„Kunstrichter. Dieser Name kommt eigentlich nur demjenigen zu, der außer den Talenten und Kenntnissen des Kenners [...] auch noch alle Kenntnisse des Künstlers besitzet, dem 〈632〉 es also, um ein Künstler zu seyn, nur an der Fertigkeit der Ausübung fehlet. Wie der Kenner beurtheilet er den Werth eines Kunstwerks; aber überdem weiß er noch wie der Künstler zum Zwek gekommen ist: er kennet alle Mittel ein Werk vollkommen zu machen und entdecket die nächsten Ursachen der Unvollkommenheit desselben. Sein Urtheil geht nicht blos auf die Erfindung, Anlage und die Würkung eines Werks, sondern auf alles was zum mechanischen der Kunst gehört, und er kennet auch die Schwierigkeiten der Ausübung. | Darum ist er der eigentliche Richter über alles, was zur Vollkommenheit eines Kunstwerks gehöret, und der beste Rathgeber des Künstlers; da der Kenner bloß dem Liebhaber zum Lehrer dienet. Wer mit Ehren öffentlich, als ein Kunstrichter auftreten will, muß sowohl den Kenner als den Künstler zurechte weisen können. Wenn jener mehr verlanget, als von der Kunst zu erwarten ist, muß er ihm sagen, warum seine Erwartung nicht kann befriediget werden, und wann dieser gefehlet hat, muß er ihm zeigen, wo der Mangel liegt und durch was für Mittel ihm hätte können abgeholfen werden.“ (Sulzer, Allg. Theor. II [1774], 631 f.)