Dialekte werden als „untergeordnete, mehr oder weniger rohe oder verderbte Abarten einer vollkommeneren Hauptsprache“ gesehen (A. W. Schlegel, Berl. Vorles. II [!1802–03], 550). Immer wieder begegnendes Beispiel sind die romanischen Sprachen, die als Derivate des klassischen Latein „zuerst corrumpirte Dialekte des gemeinen Volkes“ gewesen seien (A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. [!1803–04, 340), und auch für das Griechische wird eine Vorgängigkeit der Leitvarietät postuliert, wenn dessen – allerdings positiv bewertete – Subsysteme als charakteristische „Ausbildungen“ der „allgemeinen Sprache [...] in verschiednen Richtungen“ beschrieben werden (A. W. Schlegel, Vorles. üb. Enz. [!1803–04, 324). – Zwar vertritt Schlegel in Bezug auf das Beispiel des Griechischen auch die anscheinend entgegengesetzte Meinung: Die Vielzahl der unregelmäßigen Verben im Griechischen rührt „unstreitig aus dem Zusammenflusse vieler Local-Dialecte her, wo aus dem einen dieß aus dem andern jenes beybehalten ward“ (ebd.), so dass offenbar die regionalen Varietäten zeitlich vor der Gemeinsprache angesetzt sind. Diese ist ihnen jedoch der Idee nach vorgeordnet – als jene relationale Größe, ohne die von Varietäten gar nicht gesprochen werden könnte. Besonders deutlich wird dieser Gedanke bei Bernhardi: Für ihn besteht die Sprache eines Volkes ursprünglich aus mehreren „im Ganzen ähnlichen“ Idiomen („Stammsprachen“) mehrerer benachbarter Völkerschaften („Stämme“), die einige gemeinsame Charakteristika, eine Schnittmenge von Eigenschaften aufweisen. Eben diese „allgemeine Aehnlichkeit“ macht die „eigentliche Landessprache“ aus, eine nicht wirklich gesprochene Varietät, sondern ein sprachliches Ideal, in Hinsicht auf das die „Stammsprachen“ dann als „Dialekte“ erscheinen (Bernhardi, Sprachlehre I [1801], 110 f.).