Eines der zentralen Theoreme der literarischen Frühromantik ist die – bei F. Schlegel aus ursprünglicher „Gräcomanie“ (Schiller, [[[LiteraturVerweis ID='1662' Anzeige='Xen.' Formatierung='1']]] 1797 [1796], 348, Nr. 320) hervorgegangene Ansicht von der Gleichwertigkeit der Antike und der Moderne. Bei diesem Konzept, das als Positionierung in der zeitgenössi­schen Querelle des anciens et des modernes anzusehen ist, tritt die Antike[[[BedeutungsVerweis ID='108' Anzeige='1' Formatierung='3']]], das Altertum[[[BedeutungsVerweis ID='32' Anzeige='3' Formatierung='3']]], das Klassische[[[BedeutungsVerweis ID='27' Anzeige='7' Formatierung='3']]] als abgeschlossene Epoche mit den ihr bei­gelegten Attributen des Maßvollen, klar Gegliederten, der ästhetischen Per­fek­tion, der Objektivität usw. (vgl. klassisch[[[BedeutungsVerweis ID='22' Anzeige='3' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='24' Anzeige='5' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='25' Anzeige='6' Formatierung='1']]]) der (älteren) Moderne, dem Romantischen[[[BedeutungsVerweis ID='43' Anzeige='12' Formatierung='3']]], Progressiven[[[BedeutungsVerweis ID='128' Anzeige='5' Formatierung='3']]] gegenüber: dem Zeitraum vom Mittelalter bis etwa zum 17. Jahrhundert, dem die Charakteristika der Unabgeschlos­sen­heit, der Befriedigungslosigkeit, des unablässigen Strebens nach dem Un­end­lichen zugeschrieben werden, der Tendenz zur ästhetischen Entgren­zung und Regellosigkeit und zum Sichverlieren in der Mannigfaltigkeit der Er­scheinungen. Um der Progressivität (vgl. progressiv[[[BedeutungsVerweis ID='45' Anzeige='3' Formatierung='3']]]) ein Ziel zu geben, ent­wickelt die frühromantische Theorie das Programm einer Synthesis des für beide Epochen, Antike und ältere Moderne, jeweils Charakteristischen, die zu verwirklichen der jüngeren Moderne (d. h. der eigenen Gegenwart um 1800 sowie der Zukunft) aufgegeben wird.

„Antike und Moderne treten damit in einen dialektischen Spannungsbezug, den es in der französischen, englischen und bisherigen deutschen Behandlung des querelle-Themas nicht gegeben hatte. Die Moderne scheidet sich hier nicht von der klassischen Antike ab, sondern setzt sich – in Fichtescher Terminologie – in die lebendigste ,Wechselwirkung’ mit ihr. Schlechte Modernität, so könnte man es formulieren, besteht im bloßen Abschei­den, im bloßen Fortschreiten, in der ständigen Steigerung des Interessanten und Pi­kanten. Genuine Modernität befindet sich in einem ebenbürtigen Verhältnis zur Klassik und manifestiert sich in einem Wettstreit mit ihr. Das wahre Griechenland rückt vom Anfang der europäischen Literaturgeschichte an deren unerreichbares Ende. Paradox ausgedrückt ließe sich sagen [...], daß Schlegel nicht auf einer Seite der querelle des anciens et des modernes focht, sondern auf beiden. August Wilhelm Schlegel folgte die­sen geschichtsphilosophischen Ansichten seines Bruders“ ([[[LiteraturVerweis ID='1515' Anzeige='Behler 1986' Formatierung='1']]], 169).

Die Tatsache, dass dieses Synthesis-Programm zwei unterschiedliche Mo­delle – die Dualität eines Antagonismus von Antike und Moderne und die Triadik eines dialektischen Fortschreitens – dadurch zusammenzubringen sucht, dass sie sowohl die Antithese als auch die Synthese des dialektischen Dreischritts in die Moderne setzt, führt zu einem Spannungsverhältnis, das die frühromantischen Theoretiker nicht auflösen können, das sie vielmehr ganz bewusst akzeptieren. Die Spannung ist bis in die Semantik der Schlag­wörter hinein erkennbar: Die klaren Antonymieverhältnisse zwischen klas­sisch[[[BedeutungsVerweis ID='27' Anzeige='7' Formatierung='3']]], antik[[[BedeutungsVerweis ID='186' Anzeige='2' Formatierung='3']]], alt usw. einerseits und romantisch[[[BedeutungsVerweis ID='43' Anzeige='12' Formatierung='3']]], progressiv[[[BedeutungsVerweis ID='128' Anzeige='5' Formatierung='3']]], modern usw. andererseits, die sich auch in den qualitativen Bestimmungen erkennen las­sen (z. B. klassisch[[[BedeutungsVerweis ID='24' Anzeige='5' Formatierung='3']]] vs. romantisch[[[BedeutungsVerweis ID='33' Anzeige='3' Formatierung='3']]], klassisch[[[BedeutungsVerweis ID='24' Anzeige='5' Formatierung='3']]] vs. romantisch[[[BedeutungsVerweis ID='42' Anzeige='11' Formatierung='3']]]/progres­siv[[[BedeutungsVerweis ID='45' Anzeige='3' Formatierung='3']]], klassisch[[[BedeutungsVerweis ID='25' Anzeige='6' Formatierung='3']]] vs. romantisch[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='3']]]), stehen partiellen Synonymieverhältnissen zwischen denselben Lexemen gegenüber (z. B. zwischen klassisch[[[BedeutungsVerweis ID='25' Anzeige='6' Formatierung='3']]] und romantisch[[[BedeutungsVerweis ID='34' Anzeige='6' Formatierung='3']]]). Dies führt dann in logischer Konsequenz dazu, dass die se­mantischen Felder eines und desselben Lexems Verhältnisse der Hyperse­mie ⦿ (progressiv[[[BedeutungsVerweis ID='128' Anzeige='5' Formatierung='3']]] vs. progressiv[[[BedeutungsVerweis ID='35' Anzeige='6' Formatierung='3']]]), der Antisemie ⦿ (romantisch[[[BedeutungsVerweis ID='33' Anzeige='3' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='34' Anzeige='6' Formatierung='1']]] vs. ro­mantisch[[[BedeutungsVerweis ID='64' Anzeige='7' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]]), sogar der Tekaisemie ⦿ (romantisch[[[BedeutungsVerweis ID='69' Anzeige='10' Formatierung='3']]] zu romantisch[[[BedeutungsVerweis ID='33' Anzeige='3' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='34' Anzeige='6' Formatierung='1']]] einer­seits und romantisch[[[BedeutungsVerweis ID='64' Anzeige='7' Formatierung='1']]]/[[[BedeutungsVerweis ID='276' Anzeige='8' Formatierung='1']]] andererseits) aufweisen.