Die Verschmelzung der drei Bereiche Theorie, Kritik und Geschichte ist die Gegenposition zur abstrakten Allgemeinheit und Systematik des philosophisch-spekulativen Diskurses. In den frühen Briefen über Poesie, Silbenmaaß und Sprache erklärt A. W. Schlegel, dass er „die Theorie, an sich betrachtet, nicht liebe, sondern sie nur als ein nothwendiges Uebel ansehe“ (A. W. Schlegel, Brf. Poes. I–II [1795], 86), und fordert für sie „statt des wissenschaftlichen Vortrags [...] die mehr anziehende historische Form“ (ebd.). Den „Machtgebote[n] des Systems“ und den „gesetzgebende[n] Anmaaßungen des Philosophen in einem ihm fremden Gebiete“ (ebd.) stellt er eine „Weltgeschichte der Phantasie und des Gefühls“ (ebd.) gegenüber. Dieser historische Zugriff auf die Theorie findet sich auch an anderer Stelle: „Die notwendigen verschiedenen Richtungen der poetischen Kraft oder die Gattungen aus einem philosophischen Prinzip abzuleiten, scheint die oberste Aufgabe einer streng wissenschaftlichen Poetik zu sein. Wir gehen aber auch hier [...] den leichteren historischen Gang“ (A. W. Schlegel, Vorles. philos. Kunstlehr. [!1798–99], 59). – Leicht heißt hier ›eingängig‹, nicht ›einfach‹. Schlegels Anforderungen an die Kunstgeschichte sind beträchtlich und gewinnen noch zusätzlich dadurch an Gewicht, dass der historisch-empirische Diskurs sich mit dem po(i)etologischen berührt: „Die vollkommen anschauliche Kunstgeschichte wäre [...], wiewohl in prosaischer Form, eine Poesie in der zweyten Potenz, und die Entfaltung der Künste ließe sich vielleicht am tiefsten in einem großen Gedicht darstellen“ (A. W. Schlegel, Berl. Vorles. I [!1801–02], 194). Denselben Gedanken trägt Friedrich Schlegel bereits einige Jahre früher vor: „Poesie kann nur durch Poesie kritisirt werden. Ein Kunsturtheil, welches nicht selbst ein Kunstwerk ist, entweder im Stoff, als Darstellung des nothwendigen Eindrucks in seinem Werden, oder durch eine schöne Form, und einen im Geist der alten römischen Satire liberalen Ton, hat gar kein Bürgerrecht im Reiche der Kunst.“ (F. Schlegel, Lyc.-Fragm. [1797], 165, Nr. 117).