Allerdings dürfte davon auszugehen sein, dass der Herzog von Bayern (zugleich Pfalzgraf bei Rhein) über das oder die so genannte große Komitiv verfügte, d. h. de jure berechtigt war, den niederen Adel1 reichsgültig zu verleihen. ⦿ De facto war es aber anscheinend gleichwohl ins Belieben des Weimarer Herzogs Carl August gestellt, dies anzuerkennen oder eben auch nicht. – Die Hintergründe von Herders Nobilitierung und der daran anschließenden Querelen erläutert Kratzsch 2009, 176: „Herders Sohn Adelbert war [...] als Ökonomie-Verwalter auf ein Gut in Franken gegangen. Im April 1801 bot sich ihm die Möglichkeit, das Gut Stachesried im kurfürstlich-bayerischen Rentamt Straubing vorteilhaft zu erwerben. Zunächst wurden die notwendigen Gelder besorgt, die Eltern bauten schon Luftschlösser, vor allem erhofften sie, damit ihrer eigenen Schulden ledig zu werden. Doch da ergaben sich adelsrechtliche Schwierigkeiten für die Erwerbung durch einen bürgerlichen Käufer, die nur durch einen schleunigst zu erwerbenden Adelsbrief hätten sicher und nachhaltig beseitigt werden können. Herder bewarb sich sogleich am kaiserlichen Hof um eine Nobilitierung und erhielt nicht einmal eine Antwort auf seinen Antrag. Inzwischen war aber das Gut gekauft, und die Schwierigkeiten immer bedrohlicher geworden. Herder wandte sich nun hilfesuchend an seinen alten Freund, den Grafen Görtz, der durch Fürsprache beim Kurfürsten Maximilian IV. Joseph von Bayern und Pfalz-Zweibrücken schließlich einen pfälzischen Adelsbrief erwirken konnte. Als Herder diese Erhöhung durch einen fremden Fürsten seinem Landesherrn mitteilte, dazu noch einen Adelstitel, der nur von wenigen Staaten akzeptiert wurde, antwortete Carl August überhaupt nicht, nahm den Adel offiziell nicht zur Kenntnis, erklärte aber, er wolle nun Schiller einen unwidersprechlichen Adel verschaffen. Goethe gelang es erst viel später, ein Arrangement zwischen Carl August und Herder zu schaffen, das eine gewisse Anerkennung bringen sollte.“ Vgl. auch Schmidt-Möbus/Möbus 1998, 151: „Den Antrag auf Standeserhöhung durch einen fremden Fürsten hatte er [Herder] gestellt, weil er seinem an der Landwirtschaft interessierten Sohn Adalbert ein Gut in der Nähe von Regensburg gekauft hatte. Dem bayerischen Adel stand ein Rückkaufsrecht zu, und durch die Erhebung in den Adelsstand sicherte Herder den Besitz seines Sohnes. Das Haus Weimar, namentlich Carl August, war einerseits äußerst empört über diesen Schritt, andererseits bot der Kompromiß des einstigen Adelsfeindes und Gedankenrevolutionärs Anlaß für viel Spott. Carl August weigerte sich zunächst strikt, den Titel von fremden Gnaden anzuerkennen. Erst auf Goethes Intervention hin wurde Herders Titel von Carl August sehr widerwillig akzeptiert – was Herder dankbar zur Kenntnis nahm.“ – Der Weimarer Herzog lehnte offenbar die Nobilitierung seiner eigenen Landeskinder durch andere Fürsten nicht prinzipiell ab. Der russische Adel des aus Weimar stammenden August von Kotzebue wurde am Weimarer Hof bereits vor der Hochzeit des Erbprinzen mit der Schwester des russischen Zaren (1804) akzeptiert: Caroline Schlegel (an A. W. Schlegel [11. 3. 1802], C 2, 315) berichtet, Kotzebue habe „sein Adelsdiplom producirt“, d. h. ›behördlich eingrereicht‹, „damit seine Frau an den Hof gehn kann“.