Darstellungen liebte, darf nicht erst erinnert werden; Spenser ist selbst Ritterdichter, und er wie Milton folgten bestimmten romantischen[7], besonders italienischen Vorbildern. Je näher die Litteratur uns tritt, je reicher sie in den neuern[3] Zeiten[3] anwächst, je nothwendiger wird es mir, meine Betrachtung nur auf solche Dichter und Schriftsteller zu beschränken, welche den Gipfel der Sprache[3] und Geistesbildung einer Nation[1] bezeichnen, und welche eben darum auch für das Ganze und für andre Nationen[1] die wichtigsten und lehrreichsten sind. In der That aber erschöpfen jene drey größten Dichter, welche England hervorgebracht hat, auch Alles was in der ältern[1] Epoche ihrer Poesie, im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert merkwürdig und groß ist. ➢ Volltext.
[152] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 252: Also kann die Poesie jede Triebfeder der Seele in Würksamkeit setzen, und mit zauberischer Kraft über die Herzen der Menschen herrschen. Diese Würkung hat sie nicht nur denn, wenn sie von feiner Kunst[2] und tiefforschender Critik[1] unterstützt wird: blos Natur[15] und Genie[2] sind dazu schon hinlänglich. Die Dichter scheinen noch immer die Größten zu seyn, die die Natur[15] zu Dichtern gemacht, ehe die Kunst[8] dem Genie[2] sich zur Gehülfin angebothen hat..
[153] L. Tieck, an Wackenroder (28. 12. 1792), VL 2, 107: Vertiefe Dich übrigens ja nicht zu sehr in die Poesie des Mittelalters, es ist so ein erstaunliches Feld von Schönheit[3] vor uns, ganz Europa und Asien und vorzüglich das alte[10] Griechenland und das neue[5] England, daß ich fast verzweifle, mich je an diese Nachklänge der Provencalen zu wagen. Vergiß ja über das angenehme das wahre schöne[1] nicht. Soviel ich die Minnesänger kenne, herrscht auch eine erstaunliche Einförmigkeit in allen ihren Ideen, es ist überhaupt schon gar keine Empfehlung für den poetischen[4] Geist[20] dieses Zeitalters, daß es nur diese eine Art von Gedichten gab, nur diesen Zirkel von Empfindungen, in denen sich jeder wieder mit mehr oder weniger Glück herumdrehte..
[154] L. Tieck, Zerbino (1799), 19: Ich habe hier ein Buch geschrieben [...]. Es soll dazu dienen, die gespannte Phantasie[1] wieder etwas herabzustimmen, den Verstand aufzuklären, indem wir das Unförmliche einsehn, und uns so in der Poesie unvermerkt zum Klassischen[3/5] und Vollendeten zu führen..
[155] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XX: Diese schöne Zeit[3] der Poesie konnte nicht von langer Dauer sein, und sie wurde auch bald von politischen Begebenheiten gestört, wenn auch nicht die Zeit[1] selbst sie vernichtet hätte. Die Fürsten entzogen sich den Dichtern und der Adel gab die Beschäftigung mit der Poesie auf; wir finden sie nach einiger Zeit[6] fast ganz aus dem Leben verschwunden, als ein zunftmäßiges Handwerk wieder. Das freie Spiel ist ihr untersagt, alle Zier und Künstlichkeit ist steife Regel und Vorurtheil [...], fast alle Gedichte sind moralischen Inhalts oder gereimte Erzählungen aus der Bibel und andern gelesenen Büchern, besonders seit der Reformation, und Hans Sachs steht als der vorzüglichste und geistreichste Poet in dieser Versammlung, dessen Witz[1] und komische Laune wirklich frölich, dessen Ansicht des Lebens auf eine große Art vernünftig ist, und dessen allegorische Gedichte oft sogar das Gepräge einer ältern und viel poetischern[1] Zeit[3] tragen.
[156] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XXIII: Im Süden hatte sich alle Poesie in Phantasie[18] verflüchtigen, im Norden hatte sie sich schon früh in Gemeinheit, Alltäglichkeit und Gleichgültigkeit verliehren wollen. Mit diesem, ihrem widerwärtigsten Gegentheil vermählte sie dieser unergründliche Geist[32] [sc. Schakspeare] und gab ihr die moralische Kraft und die Kühnheit, das Schicksal darzustellen und auszusprechen, die wir an ihm nie genug bewundern können. Er zieht einen magischen Kreis der schmerzhaftesten Ironie[1] um seine Phantasieen[19], aus welchem sie nicht weichen dürfen, und die uns nun eben so heiter[5] als wehmüthig, eben so groß und gewaltig, als beengt und niedergedrückt erscheinen wollen. Eben so räthselhaft als Cervantes, ergreift uns in seiner Gegenwart eine Bangigkeit, weil wir ein Geheimniß spüren, welches uns die frische Heiterkeit[4] des südlichen Dichters in jedem Augenblick wieder vergessen läßt.
[157] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XXIV f. (XXV): Seitdem ist die Nachahmung jener künstlichen Formen der Italiäner [...] häufig versucht worden [...]. Es wird [...] vielleicht nicht ohne Nutzen sein, an eine Zeit[3] zu erinnern, in welcher 〈XXV〉 Natürlichkeit und Künstlichkeit sich gleich unbefangen und reizend zeigten, um den Freunden der Poesie Gelegenheit zu geben, neben jenen klassischen[4] Formen sich auch mit frühern bekannt zu machen, die jene erklären und auch für sich aller Aufmerksamkeit würdig sind.
[158] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), 493 f. (494): Unter den Dichtern aber erreichte Racine in Sprach- und Verskunst eine harmonische Vol〈494〉lendung, wie sie nach meinem Gefühl weder Milton im Englischen, noch auch Virgil im Römischen haben, und die nachher in der französischen Sprache[3] nie wieder erreicht worden ist. Für das Ganze der Poesie[1] hätte man wohl wünschen mögen, daß für die Dichtersprache besonders, neben dieser kunstreichen Vollendung, auch etwas mehr Freyheit[9] übrig gelassen wäre; daß man die altfranzösische Poesie[11] der Ritterzeit, die doch so vieles Schöne[1] und Liebliche, in Erfindung und Sprache[3] hervorgebracht, nicht so ganz unbedingt und ohne Ausnahme verworfen, verachtet und vergessen hätte. Man hätte immer, wie ja auch von den Italienern und andern Nationen[1] geschehen war, einen kunstreichern und ernstern Styl mit dem dichterischen Geist[12] der Ritterzeit verbinden können. Die französische Poesie[1] und die Sprache[3] würde dann etwas mehr von jenem romantischen[2/7] Schwunge und jener alten[6] Dichter-Freyheit[9] erhalten haben, die ihr Voltaire so oft zurück wünscht, und die er ihr auch obwohl zu spät und nur mit halbem Gelingen zum Theil wieder zu geben suchte. ➢ Volltext.
[159] L. Tieck, Phantasus I (1812), 396: Häufig [...], wenn wir vom Dramatischen sprechen, verwechseln wir dieses mit dem Theatralischen, und wiederum ein mögliches besseres Theater mit unserm gegenwärtigen und seiner ungeschickten Form; und in dieser Verwirrung verwerfen wir viele Gegenstände und Gedichte als unschicklich, weil sie sich freilich auf unsrer Bühne nicht ausnehmen würden. Sehn wir also ein, daß ein neues[1] Element erst das dramatische Werk als ein solches beurkundet, so ist wohl ohne Zweifel eine Art der Poesie erlaubt, welche auch das beste Theater nicht brauchen kann, sondern in der Phantasie[19] eine Bühne für die Phantasie[2] erbaut, und Compositionen versucht, die vielleicht zugleich lyrisch, episch und dramatisch sind, die einen Umfang gewinnen, welcher gewissermaßen dem Roman[1] untersagt ist, und sich Kühnheiten aneignen, die keinem andern dramatischen Gedichte ziemen. Diese Bühne der Phantasie[2] eröffnet der romantischen[1/4] Dichtkunst[1] ein großes Feld, und auf ihr dürfte diese Magelone und manche alte[1/11] anmuthige Tradition sich wohl zu zeigen wagen..
[160] Uhland, Romant. (H1807), 139: Die Griechen in einem schönen[[[[BedeutungsVerweis ID='433' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] genußreichen Erdstriche wohnend, von Natur[[[[BedeutungsVerweis ID='40' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] heiter[[[[BedeutungsVerweis ID='224' Anzeige='5' Formatierung='1']]]], umdrängt von einem glänzenden thatenvollen Leben, mehr äusserlich als innerlich lebend, überall nach Begrenzung und Befriedigung trachtend, kannten oder nährten nicht jene dämmernde Sehnsucht nach dem Unendlichen. Ihre Philosophen suchten es in lichten Systemen aufzufassen, ihre Dichter stellten jeder innern Regung des Höheren äusserlich eine helle, mit kräftigen Umrissen abgestochene, mit bezeichnenden Attributen ausgerüstete Göttergestalt entgegen. Ihr Olymp stand in lichter Sonne da, jeder Gott[[[[BedeutungsVerweis ID='189' Anzeige='4' Formatierung='1']]]], jede Göttin ließ sich klar darauf erblicken. | Einzelne Erscheinungen in der griechischen[[[[BedeutungsVerweis ID='119' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] Poesie sind vielleicht mehr für uns romantisch[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]], als sie es für die Griechen selbst waren. .
[161] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 19: Man hat die Kunst[4] und Poesie des Mittelalters mit dem Namen der romantischen[13], die Kunst[4] und Poesie der Alten[10] mit dem Namen der klassischen[7] getauft, welcher Name und Gegensatz von einer deutschen Dichterschule, Tieck und den beiden Schlegeln, die man selbst zur neuromantischen Klasse[1] zählte, ausging, in Deutschland viel Streit und Gerede machte und seit einem Dezennium auch in Frankreich und Italien die größten Spaltungen erregte, indem die jungen französischen und italienischen Dichter sich zu den deutschen Romantikern[3] schlugen, und im Gegensatze zu den Nachahmern des altklassischen Stils sich mehr der britischen und deutschen Phantasiefülle und Regellosigkeit hingaben, worin sie hauptsächlich das Wesen der Romantik[13] erblickten. Überhaupt hat man viel Mißbrauch mit beiderlei Namen getrieben, und man ist sich noch jetzt, weder in Deutschland, noch bei unsern Nachbarn selten klar, worin denn eigentlich das unterschiedliche Wesen der einen und der andern Art bestehe. Vielleicht drückt man sich darüber am richtigsten aus, wenn man sagt, die Kunst[2] der Alten[10], das ist die Klassik[5], habe darin bestanden, daß sie jede Idee, die sie darstellen wollten, sei's mit dem Meißel, am Stoff des Marmors, sei's mit dem Griffel, am Stoff der Sprache[1], daß sie jede darzustellende Idee, so vollkommen an diesem Stoffe ausdrückten, daß nichts 〈20〉 mehr und nichts weniger als eben die Idee selbst sinnlich vor Augen trat; dagegen die Kunst[2] der Romantiker[2] darin bestand und besteht, daß sie die Idee im sinnlichen Stoff keineswegs vollkommen erschöpften, sondern nur symbolisch an ihm darstellten, so daß man bei ihren Gebilden immer etwas mehr hinzuzudenken habe, als man vor Augen sähe. Die Ursache war denn die, daß die alten[10] griechischen[1] Künstler, nach ihren Begriffen[1] von sinnlicher Form und Schönheit[1], alle diejenigen Ideen zur Darstellung verschmähten und von sich wiesen, welche sie nicht in feste Form vollkommen einfassen konnten, die Künstler und Dichter des Mittelalters aber sich kein Bedenken daraus machten, das Höchste und Tiefste, was nur die Menschenbrust fassen, aber kaum ein sterblicher Mund aussprechen konnte, symbolisch in Formen und Gestalten wenigstens anzudeuten. Daß uns eine solche Kunst[2] der Bedeutsamkeit, eine solche Symbolik der Religion[1] und der Liebe aus den Denkmälern des Mittelalters überall anweht, uns bald heimlich, bald großartig, bald abenteuerlich[3] ergreift und etwas Unendliches, Ahnungsvolles, Sehnsüchtiges in uns anregt, wird jeder gestehen, dem das Mittelalter bekannter geworden ist wie aus Büchern der neuern[9] Zeit[3] über dasselbe..
[162] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 110: Zunächst wird jeder gleich sehen, daß [...] jeder heutige Ästhetiker sich in den Fall versetzt findet, mit hinlänglicher Willkür [...] aus dem Chaos untergegangener Schönheiten[3] beliebig dies und jenes auszuwählen, bald mehr die klassischen[7], bald mehr die romantischen[13] zu begünstigen, bald mehr die Kunst[4], bald mehr die Poesie in sein Gebiet hereinzuziehen, oder auch den rhetorischen Schönheiten[3] das Uebergewicht zu verstatten..
[163] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 193: Vielerlei sind der Sprachen[9], Zungen und Charaktere[9] auf der Welt, die einander nicht verstehen; die Poesie aber ist die heilige Flammenzunge, die aus aller Herzen zu aller Herzen spricht und jeden Menschen[1] mit süßem Verständnis bewegt. Die Poesie ist die Natur[19], die ursprüngliche Menschheit[1], die sich mit jeder besonderen Erscheinung der Menschheit[1] auf dem Felde der Geschichte[1] gattet und daher, so allgemein menschlich sie in ihrer Quelle ist, doch jedesmal einer besonderen Menschheit[3], einem gewissen Zeitalter eigentümlich angehört. Man kann daher mit Recht von einer katholischen und griechischen[2] Poesie sprechen, von einer romantischen[13] und klassischen[7], nur wird man sich hüten, den Gegensatz unmittelbar in das Wesen der Poesie selbst zu setzen, die Poesie ist nur die eine bei allen Völkern[1], Zeiten[5] und Zuständen, aber der Strahl dieser einen Sonne bricht sich tausendfach in der geistigen Atmosphäre und verursacht dadurch ein buntes[2] Farbenspiel von Weltpoesien, deren Verständnis, nach Rückerts Ausdruck, allein zur Weltversöhnung führt..
[2] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 65: Da alle Poesie ein mythologisches Fundament haben muß um selbständig auf sich zu ruhen, so wird es vor allen Dingen wichtig seyn zu untersuchen, in wiefern sich noch eine Deutsche Mythologie, oder Reste derselben, oder überhaupt eine romantische[13] erhalten.
[3] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 38, Nr. 146: Wie der Roman die ganze moderne
Poesie
, so tingiert auch die Satire, die durch alle Umgestaltungen, bey den Römern doch immer eine klassische Universalpoesie, eine Gesellschaftspoesie aus und für den Mittelpunkt des gebildeten Weltalls blieb, die ganze römische Poesie
, ja die gesammte römische Litteratur, und giebt darin gleichsam den Ton an. ➢ Volltext
[4] Solger, Rez. A. W. Schlegel (1819), 83: Hierauf folgt eine Bestimmung der Begriffe[1] der antiken[2] und modernen[1] oder romantischen[12] Poesie, und mit Recht ist diese vorangestellt, da der Verfasser einen ganz praktischen Zweck hatte, und also gleich in den historischen Gegensatz eingehen mußte. Nachdem er diesen oft verkannten und mißverstandenen, und oft selbst bezweifelten Gegensatz vorläufig durch Bilder und Beyspiele deutlich zu machen gesucht, durch Rhythmus und Melodie, Plastik und Malerey[2], die antike[2] und sogenannte gothische Baukunst; so versucht er ihn endlich seinem Wesen nach in bestimmten Worten[2] darzustellen.
[5] A. F. Bernhardi, Sprachlehre II (1803), 240: Es ist aus dem obigen klar, daß die romantische[1] Prosa[1] von den Gattungen der prosaischen[1] Poesie die Blüthe und Krone ist [...]. Denn diese ganze Gattung der Poesie geht aus der Geschichte[7] hervor, und im Roman[1] also, der eine historische Gattung ist, muß sie sich am 〈241〉 genauesten anschließen, und in ihrer höchsten Vollkommenheit darstellen können. ➢ Volltext.
[6] Brockhaus, Conv.-Lex. V (1809), 57: Im engern Sinne bedeutet [...] Satire diejenige Gattung der Poesie, welche schädliche und selbstverschuldete Fehler, in der Absicht sie zu verbessern, auf eine witzige Art verspottet. Unschädliche und unverschuldete Unvollkommenheiten sind demnach ganz von ihr ausgeschlossen, erstere, weil dabei der Zweck der Besserung wegfällt, letztere, weil sie nie Gegenstände des Witzes[4] werden können..
[7] Collin, an A. W. Schlegel (13. 4. 1808), KJ 1, 536: Am meisten freue ich mich wohl, Sie nun bald über den Gegensatz des Antiken[2] und Romantischen[12], über das Wesen der romantischen[12] Tragödie, über das, was sie romantisch[12] macht, sprechen zu hören. Ob die Beymischung des Komischen der romantischen[12] Tragödie nothwendig oder bloß natürlich[11] – und warum das eine oder das andere? Ob das romantische[12] reine Poesie, oder bloß Uibergang [sic] sey zu einer? Ich bin dabey recht egoistisch. Denn es sey bekannt: das alles wünsche ich bloß zu hören, weil ich selbst darüber nicht klar bin..
[8] G. Forster, Ansichten II (1791), W 2, 673: So würde es ebenfalls die Scheidung des Wesentlichen in der Kunst[10] von dem Zufälligen sehr erleichtern, wenn man erwöge, daß sogar die rohesten Völker[1], die entweder einen höchst unvollkommnen oder noch gar keinen Trieb zu materiellen Kunstgebilden äußern, bereits wahre Poësien besitzen, welche, verglichen mit den geglätteten und künstlich in einander gefügten dichterischen Produkten der verfeinerten Kultur[5], diesen oft den Preis der Gedankenfülle, der Stärke und Wahrheit des Gefühls, der Zartheit und Schönheit der Bilder abgewinnen. Man begreift, wie diese Eigenschaften das einfache Hirtenlied, die Klagen und das Frohlocken der Liebe, den wilden Schlachtgesang, das Skolion beim Freudenmale und den rauschenden Götterhymnus eines Halbwilden bezeichnen können; denn sie gehen aus der schöpferischen Energie des Menschen unmittelbar hervor und sind unabhängig von dem Vehikel ihrer Mittheilung, der mehr oder minder gebildeten Sprache[3]. .
[9] v. d. Hagen, Vorr. Lit. Grdriß (1812), IX f. (X): Aus fast gleichzeitigen Galischen Quellen jedoch mag ein Theil der Dichtungen vom Artus herrühren, welche später bei den Wälschen Völkern, in den Romanen von der Tafelrunde und dem Gral ausgebildet wurden. Diese nahm die Deutsche Poesie[3], so viel sie mochte, in sich auf; und von nun an besteht der größte Theil der poetischen[5], besonders der epischen Literatur dieser Zeit in dergleichen Übertragungen aus dem Wälschen, oder dem zum Theil gemeinsamen Lateinischen. Freilich sind es solche, wie sie damals nur sein konnten, keine künstliche Nachbildungen, sondern wahrhafte Verdeutschungen in Saft und Kraft. Ebenso wurden die durch eine spätere historische Epoche in deren Heimat veranlaßten Romane von Karl dem Großen und seinen Helden herübergenommen. In beiden Fabelkreisen, wie sie zum Theil nach einander, und der von den Helden Karls erst später recht bearbeitet wurden, zeigen auch die einzelen Dichtungen in 〈X〉 ihrer mythischen Folge, in welcher sie hier aufgeführt sind, zugleich ihre Entstehung nach einander; welches auch mit von dem Heldenbuch und überhaupt von den erzählenden Gedichten gilt: so daß sich in ihnen, zunächst in diesen drei großen epischen Kreisen, nicht nur die Historie, sondern auch ihre eigene Geschichte ausdrückt. Solche allmälige Entwickelung der sämmtlichen drei Kreise ging hervor aus dem Streben aller epischen Poesie, sich cyklisch abzuschließen. Dieß zeigt sich mehr oder minder schon in einzelen Romanen, die als Grundlage und Mittelpunkt ihres Kreises anzusehen; noch mehr in späteren, die schon so viel als möglich davon in sich wiederholen; am deutlichsten aber in den wirklich und absichtlich cyklischen Gedichten, wie besonders das über die Tafelrunde und den Gral und die noch umfassendere Weltkronik: es offenbart sich hierin zugleich das ursprüngliche Streben aller romantischen[12/11] Poesie zu einem großen Universalgedicht, welches alle Gegenstände des Himmels und der Erde, alle Formen der Poesie in sich beschließt.
➢ Volltext
.[10] Hegel, Solger (1828), W 11, 213 f. (214): Es ist vorhin des vortrefflichen Unsinns und der herrlichen Albernheit erwähnt worden, und wohl gibt es noch Verehrer Shakespeares, die aus dem ästhetischen Enthusiasmus für Korporal Nym und Leutnant Pistol nicht 〈214〉 herauskommen können. So machte sich denn von selbst in den eigenen Produktionen Gehalt und Inhalt nüchtern, dünn, ohne Ernst; er wurde absichtlich aufgeopfert, um ins Leere zu verschweben und mit Bewußtsein, ironischer[3]weise, die innere Wahrheitslosigkeit des Stoffes für das Beste auszugeben. Einerseits sahen wir die Theorie von der Poesie der Poesie, andererseits den Kreis von Poeten sich bilden, die es darauf anlegten, sich gegenseitig und das Publikum[3] mit den morgenrötlichen Produkten der neuen poetischen[4] Poesie, mit einer kometarischen Welt aus Duft und Klang ohne Kern zu mystifizieren. Für diese ironische[3] Sublimation zur Inhaltslosigkeit und Sehnsucht liegt die lyrische Form ganz nahe und macht sich gleichsam von selbst, denn das Spiel im wirklichkeitslosen Tönen des hohlen Geistes[19] ist für Vers und Reim nicht durch den Inhalt geniert. Im dramatischen Fache kann Wirklichkeit, Charakter[3] und Handlung[3] nicht entbehrt werden; die innere Nichtigkeit, welche von der Theorie der Ironie[3] gefordert wird, führt hier auf dasjenige, worauf die Mittelmäßigkeit von selbst gerät, – Charakterlosigkeit, Inkonsequenz und Zufälligkeit, aufgespreizte Nüchternheit; die Theorie fügt nur dies hinzu, daß die Mittelmäßigkeit auch mit der Maxime der Haltungslosigkeit und Halbheit produziert..
[11] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 87 f. (88): Insofern nun aber die Ironie[3] ist zur Kunstform gemacht worden, blieb sie nicht dabei stehen, nur das eigene Leben und die besondre Individualität des ironischen[3] Subjekts künstlerisch heraus zu gestalten, sondern außer dem Kunstwerk der eigenen 〈88〉 Handlungen[1] u. s. f. sollte der Künstler auch äußere Kunstwerke als Produkte der Phantasie[1] zu Stande bringen. Das Princip dieser Produktionen, die nur in der Poesie vornehmlich hervorgehen können, ist nun wiederum die Darstellung des Göttlichen als des Ironischen[3]. ➢ Volltext.
[12] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 202: Wir können [...] die heitere[4] Ruhe und Seligkeit, dieß Sichselbstgenügen in der eigenen Beschlossenheit und Befriedigung als den Grundzug des Ideals an die Spitze stellen. Die ideale Kunstgestalt steht wie ein seliger Gott[4] vor uns da. Den seligen Göttern[4] nämlich ist es mit der Noth, dem Zorn und Intresse in endlichen Kreisen und Zwecken kein letzter Ernst, und dieses positive Zurückgenommenseyn in sich bei der Negativität alles Besonderen giebt ihnen den Zug der Heiterkeit[3] und Stille. In diesem Sinne[1] gilt das Wort[2] Schillers: „Ernst ist das Leben, heiter[4] ist die Kunst[2].“ Zwar ist häufig genug pedantisch hierüber gewitzelt worden, da die Kunst[2] überhaupt und vornehmlich Schillers eigene Poesie von der ernstesten Art sey, – wie denn die ideale Kunst[2] auch in der That des Ernstes nicht entbehrt, – aber in dem Ernste eben bleibt die Heiterkeit[3] in sich selbst ihr wesentlicher Charakter[1]. Diese Kraft der Individualität, dieser Triumph der in sich koncentrirten konkreten Freiheit[10] ist es, den wir besonders in antiken[2] Kunstwerken[2] in der heiteren[4] Ruhe ihrer Gestalten erkennen. ➢ Volltext.
[13] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 207 f. (208): Bei diesem Gegensatze des Ideals und der Natur[19] hat man nun also die eine Kunst[10] mehr als die andre im Sinne gehabt, hauptsächlich aber die Malerei, deren Sphäre gerade die anschauliche Besonderheit ist. Wir wollen deshalb die Frage in Betreff dieses Gegensatzes allgemeiner so stellen: soll die Kunst[10] Poesie[14] oder Prosa[4] seyn? Denn das ächt Poetische[1] in der Kunst[10] ist eben das, 〈208〉 was wir Ideal nannten. Kommt es auf den bloßen Namen Ideal an, so ließe sich derselbe leicht aufgeben. Dann entsteht aber die Frage, was ist denn Poesie[14] und was ist Prosa[4] in der Kunst[10]? Obschon auch das Festhalten des an sich selbst Poetischen[1/4] in Bezug auf bestimmte Künste[10] zu Abirrungen führen kann und bereits geführt hat, insofern was der Poesie[11] ausdrücklich und näher der lyrischen etwa angehört, auch durch die Malerei, weil solch ein Inhalt denn doch gewiß poetischer[1] Art sey, dargestellt worden ist. Die jetzige Kunstausstellung (1828) z. B. enthält mehrere Gemälde, alle aus ein und derselben (der sogenannten Düsseldorfer) Schule, welche sämmtlich Sujets aus der Poesie[11] und zwar aus der nur als Empfindung darstellbaren Seite der Poesie[11] entlehnt haben. Sieht man diese Gemälde öfter und genauer an, so erscheinen sie bald genug als süß und fade. ➢ Volltext.
[14] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 263 f.: Die innere Vorstellung [...] kann in Zerrissenheit weit mehr ertragen als die unmittelbare Anschauung. Die Poesie hat deshalb das Recht nach Innen fast bis zur äußersten Qual der Verzweiflung und im Aeußern bis zur Häßlichkeit als solcher fortzugehn. In den bildenden Künsten[2] aber, in der Malerei und mehr noch in der Skulptur steht die Außengestalt fest und bleibend da, ohne wieder aufgehoben zu werden, oder als flüchtig vorübergeführt, so〈264〉gleich wieder zu verschwinden. Hier würde es ein Verstoß seyn das Häßliche[1], wenn es keine Auflösung findet, für sich festzuhalten. Den bildenden Künsten[2] ist deshalb nicht alles das erlaubt, was in der dramatischen Poesie, insofern sie es nur augenblicklich erscheinen und sich wieder entfernen läßt, sehr wohl zu gestatten wäre. ➢ Volltext.
[15] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 311 f. (312): Aus dem Bereiche der Kunst[2] [...] sind die dunklen Mächte grade zu verbannen, denn in ihr ist nichts dunkel, sondern Alles klar und durchsichtig, und mit jenen Uebersichtigkeiten [sc. Darstellungen von Personen mit ,zweitem Gesicht‘] ist nichts als der Krankheit des Geistes[19] das Wort[2] geredet, und die Poesie in das Nebulose, Eitle und Leere hinübergespielt, wovon Hoffmann und Heinrich 〈312〉 von Kleist in seinem Prinzen von Homburg Beispiele liefern. [...] Die Gesundheit des Charakters[2] [...] mit der Krankheit des Geistes[19] vertauschen zu müssen, um Kollisionen hervorzubringen und Interesse zu erregen ist immer unglücklich; deshalb ist auch die Verrücktheit nur mit großer Vorsicht anzuwenden. | An solche Schiefheiten, welche der Einheit und Festigkeit des Charakters[2/7] entgegenstehn, können wir auch noch das Princip der neueren Ironie[1/3] sich anschließen lassen. Diese falsche Theorie hat die Dichter verführt in die Charaktere[7] eine Verschiedenheit hineinzusetzen, welche in keine Einheit zusammengeht, so daß sich jeder Charakter[7] als Charakter[2] zerstört. Tritt ein Individuum zunächst auch in einer Bestimmtheit auf, so soll dieselbe gerade in ihr Gegentheil überschlagen, und der Charakter[7] dadurch nichts als die Nichtigkeit des Bestimmten und seiner selbst darstellen. Dieß ist von der Ironie[4] als die eigentliche Höhe der Kunst[2] angenommen worden, indem der Zuschauer nicht müsse durch ein in sich affirmatives Interesse ergriffen werden, sondern darüber zu stehen habe, wie die Ironie[3/4] selbst über Alles hinaus ist. – In diesem Sinne hat man denn auch Shakspearesche Charaktere[7] erklären wollen. [...] 〈313〉 [...] Jetzt [...] machen sie [...] Shakspeare's Charaktere[7] gespenstig, und meinen, daß die Nichtigkeit und Halbheit im Schwanken und Uebergehn, daß diese Quatschlichkeit eben für sich interessiren müsse. Das Ideale aber besteht darin, daß die Idee wirklich ist, und zu dieser Wirklichkeit gehört der Mensch als Subjekt und dadurch als in sich festes Eins. ➢ Volltext.
[16] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 367: Innerhalb der Poesie ist [...] das Volkslied am meisten nationell und an Seiten der Natürlichkeit geknüpft, weshalb das Volkslied auch den Zeiten[3] geringer geistiger Ausbildung angehört und am meisten die Unbefangenheit des Natürlichen bewahrt. Göthe z. B. hat in allen Formen und Gattungen der Poesie Kunstwerke producirt, das Innigste aber und Unabsichtlichste sind seine ersten Lieder. Zu ihnen gehört die geringste Kultur[4]. ➢ Volltext.
[17] Hegel [Hotho], Aesth. I (1835), 381 f. (382): Bei dieser Gelegenheit können wir denn auch wieder der Ironie[4] gedenken, welche sich hauptsächlich dann als die höchste Originalität auszugeben liebt, wenn es ihr mit keinem Inhalt mehr Ernst ist, und sie ihr Geschäft des Spaßes nur des Spaßes wegen treibt. Nach einer anderen Seite hin bringt sie in ihren Darstellungen eine Menge Aeußerlichkeiten zusammen, deren innersten Sinn[2] der Dichter für sich behält, wo denn die List und daß [sic] Große darin bestehn soll, daß die Vorstellung verbrei〈382〉tet wird, grade in diesen Zusammentragungen und Aeußerlichkeiten sey die Poesie der Poesie, und alles Tiefste und Vortrefflichste verborgen, das sich nur eben seiner Tiefe wegen nicht aussprechen lasse. So wurde z. B. in Friedrich von Schlegel's Gedichten, zur Zeit[7], als er sich einbildete ein Dichter zu seyn, dieß Nichtgesagte als das Beste ausgegeben, doch diese Poesie der Poesie ergab sich grade als die platteste Prosa[4]. ➢ Volltext.
[18] Hegel [Hotho], Aesth. II (1837), 170: Die Tugenden der christlichen Frömmigkeit ertödten in ihrer abstrakten Haltung das Weltliche, und machen das Subjekt nur frei, wenn es sich selbst in seiner Menschlichkeit absolut verläugnet. Die subjektive Freiheit[10] des jetzigen Kreises ist zwar nicht mehr durch bloße Duldung und Aufopferung bedingt, sondern in sich, im Weltlichen, affirmativ, aber die Unendlichkeit des Subjekts hat doch, wie wir schon sahen, nur wieder die Innigkeit als solche zu ihrem Inhalt, das subjektive Gemüth, als sich in sich selbst bewegend, als der weltliche Boden seiner in sich. In dieser Beziehung hat die Poesie hier keine vorausgesetzte Objektivität vor sich, keine Mythologie, keine Bildwerke und Gestaltungen, die für ihren Ausdruck bereits fertig da lägen. Sie steht ganz frei, stofflos, rein schöpferisch und producirend, auf; es ist wie der Vogel, der frei aus der Brust sein Lied singt. Wenn nun aber diese Subjektivität auch von edlem Willen und tiefer Seele ist, so tritt doch in ihren Handlungen und deren Verhältnissen und Existenz nur die Willkürlichkeit und Zufälligkeit ein, da die Freiheit[10] und ihre Zwecke von der, in Betreff auf sittlichen Gehalt noch substanzlosen, Reflexion in sich selber ausgehen. Und so finden wir nicht sowohl in den Individuen ein besonderes Pathos im griechischen Sinn[1], und eine damit auf's engste zusammengeschlossene lebendige Selbstständigkeit der Individualität, als vielmehr nur Grade der Heldenschaft in Rücksicht auf Liebe, Ehre, Tapferkeit, Treue; Grade, in welche die Schlechtigkeit oder 〈171〉 der Adel[5] der Seele hauptsächlich Verschiedenheiten hereinbringt. ➢ Volltext.
[19] Heine, Romant. Schule (1836), 19: Die Poesie in allen diesen Gedichten des Mittelalters trägt einen bestimmten Charakter[1], wodurch sie sich von der Poesie der Griechen und Römer unterscheidet. In Betreff dieses Unterschieds nennen wir erstere die romantische[[4/8/13] und letztere die klassische[5/6/7] Poesie. Diese Benennungen aber sind nur unsichere Rubriken und führten bisher zu den unerquicklichsten Verwirrnissen, die noch gesteigert wurden, wenn man die antique[2] Poesie statt klassisch[5/6/7] auch plastisch[3/4/5] nannte. ➢ Volltext.
[20] Heine, Romant. Schule (1836), 21: Wenn Homer die Rüstung eines Helden schildert, so ist es eben nichts anders als eine gute Rüstung, die so und so viel Ochsen werth ist; wenn aber ein Mönch des Mittelalters in seinem Gedichte die Röcke der Muttergottes beschreibt, so kann man sich darauf verlassen, daß er sich unter diesen Röcken eben so viele verschiedene Tugenden denkt, daß ein besonderer Sinn[2] verborgen ist unter diesen heiligen Bedeckungen der unbefleckten Jungfrauschaft Mariä, welche auch, da ihr Sohn der Mandelkern ist, ganz vernünftigerweise als Mandelblüthe besungen wird. Das ist nun der Charakter[1] der mittelalterlichen Poesie, die wir die romantische[13/8] nennen. | 〈22〉 Die klassische[7/6] Kunst[3] hatte nur das Endliche darzustellen, und ihre Gestalten konnten identisch seyn mit der Idee des Künstlers. Die romantische[13/8] Kunst[3] hatte das Unendliche und lauter spiritualistische Beziehungen darzustellen oder vielmehr anzudeuten, und sie nahm ihre Zuflucht zu einem System tradizioneller Symbole, oder vielmehr zum Parabolischen, wie schon Christus selbst seine spiritualistischen Ideen durch allerley schöne Parabeln deutlich zu machen suchte. Daher das Mystische, Räthselhafte, Wunderbare und Ueberschwengliche in den Kunstwerken[3] des Mittelalters; die Phantasie[2] macht ihre entsetzlichsten Anstrengungen das Reingeistige durch sinnliche Bilder darzustellen, und sie erfindet die kolossalsten Tollheiten, sie stülpt den Pelion auf den Ossa, den Parcival auf den Titurel, um den Himmel zu erreichen. ➢ Volltext.
[21] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. I (1834), 295: Für sinnige Leserinnen sei hier noch bemerkt, daß unter so vielen Schriften, die mit mehr oder weniger Glück arkadisches Leben, arkadische Sitten schildern, das Werk eines fürstlichen Dichters, des verewigten Herzogs August von Sachsen-Gotha: „Ein Jahr in Arkadien,“ den ersten Rang mit einnimmt, und einen wahrhaft klassischen[7] Geist[12] athmet, während eine Unzahl den Griechen Theokrit nachahmender Idyllendichter den Schauplatz ihrer einschläfernden Poesien nach Arkadien, in das glückselige Schäferland verlegte, und die frischgrüne Trift der Dichtkunst damit unter Wasser setzte..
[22] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. II (1834), 38 f. (39): Beschreibung nennt man die Aufzählung der Merkmale 〈39〉 eines Gegenstandes, um selbigen von anderen unterscheiden zu können. Die Beschreibung kann entweder den Zweck haben, dem Verstande einen deutlichen Begriff[1] von Etwas zu geben, oder aber der Phantasie[1] ein schönes Bild vorzuführen. Im erstern Falle sind Wahrheit, Vollständigkeit, Genauigkeit Bedingung, weil sonst kein deutlicher Begriff[1] entstehen kann; im letztern kommt es darauf an, den todten Buchstaben[9] Leben und Frische einzuhauchen; sie ist die nahe Verwandte der Poesie und leiht sich von ihr die Farben, mit welchen sie ihre Kinder schmückt..
[23] Herloßsohn, Dam. Conv. Lex. III (1835), 433: Die Neigung zu rhetorischer Ausbildung des poetischen[4] Talentes ward noch vorherrschender während des siebenzehnten Jahrhunderts, dessen dichterische Erzeugnisse sich durch ein entschiedenes Streben nach Correktheit und Eleganz auszeichnen [...], und diese Richtung blieb auch, obwohl das eigentliche Wesen der Poesie sehr darunter litt, in der folgenden Zeit vorherschend, wo es durch Alexander Pope [...], einen eigentlich mehr geistreich als originell zu nennenden Dichter, der aber unbedingt als der correkteste Autor zu betrachten ist, welchen England aufzuweisen hat, die höchste Stufe erreichte. Es war in Hinsicht auf die Form eine wahrhaft klassische[3] Zeit[3] für die englische 〈434〉 schöne Literatur [...]..
[24] Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 67] (1810), 631: Wenn von der Musik als einer selbstständigen Kunst[2] die Rede ist, sollte immer nur die Instrumental-Musik gemeint seyn, welche, jede Hülfe, jede Beymischung einer andern Kunst[2] verschmähend, das eigenthümliche, nur in ihr zu erkennende Wesen der Kunst[2] rein ausspricht. Sie ist die romantischte[8] aller Künste[2], – fast möchte man sagen, allein rein romantisch[8]. – Orpheus Lyra öffnete die Tore des Orcus. Die Musik schliesst dem Menschen ein unbekanntes Reich auf; eine Welt, die nichts gemein hat mit der äussern Sinnenwelt, die ihn umgiebt, und in der er alle durch Begriffe bestimmbaren Gefühle zurücklässt, um sich dem Unaussprechlichen hinzugeben. Wie wenig erkannten die Instrumental-Componisten dies eigenthümliche Wesen der Musik, welche versuchten, jene bestimmbaren Empfindungen, oder gar Begebenheiten darzustellen, und so die der Plastik geradezu entgegengesetzte Kunst[2] plastisch[3] zu behandeln! Dittersdorfs Symphonien der Art, so wie alle neuere Batailles de trois Empereurs etc. sind, als lächerliche Verirrungen, mit gänzlichem Vergessen zu bestrafen. – In dem Gesange, wo die hinzutretende Poesie bestimmte Affecte durch Worte[2] andeutet, wirkt die magische Kraft der Musik, wie das Wunder-Elixir der Weisen, von dem etliche Tropfen jeden Trank köstlich und herrlich machen. Jede Leidenschaft – Liebe – Hass – Zorn – Verzweiflung etc. wie die Oper sie uns giebt, kleidet die Musik in den Purpurschimmer der Romantik[8], und selbst das im Leben Empfundene führt uns hinaus aus dem Leben in das Reich des Unendlichen. So stark ist der Zauber der Musik, und, immer mächtiger wirkend, müsste er jede Fessel einer andern Kunst[2] zerreissen. ➢ Volltext.
[25] Hoffmann, Rez. Beethoven [Op. 62] (1811), SW 1, 615: Mehrere Trauerspiele haben schon Ouvertüren erhalten, und der geniale Beethoven hat auch Collins Coriolan mit einer herrlichen Arbeit dieser Art ausgestattet – wiewohl Rez. gestehen muß, daß ihm Beethovens rein-romantischer[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]] Genius der Collinschen, meistens reflektierenden Poesie, nicht ganz befreundet zu sein scheint, und der Komponist dann erst mächtig die Seele ergreifen und ganz für die folgenden Erscheinungen aufregen würde, wenn es ihm gefiele, zu den, die Romantik[[[[BedeutungsVerweis ID='651' Anzeige='7' Formatierung='1']]]] im höchsten Sinn aussprechenden Trauerspielen Shakspeare's und Calderons Ouvertüren zu schreiben..
[26] Immermann, Epigon. (1836), W 2, 459: Ein Unterschied der modernen[1] Zeit[3] von der griechischen[2] besteht darin, daß unter uns Neueren[3] das wahrhaft geniale Schöne[2] fast immer im Gegensatze zu der herrschenden Stimmung erwächst, welche dagegen ihrerseits das als vorhanden zu präkonisieren [›auszurufen‹] pflegt, woran es ihr eben ganz gebricht. Dagegen ging in jener glücklichen griechischen[2] Periode das besondre Genie[2] der Künstler[1] aus dem allgemeinen Talente der Nation[1] hervor. Um an einem Beispiele meine Meinung klarzumachen, so glaubten wir an Klopstocks Oden, Bardieten und an den Nachahmungen derselben eine große vaterländische Poesie zu besitzen, und doch waren diese frostigen Exerzitien am allerfernsten von einer solchen..
[27] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 22: Denn wie das organische[3] Reich das mechanische aufgreift, umgestaltet und beherrschet und knüpft, so übt die poetische[4/1/3] Welt dieselbe Kraft an der wirklichen und das Geisterreich am Körperreich. Daher wundert uns in der Poesie[11/15/14] nicht ein Wunder, sondern es giebt da keines, ausgenommen die Gemeinheit. Daher ist – bey gleichgesetzter Vortrefflichkeit – die poetische[4/1/3] Stimmung auf derselben Höhe, ob sie ein ächtes Lustspiel oder ein ächtes Trauerspiel, sogar dieses mit romantischen[2/4] Wundern aufthut [...]..
[28] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 78 f. (79): Niemand klassifizieret so gern als der Mensch, besonders der deutsche. Ich werde mich im Folgenden in angenommene Abtheilungen fü〈79〉gen. Die breiteste ist die zwischen griechischer[2] oder plastischer[4] Poesie und zwischen neuer[5] oder romantischer[12/8] oder auch musikalischer[7]..
[29] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 79: [E]ntweder das Ideal herrschet im Objekte – dann ist die sogenannte ernste Poesie; – oder im Subjekt – dann wird es die komische; welche wieder in der Laune (wenigstens mir) lyrisch, in der Ironie[1] oder Parodie episch, im Drama als beides erscheint..
[30] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 120: Indeß kann dieß die große Absonderung der griechischen[2] und der romantischen[12] Poesie so wenig aufheben als die Wesenleiter der Thiere[1] deren Fach-ordnen..
[31] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (1804), 121: Ursprung und Karakter[1] der ganzen neuern[3] Poesie läßt sich so leicht aus dem Christenthum ableiten, daß man die romantische[12] ebensogut die christliche nennen könnte..
[32] Jean Paul, Vorsch. Ästh. I (21813), 149: Die orientalische Poesie ist weniger der griechischen[2], als der romantischen[12] durch die Vorliebe für das Erhabne und das Lyrische, und durch ihr Unvermögen in Drama und Charakteristik und am meisten durch die 〈150〉 orientalische Denk- und Fühlart verwandt. Nämlich ein Gefühl der irdischen Nichtigkeit des Schattengewimmels in unserer Nacht, Schatten, welche nicht unter einer Sonne, sondern wie unter Mond und Sternen geworfen werden, und denen das kärgliche Licht selber ähnlich ist, ein Gefühl, als würde der Lebenstag unter einer ganzen Sonnenfinsternis voll Schauer und Nachtgeflügel gelebt – ähnlich jenen Finsternissen wo der Mond die ganze Sonne verschlingt, und nur er selber mit einem strahlenden Ringe vor ihr steht – diese Denk- und Fühlart, welche Herder, der größte Abzeichner des Orients, dem Norden so nahe vorgemalt, mußte sich der romantischen[12] Dichtkunst auf einem Wege nähern, auf welchem das verschwisterte Christentum sie ganz erreichte und ausformte..
[33] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 715: In der Poesie wird das Romantische[3] [...] nur in einer üppigen und mannigfaltigen Umgebung gefunden..
[34] Krünitz [Korth], Oecon. Encycl. CXXVI (1819), 720: Wir finden in jeder Poesie[11] romantische[2] Partien. So fehlt es dem griechischen[2], als auch dem nordischen Fabelkreise nicht an reizenden romantischen[2] Einzelnheiten; nur der [sic] eigentliche vorherrschende Charakter[5], der [sic] wahre Geist[12] des Romantischen[2] findet man in den provenzalischen 〈721〉 Dichtern[3], und in dem Mythenkreise der eigentlichen alten[11] Ritterromane, der dem Süden von Europa angehört, und sich von da erst weiter ausgebreitet hat. Diesen romantischen[2] Geist[12] finden wir zuerste in Spanien und Frankreich. In Spanien verschaffte der Kampf der Christen mit den Mohren, das allmählige Aufkommen christlicher Königreiche, der romantischen[2] Poesie[1], Zunder und Nahrung; denn die ritterlichen Spiele und Thaten; die großen Feste, die unter verschiedenen Gestalten, bald in den geräumigen hochgewölbten Sälen der Palläste, bald im grünen Walde, unter dem schützenden Laubdache majestätischer Bäume abgehalten wurden, und woran Könige und Herzöge Theil nahmen, und sich mit den Rittern, Damen und Dichtern[1] unter Spiel und Gesang belustigten, trugen einen eigenen Zauber. [...] Hierzu kamen nun noch die Kreuzzüge, die gerade in jenen Ländern die meiste Theilnahme fanden, und das romantischste[2] Gemälde in der ganzen Geschichte[3] abgeben, woraus sich dann in Frankreich die schönen[1] Dichtungen von Carl dem Großen, seinen Pärs, seinen Kämpfen mit den Mauren etc. entfalteten. Von Frankreich und Spanien gelangte die Romantik[3] auch nach England und Deutschland. Im ersteren Reiche finden wir das echt Romantische[2] in dem Mythus vom fabelhaften König Uterpendragon, dem Erneurer des heiligen Graals, von Arthus etc. ausgebildet, und in Deutschland, im Süden desselben, geschah die Ausbildung des Romantischen[2], jedoch 〈722〉 nicht in dem Umfange, wie in Spanien, Frankreich und England, durch die Minnesänger..
[35] Mereau, Amd. u. Ed. II (1803), 77 f. (78): [D]ieser Antonio ist mir sehr viel geworden! – Sein heitrer[4], umfassender Geist[18] zaubert eine schöne[1] Gegenwart um mich her, seine feurige Phantasie[3] trägt mich auf ihren Schwingen in das himmlische Land der Dichtung, wo alles auf ewig in dem entzückenden Duft jugendlicher Begeisterung[2] getaucht ist! – Und dahin will ich mich flüchten, aus dem öden verworrnen Gewebe irrdischer Pläne und Verirrungen, dahin auf ewig mit reinem, liebenden Herzen! Ich fühle es, ich muß 〈78〉 ihm alle meine Zweifel, meine Schmerzen, mein ganzes Leben muß ich ihm anvertrauen. – An den heitern[4] Sinn[7] dieses Mannes, schmiegt sich mein Herz vertrauungsvoll an, und die Welt lächelt mir neu[2] in dem Wiederschein seines Geistes[18]. Durch Antonio werde ich mit den schönsten[1] Erzeugnissen der Poesie[11/4] bekannt, die mir bis jetzt meist fremd[4] geblieben sind, und indem ich mich ganz dieser himmlischen, ewig in Morgenroth schimmernden Welt hingebe, und gar nicht mehr nach Deutlichkeit in der irrdischen strebe, geht eine neue[1] Wahrheit, ein neuer[1] Glanz in meiner Seele auf..
[36] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 76: Alle [...] Erklärungen der Poesie sind von ähnlichem Schlage: die Kritik[8] bleibt im ganzen genommen dabei stehn, eine gewisse größere Lebhaftigkeit, Bilderfülle oder das wahrzunehmen, was sie mit einem vielbeliebten Ausdruck Schwung nennt..
[37] A. Müller, Beredsamk. (!1812; 1816), 230: Wenn also das häusliche Leben und das öffentliche von einander gerissen sind, wie in unserm Jahrhundert, wenn das Privatleben und die Poesie weichlich, ohnmächtig auf der einen Seite daniederliegt; das öffentliche Leben und seine Offenbarung, die Beredsamkeit, hart, steif und rauh auf abgesondertem Wege geht, so ist nichts gewonnen dadurch, daß man sie vermischt, aus der Beredsamkeit und Poesie[11], aus der Sitte und dem Gesetz ein drittes, geschlechtsloses zu bereiten sucht. Vielmehr, man muß sie sondern, ihre Eigenthümlichkeiten streng unterscheiden: in Ansehung der Poesie und der Beredsamkeit hat die Kritik[8] mir dieses wichtige Geschäft überlassen [›übriggelassen‹]..
[38] Novalis, Monolog (*1799), 2 f.: Wenn man den Leuten nur begreiflich machen könnte, daß es mit der Sprache[1] wie mit den mathematischen Formeln sey – Sie machen eine Welt für sich aus – Sie spielen nur mit sich selbst, drücken nichts als ihre wunderbare Natur[1] aus und eben darum sind sie so ausdrucksvoll – eben darum spiegelt sich in ihnen das seltsame Verhältnißspiel der Dinge. Nur durch ihre Freyheit[12] sind sie Glieder der Natur[2] u[nd] nur in ihren freyen Bewegungen äußert sich die Weltseele und macht sie zu einem zarten Maaßstab u[nd] Grundriß der Dinge. So ist es auch mit der Sprache[1] – wer ein feines Gefühl ihrer Applicatur, ihres Takts, ihres musicalischen[3] Geistes[12] hat, wer in sich das zarte Wirken ihrer innern Natur[1] vernimmt, und darnach seine Zunge oder seine Hand bewegt, der wird ein Profet sein, dagegen wer es wohl weis, aber nicht Ohr[3] u[nd] Sinn[5] genug für sie hat, Wahrheiten wie diese schreiben, aber von der Sprache[1] selbst zum besten gehalten u[nd] von den Menschen, wie Cassandra von den Trojanern, verspottet werden wird. Wenn ich damit das Wesen u[nd] Amt der Poësie auf das deutlichste angegeben zu haben glaube, so weiß ich doch, daß es kein Mensch verstehn kann, und ich ganz was albernes gesagt habe, weil ich es habe sagen wollen, und so keine Poësie[11] zu stande kömmt. Wie wenn ich aber reden müßte? und dieser Sprachtrieb zu sprechen das Kennzeichen der Eingebung der Sprache[1], der Wircksamkeit der Sprache[1] in mir wäre? und mein Wille nur auch alles wollte, was ich 〈3〉 müßte, so könnte dies ja am Ende ohne mein Wissen u[nd] Glauben Poësie seyn und ein Geheimniß der Sprache[1] verständlich machen? und so wär ich ein berufener Schriftsteller, denn ein Schriftsteller ist wohl nur ein Sprachbegeisterter? ➢ Volltext.
[39] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 99: Das Land der Poesie[14/11/1?] [⦿], das romantische[2/7/8/1?] Morgenland[2], hat euch mit seiner süßen Wehmuth begrüßt [...]..
[40] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 102: Für den Dichter ist die Poesie[11/2] an beschränkte Werkzeuge gebunden, und eben dadurch wird sie zur Kunst[2]. Die Sprache[1] überhaupt hat ihren bestimmten Kreis. Noch enger ist der Umfang einer besondern Volkssprache. Durch Übung und Nachdenken lernt der Dichter seine Sprache[3] kennen. Er weiß, was er mit ihr leisten kann, genau, und wird keinen thörichten Versuch machen, sie über ihre Kräfte anzuspannen. Nur selten wird er alle ihre Kräfte in Einen Punkt zusammen drängen, denn sonst wird er ermüdend, und vernichtet selbst die kostbare Wirkung einer gutangebrachten Kraftäußerung. Auf seltsame Sprünge richtet sie nur ein Gaukler, kein Dichter ab. Überhaupt können die Dichter nicht genug von den Musikern und Mahlern lernen. In diesen Künsten[2] wird es recht auffallend, wie nöthig es ist, wirthschaftlich mit den Hülfsmitteln der Kunst[2] umzugehn, und wie viel auf geschickte Verhältnisse ankommt. Dagegen könnten freylich jene Künstler auch von uns die poetische[2] Unabhängigkeit und den innern Geist[12] jeder Dichtung und Erfindung, jedes ächten Kunstwerks überhaupt, dankbar annehmen. Sie sollten poetischer[2] und wir musikalischer[4] und mahlerischer[3] seyn – beydes nach der Art und Weise unserer Kunst[2]..
[41] Novalis, Aftdg I (*1799–1800; 1802), 102: Die beste Poesie liegt uns ganz nahe, und ein gewöhnlicher Gegenstand ist nicht selten ihr liebster Stoff..
[42] Rottmanner, Krit. Jacobi (1808), 35 f. (36): Mit der Philosophie des Mittelalters endigt die ideelle Ansicht der Dinge, und unter der zahlreichen Menge der späteren Philosophen ist außer Spinoza und Leibnitz auch kaum Einer, der die Philosophie in ihrer höheren Bedeutung begriffen hätte. [...] Eine gleiche Todtengestalt tritt dir in der Kunst[12] der neueren[9] Geschichte[3] entgegen. Sie hat entweder die Absicht zu nützen oder zu gefallen, und richtet sich wie alles andere nach den Aussprüchen des für sich allein gebietenden Verstandes[1]. Jenen heiligen Sinn[1/9], jene zauberische Gluth der Phantasie[20/21] und Liebe, die Kraft 〈36〉 und kindliche Einfalt der romantischen[13] Poësie suchst du in diesem Zeitraume vergebens..
[43] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 443 f. (444): Nur der Katholicismus lebte in einer mythologischen Welt. Daher die Heiterkeit[4] der poetischen[4] Werke, die in dem Katholicismus selbst entsprungen sind, die Leichtigkeit und Freiheit[13] der Behandlung dieses – ihnen natürlichen[3] – Stoffes, fast wie die Griechen ihre Mythologie behandelt haben. Außer dem Katholicismus kann fast nur Unterordnung unter den Stoff, gezwungene Bewegung ohne Heiterkeit[4] und bloße Subjektivität des Gebrauchs erwartet werden. Ueberhaupt wenn eine Mythologie zum Gebrauch herabgesunken, z. B. der Gebrauch der alten[10] Mythologie in den Modernen[1], so ist dieser, eben weil bloß Gebrauch, bloße Formalität; sie muß nicht auf den Leib passen, wie 〈444〉 ein Kleid, sondern der Leib selbst seyn. Selbst die vollendete Dichtung im Sinn der rein-mystischen Poesie würde eine Absonderung im Dichter, sowie in denen, für welche er dichtet, voraussetzen, sie wäre nie rein, nie aus dem Ganzen der Welt und des Gemüths gegossen. ➢ Volltext.
[44] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 645: Der Geist[12] der modernen[1] Zeit[3], der im Allgemeinen schon früher dargestellt worden ist, bringt die Beschränkung der modernen[1] Lyrik in Ansehung der Gegenstände mit sich. Bild und Begleitung eines öffentlichen und allgemeinen Lebens – eines Lebens in einem organischen[6] Ganzen – konnte die Lyrik in den modernen[1] Staaten nicht mehr werden. Es blieben für sie keine andern Gegenstände als entweder die ganz subjektiven, einzelne momentane Empfindungen, worein sich die lyrische Poesie auch in den schönsten Ergüssen der spätern Welt verloren hat, und aus denen nur sehr mittelbar ein ganzes Leben hervorleuchtet, oder dauernde auf Gegenstände sich beziehende Gefühle, wie in den Gedichten des Petrarca, wo das Ganze wieder eine Art von romantischer[1] oder dramatischer Einheit wird. ➢ Volltext.
[45] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 680: Der Roman[1] des Cervantes ruht also auf einem sehr unvollkommenen, ja verrückten Helden, der aber zugleich so edler Natur[1] ist [...], daß ihn keine Schmach, die ihm widerfährt, eigentlich herabwürdiget. An diese Mischung (in Don Quixote) ließ sich eben das wunderbarste und reichste Gewebe knüpfen, das im ersten Moment so anziehend wie im letzten stets den gleichen Genuß gewährt und die Seele zur heitersten[4] Besonnenheit stimmt. Für den Geist[19] ist die nothwendige Begleitung des Helden, Sancho Pansa, gleichsam ein unaufhörlicher Festtag; eine unversiegbare Quelle der Ironie[1] ist geöffnet und ergießt sich in kühnen Spielen. Der Boden, auf dem das Ganze geschieht, versammelte in jener Zeit[3] alle romantischen[3] Principien, die es noch in Europa gab, verbunden mit der Pracht des geselligen Lebens. Hierin war der Spanier tausendfältig vor dem deutschen Dichter begünstigt. Er hatte die Hirten, die auf freiem Felde lebten, einen ritterlichen Adel[2], das Volk[1] der Mauren, die nahe Küste von Afrika, den Hintergrund der Begebenheiten der Zeit[3] und der Feldzüge gegen die Seeräuber, endlich eine Nation[1], unter welcher die Poesie populär ist – selbst malerische[4] Trachten, für den gewöhnlichen Gebrauch die Maulthiertreiber und den Baccalaureus von Salar. ➢ Volltext.
[46] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 683: Wir haben den Kreis der epischen Formen, wiefern sie im Geist[12] der modernen[1/8?] und romantischen[1/13?] Poesie möglich sind, durchlaufen. ➢ Volltext.
[47] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 718: Das Tragische und Komische könnte entweder im Zustand der Vollkommenheit, nicht aufgehobenen Indifferenz dargestellt seyn, dann aber müßte die Poesie weder als tragisch noch als komisch erscheinen; es wäre eine ganz andere Gattung, es wäre die epische Poesie. In der epischen Poesie sind die beiden Elemente, die sich in dem Drama streitend entzweien, – nicht vereinigt, sondern überhaupt noch nicht getrennt. Die Mischung beider Elemente auf solche Art, daß sie überhaupt nicht getrennt erschienen, kann also nicht die Eigentümlichkeit der modernen[1] Tragödie seyn. Es ist vielmehr eine Mischung, worin beide bestimmt unterschieden werden, und so daß der Dichter in beiden sich gleich als Meister zeigt, wie Shakespeare, der die dramatische Stärke nach beiden Polen hin concentrirt, und der erschütternde Shakespeare ist im Fallstaff und im Macbeth. | Indeß können wir doch diese Mischung entgegengesetzter Elemente als ein Zurückstreben des modernen[1] Drama zum Epos, ohne deßwegen 〈719〉 Epos zu werden, betrachten; sowie dieselbe Poesie dagegen im Epos durch den Roman[1] zum Dramatischen strebt, und also von beiden Seiten die reine Begrenzung der höheren Kunst[12] aufhebt. | Es ist zu dieser Mischung nothwendig, daß dem Dichter das Tragische und Komische nicht nur massenweise, sondern auch in seinen Nuancen zu Gebot stehe, wie dem Shakespeare, der im Komischen zart, abenteuerlich[3] und witzig zugleich, wie im Hamlet, und derbe (wie in den Fallstaffschen Stücken) ist, ohne jemals niedrig zu werden; sowie er dagegen im Tragischen zerreißend (wie im Lear), strafend (wie im Macbeth), schmelzend, rührend und beruhigend, wie in Romeo und Julie und mehreren gemischten Stücken ist. ➢ Volltext.
[48] Schelling, Philos. d. Kunst (!1803–04), SW I, 5, 730: Die Construktion des Ganzen ist [bei Calderon] rationeller, in einem Maß wie man es der modernen[1] Poesie wahrscheinlich nicht zugetraut hätte, wenn man ihren Charakter[1] allein von Shakespeare abstrahirte. Die zerstreuten Principien der romantischen[12] Gattung hat Calderon in eine strengere Einheit gefaßt, die sich der wahren Schönheit[6] nähert. ➢ Volltext.
[49] Schiller, Naiv. u. sent. Dicht. II (1795), 31: Je nachdem [...] die Poesie[1] entweder einen bestimmten Gegenstand nachahmt, wie die bildenden Künste[2] thun, oder je nachdem sie, wie die Tonkunst, bloß einen bestimmten Zustand des Gemüths hervorbringt, ohne dazu eines bestimmten Gegenstandes nöthig zu haben, kann sie bildend (plastisch[3]) oder musikalisch[7] genannt werden. Der letztere Ausdruck bezieht sich also nicht bloß auf dasjenige, was in der Poesie[11], wirklich und der Materie nach, Musik[5] ist, sondern überhaupt auf alle diejenigen Effekte derselben, die sie hervorzubringen vermag, ohne die Einbildungskraft durch ein bestimmtes Objekt zu beherrschen; und in diesem Sinne[1] nenne ich Klopstock vorzugsweise einen musikalischen[7] Dichter..
[50] Schiller, an Chr. G. Körner (3. 7. 1800), NA 30, 168: Die spanische Litteratur wird Dir gewiß eine sehr anziehende Beschäftigung geben, wenn Du Dich mit der romantischen[12/2/15] Poesie[11] vertragen kannst. Sie ist freilich das Produkt eines andern Himmels und einer ganz andern Welt. Für unsre deutsche Poesie[1] glaube ich nicht soviel Ausbeute darinn finden zu können als Du hoffst, weil wir einmal mehr philosophische Tiefe und mehr Wahrheit des Gefühls als Phantasiespiele lieben. Neuerdings hat Tiek in seinen romantischen[2] Dichtungen diese Gattung wieder angeregt und mit vielem Glück. Seine Genoveva ist wohl schon in Deinen Händen. Auch die Schlegels geben sich jezt viel mit der spanischen Litteratur ab, nach ihrer Art, aber durch ihre Einseitigkeit und Anmaßung verderben sie einem gleich die Lust..
[51] A. W. Schlegel, Beytr. (1798), 171: Der jüngste und gewaltigste unter den Heymonskindern, Reynold, ist Ariosto's Rinaldo, [...] und sein Pferd Bayart, das in der Geschichte eine so große Rolle spielt, [...] ist derselbe Bayardo, der gleich zu Anfang des Orlando furioso so klug, gewandt und stark erscheint. Hat dieß treffliche Roß etwa keinen Karakter[2], weil die Motive seiner Handlungen nicht gründlich genug nach der Pferdepsychologie zergliedert worden sind? Das ist nun so die Art der Poesie, daß sie die lebendigen Kräfte hinstellt, unbekümmert um das Problem, warum ihre Eigenthümlichkeit grade diese und keine andre ist. Wenn nicht ein geheimer Grund zu einem bestimmten Daseyn in ihnen läge, so waren es ja eben keine Naturen[10]. ➢ Volltext.
[52] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 9: Die Zeichen der Sprache[1] haben nur mit dem Hörbaren eine unmittelbare Ähnlichkeit. Da das sich Bewegende auch meistens hörbar ist, so geht die Bezeichnung natürlich[4] vom Hörbaren aus. Weil aber der Mensch mit der Sprache[1] immerfort darzustellen strebt, so muß er, was in andere Sinne[4] fällt, durch übertragene Ähnlichkeit anderer Sinne[4] bezeichnen. | Die Erweiterung der Sprache[1] setzt eine ununterbrochene Kette von Vergleichungen voraus; die früheste Sprache[1] ist daher im höchsten Grade tropisch und bildlich, d. h. poetisch[6]. Poesie[8] ist bildlich anschauender Gedankenausdruck. [...] Tropen und Metaphern[1], der schönste Schmuck der Poesie[11], waren Kinder der Poesie[8]; die bildliche Benennung war eher als die (unbildliche, wesentliche) einfache..
[53] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (!1798–99), KAV 1, 68: Tasso, Gierusalemme liberata, dichtete nach dem Ariosto, der ein äußerst glänzendes romantisches[12/2/7/8] Rittergedicht geschrieben hatte; nach dem Muster Homers und Virgilius' wollte er schreiben, aber die romantische[12/2/7/8] Poesie hatte zu großen Einfluß auf sein Gedicht. Das Ritterwesen, wobei sich das Feenhafte, Wunderbare mit einmischte (Zauberwesen), bekommt hier, da ihm eine große Keuschheit und Heiligkeit verliehen ist, einen großen Zauber, und zweitens das Katholische gab seinem Gedichte große Eigentümlichkeiten [...]..
[54] A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. (
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1798–99), KAV 1, 133: Das Gefühl für Poesie und Musik war [sc. bei den Alten] allgemein verbreitet, denn es war ein Teil ihrer Erziehung. Nur als es keinen öffentlichen Geschmack mehr gab, kam man auf die Theorie, die aber zu schönen Perioden nicht wieder zurückrufen konnte. Die Kritik[2] wurde glücklich später als philosophische Theorie ausgeübt, besonders unter den Alexandrinern, die eine treffliche Auswahl der Klassiker voranstellten als Muster von jeder Gattung der Dichtungsart..[55] A. W. Schlegel, an Goethe (4. 2. 1799), KW, 83: Voß besitzt bey der Vertrautheit mit dem Buchstaben[8] der alten[10] Poesie 〈84〉 doch gar zu wenig von ihrem Geiste[12]..
[56] A. W. Schlegel, Entw. Krit. Inst. (*1800), SW 8, 51 ff. (52): Ebenso soll die Allgemeinheit, die wir suchen, nur darin be〈52〉stehen, daß wir dasjenige umfassen, was wirklich einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt hat, also was den Menschen als Menschen interessiert und einen integrierenden Theil der gesamten höheren Geistesbildung ausmacht. Hiedurch sind also ausgeschlossen alle Bücher, die bloß empirische Data oder positive Sätze ohne Beziehung auf ein System oder Herleitung aus Principien zusammentragen, ingleichen alle bloß technischen Kenntnisse, die lediglich durch ihre Verwendung zu einem bedingten Zwecke einen Werth erhalten. | Unsre Gegenstände würden also folgende sein: | 1) Philosophie in ihrem weitesten Umfange. | 2) Naturwißenschaft. Da alle Naturbeobachtung, die den Namen verdienen kann, zu allgemeinen Naturgesetzen hinstrebt und die Spekulation über die Natur[2] ihre Sätze bis in die speciellste Erfahrung hinein bewährt wißen will, so würde sich die Kritik[7] sowohl über empirische als spekulative Physik verbreiten müßen, und es könnte nicht leicht zu viel in diesem Fache geschehen, da das Interesse des Zeitalters vorzüglich darauf gerichtet ist. [...] | 3) Von der Geschichte[4] dasjenige, was durch seinen Inhalt oder durch seine Form unmittelbaren Werth und Interesse hat und diese nicht erst durch äußerliche Brauchbarkeit erhält: also alles zur Geschichte[4] der Menschheit[1] Gehörige, dann historische Kunstwerke[4]. | 4) Von der Philologie: philosophische Grammatik und Beurtheilung der einzelnen Sprachen[3] nach Principien derselben, philologische Kritik[1] und Auslegungskunst. | Das Studium des klassischen[7] Alterthums[2] fällt unter die beiden vorhergehenden Rubriken, deren Bestimmung ausweist, was davon hier behandelt werden soll. Nur insofern sein Inhalt einen Theil der Kulturgeschichte ausmacht, gehört es in das historische Fach; seine Methode, Hülfsmittel u. s. w. in das philologische oder grammatische. | 5) Schöne[2] Kunst[9] und Theorie derselben. | Poesie in ihrem weitesten Umfange, Beredsamkeit nach ihrer 〈53〉 richtigeren Bestimmung, als schöne[2] Komposition in Prosa[1], und überhaupt was zur schönen[2] Litteratur gerechnet wird, würde den Hauptartikel in dieser Rubrik ausmachen. .
[57] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 195: Höchst wesentlich ist für die Kunstgeschichte die Anerkennung des Gegensatzes zwischen dem modernen[1] und antiken[2] Geschmack. [...] Man hat den Charakter[1] der antiken[2] Poesie mit der Bezeichnung classisch[3/5/7], den der modernen[1] [als] romantisch[12/4/11] bezeichnet; [...] sehr treffend. Es ist eine große Entdeckung für die Kunstgeschichte daß dasjenige, was man bisher als die ganze Sphäre der Kunst[3] betrachtete (indem man den Alten[10] die uneingeschränkte Autorität zugestand) nur die eine Hälfte ist: das classische[7] Alterthum[2] kann dadurch weit besser verstanden werden als aus sich allein..
[58] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 196: So kann man sich die antike[2] Poesie als den einen Pol einer Magnetischen Linie denken, die romantische[12] als den andern [...]. Freylich wird unsre historische Kenntniß nie vollendet, es muß immer durch Divination ergänzt werden. Es könnte sich in der Folge offenbaren, daß das, was wir jetzt als den andern Pol betrachten, nur ein Übergang, ein Werden sey, (welcher Charakter[1] sich sogar mit Wahrscheinlichkeit in der romantischen[12/14/11] Poesie aufweisen läßt) und die Zukunft also erst das der antiken[2] Poesie entsprechende und ihr entgegengesetzte Ganze liefern werde..
[59] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 364: Ein [...] Abweg ist es, wenn der Mahler moralisiren will, und statt uns zu belustigen, die Häßlichkeit und Ausartung zur Warnung und zum Abscheu aufstellt. Dieses war einem Zeitalter aufbehalten, welches auch in der Poesie aus den Darstellungen des wirklichen Lebens, Romanen und Komödien, die heitre[5] Freyheit[13], den fantastischen[2] Leichtsinn und somit allen poetischen[3] Zauber verbannte, und ihm den peinlichen Trübsinn psychologischer Zergliederungen und moralischer Hinweisungen substituirte. Hogarth war es, der diese durchaus falsche und werthlose Gattung vollendete, und dabey in allen Theilen der Mahlerey ein Erzstümper war. Dieß sah Walpole, wiewohl sein Freund, dennoch ein, und will ihn zwar nicht für einen Mahler, aber für einen geistreichen Komödienschreiber mit Reißfeder und Grabstichel angesehen wissen. Doch dieß Urtheil ist immer noch zu günstig; vielmehr war er ein ernsthafter Satyrenschreiber, dessen Produkten es zwar nicht an beißendem Witz[4], aber an allem Scherz und Fröhlichkeit fehlt..
[60] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (
!
1801–02), KAV 1, 429: Voß hat die Übersetzungskunst aus den Alten mit beyspiellosem Fleiß und großer Gewandtheit ausgeübt, und alle Versuche sich an die Alten in Versbau, Wortbildung, Fügung, und besonders Wortstellung anzufügen, erschöpft, wobey es denn doch nicht ohne Härte, Dunkelheit und Schwerfälligkeit abgegangen ist. Jedoch bleibt ihm unläugbar das Verdienst, eine ganz neue Bahn betreten zu haben, worauf ihm selbst Goethe nachgefolgt ist. | Durch alles dieses ist aber die Revolution in unsrer Sprache[3] nur declarirt und angefangen worden: sie hat noch unerschöpfliche Mittel sich zu einer höheren Stufe zu erschwingen. Von den Versuchen der neuesten Zeit, theils die Italiänische und Spanische Poesie, theils das antike[2] Original nachzubilden, wollen wir nicht reden, da wir selbst zu sehr in ihnen befangen sind. Es kommt alles darauf an, ob man sich der ächten Idee der Poesie bemächtigt hat. Wem diese inwohnt, der ist vom Gesetz losgesprochen; und alles was er thut, ist recht. Ohne sie sind alle poetischen[4] Bemühungen nur ein Tappen nach Phrasen, die höchstens als Materialien für einen zukünftigen besseren Gebrauch betrachtet werden können. Durch Goethe ist die lange schlummernde Poesie zuerst wieder geweckt worden, und wenn dieser Keim nicht wieder erstickt, sondern gehörig gepflegt und entfaltet wird, so kann sich unsre Sprache[3] nach allen Seiten hin noch ins unendliche poetisiren. .[61] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I (!1801–02), KAV 1, 461 f.: Weit reiner [findet sich die Scheidung der Dichtarten] in der antiken[2] Poesie, weswegen diese vorzugsweise als Kunst[9] 〈462〉 und classisch[5] erscheint. In der romantischen[12/4] Poesie eine unauflösliche Mischung aller poetischen[4] Elemente. Daher daß man sie verkennt. Die eigentlichen Originalwerke der Neueren[3] ganz übersehen, die schlechten Nachahmungen der Alten[10] als das Wichtigste gepriesen. Keinen Sinn[5] für das Chaos. 〈Auch das Universum bleibt der höhern Ansicht immer noch Chaos.〉 Das Streben nach dem Unendlichen ist in der Romantischen[12/4/11] Poesie nicht bloß im einzelnen Kunstwerke[3] ausgedrückt, sondern im ganzen Gange der Kunst[3]. Gränzenlose Progressivität..
[62] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 486: Und was sind die Gegenstände der vorzüglichsten Liebhaberey? Romane, dann Schauspiele, Taschenbücher, Journale und für etwas gelehrtere Leser literarische Zeitungen. Die beyden ersten Namen bezeichnen freylich die wichtigsten Gattungen der romantischen[12/14/7] Poesie, aber diese ist hier gänzlich abwesend..
[63] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 545 f. (546): Die Neueren[3] haben sich die Kunstausdrücke der Alten[10] von den Gattungen angeeignet, oft aber etwas ganz anderes damit gemeynt. Zuweilen haben sie aber auch die Poesie[1] auf gelehrte Weise getrieben, und sind von der Nachahmung der Alten[10] ausgegangen. Die so entstandnen Werke werde ich, da man sie wegen ihres oft großen Ansehens bey geringem eigenthümlichen Werth und Geist[12], nicht ganz übergehen kann, bey Abhandlung der Griechischen[2] Vorbilder ebenfalls anfügen, um 〈546〉 bey der neueren[3] Poesie[11] die Entwicklung des Romantischen[4] so wenig als möglich zu unterbrechen. Ich nehme den Fall aus, wo ein Werk zwar mit der Intention entworfen worden, classisch[5] zu seyn, wo aber doch romantische[4] Elemente sich ihm eingemischt haben, und vielleicht das beste darin sind, wie es z. B. mit Tasso's befreytem Jerusalem der Fall ist. 〈Tasso hatte nächst dem Virgil wohl den sehr romantischen[4] Camoens vor Augen, und wirkte wieder auf den gar nicht romantischen[4] Milton.〉.
[64] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 550: Die Entstehung jener gewissermaßen unregelmäßigen aber unendlich reizenden Mannichfaltigkeit in der Sprache[3] muß man sich so denken, daß bey den vielen kleinen Völkerschaften, worein sich der Griech.[ische] Völkerstamm spaltete, bey den einen diese Formen, Ausdrücke und Sprecharten aufgekommen waren, bey andern jene; und daß bey nachher erfolgter Vermischung von allen etwas beybehalten ward. Wir werden durch diese Bemerkung auf einen Punkt geführt, der für die gesamte Griechische Bildung[5] äußerst wichtig ist: daß nämlich die Lage dieser Nation[1] ganz dazu eingerichtet war, daß sie sich aufs mannichfaltigste individualisiren, und dann wieder durch lebhaften Verkehr, das Individuelle zu einem allgemeineren Charakter[1] verschmelzen mußte. Man sehe nur auf der Landcharte den Erdstrich an, welchen die Griechen inne hatten. Auf einer weiten ununterbrochnen Ebne hätten sie schwerlich das werden können, was sie wurden, und wären vielleicht, wie andre Nationen[1] in Asien unter einer despotischen Regierungsform auf einer sehr niedrigen Stufe für immer fixirt geblieben. [...] 〈550〉 [...] | Bey einer solchen Nation[1] mußten natürlicher[4] Weise Dialekte[1] entstehen: bey den Griechen allein aber (unter den Nationen[1] wenigstens, die wir bey solchen Betrachtungen vor Augen zu haben pflegen) haben wir die Erscheinung, daß die Dialekte[1] nicht bloß untergeordnete, mehr oder weniger rohe oder verderbte, Abarten einer vollkommneren Hauptsprache blieben, sondern sich zu einem bestimmten im Verhältniß gegen die übrige Nation[1] gültigen Charakter[1] entwickelten, und nicht bloß im gemeinen Leben, sondern auch in der Schrift gebraucht wurden, ja in verschiednen Gattungen der Poesie kunstmäßig gebraucht werden mußten. ➢ vgl. [92].
[65] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 709: Die neueren[3] Theoristen haben sich vielfältig mit dem Lehrgedicht herumgeschlagen: einige haben es viel zu wichtig genommen, andre [...] haben es mit Unrecht ganz verworfen und aus dem Gebiet der Poesie verwiesen. Das versteht sich von selbst, daß, wenn man das höchste in ihr sucht, von technischen Lehrgedichten gar nicht die Rede seyn kann; auch leuchtet es sogleich ein, daß das Ganze solcher Werke nicht poetisch[1] ist, sondern nur logisch zusammengehalten wird; dieß verhindert aber nicht die Ächtheit der einzelnen poetischen[4] Elemente, die daran sehr schätzbar seyn können. Die Poesie hat, wie jede andre Kunst[2], ihren Geist[12] und ihren Buchstaben[8]: sollte es nicht erlaubt und vortheilhaft seyn zuweilen auch den Buchstaben[8] isolirt, ohne den Geist[12], zu bearbeiten und auszubilden. Freylich muß es alsdann mit tüchtiger Gründlichkeit und Meisterschaft geschehen [...]..
[66] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 763: Doch sind in so fern die gemischten Gattungen merkwürdig, um zu sehen, wie auch in ihnen die classische7] Poesie ihre Gesetzmässigkeit behauptet. Das Verhältniß der Elemente war wenigstens genau bestimmt: zwischen der Komödie und der Tragödie lag diese Spielart doch der letzten näher; denn bey der Einseitigkeit der alten[10] Meister, die sich gewöhnlich nur in einer Gattung hervorthaten, verfertigten bloß die Tragiker satyrische Dramen, niemals aber die Komiker, wie es denn für ausgemacht unmöglich gehalten wurde, zugleich Komiker und Tragiker zu seyn..
[67] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II (!1802–03), KAV 1, 773: Prosaische[1] Theile in komischen Partien Romantischer[12] Dramen. Sehr zu billigen. Alte[10] Poesie[11]: Reine Sonderung der Kunst[13] und Natur[19]; verlor sich also in der Prosa[1], ohne den Rückweg zur Poesie[3] finden zu können. Romantische[12/10] Poesie[11]: unauflösliche Verschmelzung von Kunst[13] und Natur[19]. Also Prosa[1] schon als ursprünglicher Bestandtheil aufgenommen..
[68] A. W. Schlegel, Ank. Bernhardi [Sprachl.] (1803), 199: Von den einzelnen Lauten wird der Uebergang zur Prosodie, zur Quantität und dem Accent, als den sich entgegenstehenden Principien der antiken[2] und modernen[1] Verskunst, gefunden. Ueber diesen Gegensatz bin ich mit dem Verf. willig einverstanden, auch darüber, daß die Metrik eine nicht auf Erfahrung ruhende Gesetzmäßigkeit habe und haben müsse. Unstreitig waren sowohl die griechischen[2] Dichter als die Stifter der romantischen[12] Poesie im Besitz eines solchen Systems, und es kommt bloß darauf an, ihre Praxis gehörig zu verstehen und es daraus zu entwickeln. ➢ Volltext; vgl. [91].
[69] A. W. Schlegel, Geist d. Zeitalt. (1803), Eur. 2, 77 f. (78): Europa, be〈78〉stimmt, nur eine einzige große Nation[1] auszumachen, wozu auch die Anlage im Mittelalter da war, spaltete sich in sich: das wissenschaftliche Streben zog sich nach Norden, die Kunst[4] und Poesie blieb im Süden; und da ohne die Reformation Rom verdienter Maßen der Mittelpunkt der Welt geblieben wäre, und die ganze europäische Bildung[5] italiänische Farbe und Gestaltung angenommen hätte, so gaben jetzt Frankreich und England den Ton an, und unnatürlich verbreitete sich von daher aus der Westwelt vieles auch über Deutschland, den eigentlichen Orient[2] von Europa. ➢ Volltext.
[70] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 4: Den Zweifel, welcher sich hier und da noch regt, ob es denn wirklich eine romantische[12], d. h. eigenthümlich moderne[1], nicht nach den Mustern des Alterthums[3] gebildete, und dennoch nach den höchsten Grundsätzen für gültig zu achtende, nicht bloß als wilde Naturergießung zum Vorschein gekommene, sondern zu ächter Kunst[3] vollendete, nicht bloß national und temporär interessante[1], sondern universelle und unvergängliche Poesie gebe: diesen Zweifel [...] hoffe ich befriedigend zu heben..
[71] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 7: [D]ie ältere[1] romantische[12] Poesie schreibt sich aus diesem Zeitraume [Mittelalter] her, und die spätere ist wahrlich nicht dadurch romantisch[12/7], daß sie in die neue[5] Zeit[3] fällt, sondern vielmehr, weil sie sich an die Gesinnung der ritterlichen Zeit[3] anschließt [...]..
[72] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 8: Übrigens liegt unserm Geist[14] und Gemüth unstreitig die romantische[13] Poesie näher als die classische[7] [...]..
[73] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 12: Romanisch[1], Romance, nannte man die neuen[3] aus der Vermischung des Lateinischen mit der Sprache[3] der Eroberer entstandnen Dialekte[1]; daher Romane[1], die darin geschriebnen Dichtungen, woher denn romantisch[1/12/4] abgeleitet ist, und ist der Charakter[1] dieser Poesie Verschmelzung des altdeutschen mit dem späteren, d. h. christlich gewordnen Römischen, so werden auch ihre Elemente schon durch den Namen angedeutet..
[74] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 14: Wenn [...] in einer allgemeinen Geschichte[7] der romantischen[12] Poesie die Deutschen eine so unansehnliche Rolle spielen, ja fast daraus verschwinden, wenn wir besonders keine romantischen[12] Künstler aus der Vorzeit aufzuweisen haben, die sich den großen entgegenstellen ließen, worauf andre Nationen[1] seit Jahrhunderten stolz sind: so können wir uns damit trösten, daß unter der allgemeinen prosaischen[3] Erstorbenheit bey uns zuerst das Gefühl für ächte Poesie wieder erwacht ist; daß wir mitlebende Künstler besitzen, die nicht nur den alten[10] Meistern mit Glück nachfolgen, sondern etwas eigenthümliches wollen und anstreben, und eine noch nicht erreichte Stufe zu ersteigen, einen neuen[1] Styl der romantischen[12] Kunst[3] zu bilden angefangen haben, wie ihn die Wendungen fodern, welche der menschliche Geist[10] seitdem genommen, besonders die tiefere Ergründung seiner selbst; Künstler sage ich, die selbstständig und originell noch unerforschte Geheimnisse des menschlichen Gemüthes, dieses unerschöpflichen Räthsels, zu offenbaren wissen..
[75] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 35: [B]is jetzt kann man nur zwey große epische Compositionen nenen, die ganz und gar Deutschen Ursprungs sind: ich meyne das Lied der Niebelungen und das Heldenbuch, von denen ich mir vorbehalte, wegen ihrer Vortrefflichkeit und Merkwürdigkeit, unter den Quellen der romantischen[12] Poesie ausführlich zu reden..
[76] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 39: Mit einem Wort[2], es folgte auf die idealische Weltansicht des Ritterthums und seiner Galanterie ein derber Realismus: vielleicht kann man diese Zusammenstellung als ein allgemeines Gesetz, wenigstens im Gange der romantischen[12/10/11] Poesie ansehen, da in dieser die Ironie[1] zu Hause ist..
[77] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 43 f. (44): Ohne Unterricht in den Wissenschaften, ohne Kenntniß fremder[1] Sprachen[3], war Hans Sachs dennoch nach seiner Weise ein Gelehrter: aber sein Wissen ging durchaus aufs Praktische, auf Belehrung des Menschen in seinen reellen Verhältnissen. In diesem Sinne las er die heilige Schrift, die Geschichtbücher und Chroniken, die erdichteten Erzählungen (z. B. eines Boccaz, der eben als Thatsachen enthaltend ein 〈44〉 solches Hauptbuch für ihn war) ja auch die Fantasiereichen Dichtungen der alten Mythologie oder der ritterlichen Zeit[3]. Dazu hatte er seine jugendlichen Wanderungen benutzt, dazu mußte ihm seine klare und sinnige Beobachtung an einem Orte, der jetzt durchaus zur Antiquität geworden, damals aber für Deutsche Sitte und Denkart ein rechter Mittelpunkt war, dazu endlich der Umgang mit verständigen Männern, immerfort den Stoff liefern. Erfahrung war die Mutter seiner Poesie, und Verständigkeit seine Muse, selbst sein Scherz hat durchaus diese Richtung. Sein Witz[1] besteht nicht in dem Blitz rascher Einfälle, noch weniger in einer schalkhaften Feinheit und sich selbst überbietenden Ironie[3], sondern in wahrer Lustigkeit, und in der geistreichen Keckheit womit die Materialität und Gemeinheit der Motive charakteristisch[2] hingestellt ist..[78] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 63: Bis hieher hätte ich also dargethan, wie alle unsre Dichter in so fern gelehrt oder literarisch zu Werke gingen, daß sie fremde[1] Muster vor Augen hatten; und zugleich wie diese entweder nicht die rechten waren, oder von ihnen verfehlt wurden. Es trat aber eine Classe[1] von Schriftstellern auf, welche behaupteten, die Poesie[1] solle gar keine Kunst[1], sondern ein bestimmungsloser fast unbewußter Erguß der Natur[15] seyn. Der Irrthum lag darin, daß sie die Entgegensetzung von Kunst[1] und Natur[15] als absolut fixirten, und sie nicht zu synthesiren wußten, da doch ächte vollendete Poesie[11] eben so sehr Kunst[9] als Natur[10] seyn muß, und eins immer in das andre übergeht..
[79] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 79: Merkwürdig ist die in der Heraldik liegende Naturanschauung, wie sie [...] gleich der romantischen[12/10] Poesie[7/11] das entfernteste, z. B. Sterne und Blumen paart u. s. w..
[80] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 123: Die Darstellung des Ringens der himmlischen und höllischen Mächte um eine menschliche Seele ist eine eigenthümliche Schönheit der christlichen romantischen[12] Poesie..
[81] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 127: Auch verschiedne scherzhafte Romanzen giebt es unter den alten Englischen und Schottischen, worin ein unendlich guter Humor[2] und ein gewisser zierlicher Muthwille herrscht, der in der neueren Englischen Poesie ganz und gar ausgegangen, wo der Witz[1] meistens schwerfällig ist, und der Spott in widerwärtigen Übertreibungen besteht..[82] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 130: Unter den Quellen der romantischen[12] Poesie und ihren früheren Naturproducten haben wir bis jetzt von allem demjenigen geredet, was zusammen die romantische[12] Mythologie ausmacht, und als Stoff einer höheren Ausbildung in andern Formen empfänglich war, wo also besonders Erfindung der Begebenheiten und Geist[12] der Composition im Ganzen in Betracht kam. Hierher gehörten die Rittergedichte, welche nachher zum Teil in Prosa[1] aufgelöst im Druck erschienen [...]. [...] Endlich die eigentliche Volkspoesie der vorigen Jahrhunderte, worunter besonders die Romanze, als reichhaltigen poetischen[4] Stoff in der einfachsten Gestalt darbietend, hervorsticht [...]. Mit dieser kamen wir bis auf ziemlich moderne[8] Zeiten[3] herunter, die [...] schon ziemlich weit über die Epoche der romantischen[12] Kunstpoesie hinübergreifen. Wir müssen jetzt in der Zeit[1] beträchtlich wieder zurückgehn, um auf eine Classe[1] von Dichtern zu kommen, deren Hervorbringungen weniger durch den Inhalt, [...] als durch die Formen Vorbilder für die romantische[12] Kunst[3] geworden sind: ich meyne die Provenzalischen Troubadours..
[83] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 137 f.: So viel sich aus den mitgetheilten Fragmenten und den damaligen Verhältnissen und Wirkungen der provenzalischen Poesie schließen läßt, 〈138〉 scheint die Sprache[3], welche unter allen neulateinischen zuerst zur Reife gedieh, auch die vielseitigste gewesen zu seyn, welche alle nachher einzeln ausgebildete Charaktere[1] verschiedner unter ihnen, vereinigt, wenigstens im Keime in sich enthielt, und daher recht eigentlich zu einer Muttersprache der Europäischen Poesie geeignet war..[84] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (
!
1803–04), KAV 2.1, 144: Der Provenzalischen Poesie ist es ergangen, wie es jeder ganz subjectiven Poesie ergehen muß, die bloß unmittelbar vom Leben lebt, und ihre Nahrungsquellen nicht weiter zurück liegen hat, als in der allgemein ansprechenden Sitte und den persönlichen Leidenschaften der Sänger. Wenn der Kreis der Gefühle durchlaufen, die Mannichfaltigkeit von Individualitäten, welche in diesem Styl der Bildung[1] Statt findet, ausgesprochen ist, so wiederhohlt sie sich oder artet aus. Wie eine durch eigne Fruchtbarkeit erschöpfte Mutter konnte die Provenzalische Poesie nur in Kindern fortblühen, die in andern Ländern ihr Glück suchten. Sollte etwas neues und größeres zu Stande kommen, so mußten noch unbekannte Anschauungen die Geister[20] befruchten, und dieß war in Italien der Fall. Die drey Häupter und Stifter Aller modernen Kunstpoesie, Dante, Petrarca und Boccaccio legten sich sämtlich mit großem Eifer auf das Studium der classischen[7] Autoren und trieben es so weit, als in ihrer Zeit[3] möglich war..[85] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 176: Unläugbar ist es, daß alle drey [sc. Dante, Petrarca, Boccaccio] auf ein Ideal der Weiblichkeit ausgehen, jeder auf seine Weise, und daß dies ein Mittelpunkt ihrer Poesie ist. Daß die drei Häupter der romantischen[12] Kunst[12] hierin zusammentreffen, ist gewiß nicht zufällig, und man [darf] wohl für das Ganze der romantischen[12] Poesie eine besondre Vorliebe des weiblichen Geschlechts hoffen, da diesem in der antiken[2] Poesie immer Unrecht geschieht, indem die idealischen Darstellungen von Frauen (z. B. eine Elektra, Antigone) in den männlichen Charakter[1] übergehen, die weib〈177〉lichen aber nicht idealisch sind..
[86] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 184: Wir haben zwar classische[7/5/6] und romantische[12/4/8] Poesie einander von jeher in diesen Vorträgen entgegengesetzt, aber keine Trennung ist so absolut, daß nicht Elemente des Getrennten sich auf beyden Seiten finden sollten, nur daß sie in verschiedner Rangordnung hervortreten oder zurückstehen. Wir haben schon mehrmals bemerkt, daß einzelne Dichter[3], ja ganze Gattungen der antiken[2] Poesie, welche nach den classischen[7/5/6] Gesetzen beurtheilt, nicht bestehen können, ein dem unsrigen sich annäherndes Streben verrathen, nur freylich unreif und nicht mit gehöriger Reife entfaltet..
[87] A. W. Schlegel, Berl. Vorles. III (!1803–04), KAV 2.1, 194: Der letzte Schluß der romantischen[12/2] Poesie. Gozzi knüpft sich an nichts an. Hätte ohne den Calderon zu kennen nicht so viel geleistet..
[88] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 159: Endlich verbreitete sich eben von dem ehemaligen Mittelpunkte aus, von dem nun in anderer Gestalt weltbeherrschenden Rom, [...] eine gemeinschaftliche Religion, das Christenthum. Aus der Synthesis der kernigten und redlichen Tapferkeit des Nordens mit diesem religiösen orientalischen Idealismus ging der
ritterliche
Geist[
]
[
/
/
/
]
Poesie
auf das schönste abspiegelte..[89] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 217: Überhaupt muß man sich hüten, von der großen Rolle Frankreichs im modernen Europa auf die früheren Zeiten zurückzuschließen. Hier mußte es sehr gegen Deutschland zurückstehen. Denn zuvörderst war es in zwey ganz verschiedne Sprachen[3] getheilt, die Französische und Provenzalische, und schon deswegen erscheinen die Franzosen weniger als Eine Nation[1]. Das Französische blieb lange ein unförmlicher widerwärtiger Dialekt[1], während das Provenzalische durch liebliche Poesie ausgebildet, weit höher geschätzt und im Auslande verbreitet war. Es ist eigentlich ein zufälliger und für die National-Cultur unstreitig sehr nachtheiliger Umstand, daß dieser nördlichere dürftige Sprößling des Lateinischen zur herrschenden Sprache[3] erhoben worden; wenn die Krone an ein südliches Fürstenhaus gekommen wäre, so würde es wahrscheinlich umgekehrt ergangen seyn, und man würde das Französische jetzt nur als ein unbedeutendes Patois kennen..
[90] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 280: Es ist merkwürdig, daß, da die Alten[10] die schöne[2] Kunst[1] in die Historie hineintrugen, bey den Neueren[3] hingegen die Historie in die Poesie hinübergezogen worden ist: daß sich die romantische[12] Poesie die Aufgabe gemacht, die Historie ganz der Wahrheit gemäß und doch zum Ausdruck einer Idee zu gestalten..
[91] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 309: Die Metrik hat aber allerdings eine nicht auf Erfahrung ruhende Gesetzmäßigkeit, und kann im allgemeinen a priori gelehrt werden nur daß dann die näheren Bestimmungen aus der individuellen Natur[1] jeder Sprache[3] zu entlehnen sind. Unstreitig waren sowohl die Griechischen[2] Dichter als die Stifter der romantischen[12] Poesie im Besitz eines solchen reinen Systems und es kommt bloß darauf an, ihre Praxis gehörig zu verstehen und es daraus zu entwickeln. ➢ vgl. [68].
[92] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 324: Einen ganz einzigen Vorzug hat die Griechische Sprache[3] an ihren Dialecten[1], welche nicht, wie bey andern Nationen[1], unvollkommne Abarten der allgemeinen Sprache[3] sind, sondern vielmehr Ausbildungen derselben in verschiednen Richtungen, so daß die Gesamtheit des Griechischen Nationalcharakters nur durch sie alle zusammen ausgedrückt wurde, und diese Dialecte[1] in der Büchersprache galten, ja gewisse Gattungen der Poesie ihrer nicht entrathen könnten. ➢ vgl. [64].
[93] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 330: Als Kirchensprache erhielt es [Latein] eine eigne geistliche[
1]
Poesie
[
11]
, von der ich darthun zu können glaube, daß sie etwas weit höheres leistete, als je die classische[
4/
5]
der Lateiner konnte, welche doch im Ganzen nur poetische[
4]
Schulübung war, statt daß hier die Begeisterung einer ursprünglichen Anschauung weht..[94] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (
!
1803–04), KAV 3, 340: [Die romanischen Sprachen] waren zuerst corrumpirte Dialekte[1] des gemeinen Volkes[5]. Durch die frisch aufblühende Poesie erhielten sie Form. Dieß erschien nun als ein unschätzbares Gut, welches man zu erhalten suchte; so wurden früher oder später gewisse Autoren als unübertreffliche Muster der Reinigkeit anerkannt, und die nachherigen sollten nun nicht mehr gleiche Rechte der Sprachschöpfung genießen, sondern wurden eingeengt. In Italien wurde hiemit, so wie mit dem ausschließenden Vorzugsrechte des Florentinischen Dialektes[1], schon im 16ten Jahrhundert große Pedanterey getrieben..[95] A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. (!1803–04), KAV 3, 346: Was die übrigen neulateinischen Sprachen[3] betrifft, so würde man ihren Charakter[1] in poetischer[4] Hinsicht weit besser genetisch begreifen können, wenn die Denkmäler des Provenzalischen, als welches in so fern wie ihre gemeinschaftliche Mutter angesehen werden kann, erst mehr bekannt wären. Nächst diesem hat sich das Italiänische am frühesten in der Diction und den Formen ausgebildet, und [ist] also wiederum Quelle für die übrigen geworden. Alle haben eine Menge Vorzüge miteinander gemein, und wenn uns die Griechische[2] Sprache[3] das Muster einer vollkommnen Organisation[7] für den strengen und reinen Kunststyl 〈darbietet〉, so finden wir hier die gefälligsten Reize und die größte Lieblichkeit für alle Bezauberungen der romantischen[15/13/3/4] Poesie..
[96] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 13: Das ganze Spiel lebendiger Bewegung beruht auf Einstimmung und Gegensatz. Warum sollte sich diese Erscheinung nicht auch in der Geschichte[1] der Menschheit[2] im großen wiederhohlen? Vielleicht wäre mit diesem Gedanken der wahre Schlüssel zur alten[10] und neuen[5] Geschichte[1] der Poesie und der schönen[2] Künste[1] gefunden. Die, welche dieß annahmen, haben für den eigenthümlichen Geist[12] der modernen[1] Kunst[2], im Gegensatz mit der antiken[2] oder classischen[7/5], den Namen romantisch[12/4] erfunden. Allerdings nicht unpassend: das Wort[1] kommt her von romance, der Benennung der Volkssprachen, welche sich durch die Vermischung des Lateinischen mit den Mundarten[1] des Altdeutschen gebildet hatten, gerade wie die neuere[5] Bildung[5] aus den fremdartigen Bestandtheilen der nordischen Stammesart und der Bruchstücke des Alterthums[3] zusammengeschmolzen ist, da hingegen die Bildung[5] der Alten[10] weit mehr aus einem Stücke war. ➢ Volltext.
[97] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 23 f. (24): Und wenn nun die Seele gleichsam unter den Trauerweiden der Verbannung ruhend, ihr Verlangen nach der fremd[4] gewordnen Heimath ausathmet, was andres kann der Grundton ihrer Lieder 〈24〉 seyn als Schwermuth? So ist es denn auch: die Poesie der Alten[10] war die des Besitzes, die unsrige ist die der Sehnsucht; jene steht fest auf dem Boden der Gegenwart, diese wiegt sich zwischen Erinnerung und Ahndung. Man mißverstehe dieß nicht, als ob alles in einförmige Klage verfließen, und die Melancholie sich immer vorlaut aussprechen müßte. Wie in der heitern[4] Weltansicht der Griechen die herbe Tragödie dennoch möglich war, so kann auch die aus der oben geschilderten entsprungene romantische[12/9] Poesie alle Stimmungen bis zur fröhlichsten durchgehen; aber sie wird immer in einem namenlosen Etwas Spuren ihrer Quelle an sich tragen. Das Gefühl ist im ganzen bey den Neueren[3] inniger, die Fantasie[1] unkörperlicher, der Gedanke beschaulicher geworden. ➢ Volltext.
[98] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 26: Auch die Gattungen und Formen der romantischen[12] Poesie überhaupt können wir hier nicht näher betrachten, sondern müssen zu unserm Zweck, der dramatischen Kunst[8] und Litteratur, zurückkehren. Die Eintheilung dieser, wie der übrigen Kunstfächer in die antike[2] und romantische[12], zeichnet uns den Gang vor, den wir zu nehmen haben. ➢ Volltext.
[99] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 47: Es giebt eine Art von Poesie, die ein zu einsamer Beschaulichkeit gestimmtes Gemüth leise anregt, ungefähr wie gelinde Lüfte Accorde aus einer Aeolsharfe hervorrufen. Diese Poesie, wie vortrefflich sie sonst seyn möchte, würde ohne andre Begleitung auf der Bühne ungehört verhallen. Die schmelzende Harmonica ist nicht dazu gemacht, den Tritt eines Heeres zu ordnen und anzufeuern. Dazu gehören durchdringende Instrumente[3], besonders aber ein entschiedener Rhythmus, der den Pulsschlag beschleunigt, und das sinnliche Leben in rascheren Schwung setzt. Diesen Rhythmus in der Fortbewegung eines Drama's sichtbar zu machen, ist das Haupterforderniß. Ist dieß einmal gelungen, dann darf der 〈48〉 Dichter sich schon eher in seiner raschen Laufbahn verweilen, und seiner Neigung nachhängen. Es giebt Punkte, wo die entfaltetste oder geschmückteste Erzählung, die begeistertste Lyrik, die tiefsinnigsten Gedanken und entferntesten Andeutungen, die sinnreichsten Spiele des Witzes[2], die glänzendsten einer gaukelnden und in den Lüften schwebenden[7] Fantasie[2] schon an ihrer Stelle sind, und wo die [...] Zuhörer [...] diesem allem mit begierigem Ohr[3] folgen werden, wie einer zu ihrer Stimmung passenden Musik[4]. Hiebey ist die große Kunst[6] des Dichters, die Wirkung der Gegensätze zu benutzen, wodurch es möglich wird, ruhige Stille, in sich gekehrte Betrachtung, ja die nachläßige Hingegebenheit der Erschöpfung, eben so auffallend hervorzuheben, als in andern Fällen die gewaltsamste Bewegung, den heftigsten Sturm der Leidenschaften. ➢ Volltext.
[100] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. I (1809), 273: Die Tragödie ist der höchste Ernst der Poesie, die Komödie durchaus scherzhaft. Der Ernst aber besteht [...] in der Richtung der Gemüthskräfte auf einen Zweck, und der Beschränkung ihrer Thätigkeit dadurch. Sein entgegengesetztes besteht folglich in der scheinbaren Zwecklosigkeit und Aufhebung aller Schranken beym Gebrauch der Gemüthskräfte, und ist um so vollkommner, je größer das dabey aufgewandte Maaß derselben, und je lebendiger der Anschein des zwecklosen Spiels und der uneingeschränkten Willkühr ist. Witz[4] und Spott kann auf eine scherzhafte Art gebraucht werden, beydes verträgt sich aber auch mit dem strengsten Ernste, wie uns das Beyspiel der spätern römischen Satiren, und der alten griechischen Jamben beweist, wo diese Mittel dem Zweck des Unwillens und des Hasses dienten.
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.[101] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 113 ff. (114 f.): Warum ist aber dennoch das Verfahren der griechischen[2] und der romantischen[12] Dramatiker in Absicht auf Ort und Zeit[6] so sehr verschieden? [...] 〈114〉 [...] Die Hauptursache des Unterschiedes ist [...] der plastische[3] Geist[12] der antiken[2], und der pittoreske[2] der romantischen[12] Poesie. Die Sculptur richtet unsre Betrachtung ausschließend auf die dargestellte Gruppe, sie entkleidet sie möglichst aller äußern Umgebungen, und wo sie deren nicht ganz entrathen kann, deutet sie solche doch nur leicht an. Die Mahlerey[1] hingegen liebt es, mit den Hauptfiguren zugleich den umgebenden Ort und alle Nebenbestimmungen ausführlich darzustellen, und im Hintergrunde Ausblicke in eine gränzenlose Ferne zu öffnen; Beleuchtung und Perspectiv sind ihr eigentlicher Zauber. Daher vernichtet die dramatische, besonders die tragische Kunst[3] der Alten[10] gewisser〈115〉maßen die Aeußerlichkeiten von Raum und Zeit[6]; das romantische[12] Drama schmückt vielmehr durch deren Wechsel seine mannichfaltigeren Gemählde. Oder noch anders ausgedrückt: das Prinzip der antiken[2] Poesie ist idealistisch, das der romantischen[12] mystisch; jene unterwirft Raum und Zeit[6] der innern Freythätigkeit des Gemüths, diese verehrt diese unbegreiflichen Wesen als übernatürliche Mächte, denen auch etwas göttliches inwohnt. ➢ Volltext.
[102] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.1 (1809), 164: Nichts ist verschiedener als der französische und der spanische Nationalcharakter, folglich auch als der Geist[12] ihrer Sprache[3] und Poesie.
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.[103] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 13 f.: Die antike[2] Kunst[11] und Poesie[11] geht auf strenge Sonderung des Ungleichartigen, die romantische[12] gefällt sich in 〈14〉 unauflöslichen Mischungen; alle Entgegengesetzten: Natur[19] und Kunst[13], Poesie[3] und Prosa[1], Ernst und Scherz, Erinnerung und Ahndung[1], Geistigkeit und Sinnlichkeit, das Irdische und Göttliche, Leben und Tod, verschmelzt sie auf das innigste mit einander. [...] [D]ie gesamte alte[10] Poesie[11] und Kunst[11] [ist] gleichsam ein rhythmischer Nomos, eine harmonische Verkündigung der auf immer festgestellten Gesetzgebung einer schön[1] geordneten und die ewigen Urbilder der Dinge in sich abspiegelnden Welt. Die romantische[12/4] hingegen ist der Ausdruck des geheimen Zuges zu dem immerfort nach neuen[1] und wundervollen Geburten ringenden Chaos, welches unter der geordneten Schöpfung, ja in ihrem Schooße sich verbirgt: der beseelende Geist[12/1] der ursprünglichen Liebe schwebt[1] hier von neuem[2] über den Wassern. Jene ist einfacher, klarer, und der Natur[2] in der selbständigen Vollendung ihrer einzelnen Werke ähnlicher; diese, ungeachtet ihres fragmenta〈15〉rischen Ansehens, ist dem Geheimniß des Weltalls näher. Denn der Begriff[5] kann nur jedes für sich umschreiben, was doch der Wahrheit nach niemals für sich ist; das Gefühl wird alles in allem zugleich gewahr. ➢ Volltext.
[104] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 53: Man verkennt [...] ganz und gar die Rechte der Poesie und des romantischen[12/4] Drama's, welches eben weil es pittoresk[2] ist und sein soll, reichere Umgebungen und Contraposte für seine Hauptgruppen erfodert. In aller Kunst[4] und Poesie, vornämlich aber in der romantischen[12/4], macht die Fantasie[2] als eine unabhängige Seelenkraft, die sich nach eignen Gesetzen regiert, ihre Ansprüche geltend. ➢ Volltext.
[105] A. W. Schlegel, Dramat. Lit. II.2 (1811), 412: Die romantische[12/10] Poesie sucht zwar das Entfernteste zu verschmelzen, allein geradezu unverträgliche Dinge kann sie nicht in sich aufnehmen [...]. ➢ Volltext.
[106] A. W. Schlegel, Vorr. krit. Schr. (1828), XI: So viel ich weiß, ist noch keine gründliche Kritik[5] der Wielandischen Werke vorhanden, worin gezeigt würde, wie er das Idol des Deutschen Publicums geworden und zwanzig bis dreißig Jahre geblieben, und was er für die Ausbildung der Sprache[3], des Versbaues, der Formen unserer Poesie wirklich geleistet habe. Es wäre wohl an der Zeit, von der allzugroßen Vernach〈XII〉läßigung dieses von manchen Seiten liebenswürdigen Schriftstellers abzumahnen..
[107] F. Schlegel, Philos. Lehrj. II (*1796–97), KFSA 18, 24, Nr. 75: Meister = ειρ [ironische3] π [Poesie] (wie Sokrat[es] ironische[3] φ [Philosophie]), weil es π π [Poesie der Poesie]..
[108] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 97, Nr. 150: Die class.[ische][5/7] π [Poesie] hat sich historisch selbst annihilirt; die sentimentale des Sh.[akspeare] annihilirt sich gleichfalls selbst total. Nur die progressive[3/6?] nicht; d. h. sie selbstvernichtet sich wohl oft, aber selbstschafft sich auch gleich wieder..
[109] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 100, Nr. 184: Sentimental[3] ist eine Gattung von großem Umfang; alle progressive[5] π [Poesie] die regressiv ist [...]..
[110] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 102, Nr. 208: Die class.[ische] π
[Poesie]
, die Naturπ[poesie]
, die sentim.[entale] π [Poesie]
[...] annihiliren s.[ich] selbst. Die progressive vereinigt alle, vernichtet s.[ich] selbst immer, setzt s.[ich] aber auch immer wieder..[111] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 104, Nr. 244: Die moderne[1] κρ [Kritik][2] muß eben so aufs Absolute tendenziren als die π [Poesie] – | Gewöhnlich ists nicht κρ [Kritik][2] sondern nur deklamirender Enthusiasm der s.[ich] über die einzelnen Stellen vernehmen läßt und ignoranter Witz[3] der polemisch über das Ganze herfällt..
[112] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 129, Nr. 539: Der Grund des Witzes[4] in der φ [Philosophie] ist der Imperativ 〈(Imperativ der Synthetik)〉: die φ [Philosophie] soll π [Poesie] werden. Der Witz[4] ist in der φ [Philosophie] was πφ [Prophetie] in der π [Poesie]..
[113] F. Schlegel, Fragm. Litt. u. Poes. (*1797), KFSA 16, 166, Nr. 964: Die barbarische (provenzal.[ische]) π [Poesie][11] ist d[er] Keim der Transc[endentalen][1] und der R[omantischen][12/7/9] π [Poesie][11] wie die class[ische][7] Naturπ[poesie] der class[ischen][7] und der progr.[essiven][5] K[unst]π[poesie]..
[114] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 134, Nr. 7: Mein Versuch über das Studium der griechischen[2] Poesie [sc. F. Schlegel, Stud. grch. Poes. (*1795; 1797)] ist ein manierirter Hymnus in Prosa[1] auf das Objektive in der Poesie. Das Schlechteste daran scheint mir der gänzliche Mangel der unentbehrlichen Ironie[1]; und das Beste, die zuversichtliche Voraussetzung, daß die Poesie unendlich viel werth sei; als ob dieß eine ausgemachte Sache wäre.
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.[115] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 143, Nr. 42: Die Philosophie ist die eigentliche Heimath der Ironie[3], welche man logische Schönheit[1] definiren möchte: denn überall wo in mündlichen oder geschriebenen Gesprächen, und nur nicht ganz systematisch philosophirt wird, soll man Ironie[3] leisten und fordern; und sogar die Stoiker hielten die Urbanität für eine Tugend. Freylich giebts auch eine rhetorische Ironie[1], welche sparsam gebraucht vortreffliche Wirkung thut, besonders im Polemischen; doch ist sie gegen die erhabne[4] Urbanität der sokratischen Muse, was die Pracht der glänzendsten Kunstrede gegen eine alte[10] Tragödie in hohem Styl. Die Poesie allein kann sich auch von dieser Seite bis zur Höhe der Philosophie erheben, und ist nicht auf ironische[1] Stellen be〈144〉gründet, wie die Rhetorik. Es giebt alte[10] und moderne[1] Gedichte, die durchgängig im Ganzen und überall den göttlichen Hauch der Ironie[3] athmen. Es lebt in ihnen eine wirklich transcendentale[1] Buffonerie. Im Innern, die Stimmung, welche alles übersieht, und sich über alles Bedingte unendlich erhebt, auch über eigne Kunst[8], Tugend, oder Genialität: im Äußern, in der Ausführung die mimische Manier eines gewöhnlichen guten italiänischen Buffo.
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.[116] F. Schlegel, Lyc.-Fragm. (1797), 156, Nr. 93: In den Alten[10] sieht man den vollendeten Buchstaben[8] der ganzen Poesie: in den Neuern[3] ahnet[3] man den werdenden Geist[12]. ➢ Volltext.
[117] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 32 ff. (33 f.): Schon in den frühesten Zeitaltern der Europäischen Bildung[5] finden sich unverkennbare Spuren des künstlichen Ursprungs der 〈33〉 modernen[1] Poesie. Die Kraft, der Stoff war zwar durch Natur[13] gegeben: das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2] war aber nicht der Trieb, sondern gewisse dirigirende Begriffe[1] [...]. Selbst der individuelle Charakter[1] dieser Begriffe[1] war durch Umstände veranlaßt, und durch die äußre Lage nothwendig bestimmt. Daß aber der Mensch[1] nach diesen Begriffen[1] sich selbst bestimmte, den gegebnen Stoff ordnete, und die Richtung seiner Kraft determi〈34〉nierte; das war ein freyer[10] Aktus des Gemüths. Dieser Aktus ist aber eben der ursprüngliche Quell, der erste bestimmende Anstoß der künstlichen Bildung[2], welcher also mit vollem Recht der Freyheit[10] zugeschrieben wird. Die Phantasterey der Romantischen[12] Poesie, hat nicht etwa wie Orientalischer[1] Bombast eine abweichende Naturanlage zum Grunde. Es sind vielmehr abenteuerliche[3] Begriffe[1], durch welche eine an sich glückliche, dem Schönen[2] nicht ungünstige Phantasie[1] eine verkehrte Richtung genommen hatte. Sie stand also unter der Herrschaft von Begriffen[1]; und so dürftig und dunkel diese auch seyn mochten, so war doch der Verstand[2] das lenkende Prinzip der aesthetischen Bildung[2]..
[118] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 64 f. (65): Interessant[1] nehmlich ist jedes originelle Individuum, welches ein größeres Quantum von intellektuellem Gehalt oder aesthetischer Energie enthält. Ich sagte mit Bedacht: ein größeres. Ein größeres nehmlich als das empfangende Individuum bereits besitzt: denn das Interessante[1] verlangt eine individuelle Empfänglichkeit, ja nicht selten eine momentane Stimmung derselben. Da alle Größen ins Unendliche vermehrt werden können, so ist klar, warum auf diesem Wege nie eine vollständige Befriedigung erreicht werden kann; warum es kein höchstes Interessantes[1] giebt. Unter den verschiedensten For〈65〉men und Richtungen, in allen Graden der Kraft äußert sich in der ganzen Masse der modernen[1/3] Poesie durchgängig dasselbe Bedürfniß nach einer vollständigen Befriedigung, ein gleiches Streben nach einem absoluten Maximum der Kunst. ➢ Volltext.
[119] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 158 f.: Die ganze Masse der modernen Poesie ist ein unvollendeter Anfang, dessen Zusammenhang nur in Gedanken zur Vollständigkeit ergänzt werden kann. Die Einheit dieses theils wahrgenommenen, theils gedachten Ganzen ist der künstliche Mechanismus eines durch menschlichen Fleiß hervorgebrachten Produkts. Die 〈159〉 gleichartige Masse der Griechischen[2] Poesie hingegen ist ein selbstständiges, in sich vollendetes, vollkommnes Ganzes, und die einfache Verknüpfung ihres durchgängigen Zusammenhanges ist die Einheit einer schönen Organisation[7], wo auch der kleinste Theil durch die Gesetze und den Zweck des Ganzen nothwendig bestimmt, und doch für sich bestehend und frey ist. – Die sichtbare Regelmäßigkeit ihrer progressiven[2] Entwicklung verräth mehr als Zufall. Der größte wie der kleinste Fortschritt entwickelt sich wie von selbst aus der vorhergehenden, und enthält den vollständigen Keim der folgenden Stufe. ➢ Volltext.
[120] F. Schlegel, Stud. Grch. Poes. (*1795; 1797), 180: Es giebt eine gewisse Art der Ungenügsamkeit, welche ein sichres Kennzeichen der Barbarey ist. So diejenigen, welche nicht zufrieden damit, daß die Griechische[2] Poesie schön[1] sey, ihr einen ganz fremdartigen Maßstab der Würdigung aufdringen, in ihren verworrnen Prätensionen alles Objektive und Subjektive durch einander mischen, und fordern, daß sie interessanter[1] seyn sollte. Allerdings könnte auch das Interessanteste[1] noch interessanter[1] seyn, und die Griechische[2] Poesie macht von diesem allgemeinen Naturgesetz keine Ausnahme. Alle Quanta sind unendlich progressiv[3], und es wäre wunderbar, wenn unsere Poesie durch die Fortschritte aller vorigen Zeitalter bereichert an Gehalt die Griechische[2] nicht überträfe. ➢ Volltext.
[121] F. Schlegel, Vorr. Grch. u. Röm. (1797), VI: Indessen war es [...] nur nach einer nicht ganz unvollständigen Charakteristik der modernen Poesie möglich, das Verhältniß der antiken[2] Poesie zur modernen, und den Zweck des Studiums der klassischen[7] Poesie überhaupt und für unser Zeitalter insbesondre zu bestimmen. ➢ Volltext.
[122] F. Schlegel, Vorr. Grch. u. Röm. (1797), X f. (XI): Schillers Abhandlung über die sentimentalen[3] Dichter [...] hat außer, daß sie meine Einsicht in den Charakter[1] der inte〈XI〉ressanten[2] Poesie erweiterte, mir selbst über die Gränzen des Gebiets der klassischen[7] Poesie ein neues Licht gegeben. Hätte ich sie eher gelesen, als diese Schrift dem Druck übergeben war, so würde besonders der Abschnitt von dem Ursprunge, und der ursprünglichen Künstlichkeit der modernen Poesie ungleich weniger unvollkommen geworden sein. ➢ Volltext.
[123] F. Schlegel, Vorr. Grch. u. Röm. (1797), XXII: Auf den Grundriß einer Geschichte[7] der Griechischen[2] Poesie soll, sobald als möglich eine Geschichte[7] der Attischen Tragödie folgen. Sie wird nicht allein den höchsten Gipfel, welchen die klassische[7] Poesie erreicht hat, genau bestimmen müssen, sondern auch die Bildungsstufen ihrer Geschichte[1] am deutlichsten erklären können. Denn wie nach der Meynung des Platonischen Sokrates, was sittliche Vollkommenheit eigentlich sei, in der größern Masse des Staats sichtbarer ist, als im einzelnen Menschen: so sind 〈XXIII〉 die Bildungsgesetze der Griechischen[2] Kunstgeschichte in der Attischen Tragödie, wenn ich mich so ausdrücken darf, mit größerer Schrift ausgeprägt. ➢ Volltext.
[124] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 28 ff., Nr. 116: Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[11] ist eine progressive[3/6] Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennte Gattungen der Poesie[11] wieder zu vereinigen, und die Poesie[11/18] mit der Philosophie, und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will, und soll auch Poesie[3] und Prosa[1], Genialität und Kritik[1], Kunstpoesie, und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie[11] lebendig und gesellig, und das Leben und die Gesellschaft poetisch[1] machen, den Witz[1] poetisiren, und die Formen der Kunst[2] mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen, und durch die Schwingungen des Humors[2] beseelen. Sie umfaßt alles, was nur poetisch[4] ist, vom größten wieder mehre Systeme 〈29〉 in sich enthaltenden Systeme der Kunst[12], bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosen Gesang. [...] Nur sie kann gleich dem Epos ein Spiegel der ganzen umgebenden Welt, ein Bild des Zeitalters werden. Und doch kann auch sie am meisten zwischen dem Dargestellten und dem Darstellenden, frey[1] von allem realen und idealen Interesse auf den Flügeln der poetischen[4] Reflexion in der Mitte schweben[5], diese Reflexion immer wieder potenziren und wie in einer endlosen Reihe von Spiegeln vervielfachen. Sie ist der höchsten und allseitigsten Bildung[2] fähig; [...] indem sie jedem, was ein Ganzes in ihren Produkten seyn soll, alle Theile ähnlich organisirt[6], wodurch ihr die Aussicht auf eine gränzenlos wachsende Klassizität eröffnet wird. Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Poesie[11] ist unter den Künsten[2] was der Witz[1] der Philosophie, und die Gesellschaft, Umgang, Freundschaft und Liebe im Leben ist. Andre Dichtarten sind fertig, und können nun vollständig zergliedert werden. Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Dichtart ist noch im Werden; ja das ist ihr eigentliches Wesen, daß sie ewig nur werden, nie vollendet seyn kann. Sie kann durch keine Theo〈30〉rie erschöpft werden, und nur eine divinatorische Kritik[2] dürfte es wagen, ihr Ideal charakterisiren zu wollen. Sie allein ist unendlich, wie sie allein frey[5] ist, und das als ihr erstes Gesetz anerkennt, daß die Willkühr des Dichters kein Gesetz über sich leide. Die romantische[12/14/1/9/4/10/11] Dichtart ist die einzige, die mehr als Art, und gleichsam die Dichtkunst selbst ist: denn in einem gewissen Sinn[1] ist oder soll alle Poesie[11] romantisch[1/11] seyn. ➢ Volltext.
[125] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 64 f., Nr. 238: Es giebt eine Poesie[11], deren Eins und Alles das Verhältniß des Idealen und des Realen ist, und die also nach der Analogie der philosophischen Kunstsprache Transcendentalpoesie heißen müßte. Sie beginnt als Satire mit der absoluten Verschiedenheit des Idealen und Realen, schwebt[5] als Elegie in der Mitte, und endigt als Idylle mit der absoluten Identität beyder. So wie man aber wenig Werth auf eine Transcendentalphilosophie legen würde, die nicht kritisch[1] wäre, 〈65〉 nicht auch das Producirende mit dem Produkt darstellte, und im System der transcendentalen[2] Gedanken zugleich eine Charakteristik des transcendentalen[1] Denkens enthielte: so sollte wohl auch jene Poesie[11] die in modernen[1] Dichtern[3] nicht seltnen transcendentalen[1] Materialien und Vorübungen zu einer poetischen[4] Theorie des Dichtungsvermögens mit der künstlerischen Reflexion und schönen[2] Selbstbespiegelung, die sich im Pindar, den lyrischen Fragmenten der Griechen, und der alten[10] Elegie, unter den Neuern[5] aber in Goethe findet, vereinigen, und in jeder ihrer Darstellungen sich selbst mit darstellen, und überall zugleich Poesie[11] und Poesie[18] der Poesie[11] seyn. ➢ Volltext.
[126] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 68, Nr. 247: Dante's prophetisches Gedicht ist das einzige System der transcendentalen[1/2] Poesie[11], immer noch das höchste seiner Art. Shakespeare's Universalität ist wie der Mittelpunkt der romantischen[12] Kunst[12]. Goethe's rein poetische[4] Poesie[11] ist die vollständigste Poesie[18] der Poesie[11]. Das ist der große Dreyklang der modernen[1] Poesie[11], der innerste und allerheiligste Kreis unter allen engern und weitern Sphären der kritischen[3] Auswahl der Klassiker[4] der neuern[3] Dichtkunst. ➢ Volltext.
[127] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 68, Nr. 250: Wer Fantasie[3], oder Pathos, oder mimisches Talent hat, müßte die Poesie lernen können, wie jedes andre Mechanische. Fantasie[3] ist zugleich Begeistrung und Einbildung; Pathos ist Seele und Leidenschaft; Mimik ist Blick und Ausdruck.
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.[128] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 69, Nr. 252: Eine eigentliche Kunstlehre der
Poesie
würde mit der absoluten Verschiedenheit der ewig unauflöslichen Trennung der Kunst und der rohen Schönheit anfangen. Sie selbst würde den Kampf beyder darstellen, und mit der vollkommnen Harmonie der Kunstpoesie und Naturpoesie endigen. Diese findet sich nur in den Alten, und sie selbst würde nichts anders seyn, als eine höhere Geschichte vom Geist der klassischen Poesie
. ➢ Volltext
.[129] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 70, Nr. 253: In dem edleren und ursprünglichen Sinne[1] des Worts[1] Korrekt, da es absichtliche Durchbildung und Nebenausbildung des Innersten und Kleinsten im Werke nach dem Geist[12] des Ganzen, praktische Reflexion des Künstlers, bedeutet, ist wohl kein moderner[1] Dichter korrekter als Shakspeare. So ist er auch systematisch wie kein andrer: bald durch jene Antithesen, die Individuen, Massen, ja Welten in mahlerischen[4] Gruppen kontrastiren lassen; bald durch musikalische[5] Symmetrie desselben großen Maßstabes, durch gigantische Wiederholungen und Refrains; oft durch Parodie des Buchstabens[8] und durch Ironie[1] über den Geist[12] des romantischen[12] Drama und immer durch die höchste und vollständigste Individualität und die vielseitigste alle Stufen der Poesie von der sinnlichsten Nachahmung bis zur geistigsten Charakteristik vereinigende Darstellung derselben.
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.[130] F. Schlegel, Ath.-Fragm. (1798), 124, Nr. 404: Zur Philologie muß man gebohren seyn, wie zur Poesie und zur Philosophie. Es giebt keinen Philologen ohne Philologie in der ursprünglichsten Bedeutung des Worts[1], ohne grammatisches Interesse. Philologie ist ein logischer Affekt, das Seitenstück der Philosophie, Enthusiasmus für chemische Erkenntniß: denn die Grammatik ist doch nur der philosophische Theil der universellen Scheidungs- und Verbindungskunst. Durch die kunstmäßige Ausbildung jenes Sinns[5] entsteht die Kritik[3], deren Stoff nur das Klassische[3] und schlechthin Ewige seyn kann, was nie ganz verstanden werden mag: sonst würden die Philologen, an deren meisten man die gewöhnlichsten und sichersten Merkmahle der unwissenschaftlichen Virtuosität wahrnimmt, ihre Geschicklichkeit eben so gern an jedem andern Stoff zeigen als an den Werken des Alterthums[3], für das sie in der Regel weder Interesse noch Sinn[5] haben. Doch ist diese nothwendige Beschränktheit um so weniger zu tadeln oder zu beklagen, da auch hier die künstlerische Vollendung allein zur Wissenschaft[1] führen, und die bloße formelle Philologie einer materialen Alterthumslehre und einer humanen Geschichte[4] der Menschheit[2] nähern muß. ➢ Volltext.
[131] F. Schlegel, Fragm. Poes. u. Litt. (*1799), KFSA 16, 274, Nr. 252: Poesie[2/11] ist d[er] ursprüngl[iche] Zustand d.[es] Menschen[1] und auch d[er] letzte. Alle oriental[ische][1] φ [Philosophie] nur π [Poesie][11]. Die höchste Moral wird Poesie[11]. Nur durch Poesie[11] kann der Mensch[1] sein Dasein zum Dasein d[er] Menschheit[2] erweitern. Nur in ihr sind Alle Mittel jedes Einen. – Der Witz[4] ist d[ie] Rückkehr zur Poesie[11]. –.
[132] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 66: Sie traten [...] mit einem unmäßigen Gelächter in die Gesellschaft, und aus den letzten Worten[2], die man hören konnte, ließ sich schließen, daß ihre Unterhaltung sich auf die sogenannten classischen[4] Dichter der Engländer bezog. Man sagte noch einiges über denselben Gegenstand, und Antonio, der sich gern bey Gelegenheit mit dergleichen polemischen Einfällen dem Gespräch einmischte, das er selten selbst führte, behauptete, die Grundsätze ihrer Kritik[2] und ihres Enthusiasmus wären im Smith über den Nationalreichthum zu suchen. Sie wären nur froh, wenn sie wieder einen Classiker in die öffentliche Schatzkammer tragen könnten. Wie jedes Buch auf dieser Insel ein Essay, so werde da auch jeder Schriftsteller, wenn er nur seine gehörige Zeit[6] gelegen habe, zum Classiker. Sie wären aus gleichem Grund und in gleicher Weise auf die Verfertigung der besten Scheeren stolz wie auf die der besten Poesie. So ein Engländer lese den Shakspeare eigentlich nicht anders wie den Pope, den Dryden, oder wer sonst noch Classiker sei; bey dem einen denke er eben nicht mehr als bei dem andern. – Marcus meynte, das goldne Zeitalter sey nun einmal eine moderne[7] Krankheit, durch die jede Nation[1] hindurch müsse, wie die Kinder durch die Pocken. ➢ Volltext.
[133] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 76: Wer Talent zum Reden hatte, widmete sich bey den Römern gerichtlichen Geschäften, und wenn er ein Hellene war, hielt er populäre Vorlesungen über allerley Philosophie. Man begnügte sich, die alten Schätze jeder Art zu erhalten, zu sammeln, zu mischen, abzukürzen und zu verderben; und wie in andern Zweigen der Bildung, so zeigt sich auch in der
Poesie
nur selten eine Spur von Originalität, einzeln und ohne Nachdruck; nirgends ein Künstler, kein classisches Werk in so langer Zeit. ➢ Volltext
.[134] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 80: Die Kunstgeschichte der Spanier, die mit der Poesie der Italiäner aufs innigste vertraut waren, und die der Engländer, deren Sinn[9] damals für das Romantische[12], was etwa durch die dritte vierte Hand zu ihnen gelangte, sehr empfänglich war, drängt sich zusammen in die von der Kunst[3] zweyer Männer, des Cervantes und Shakspeare, die so groß waren, daß alles übrige gegen sie nur vorbereitende, erklärende, ergänzende Umgebung scheint. ➢ Volltext.
[135] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 101 ff. (103): Einen großen Vorzug hat die Mythologie. Was sonst das Bewußtseyn ewig flieht, ist hier dennoch sinnlich geistig zu schauen, und festgehalten, wie die Seele in dem umgebenden Leibe, durch den sie in unser Auge schimmert, zu unserm Ohre[4] spricht. | Das ist der eigentliche Punkt, daß wir uns wegen des Höchsten nicht so ganz allein auf unser Gemüth verlassen. Freylich, wem es da trocken ist, dem wird es nirgends quillen; und das ist eine bekannte Wahrheit, gegen die ich am wenigsten gesonnen bin mich aufzulehnen. Aber wir sollen uns überall an das Gebildete anschließen und auch das Höchste durch die Berührung des Gleichartigen, Aehnlichen, oder bey 〈102〉 gleicher Würde Feindlichen entwickeln, entzünden, nähren, mit einem Worte[1] bilden. [...] | Die Mythologie ist ein solches Kunstwerk[1] der Natur[2]. In ihrem Gewebe ist das Höchste wirklich gebildet; alles ist Beziehung und Verwandlung, angebildet und umgebildet, und dieses Anbilden und Umbilden eben ihr eigenthümliches Verfahren, ihr innres Leben, ihre Methode, wenn ich so sagen darf. | Da finde ich nun eine große Aehnlichkeit mit jenem großen Witz[2] der romantischen[12/4] Poesie[22], der nicht in einzelnen Einfällen, sondern in der Construction des Ganzen sich zeigt, und den unser Freund uns schon so oft an den Werken des Cervantes und des Shakspeare entwickelt hat. Ja diese künstlich geordnete Verwirrung, diese reizende Symmetrie von Widersprüchen, dieser wunderbare ewige Wechsel von Enthusiasmus und Ironie[1], der selbst in den kleinsten Gliedern des Ganzen lebt, scheinen mir schon selbst eine indirekte Mythologie zu seyn. Die Organisazion[8] ist dieselbe und gewiß ist die Arabeske die älteste[1] und ursprüngliche Form der menschlichen Fantasie[2]. Weder dieser Witz[2] noch eine Mythologie können bestehn ohne ein erstes Ursprüngliches und Unnachahmliches, was schlechthin unauflöslich ist, was nach allen Umbildungen noch die alte[5] Natur[1/19] und Kraft durchschimmern läßt, wo der naive[2] Tiefsinn den Schein des Verkehrten 〈103〉 und Verrückten, oder des Einfältigen und Dummen durchschimmern läßt. Denn das ist der Anfang aller Poesie[11], den Gang und die Gesetze der vernünftig denkenden Vernunft[1] aufzuheben und uns wieder in die schöne[1] Verwirrung der Fantasie[2], in das ursprüngliche Chaos der menschlichen Natur[1/19] zu versetzen, für das ich kein schöneres[1] Symbol bis jetzt kenne, als das bunte[2] Gewimmel der alten[10] Götter[5]. ➢ Volltext.
[136] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 103: Wären uns nur die Schätze des Orients[1] so zugänglich wie die des Alterthums[3]! [...] Im Orient[1] müssen wir das höchste Romantische[4] suchen, und wenn wir erst aus der Quelle schöpfen können, so wird uns vielleicht der Anschein von südlicher[3] Gluth, der uns jetzt in der spanischen Poesie so rei〈104〉zend ist, wieder nur abendländisch[2] und sparsam erscheinen.
➢ Volltext
.[137] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 107: Ich kann die didaktische Poesie nicht für eine eigentliche Gattung gelten lassen, ebensowenig wie die romantische[1]. Jedes Gedicht soll eigentlich romantisch[1/11] und jedes soll didaktisch seyn in jenem weitern Sinne[1] des Wortes[1], wo es die Tendenz nach einem tiefen unendlichen Sinn[2] bezeichnet. ➢ Volltext.
[138] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 121: Die alte[10] Poesie [...] vermeidet [...] den eigentlich historischen Stoff. Die alte[10] Tragödie sogar ist ein Spiel, und der Dichter, der eine wahre Begebenheit, die das ganze Volk[1] ernstlich anging, darstellte ward bestraft. Die romantische[12] Poesie hingegen ruht ganz auf historischem Grunde [...]. Das erste beste Schauspiel, das Sie sehn, irgend eine Erzählung die Sie lesen; wenn eine geistreiche Intrigue darin ist, können Sie fast mit Gewißheit darauf rechnen, 〈122〉 daß wahre Geschichte[9] zum Grunde liegt, wenn gleich vielfach umgebildet. ➢ Volltext.
[139] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 122: Ich habe ein bestimmtes Merkmal des Gegensatzes zwischen dem Antiken[2] und dem Romantischen[12] aufgestellt. Indessen bitte ich Sie doch, nun nicht sogleich anzunehmen, daß mir das Romantische[12] und das Moderne[1] völlig gleich gelte. [...] Wollen Sie sich den Unterschied völlig klar machen, so lesen Sie gefälligst etwa die Emilia Galotti, die so unaussprechlich modern[5] und doch im geringsten nicht romantisch[7] ist, und erinnern Sie sich dann an Shakspeare, in den ich das eigentliche Centrum, den Kern der romantischen[12/7] Fantasie[3] setzen möchte. Da suche und finde ich das Romantische[12/7], bey den ältern[1] Modernen[1], bey Shakspeare, Cervantes, in der italiänischen Poesie, in jenem Zeitalter der Ritter, der Liebe und der Mährchen, aus welchem die Sache und das Wort[1] selbst herstammt. Dieses ist bis jetzt das einzige, was einen Gegensatz zu den classischen[3] Dichtungen des Alterthums[3] abgeben kann [...]. ➢ Volltext.
[140] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 122 f. (123): Wie unsre Dichtkunst[2] mit dem Roman[1], so fing 〈123〉 die der Griechen mit dem Epos an und löste sich wieder darin auf. | Nur mit dem Unterschiede, daß das Romantische[1/4/7/9] nicht sowohl eine Gattung ist als ein Element der Poesie, das mehr oder minder herrschen und zurücktreten, aber nie ganz fehlen darf. Es muß Ihnen nach meiner Ansicht einleuchtend seyn, daß und warum ich fodre, alle Poesie solle romantisch[1/4/7/9] seyn; den Roman[1] aber, in sofern er eine besondre Gattung seyn will, verabscheue. [...] Ein Roman[1] ist ein romantisches[1/4/7/9] Buch. – Sie werden das für eine nichtssagende Tautologie ausgeben. [...] Das Schauspiel soll auch romantisch[1/4/7/9] seyn, wie alle Dichtkunst[2]; aber ein Roman[1] ists nur unter gewissen Einschränkungen, ein angewandter Roman[1]. ➢ Volltext.
[141] F. Schlegel, Gespr. Poes. (1800), 181 f.: Ludoviko. [...] Der Geist[12] der Poesie ist nur einer und überall derselbe. | Lothario. Allerdings der Geist[12]! Ich möchte hier die Eintheilung in Geist[12] und Buchstaben[8] anwenden. Was Sie [...] dargestellt oder doch angedeutet haben, ist, wenn Sie 〈182〉 wollen, der Geist[12] der Poesie. Und Sie werden gewiß nichts dagegen haben können, wenn ich Metrum und dergleichen ja sogar Charaktere[7], Handlung[3], und was dem anhängt, nur für den Buchstaben[8] halte. Im Geist[12] mag Ihre unbedingte Verbindung des Antiken[2] und Modernen[1] Statt finden [...]. Nicht so im Buchstaben[8] der Poesie. Der alte[10] Rhythmus z. B. und die gereimten Sylbenmaaße bleiben ewig entgegengesetzt. ➢ Volltext.
[142] F. Schlegel, Ideen (1800), 4 f. (5), Nr. 4: Die Religion[1/3] ist die allbelebende Weltseele der Bildung[5], das vierte unsichtbare Element zur Philoso〈5〉phie, Moral und Poesie, welches gleich dem Feuer, wo es gebunden ist, in der Stille allgegenwärtig wohlthut, und nur durch Gewalt und Reiz von außen in furchtbare Zerstörung ausbricht. ➢ Volltext.
[143] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 50: Eine gründliche Kenntniß jener schönen[1] südlichen
Poesie
, die wir vorzugsweise die romantische zu nennen gewohnt sind, ist [...] nothwendig [...]. ➢ Volltext
.[144] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 51: Auch die neulateinischen Quellen und Anfänge der romantischen
Poesie
, sollen in der Folge von der Untersuchung nicht ausgeschlossen seyn. ➢ Volltext
.[145] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 54: Die Anfänge der spanischen, oder für jene ältere[1] Zeit besonders genauer zu reden, der castilianischen Poesie, sind sehr einfach. Lieder in der eigenthümlichen spanischen ganz musikalischen[5], äußerst zarten und wortspielenden Form, worin es wohl nicht leicht eine andre Sprache[3] dieser gleich thun wird; das ist die eigenthümlichste Blüthe dieses Bodens. Man könnte noch die Ritterbücher dazu rechnen, besonders den Amadis wegen des schönen[1] Styls; auch weil sich, wenn gleich die erste Anlage dieses durchaus rein erfundnen Romans[1] den Nordfranzosen gehören sollte, wie so mancher andre romantische[1] Stoff, der aber erst durch die Deutschen, Italiäner und Spanier 〈55〉 Form erhielt, viele andre Ritterdichtungen doch erst in Spanien daran angeschlossen haben. ➢ Volltext.
[146] F. Schlegel, Beitr. mod. Poesie (1803), 55: [S]päterhin beschränkten sich die Italiäner auf ihre eigne Nationalität, begnügten sich nur mit dem, was ihre ersten Dichter von den Provenzalen genommen hatten, oder wagten Versuche, den Dichtern des römischen Alterthums[3] nachzueifern. | Nicht so in der spanischen Poesie; sie eignete sich von allen Seiten her ausländische Formen und Reize an, die verschiedensten romantischen[2/4/5/6/7/8] Elemente treffen hier zusammen, um endlich die vollkommenste und farbigste Blüthe der Phantasie[1] hervorzubringen und zum höchsten Glanz zu vollenden. ➢ Volltext.
[147] F. Schlegel, Reis. n. Frankr. (1803), 7 f. (8): Die Reise von da [sc. Weimar] bis Frankfurt führt durch größtentheils angenehme und mannichfaltige, ja sogar schöne[1] Gegenden, aber keine derselben kommt dem Eindrucke gleich, welchen die Wartburg zu Eisenach mir gegeben hat. Schöneres[1] hab' ich in Deutschland nichts gesehen, als diese Burg auf einem einzelnen, ehedem ganz waldum〈8〉kränzten Berge, rundum von Felsen und Thälern und Hügeln umschlossen. Der Anblick des Abends ward noch durch ein heraufsteigendes Gewitter verschönt, vielleicht auch durch den Ruhm des Namens und durch die Erinnerung an die Zeiten[3], da die Poesie hier in voller Blüthe stand, und durch ganz Deutschland das allgemeine Element des Lebens, der Liebe und der Freude war. Nur der Rhein hat noch einen gleichen Eindruck auf mich machen können. [...] Ich kann nur von den Betrachtungen und von den Empfindungen reden, die sie in mir erregt haben. Wenn man solche Gegenstände sieht, so kann man nicht umhin, sich zu erinnern, was die Deutschen ehedem waren, da der Mann noch ein Vaterland hatte. Man fühlt es recht und glaubt es zu verstehen, beim Anblick solcher Felsenschlösser, wie die Wartburg, warum die Alten auf den Höhen des Landes in ihren Burgen lebten und welche Lebensfreude damit verbunden war. Seitdem nun die Menschen herabgezogen sind zu einander und sich alles um die Landstrassen versammelt hat, gierig nach fremden[1] Sitten wie nach fremden[1] Gelde, stehen die Höhen und Burgen verlassen und die Kunst[6] scheint verloren, dieses herrliche Land auf die edelste und angemessenste Art zu bewohnen und zu beherrschen. ➢ Volltext.
[148] F. Schlegel, an A. W. Schlegel (26. 10. 1805), KJ 1, 239: Fouqué's Romanzen haben mir gefallen und sind sehr romantisch[14], doch finde ich sie wie alle neudeutsche Poesie viel zu leicht und seicht..
[149] F. Schlegel, Gedanken (*1808–09), KFSA 19, 268, Nr. 34: Eintheilung der Poesie nicht in episch-lyrisch dramatisch – sondern in Lied – Gedicht und Schauspiel. – Gedicht ist das gemischte, didaktische – romantische[1] – Lied das Höchste der reinen Poesie..
[150] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 477 f. (478): Da die spanische Dichtkunst überhaupt ohne allen fremdartigen Einfluß und durchaus rein romantisch[7] geblieben ist, da die christliche Ritterpoesie des Mittelalters bey dieser Nation[1] am längsten bis in die Zeiten[3] der neuern[3] Bil〈478〉dung[5] fortgedauert, und die kunstreichste Form erlangt hat, so ist hier wohl der rechte Ort, das Wesen des Romantischen[12/7] überhaupt zu bestimmen. Es beruht allein auf dem mit dem Christenthum und durch dasselbe auch in der Poesie herrschendem [sic] Liebegefühl, in welchem selbst das Leiden nur als Mittel der Verklärung erscheint, der tragische Ernst der alten[10] Götterlehre und heidnischen Vorzeit in ein heiteres[5] Spiel der Fantasie[1] sich auflöst, und dann auch unter den äußern Formen der Darstellung und der Sprache[1] solche gewählt werden, welche jenem innren Liebegefühl und Spiel der Fantasie[1] entsprechen. In diesem Sinne[1], da das Romantische[7] bloß die eigenthümlich christliche Schönheit[1] und Poesie bezeichnet, sollte wohl alle Poesie romantisch[7] seyn ➢ Volltext.
[151] F. Schlegel, Gesch. d. Lit. (1812), Dt. Mus. 1, 483: So wie aber unter den protestantischen Ländern England in der Verfassung der geistlichen[2] Gewalt und in den äußern Gebräuchen und Einrichtungen noch am meisten von der alten[6] Kirche beybehielt, so blühte auch hier die Poesie zuerst wieder in kunstreicher Gestalt und schöner[1] Bildung[10] empor und zwar ganz sich anschließend an die romantische[7] Weise der südlichen katholischen Völker[1]. Spenser, Shakspeare, Milton bestätigen dieß. Wie sehr Shakspeare das Romantische[7] der alten[6] Ritterzeit und auch die südlicheren Farben der Fantasie[20] in seinen Darstellungen liebte, darf nicht erst erinnert werden; Spenser ist selbst Ritterdichter, und er wie Milton folgten bestimmten romantischen[7], besonders italienischen Vorbildern. Je näher die Litteratur uns tritt, je reicher sie in den neuern[3] Zeiten[3] anwächst, je nothwendiger wird es mir, meine Betrachtung nur auf solche Dichter und Schriftsteller zu beschränken, welche den Gipfel der Sprache[3] und Geistesbildung einer Nation[1] bezeichnen, und welche eben darum auch für das Ganze und für andre Nationen[1] die wichtigsten und lehrreichsten sind. In der That aber erschöpfen jene drey größten Dichter, welche England hervorgebracht hat, auch Alles was in der ältern[1] Epoche ihrer Poesie, im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert merkwürdig und groß ist. ➢ Volltext.
[152] Sulzer, Allg. Theor. I (1771), 252: Also kann die Poesie jede Triebfeder der Seele in Würksamkeit setzen, und mit zauberischer Kraft über die Herzen der Menschen herrschen. Diese Würkung hat sie nicht nur denn, wenn sie von feiner Kunst[2] und tiefforschender Critik[1] unterstützt wird: blos Natur[15] und Genie[2] sind dazu schon hinlänglich. Die Dichter scheinen noch immer die Größten zu seyn, die die Natur[15] zu Dichtern gemacht, ehe die Kunst[8] dem Genie[2] sich zur Gehülfin angebothen hat..
[153] L. Tieck, an Wackenroder (28. 12. 1792), VL 2, 107: Vertiefe Dich übrigens ja nicht zu sehr in die Poesie des Mittelalters, es ist so ein erstaunliches Feld von Schönheit[3] vor uns, ganz Europa und Asien und vorzüglich das alte[10] Griechenland und das neue[5] England, daß ich fast verzweifle, mich je an diese Nachklänge der Provencalen zu wagen. Vergiß ja über das angenehme das wahre schöne[1] nicht. Soviel ich die Minnesänger kenne, herrscht auch eine erstaunliche Einförmigkeit in allen ihren Ideen, es ist überhaupt schon gar keine Empfehlung für den poetischen[4] Geist[20] dieses Zeitalters, daß es nur diese eine Art von Gedichten gab, nur diesen Zirkel von Empfindungen, in denen sich jeder wieder mit mehr oder weniger Glück herumdrehte..
[154] L. Tieck, Zerbino (1799), 19: Ich habe hier ein Buch geschrieben [...]. Es soll dazu dienen, die gespannte Phantasie[1] wieder etwas herabzustimmen, den Verstand aufzuklären, indem wir das Unförmliche einsehn, und uns so in der Poesie unvermerkt zum Klassischen[3/5] und Vollendeten zu führen..
[155] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XX: Diese schöne Zeit[3] der Poesie konnte nicht von langer Dauer sein, und sie wurde auch bald von politischen Begebenheiten gestört, wenn auch nicht die Zeit[1] selbst sie vernichtet hätte. Die Fürsten entzogen sich den Dichtern und der Adel gab die Beschäftigung mit der Poesie auf; wir finden sie nach einiger Zeit[6] fast ganz aus dem Leben verschwunden, als ein zunftmäßiges Handwerk wieder. Das freie Spiel ist ihr untersagt, alle Zier und Künstlichkeit ist steife Regel und Vorurtheil [...], fast alle Gedichte sind moralischen Inhalts oder gereimte Erzählungen aus der Bibel und andern gelesenen Büchern, besonders seit der Reformation, und Hans Sachs steht als der vorzüglichste und geistreichste Poet in dieser Versammlung, dessen Witz[1] und komische Laune wirklich frölich, dessen Ansicht des Lebens auf eine große Art vernünftig ist, und dessen allegorische Gedichte oft sogar das Gepräge einer ältern und viel poetischern[1] Zeit[3] tragen.
➢ Volltext
.[156] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XXIII: Im Süden hatte sich alle Poesie in Phantasie[18] verflüchtigen, im Norden hatte sie sich schon früh in Gemeinheit, Alltäglichkeit und Gleichgültigkeit verliehren wollen. Mit diesem, ihrem widerwärtigsten Gegentheil vermählte sie dieser unergründliche Geist[32] [sc. Schakspeare] und gab ihr die moralische Kraft und die Kühnheit, das Schicksal darzustellen und auszusprechen, die wir an ihm nie genug bewundern können. Er zieht einen magischen Kreis der schmerzhaftesten Ironie[1] um seine Phantasieen[19], aus welchem sie nicht weichen dürfen, und die uns nun eben so heiter[5] als wehmüthig, eben so groß und gewaltig, als beengt und niedergedrückt erscheinen wollen. Eben so räthselhaft als Cervantes, ergreift uns in seiner Gegenwart eine Bangigkeit, weil wir ein Geheimniß spüren, welches uns die frische Heiterkeit[4] des südlichen Dichters in jedem Augenblick wieder vergessen läßt.
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.[157] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), XXIV f. (XXV): Seitdem ist die Nachahmung jener künstlichen Formen der Italiäner [...] häufig versucht worden [...]. Es wird [...] vielleicht nicht ohne Nutzen sein, an eine Zeit[3] zu erinnern, in welcher 〈XXV〉 Natürlichkeit und Künstlichkeit sich gleich unbefangen und reizend zeigten, um den Freunden der Poesie Gelegenheit zu geben, neben jenen klassischen[4] Formen sich auch mit frühern bekannt zu machen, die jene erklären und auch für sich aller Aufmerksamkeit würdig sind.
➢ Volltext
.[158] L. Tieck, Vorr. Minnelied. (1803), 493 f. (494): Unter den Dichtern aber erreichte Racine in Sprach- und Verskunst eine harmonische Vol〈494〉lendung, wie sie nach meinem Gefühl weder Milton im Englischen, noch auch Virgil im Römischen haben, und die nachher in der französischen Sprache[3] nie wieder erreicht worden ist. Für das Ganze der Poesie[1] hätte man wohl wünschen mögen, daß für die Dichtersprache besonders, neben dieser kunstreichen Vollendung, auch etwas mehr Freyheit[9] übrig gelassen wäre; daß man die altfranzösische Poesie[11] der Ritterzeit, die doch so vieles Schöne[1] und Liebliche, in Erfindung und Sprache[3] hervorgebracht, nicht so ganz unbedingt und ohne Ausnahme verworfen, verachtet und vergessen hätte. Man hätte immer, wie ja auch von den Italienern und andern Nationen[1] geschehen war, einen kunstreichern und ernstern Styl mit dem dichterischen Geist[12] der Ritterzeit verbinden können. Die französische Poesie[1] und die Sprache[3] würde dann etwas mehr von jenem romantischen[2/7] Schwunge und jener alten[6] Dichter-Freyheit[9] erhalten haben, die ihr Voltaire so oft zurück wünscht, und die er ihr auch obwohl zu spät und nur mit halbem Gelingen zum Theil wieder zu geben suchte. ➢ Volltext.
[159] L. Tieck, Phantasus I (1812), 396: Häufig [...], wenn wir vom Dramatischen sprechen, verwechseln wir dieses mit dem Theatralischen, und wiederum ein mögliches besseres Theater mit unserm gegenwärtigen und seiner ungeschickten Form; und in dieser Verwirrung verwerfen wir viele Gegenstände und Gedichte als unschicklich, weil sie sich freilich auf unsrer Bühne nicht ausnehmen würden. Sehn wir also ein, daß ein neues[1] Element erst das dramatische Werk als ein solches beurkundet, so ist wohl ohne Zweifel eine Art der Poesie erlaubt, welche auch das beste Theater nicht brauchen kann, sondern in der Phantasie[19] eine Bühne für die Phantasie[2] erbaut, und Compositionen versucht, die vielleicht zugleich lyrisch, episch und dramatisch sind, die einen Umfang gewinnen, welcher gewissermaßen dem Roman[1] untersagt ist, und sich Kühnheiten aneignen, die keinem andern dramatischen Gedichte ziemen. Diese Bühne der Phantasie[2] eröffnet der romantischen[1/4] Dichtkunst[1] ein großes Feld, und auf ihr dürfte diese Magelone und manche alte[1/11] anmuthige Tradition sich wohl zu zeigen wagen..
[160] Uhland, Romant. (H1807), 139: Die Griechen in einem schönen[[[[BedeutungsVerweis ID='433' Anzeige='1' Formatierung='1']]]] genußreichen Erdstriche wohnend, von Natur[[[[BedeutungsVerweis ID='40' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] heiter[[[[BedeutungsVerweis ID='224' Anzeige='5' Formatierung='1']]]], umdrängt von einem glänzenden thatenvollen Leben, mehr äusserlich als innerlich lebend, überall nach Begrenzung und Befriedigung trachtend, kannten oder nährten nicht jene dämmernde Sehnsucht nach dem Unendlichen. Ihre Philosophen suchten es in lichten Systemen aufzufassen, ihre Dichter stellten jeder innern Regung des Höheren äusserlich eine helle, mit kräftigen Umrissen abgestochene, mit bezeichnenden Attributen ausgerüstete Göttergestalt entgegen. Ihr Olymp stand in lichter Sonne da, jeder Gott[[[[BedeutungsVerweis ID='189' Anzeige='4' Formatierung='1']]]], jede Göttin ließ sich klar darauf erblicken. | Einzelne Erscheinungen in der griechischen[[[[BedeutungsVerweis ID='119' Anzeige='2' Formatierung='1']]]] Poesie sind vielleicht mehr für uns romantisch[[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]], als sie es für die Griechen selbst waren. .
[161] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 19: Man hat die Kunst[4] und Poesie des Mittelalters mit dem Namen der romantischen[13], die Kunst[4] und Poesie der Alten[10] mit dem Namen der klassischen[7] getauft, welcher Name und Gegensatz von einer deutschen Dichterschule, Tieck und den beiden Schlegeln, die man selbst zur neuromantischen Klasse[1] zählte, ausging, in Deutschland viel Streit und Gerede machte und seit einem Dezennium auch in Frankreich und Italien die größten Spaltungen erregte, indem die jungen französischen und italienischen Dichter sich zu den deutschen Romantikern[3] schlugen, und im Gegensatze zu den Nachahmern des altklassischen Stils sich mehr der britischen und deutschen Phantasiefülle und Regellosigkeit hingaben, worin sie hauptsächlich das Wesen der Romantik[13] erblickten. Überhaupt hat man viel Mißbrauch mit beiderlei Namen getrieben, und man ist sich noch jetzt, weder in Deutschland, noch bei unsern Nachbarn selten klar, worin denn eigentlich das unterschiedliche Wesen der einen und der andern Art bestehe. Vielleicht drückt man sich darüber am richtigsten aus, wenn man sagt, die Kunst[2] der Alten[10], das ist die Klassik[5], habe darin bestanden, daß sie jede Idee, die sie darstellen wollten, sei's mit dem Meißel, am Stoff des Marmors, sei's mit dem Griffel, am Stoff der Sprache[1], daß sie jede darzustellende Idee, so vollkommen an diesem Stoffe ausdrückten, daß nichts 〈20〉 mehr und nichts weniger als eben die Idee selbst sinnlich vor Augen trat; dagegen die Kunst[2] der Romantiker[2] darin bestand und besteht, daß sie die Idee im sinnlichen Stoff keineswegs vollkommen erschöpften, sondern nur symbolisch an ihm darstellten, so daß man bei ihren Gebilden immer etwas mehr hinzuzudenken habe, als man vor Augen sähe. Die Ursache war denn die, daß die alten[10] griechischen[1] Künstler, nach ihren Begriffen[1] von sinnlicher Form und Schönheit[1], alle diejenigen Ideen zur Darstellung verschmähten und von sich wiesen, welche sie nicht in feste Form vollkommen einfassen konnten, die Künstler und Dichter des Mittelalters aber sich kein Bedenken daraus machten, das Höchste und Tiefste, was nur die Menschenbrust fassen, aber kaum ein sterblicher Mund aussprechen konnte, symbolisch in Formen und Gestalten wenigstens anzudeuten. Daß uns eine solche Kunst[2] der Bedeutsamkeit, eine solche Symbolik der Religion[1] und der Liebe aus den Denkmälern des Mittelalters überall anweht, uns bald heimlich, bald großartig, bald abenteuerlich[3] ergreift und etwas Unendliches, Ahnungsvolles, Sehnsüchtiges in uns anregt, wird jeder gestehen, dem das Mittelalter bekannter geworden ist wie aus Büchern der neuern[9] Zeit[3] über dasselbe..
[162] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 110: Zunächst wird jeder gleich sehen, daß [...] jeder heutige Ästhetiker sich in den Fall versetzt findet, mit hinlänglicher Willkür [...] aus dem Chaos untergegangener Schönheiten[3] beliebig dies und jenes auszuwählen, bald mehr die klassischen[7], bald mehr die romantischen[13] zu begünstigen, bald mehr die Kunst[4], bald mehr die Poesie in sein Gebiet hereinzuziehen, oder auch den rhetorischen Schönheiten[3] das Uebergewicht zu verstatten..
[163] Wienbarg, Aesth. Feldzg. (1834), 193: Vielerlei sind der Sprachen[9], Zungen und Charaktere[9] auf der Welt, die einander nicht verstehen; die Poesie aber ist die heilige Flammenzunge, die aus aller Herzen zu aller Herzen spricht und jeden Menschen[1] mit süßem Verständnis bewegt. Die Poesie ist die Natur[19], die ursprüngliche Menschheit[1], die sich mit jeder besonderen Erscheinung der Menschheit[1] auf dem Felde der Geschichte[1] gattet und daher, so allgemein menschlich sie in ihrer Quelle ist, doch jedesmal einer besonderen Menschheit[3], einem gewissen Zeitalter eigentümlich angehört. Man kann daher mit Recht von einer katholischen und griechischen[2] Poesie sprechen, von einer romantischen[13] und klassischen[7], nur wird man sich hüten, den Gegensatz unmittelbar in das Wesen der Poesie selbst zu setzen, die Poesie ist nur die eine bei allen Völkern[1], Zeiten[5] und Zuständen, aber der Strahl dieser einen Sonne bricht sich tausendfach in der geistigen Atmosphäre und verursacht dadurch ein buntes[2] Farbenspiel von Weltpoesien, deren Verständnis, nach Rückerts Ausdruck, allein zur Weltversöhnung führt..
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